Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, im Namen meiner politischen Freunde etwas zu wiederholen, was von meinen Herren Vorrednern bereits über den Haushalt gesagt worden ist. Weder den grundsätzlichen Ausführungen des Kollegen Dr. Vogel noch den von den Vertretern anderer Fraktionen vorgetragenen Argumenten brauche ich etwas hinzuzufügen. Ich möchte lediglich auf die Vorbemerkungen eingehen, die uns in dieser Form und in diesem Ausmaß erstmalig unterbreitet worden sind. Diese Vorbemerkungen lassen eindeutig erkennen, daß Stil, Form, Tendenz und Motive unserer gesamten Finanzpolitik in Bund, Ländern und Gemeinden keine Harmonie aufweisen. Diese finanzpolitische Harmonie scheint mir aber eines der ganz großen Probleme zu sein, die wir im Anblick der Zustände jenseits des Eisernen Vorhanges hier bei uns zu lösen haben. Der Herr Finanzminister hat in seinem Schlußwort ausdrücklich darauf hingewiesen, daß wir hier in dem Geisteskampf zwischen Ost und West stehen. Zu diesem Geisteskampf gehört nach der Auffassung meiner politischen Freunde zumindest das Bemühen, die finanzpolitische, steuerpolitische, finanzverwaltungsmäßige Übereinstimmung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden herzustellen. Für eine derartige harmonische Entwicklung ist nach all dem, was wir den Vorbemerkungen an Spannungsverhältnissen, an ungeklärten Zahlen- und Größenverhältnissen, an fragwürdigen Zuständigkeiten entnehmen können, eine Änderung des Grundgesetzes unerläßlich. Wir werden ohne Grundgesetzänderung — das haben die letzten Jahre bewiesen — in dem Spannungsverhältnis Bund/Länder einerseits und in dem Spannungsverhältnis Länder/Gemeinden andererseits nicht zu einer klaren und übersichtlichen, vor allen Dingen nicht zu einer gerechten Finanzpolitik kommen, weder für alle . Kreise unseres Volkes, noch auch für alle öffentlichen Organe, die Selbstverwaltung der Gemeinden, die Hoheitsverwaltungen der Länder und des Bundes. Ich habe deshalb die dringende Bitte an alle Fraktionen dieses Hohen Hauses, daß wir uns gemeinsam ernstlich überlegen, wie wir die restlichen Jahre der zweiten Legislaturperiode des Bundestages dazu benutzen können, auf dem Wege zu einer finanz- und steuerpolitischen Harmonie einmal einen großen Schritt nach vorwärts zu tun, auch wenn wir dabei an Änderungen des Grundgesetzes nicht vorbeikommen.
Herr Kollege Vogel hat beispielsweise erklärt, er persönlich sei nicht dagegen, den Gemeinden einen Zuschlag zur Einkommensteuer zuzusprechen, um eine völlig andersgeartete kommunale Steuerpolitik zu ermöglichen. Damit ist eines der Probleme angesprochen, das höchst aktuell ist. Herr Professor Gülich machte soeben den Einwurf: „Und der Bundesrat?" Darauf kann man nur antworten, daß im Bundesrat doch letzten Endes, parteipolitisch gesehen, politisch-dynamisch gesehen, dieselben Parteien — vertreten durch ihre Minister — sitzen, wie wir sie hier auch haben.
Wir müssen dazu kommen, daß innerhalb der einzelnen Parteien — und das trifft für alle Parteien zu — die Auffassungen nicht derartig verschieden sind, daß wir nicht zu einem echten Ausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden kommen können.
Zweitens ist aus den Vorbemerkungen die Notwendigkeit einer Änderung des Haushaltsrechts, der Haushaltsordnung klar ersichtlich. Auch in diesem Punkte hat die Fraktion der Deutschen Partei die Bitte an alle, daß die Möglichkeiten einer Reform der Haushaltsordnung überprüft und bestimmte, im Interesse der finanzpolitischen Harmonie erforderliche Neufassungen vorgenommen werden.
Drittens stellen die Vorbemerkungen selbst eindeutig fest, daß wir bei dem jetzigen Stand unserer Finanzstatistik bei weitem noch keinen klaren Überblick darüber gewinnen können: Woher stammen die Einnahmen, wohin fließen die Ausgaben, sind die Steuerlasten im Hinblick auf die Steuerträger im einzelnen zumutbar?
Das steht wörtlich in den „Vorbemerkungen" auf den Seiten 40 und 41. Es handelt sich hier um eine der technischen Grundfragen einer umfassenden Finanzstatistik.
Im Haushaltsausschuß haben wir im letzten Jahre einen eingehenden Vortrag gehört über die Möglichkeiten der technischen Erneuerung des Buchhaltungsverfahrens bei den Finanzämtern.
Wir sind darüber unterrichtet worden, daß in einem bestimmten Gebiet, nämlich in Frankfurt und den um Frankfurt herum sitzenden Finanzämtern, das Hollerithverfahren bereits eingeführt ist. Mit dem Hollerithverfahren ist es möglich, alle für die Finanzstatistik erforderlichen Unterlagen sowohl quantitativ wie qualitativ auf dem schnellsten Wege zu beschaffen. Meine politischen Freunde sind deshalb der Ansicht, daß man dieses Verfahren nun nicht mehr auf die lange Bank schieben darf, da wir die Unterlagen, die Sie selbst, Herr Bundesfinanzminister in den „Vorbemerkungen" für die Vollständigkeit der Finanzstatistik aufgestellt haben, praktisch nur auf diesem Wege gewinnen können. Wir sind der Ansicht, daß das im kommenden Haushaltsjahr, koste es was es wolle, durchgeführt werden muß; denn von der Übersicht und von der Kenntnis über die Verteilung der Steuerlasten auf die verschiedenen Schichten der Bevölkerung hängt letzten Endes die Auffassung der Allgemeinheit ab, ob sie steuerlich einigermaßen gerecht behandelt wird.
Wir werden die soziale Eifersucht nie beseitigen können. Wir werden aber zum mindesten dahin kommen müssen, daß wir mit amtlichem, einwandfreiem Material die Verteilung des Sozialprodukts wenigstens bis zu einem höchstmöglichen Grade im Blick auf die steuerliche Gerechtigkeit glaubhaft machen können.
Ich möchte nicht wiederholen, was hinsichtlich des Verwaltungsapparats und über die bisherige Anwendung des Plenarbeschlusses bei der Neubesetzung jeder vierten Behördendienststelle hier gesagt worden ist. Ich möchte vielmehr wieder auf die „Vorbemerkungen" zurückkommen und im Sinne der allgemeinen Finanzpolitik im Bundesgebiet, die ja letzten Endes in Bund, Ländern und Gemeinden eine Einheit bilden muß, darauf hinweisen, daß nach der Auffassung meiner politischen Freunde die Quote der Beteiligung der öffentlichen Hand an den Gesamtinvestitionen, die in den letzten Jahren möglich waren, bei den vermögenbildenden Anlageinvestitionen wesentlich zu hoch ist. In den einschlägigen Zahlen, die Sie veröffentlicht haben, ist davon die Rede, daß im Jahre 1954 30,6 Milliarden DM Bruttoanlageinvestitionen erfolgten= und daß davon 10,3 Milliarden DM auf die öffentliche Hand entfallen. Diese Quote von 33 Oh, und mehr halten meine politischen Freunde für unerträglich im Hinblick auf die Privateigentumsbildung der Staatsbürger im allgemeinen.
Die Gefahren, die sich aus einer derartigen Eigentumsbildung der öffentlichen Hand ergeben, haben wir alle mehr oder weniger im Bewußtsein. Nun gibt es ganz bestimmte Kreise, ganz bestimmte politische Ansichten und Richtungen, die darin gar keine Gefahr sehen, denen es völlig gleichgültig ist, ob das Volkseigentum mehr privatwirtschaftlich oder ob es mehr kollektivistisch-staatswirtschaftlich orientiertes Eigentum ist. Im Hinblick auf die Schlußerklärung des Herrn Bundesfinanzministers über den Geisteskampf zwischen Ost und West bin ich doch der Ansicht, daß wir uns in der westdeutschen Bundesrepublik die Frage des Vorrangs des Privateigentums noch ernster und noch intensiver vorlegen müssen, als es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.
Dazu gehört auch die Einschränkung der Investitionen der öffentlichen Hand, einschließlich der Vermögensbildung dort, wo sie nicht erforderlich ist. Als öffentliche Hand ist hier nicht nur der Bund, sondern sind Bund, Länder und Gemeinden in ihrer Gesamtheit gemeint. Diese grundsätzlichen Fragen scheinen meinen politischen Freunden aus den „Vorbemerkungen" heraus einige der wesentlichsten zu sein, die auch hier zur Debatte gestellt werden müssen.
In der geistigen Auseinandersetzung mit dem Osten sind, glaube ich, die Konturen nicht überall, in allen Parteien und Fraktionen einheitlich. Sie können es aus der Natur der Sache und aus der geschichtlichen Entwicklung heraus nicht sein. Aber es gibt doch bestimmte Probleme, über die einmal ein ernstes Wort gesprochen werden muß. Wenn wir algemeinhin das, was jenseits des Eisernen Vorhangs vor sich geht, die dortige totalitäre Gesellschaftsordnung und Staatsverfassung, ablehnen und als unwürdig oder vielleicht, mit einem volkstümlichen Ausdruck, als böse betrachten, dann müßten wir ja diesseits des Eisernen Vorhanges etwas tun, was man volkstümlich vielleicht das Gute nennt, eine Gesellschaftsordnung schaffen, die man als gut bezeichnen kann. Da es zwischen böse und gut kein Kompromiß gibt, so kann diese Gesellschaftsordnung nur das Gegenteil der Gesellschaftsordnung des Ostens sein. Das Gute ist nun einmal immer das Gegenteil des Bösen und umgekehrt. Ich habe manchmal den Eindruck, daß wir hier versuchen, Kompromisse zu machen. Hier dürfen wir nur ganz kompromißlos denken und politisch handeln.
Diese Kompromißlosigkeit muß in sehr vielen Fragen zum Ausdruck kommen, in denen sich die echten Konturen dieser Auseinandersetzung abzeichnen und verwirklichen müssen. Beispiele: Wenn man drüben das Privateigentum bekämpft und restlos vernichtet, dann müßten wir uns überlegen, wie man hier in jedem Fall mit allen Mitteln, mit aller politischen Dynamik das Privateigentum im Verhältnis zum öffentlichen Eigentum fördern kann.
Wenn man drüben die wirtschaftlich und sozial selbständigen Menschen in Handwerk, Handel, Gewerbe, Bauernschaft, freien Berufen restlos vernichtet, weil Selbständigkeit eben nicht in das totalitäre System paßt, dann müßten wir uns hier überlegen — auch finanzpolitisch überlegen! —, was wir tun können, um hier — im Gegensatz zu der Gesellschaft des Ostens — die selbständige Mittelschicht mit allen Mitteln zu fördern und zu erhalten.
Das muß sich natürlich auch gerade finanz- und steuerpolitisch auswirken. Wenn man drüben die Arbeitsverfassung der Sollerfüller praktiziert, dann müßten wir uns hier, wenn wir das Gute tun wollen, für die Gestaltung unserer Gesellschaftsordnung überlegen, wie wir hier die freiheitliche Arbeitsverfassung des arbeitenden Berufsmenschen noch mehr sichern könnten, als wir es bisher getan haben, und ihn vor allen vermassenden, totalitären, kollektiven Einflüssen abschirmen.
Da wir nun einmal an dem Zustand angelangt sind, wo unser Staat nicht nur ein Staat der Ver-
waltung, nicht nur ein Staat der Ordnung, sondern auch ein Staat der Verteilung geworden ist, nämlich der Verteilung des Sozialprodukts, haben wir die Situation vor uns, daß dieser Staat selbstverständlich auch zum Schiedsrichter über die Verteilung des Sozialprodukts gemacht worden ist und täglich mehr gemacht wird. Dieses Schiedsrichteramt ist ein sehr heißes Eisen und kann auf die Dauer nur dann gelingen, auf die Dauer nur dann mit öffentlicher Glaubwürdigkeit ausgeübt werden, wenn dazu auch die öffentlichen Aufklärungen gegeben werden können, warum das Sozialprodukt so oder so in Anspruch genommen und verteilt wird.
Die erforderliche Finanzstatistik, eine der wesentlichsten Voraussetzungen, fehlt uns im Moment noch, um zu einer finanzpolitischen, steuerpolitisch Harmonie zwischen allen in Betracht kommenden öffentlichen Körperschaften, aber auch mit den sozialpolitischen Selbstverwaltungskörperschaften und manchen anderen Institutionen zu gelangen.
Im Zuge dieser Politik der Förderung des privaten Eigentums haben meine politischen Freunde in finanzpolitischer Beziehung sehr große Sorgen anzumelden. Diese Sorgen bewegen sich in erster Linie um die Grundfrage, ob die Finanzpolitik darauf abgestellt ist, die Lust, die Liebe, die Freude, die Spannkraft derjenigen Menschen zu erhalten, die als selbständige Mittelschicht in unserer Gesellschaftsordnung noch vorhanden sind.
Es kommt j a darauf an, daß man dies unbedingt notwendige Ziel nicht durch Deklarationen, durch politische Reden, durch psychologisch-wirtschaftliche Aufmunterung zu erreichen versucht, sondern dadurch, daß man sich praktisch darüber klar wird, was man tun kann, um die selbständige Mittelschicht finanz- und steuerpolitisch zu erhalten.
Dazu möchte ich zunächst einmal sagen: Meine politischen Freunde sind der Auffassung, daß das, was man schlechthin Mittelstandspolitik der Bundesregierung nennt, im Augenblick und in den letzten Jahren, von unserem Standpunkt aus gesehen, recht blutarm aussieht.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, was vor 14 Tagen Herr Kollege Illerhaus von der CDU gesagt hat: Vier Jahre haben vergehen müssen, ehe überhaupt einmal über eine Mittelstandsfrage gesprochen worden ist. Eine derartige Mittelstandspolitik ist auf die Dauer gesehen nicht mehr glaubwürdig und kommt auf die Dauer gesehen bei den breiten Massen des selbständigen Mittelstandes oder der Mittelschicht nicht mehr an.
Ich bin deshalb der Auffassung, daß wir unter diesem Gesichtspunkt auch einmal die Finanz- und Steuerpolitik für die selbständige Mittelschicht erörtern müssen.
Die wesentliche Belastung, die die selbständige Mittelschicht im letzten Jahre erfahren hat, ist und bleibt das Kindergeld. Meine politischen Freunde sind deshalb der Auffassung, daß die 460 Millionen Aufkommen an Kindergeld nicht eine zusätzliche Belastung der selbständigen Wirtschaft sein dürfen, sondern daß sie von der Allgemeinheit getragen werden und in den Haushalten des Bundes und der Länder erscheinen müssen.
Ich melde eine derartige Forderung für die Haushaltsberatung in zweiter und dritter Lesung hiermit bereits an.
Ferner erleben wir es auf der ganzen Linie, erst recht seit dem August dieses Jahres, daß die mittelständische gewerbliche Wirtschaft praktisch wieder in eine neue Kreditmisere geraten ist. Sie befand sich schon immer in einer sehr schlechten Kreditlage, nicht weil die Banken kein Geld hatten, sondern weil die Zins- und Tilgungslasten für die mittelständische Wirtschaft einfach zu hoch sind.
Nach dieser Richtung hin erleben wir nun seit dem August dieses Jahres wieder neue Belastungen, neue Fehlentwicklungen, die unter allen Umständen repariert werden müssen.
Über den Kapitalmarkt hier etwas zu sagen, ist wohl überflüssig. Die Finanzpolitik hat ja die Möglichkeit, im Interesse der Rationalisierung, des Nachholens von Investierungen in mittelständischen Betrieben, vor allem im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit mehr zu tun, als sie bisher getan hat.
Ich weiß, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie in dieser Frage mit dem verehrten Herrn Bundeswirtschaftsminister einer Meinung sind: keine Subventionen! Ich weiß aber auch, daß wir mit dieser Grundhaltung, die Sie „marktkonform" nennen, auf die Dauer gesehen nicht auskommen.
Solange wir in der Landwirtschaft eine Zinssubvention für langfristige Investitionen nicht entbehren- können, muß die mittelständische gewerbliche Wirtschaft auf diesem Gebiet gleichziehen. Für die langfristigen Investierungen, die in der gewerblichen Wirtschaft nun einmal erforderlich sind, benötigen wir auch eine bis jetzt im Haushalt nicht untergebrachte Zinssubvention, und zwar mindestens in derselben Höhe, wie sie für die Landwirtschaft existiert.
Hinsichtlich der Eigentumsbildung in der mittelständischen gewerblichen Wirtschaft bedaure ich ganz außerordentlich, daß im Etat des Bundeswohnungsbauministers — ich weiß nicht, ob mit Ihrer Zustimmung oder auf Ihre ausdrückliche Veranlassung — die Mittel, die für die Zinsverbilligung zum Bau von gewerblichen Räumen und Läden, d. h. zur echten Eigentumsbildung im gewerblichen Mittelstand, vorgesehen waren, von 4 Millionen DM auf 1 Million DM gekürzt worden sind. Sie werden mir wahrscheinlich antworten: Diese Mittel sind in diesem Jahre nicht in Anspruch genommen worden, und deshalb brauchen wir im Jahre 1956 nur 1 Million DM einzusetzen; dann besteht demnächst die Möglichkeit, für diesen Zweck insgesamt 5 Millionen DM zu verausgaben. Ich kann nicht umhin, zu erklären, daß die Nichtinanspruchnahme dieser Mittel nicht dem gewerblichen Mittelstand zur Last gelegt werden kann. Der Grund liegt darin, daß bis zur Stunde die Richtlinien über die Zinsverbilligung nicht erlassen worden sind.
2. Deutscher Bundestag — 1.18. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1955 6315
Die Bundesregierung hat nicht die Möglichkeit geschaffen, diese Mittel in Anspruch zu nehmen.
Ich bedaure außerordentlich, daß das gemeinsame Wollen von Koalition und Opposition, die in dieser Frage mitgezogen hat, für die Finanzierung von gewerblichen Läden und Werkstätten auf eigenem Grund und Boden Hilfe zu leisten, bis jetzt restlos negativ verlaufen ist. Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat mir heute morgen erklärt, daß die Richtlinien darüber gestern veröffentlicht worden sein, nachdem er sich monatelang mit den Ländern um das Problem herumgestritten habe. Hier haben Sie wieder das Beispiel der finanzpolitischen Disharmonie selbst in derartig haushaltsrechtlich kleinen Angelegenheiten.
Wir bitten also, die 4 Millionen DM nun nicht etwa wegen bisheriger Nichtinanspruchnahme fallenzulassen. Wir werden im Gegenteil beantragen, die 4 Millionen DM im nächsten Jahr beim Etat des Wohnungsbauministers wieder aufleben zu lassen, so daß insgesamt 8 Millionen DM zur Verfügung stehen.
Mit Rücksicht auf die Bildung des Privateigentums als ein Mittel der geistig-politischen Auseinandersetzung zwischen Ost und West unterstützen wir auch Wünsche, die heute von ,dieser Stelle vorgetragen worden sind. Ich glaube, es war Herr Kollege Schoettle, der anregte, den Betrag für die Wohnungsbauwirtschaft und -finanzierung um 200 Millionen DM zu erhöhen. Wir sind der Auffassung, daß man mit Rücksicht auf die gesamte Entwicklung der Wohnungswirtschaft, insbesondere hinsichtlich der Eigentumsprobleme, die damit zusammenhängen, ohne diesen Betrag in Zukunft nicht auskommen kann.
Dazu kommt die auch in der Rede des Herrn Bundesfinanzministers angeschnittene Grundfrage der Kreditgarantiegemeinschaften als einer gewissen Kredit- und Sicherheitshilfe für zukünftige mittelständische Kredite. Auch hier erscheint mir die Frage der Förderung der selbständigen gewerblichen Mittelschicht allzu bagatellmäßig gelöst. Wenn man bedenkt, daß 7 Milliarden DM Bürgschaften des Bundes vorhanden sind und im Augenblick nur 100 Millionen DM für die Kreditgarantiegemeinschaften des Handwerks und des Handels und für diejenigen, die sich jetzt noch in der mittleren und kleinen Industrie oder in der Landwirtschaft bilden könnten, zur Verfügung stehen, so muß man sagen: im Verhältnis zu den 7 Milliarden DM ist das natürlich gar kein Kontingent. Wir werden also darauf zu achten haben, daß die Bankabsicherungen mittelständischer Kredite, Personalkredite, langfristiger oder Investitionskredite, die heute sonst kaum möglich sind, mit wesentlich größeren Bürgschaftsmitteln praktiziert werden können, damit der gewerbliche Mittelstand hinsichtlich seiner Investitionsnotwendigkeiten mit der Industrie gleichziehen und damit zum gleichen Wettbewerbsstart in vielen Branchen kommen kann.
Damit wären wir bei dem Kapitel Steuerfragen angelangt, das vom Standpunkt des gewerblichen Mittelstandes aus gesehen ebenfalls ein heißes Eisen ist. Wir sind nicht der Auffassung — die hier verkündet worden ist —, daß die Manövriermasse für Steuerreformen so klein ist, wie sie der Herr Bundesfinanzminister bislang in der Öffentlichkeit angegeben hat.
Im Gegenteil, wir sind der Meinung, daß jetzt der einzig mögliche Zeitpunkt da ist, im Anblick der Kassenfülle, aber auch im Anblick der in der Zunahme des Sozialprodukts liegenden stillen Reserven der Steuereinnahmen des nächsten Jahres entscheidende Steuerreformen durchzuführen,
und zwar Steuerreformen, bei denen auch die Einkommensteuer hinsichtlich der mitarbeitenden Ehefrauen neu geregelt werden muß. Dabei wird meine Fraktion das Splitting vertreten und nicht etwa mit den bisher vorgeschlagenen Freibeträgen die Sache als erledigt ansehen. Die verschiedenen Denkschriften, die in der letzten Zeit veröffentlicht worden sind - die Denkschrift des Herrn Bundesfinanzministers über die Ehegattenbesteuerung, die Denkschrift des Herrn Bundesfamilienministers über die Familienfürsorge und die Familienpflege überhaupt und manche andere Denkschriften —, zeigen, daß das Problem in seiner Gesamtheit nun einmal endgültig gelöst werden muß. Wir sind der Auffassung, daß die letzte Entscheidung nur bei der getrennten Haushaltsbesteuerung für alle diejenigen Familien liegen kann, wo Ehemann und Ehefrau im Wirtschafts- und Arbeitsprozeß tätig sind. Bei den übrigen Haushalten kann und muß zumindest das Splitting bis zu einem gewissen Höchstbetrag vom Haushaltseinkommen eingeführt werden.
Ich gebe ausdrücklich zur Kenntnis, daß das auch die Auffassung der amtlichen Berufsvertretungen ist. Ich möchte mich dagegen verwahren, daß es sich hierbei etwa um reine Interessentenwünsche handelt. Es ist die Meinung der amtlichen Berufsvertretungen aller mittelständischen Organisationen des Bundesgebietes.
Das zweite, was für die Reform der Einkommensteuer vom Standpunkt des gewerblichen Mittelstandes aus wichtig ist, ist die Bildung freier Rücklagen für die Altersvorsorge. Wir müssen eine steuerfreie Rücklage vom Betriebsgewinn machen können, die als Kapital im Betrieb bleibt, um für das Alter Vorsorge zu treffen. Es ist nicht möglich, das mit dem Hinweis abzutun, für das Alter könne über die Sonderausgaben etwa durch Prämien an Lebensversicherungen oder Kapitalversicherungen gesorgt werden. Ein sehr großer Teil, ich möchte beinahe sagen, der größte Teil der gewerblichen Mittelschicht ist nicht liquide genug, um derartige Prämien zahlen zu können. Wir müssen ihm also die Möglichkeit geben, durch steuerfreie Rücklagen im Betrieb selbst für das Alter vorzusorgen. Die Finanzverwaltung braucht natürlich von Jahr zu Jahr den Nachweis darüber, um sich einen klaren Überblick zu verschaffen. Die steuerfreien Rücklagen für die Altersversorgung unserer mittelständischen Handwerker, Kaufleute, Gewerbetreibenden, mittleren und kleineren Industriellen sind aber ein Problem, das nicht anders gesehen werden darf, als ich es hier dargestellt habe.
Wir stehen ferner auf dem Standpunkt — der auch bereits von anderen Kollegen vorgetragen worden ist —, daß außer getrennter Ehegattenbesteuerung und steuerfreien Rücklagen für die Altersvorsorge — wir werden darüber im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und im Haus-
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haltsausschuß sehr ernst zu debattieren haben — auch eine lineare Steuersenkung in einem bestimmten Ausmaß unter allen Umständen in Erwägung gezogen werden muß.
Für viel wichtiger halten wir es jedoch, im Wege finanzpolitischer Harmonie zwischen Bund, Ländern und Gemeinden endlich einmal das Problem der Gewerbesteuerreform anzugreifen.
Das gehört ebenfalls mit zu den Grundfragen dieses Haushalts. Dieser Haushalt ist aut etwa 32 Milliarden DM aufgebaut, von denen meiner Schätzung nach 11 Milliarden DM an die Länder für alle möglichen Zwecke zurückfließen werden. Wir haben zwar in den Vorbemerkungen keine Statistik, keine einzelnen Angaben, wieviel von diesen 32 Milliarden DM wieder echt auf die Länder verteilt werden. Aber 11 Milliarden sind ungefähr die Quote, die man aus allen Verhandlungen und Besprechungen der Vergangenheit entnehmen kann. Umgekehrt haben wir wieder den Finanzausgleich zwischen Ländern und Gemeinden, und dabei spielen für die Finanzkraft der Gemeinden die Gewerbesteuer, die Grundsteuer und die sonstigen Steuern eine so entscheidende Rolle, daß die Komplexität der Bundes- und Ländersteuern und der Kommunalsteuern als Ganzes gesehen werden muß, wie ich bereits betont habe. Dabei erweist sich vom Standpunkt des gewerblichen Mittelstandes aus die Gewerbesteuerreform als dringend notwendig. Ich will diese Frage nur anschneiden, ohne in Einzelheiten der Gewerbesteuerreform einzusteigen.
Auch bezüglich der Verbrauchsteuern, wie sie vom Herrn Finanzminister vorgeschlagen sind, werden wir bei den Beratungen unsere positive Haltung zur Kenntnis geben in der Hoffnung, daß das Gesamtbukett der möglichen Steuersenkungen in seiner Gesamtheit erörtert wird. Denn alles, was wir bisher an amtlichen Erörterungen zur Kenntnis genommen haben, halten wir für vorsichtigstes Vorgefecht. Wir wissen, daß im Endeffekt bei der dritten Lesung des Haushalts nachher immer noch etwas anderes herauskommt als das, was in diesem Vorgefecht bereits zugegeben wird. Herr Bundesfinanzminister, wir sind der Auffassung, daß diesmal das Vorfeld sehr, sehr eng abgesteckt worden ist. Wir hoffen, daß dieses Vorfeld im Laufe der Verhandlungen sich von Stufe zu Stufe erweitern wird, wenn wir an die Manövriermasse denken, die wir uns vorstellen.
Nun zu einem letzten Kapitel! Wir haben weiterhin große Sorge, daß die finanzpolitischen Zustände in Bund, Ländern und Gemeinden auf die Dauer für die Landwirtschaft nicht erträglich sind. Wenn heute in der Tagespresse verkündet worden ist, daß 200 000 ha neue Landbeschaffungen, zu einem Teil für Verteidigungszwecke, erforderlich sein sollen, dann bedeutet das bei einer durchschnittlichen Bauernhofgröße von 7,5 ha, wie wir sie praktisch haben, 26 000 Bauernhöfe.
— Das ist keine Ente, Herr Vogel, sondern das ist eine Tatsache, daß den 200 000 ha derartiger Geländeflächen diese Zahl von Bauernhöfen entspricht. Wir haben unter diesem Gesichtspunkt zu
erwägen, daß für all die öffentlichen Landbeschaffungen, die nunmehr erforderlich sind, in erster Linie bereits vorhandenes öffentliches Gelände in Anspruch genommen und weitestgehend von der Enteignung bäuerlichen Grund und Bodens abgesehen wird. Wir haben darüber hinaus ernstlich zu prüfen, ob nicht bereits im öffentlichen Besitz befindliches landwirtschaftliches Gelände wieder den Bauern zur Verfügung gestellt wird. Ich denke an die 12 000 ha öffentlichen Besitzes im SalzgitterGebiet, die nicht so unbedingt zur wirtschaftlichen Betätigung der Salzgitter-Werke gehören.
Sie sind damals im Zuge der großen Enteignungsmaßnahmen enteignet worden und können nunmehr, weil in der öffentlichen Hand überflüssig, an das Bauerntum zurückgegeben werden.
Wir müssen für Ödlandkultivierungen mit Rücksicht auf die große Landinanspruchnahme etatmäßig mehr tun, als vorgesehen ist. Wir können im Emsland und auch im Küstenland mehr tun, um Umsiedlerstellen zu schaffen, die jetzt im Zuge dieser Entwicklung notwendig werden, wenn unter Umständen mehr Bauernland für Verteidigungszwecke benutzt werden muß. Wenn Sie einmal einen Blick hi die Vorbemerkungen werfen — ich bin dem Herrn Bundesfinanzminister außerordentlich dankbar, daß er einmal Zahlen angegeben hat —, dann werden Sie feststellen, daß Bund, Länder und Gemeinden vom Jahre 1949 bis zum Jahre 1954 für 1,2 Milliarden DM Landbeschaffungen vorgenommen haben,
die in das Vermögen der öffentlichen Hand übergegangen sind.
Rechnen Sie im Jahre 1955 noch praeter propter 400 Millionen DM dazu, dann sind von 1954 bis 1955 für Landbeschaffung für die öffentliche Hand 1,6 Milliarden DM aufgewandt worden. Man muß diese Zahlen und die dahinter stehenden Größenflächen einmal auf sich wirken lassen. Ich bin überzeugt, daß es sich nicht in jedem Falle um Bauernland handelt, es wird sich zum Teil auch um andere Grundstücke und andere Landarten handeln. Aber immerhin ist ja neulich einmal von der Landwirtschaft erklärt worden, daß seit dem Jahre 1948 landwirtschaftlicher Grund und Boden zu anderen Zwecken, zu industriellen Zwecken, zu Verkehrszwecken und sonstigen Zwecken, in der Größenordnung des Regierungsbezirks Köln abgegeben werden mußte.
Man sollte also die Landbeschaffung äußerst vorsichtig handhaben und Umsiedlungen überall dort durchführen, wo es erforderlich wird, und man sollte vor allen Dingen — das möchte ich ganz besonders betonen — bei dieser Landbeschaffung keine nun etwa im Zuge der Zeit liegenden unüberlegten Preise anwenden. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß gerade in der Preispolitik bezüglich des unbebauten Grund und Bodens alles getan werden muß, jede Spekulation zu verhindern. Auch alle diese Fragen haben mit Rücksicht auf die zur Debatte stehenden Gesetze der Raumordnung, der Entschädigung und Enteignung, das Landbeschaffungsgesetz, das Schutzbereichsgesetz und andere, eine finanzpolitische Auswirkung.
Ich darf mich auf diese grundsätzlichen Eigentumsfragen, auf die Fragen der Erhaltung der selbständigen Mittelschicht in finanzpolitischer Hinsicht beschränken. Dabei darf ich noch einmal betonen, daß diese finanzpolitische Harmonie zwischen Bund, Ländern und Gemeinden überhaupt nach unserer Auffassung die Voraussetzung dafür ist, daß nicht einer die Verantwortung auf den anderen abwälzt: die Länder auf den Bund, der Bund auf die Länder, die Gemeinden auf die Länder. In den großen geistigen Auseinandersetzungen zwischen Ost und West spielt diese finanzpolitische Harmonie eine Hauptrolle. Wir werden sie ohne Änderung des Grundgesetzes und ohne Änderung der Reichshaushaltsordnung voraussichtlich nicht schaffen.