Zum Thema der Verbrauchsteuern noch eine letzte, abschließende Bemerkung. Der Herr Bundesfinanzminister stellt — und ich muß hier wieder seinen eigenen Sprachgebrauch anwenden — für die Senkung der Verbrauchsteuern 400 Millionen zur Verfügung. Was das Parlament dazu sagt, das kommt für ihn also erst in zweiter Linie.
— Ich folge nur seinem Sprachgebrauch, Herr Kollege Conring. Ich kann nicht dafür. Er „stellt zur Verfügung" heißt es in der Regel. Ich wende mich gegen diese Form. Schließlich beschließt das Parlament! — Wir sind der Meinung, daß das nicht ausreicht, und insbesondere glauben wir, daß die Senkung der Zuckersteuer auf 10 DM nicht genügend ist und daß entsprechend den von uns zur Konjunkturpolitik eingebrachten Anträgen die Steuern auf den Verbrauch in einem Umfang gesenkt werden können, der das Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern auf ein vernünftiges Maß zurückführt.
Nun komme ich zum materiellen Inhalt des Entwurfs. Es ist natürlich unmöglich und würde dem Sinn einer ersten Beratung widersprechen, wenn ich zu viele einzelne Positionen behandeln wollte. Ich muß mich deshalb auf charakteristische Details beschränken, auf die wir in den kommenden Ausschußberatungen unsere Aufmerksamkeit konzentrieren werden.
Ob der Haushalt wirklich, wie der Herr Bundesfinanzminister erklärt hat, nicht nur formell, sondern auch materiell ausgeglichen ist, wage ich zunächst einmal zu bezweifeln. Denn das Jonglieren mit den rechnungsmäßigen Fehlbeträgen, die schließlich das Ganze schon hinbiegen werden, scheint mir vom Standpunkt der Haushaltswahrheit und -klarheit nicht gerade überzeugend gewesen zu sein. Freilich kann ich auch dem Bundesrat nicht folgen — das will ich hier gleich sagen—, dessen Einwände in manchen Punkten offenbar sehr von der Überlegung bestimmt waren, wie die Wünsche der Länder in der Frage des Bundesanteils und auf anderen Gebieten einigermaßen gerechtfertigt und begründet werden könnten.
Wir Sozialdemokraten sind nicht die Schleppenträger der Länderfinanzminister und des Bundesrates. Wir möchten hier unsere eigene Position ganz entschieden bewahren,
auch wenn es sich um die Auseinandersetzung mit dem Bundesfinanzminister handelt.
Eine besonders peinliche Sache scheint uns zu sein, daß auch in diesem Haushaltsentwurf der Herr Bundesfinanzminister darauf verzichtet hat, den § 75 der Haushaltsordnung anzuwenden.
Das setzt die alte schlechte Übung fort, die Fehlbeträge vergangener Jahre nicht ordnungsgemäß in den Haushalt einzustellen. Ich glaube nicht, daß das im kommenden Haushaltsjahr noch notwendig wäre. Wir werden uns darüber zu unterhalten haben, wenn das Haushaltsgesetz beraten wird.
Ein zweiter Punkt, der Anlaß zu kritischen Überlegungen gibt, ist die noch immer nicht abgeschlossene Erhöhung des Personalstandes. Ich freue mich, daß der Sprecher der größten Regierungspartei in dieser Frage einen sehr entschiedenen Standpunkt bezogen hat, und ich hoffe, daß es dem Parlament gelingt, Entwicklungen zu bremsen, die nicht erfreulich sind. Der Bundeshaushalt weist bei den Beamten, Angestellten und Arbeitern der Bundesverwaltung einen Personalstand auf, der jetzt die 100 000er-Grenze überschritten hat, wenn man den Nachtrag 1955 noch hinzunimmt, in dem ja nicht unbeträchtliche Personalforderungen enthalten sind.
Es werden uns außerdem noch eine Reihe von gewaltigen Personalforderungen bevorstehen, wenn erst einmal das Bundesverteidigungsministerium beginnt, über den noch bescheidenen Kern hinaus in seine eigentlichen, von ihm selbst gesetzten und manchmal nicht immer ganz klar erkennbaren Aufgaben hineinzuwachsen. Jedenfalls wird uns da noch einiges blühen, und es wäre gut, wenn sich
das Parlament jetzt schon mit aller Entschiedenheit auf den Standpunkt stellte, daß das Wachstum der Behörden nicht unter allen Umständen ein unausweichliches Naturgesetz ist, dem nicht entgegengetreten werden kann.
Wie wenig die Mahnungen hier im Hause und in der Öffentlichkeit gefruchtet haben, zeigt sich an der Geschichte der Sonderministerien. Meine Damen und Herren, diese Geschichte, so kurz sie ist, so lehrreich ist sie auch! Der Herr Atomminister Strauß ist uns gestern in der Rede des Herrn Bundesfinanzministers schon als das Haupt eines künftigen selbständigen Ressorts vorgestellt worden. Nun, wir Sozialdemokraten sind nicht fortschrittsfeindlich. Wir wissen, daß die Atomforschung, die Entwicklung der Atomkraft auch im zivilen Bereich eine außerordentlich wichtige und wahrscheinlich in der Zukunft vieles in unserem Leben beherrschende Sache ist. Wir können nicht an der Entwicklung vorbeigehen. Die Bundesrepublik muß selbstverständlich den Versuch machen, den Rückstand aufzuholen, der aus Krieg, Niederlage, Abschließung von der internationalen Forschung und was dergleichen Gründe mehr sind, entstanden ist. Das kann man alles als durchaus richtig und notwendig, wenn nicht geradezu unausweichlich ansehen. Aber man wird gespannt darauf sein dürfen, in welchem Tempo und Ausmaß sich der Aufbau eines eigenen Atomministeriums vollziehen wird. Vor allem muß man gespannt darauf sein, ob die Bundesregierung auch einmal daran denken wird, die Zusammenfassung von Aufgaben in einem Ressort personell dadurch zu ermöglichen, daß sie die Beamten und Angestellten nicht neu anfordert, sondern aus Behörden nimmt, wo sie durch das neue Amt entlastet oder gar überflüssig werden könnten.
Man hat manchmal den Eindruck, als ob die Dinge völlig unorganisch, einfach aus dem Zufall heraus, zunächst einmal geschaffen und dann zwangsläufig weiterentwickelt würden. Das beste Beispiel sind die beiden anderen, noch übriggebliebenen Sonderminister.
Da sind der Herr Minister Kraft und der Herr Minister Dr. Schäfer. Beide sind vom Kabinett mit Sonderaufgaben beauftragt worden, der eine mit Untersuchungen auf dem Gebiete des selbständigen Mittelstandes, der andere mit der Koordinierung der wasserwirtschaftlichen Probleme, beides zweifellos Aufgaben, die absolut notwendig sind. Aber ist es notwendig, daß die beiden Sonderminister, vertreten im Haushaltsausschuß durch das Bundesfinanzministerium, nun auf Grund eines Kabinettsbeschlusses postwendend mit Wünschen kommen, die auf die Entwicklung einer eigenen Behörde hinzielen? Man hat früher einmal scherzweise von der Dame ohne Unterleib gesprochen. Ich habe den Eindruck, daß die Herren Sonderminister zunächst Minister ohne Unterleib waren, daß aber der Unterleib nun nachträglich doch noch geliefert werden soll.
Ich weiß nicht, ob das nun gerade der Weg ist, auf
dem wir gehen sollten, und ich bin froh, sagen zu
können, daß jedenfalls der Haushaltsausschuß diese Versuche nahezu einheitlich abgewehrt hat. Ob er sich damit auf die Dauer durchsetzen wird, ist eine ganz andere Frage. Man hat manchmal das Gefühl, daß sich nicht nur Gesetz und Rechte wie eine ewige Plage fortsetzen, sondern auch Planstellen, Referate und Abteilungen.
Wenn sie erst einmal geschaffen sind, kommt man nicht wieder davon herunter. Wollen wir das auf die Dauer akzeptieren? Bis jetzt ist auch in dem Entwurf des Bundeshaushalts 1956 wenig von einem Streben nach Vereinfachung und Reform zu spüren.
Dasselbe muß auch in einem gewissen Umfang von der Bautätigkeit des Bundes gesagt werden. Wir haben ja vor unserer Nase das schöne große — für mein Gefühl viel zu große — Gebäude des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. Es ist sicher kein Provisorium, was da im Provisorium Bonn gebaut worden ist. Die Frage ist, wie sich das weiterentwickeln soll. Das ist ein Beispiel, aber kein ermutigendes. In diesem Haus schickt sich ein schon jetzt recht üppiger Apparat an, sich weiter auszudehnen. Wenn man sich noch dazu überlegt, daß nach dem Willen der Bundesregierung dieses Presse- und Informationsamt auch die Bewirtschaftung der 2 Millionen DM für die Erzeugung von Wehrbereitschaft — sprich: Wehrpropaganda — haben soll, die im Haushalt des Bundesverteidigungsministeriums ausgebracht werden, dann hat man das Gefühl, daß der Traum des Herrn Staatssekretärs a. D. Lenz von einem Propagandaministerium gerade jetzt allmählich der Erfüllung entgegenreift. War das eigentlich das Resultat all der Proteste gegen die Tendenzen, die seinerzeit sichtbar wurden?
Kommen erst die Bauten im Bereich des Verteidigungsministerium in Gang, dann, glaube ich, müssen wir Schlimmes befürchten. Über die Absichten aus diesem Bereich hört man schon jetzt allerlei, was zu ernsten Sorgen Anlaß gibt, und die gestern vom Herrn Bundesfinanzminister entwikkelte Theorie von der „Exterritorialität" des Verteidigungshaushalts dient in dieser Hinsicht auch nicht zur Beruhigung. Denn wenn dieser Haushalt ganz für sich allein steht, kann man dort ja schließlich alles machen, was man will, wenn nicht rechtzeitig etwas dagegen unternommen wird. Es ist schön zu wissen, daß man, wie uns gesagt worden ist, nicht beabsichtigt, die alten Heeresbauämter wieder einzurichten. Hoffentlich gilt das aber auch auf einem anderen Gebiet, das nicht weniger gefährlich sein kann, nämlich auf dem Gebiet — Herr Dr. Vogel hat es schon angesprochen — der Liegenschaftsverwaltung und der Grundstücksbeschaffung. Man muß sich nur einmal vorstellen, daß diese Tätigkeit, die zweifellos im Zuge der Entwicklung einer Wehrorganisation in Gang kommen wird, sich etwa unter dem Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnis abspielen würde! Was würde da für die öffentliche Hand dann manchmal an unsinnigen Entscheidungen herauskommen! Ich möchte hier mit allem Nachdruck — obwohl das ein Spezialfall ist — meiner Meinung Ausdruck geben, daß alle diese Fragen am besten in der zivilen Hand der Bundesvermögensverwaltung bleiben und daß alle militärischen Stellen aus diesen Dingen völlig ausgeschaltet bleiben.
Sonst befürchte ich, daß sie uns aus der Hand geraten könnten. Überhaupt sollte jede Herauslösung der Streitkräfte aus dem Zusammenhang mit dem zivilen Leben der Nation — auch in den Anfängen schon — unterbunden werden. Leider habe ich in der These des Herrn Bundesfinanzministers, die ich verschiedentlich attackiert habe, einen solchen Anfang gesehen. Vielleicht meint er es nicht so.
Eng verbunden mit dem Verteidigungskomplex ist ein Thema, das in diesen Tagen durch die Verabschiedung eines Gesetzentwurfs im Kabinett parlamentarisch aktuell geworden ist: der zivile Luftschutz. Bei der Beratung des Haushalts 1955 hat der Bundesminister des Innern erklärt, das Luftschutzprogramm der Regierung werde einen ähnlichen Betrag bringen, wie ihn die sozialdemokratische Opposition fordere, nämlich 1,2 Milliarden DM. Wir haben damals verlangt, daß diese 1,2 Milliarden DM aus dem Verteidigungshaushalt genommen werden. Allerdings, so sagte der Herr Minister, wolle die Regierung diese Last auf drei Haushaltsjahre verteilen. Im Entwurf des Bundeshaushalts 1956 finden wir statt der sich aus dieser Erklärung des Herrn Ministers eigentlich ergebenden Summe von etwa 400 Millionen DM nur einen Betrag von 64 Millionen DM beim Etat des Innenministeriums, wozu noch an anderer Stelle 20 oder 30 Millionen DM kommen, so daß insgesamt für Zwecke der Luftschutzes und verwandte Gebiete rund 90 Millionen DM aufgewandt werden. Gemessen an dem, was ohne Beanstandung und mit einem gewissen Schutzwall umgeben im Verteidigungshaushalt für die militärische Seite des Verteidigungskomplexes aufgewandt wird, finden wir, daß die Vernachlässigung des Schutzes der Zivilbevölkerung geradezu aufreizend ist.
Man kann darüber streiten, und es gibt Leute, die der Meinung sind, daß Luftschutz angesichts der Entwicklung der modernen Vernichtungswaffen eine nahezu hoffnungslose Angelegenheit sei. Ich teile diese Ansicht nicht, und meine politischen Freunde teilen sie in ihrer erdrückenden Mehrheit auch nicht, weil sie der Auffassung sind, daß, wenn eine Politik schon mit der Möglichkeit bewaffneter Konflikte rechnet, der Schutz der Zivilbevölkerung eine unausweichliche Notwendigkeit ist, die den eigentlichen Verteidigungsaufgaben mindestens gleichgesetzt werden muß.
Wenn schließlich im Entwurf der Bundesregierung für den zivilen Luftschutz eine Verteilung der Luftschutzlasten zu je einem Drittel auf Bund, Länder und Gemeinden gefordert wird, so müssen wir angesichts der Finanzsituation zahlloser Gemeinden einmal aus diesem Grund schon jetzt dagegen nachdrücklich die schwersten Bedenken erheben, zum andern aber auch dagegen, daß man durch eine offenkundig im luftleeren Raum gebaute Konstruktion wahrscheinlich die Realisierung der Luftschutzmaßnahmen zu einem erheblichen Teil unmöglich macht, daß man also einer unrealistischen These nachjagt. Der Luftschutz ist ein Teil des Verteidigungsbeitrags; daran kann gar kein Zweifel sein. Wir meinen, daß er voll im Haushalt erscheinen muß und daß zu seiner Finanzierung auch die Mittel herangezogen werden sollten, die zwar für Verteidigungszwecke etatisiert sind, die aber dafür nicht gebraucht werden. Nach
den Angaben, die wir kürzlich bei Ausschußberatungen erhalten haben, ist man sogar im Verteidigungsministerium der Auffassung, daß von den im Haushalt 1955 veranschlagten 5,2 Milliarden DM nur etwa 2 Milliarden DM gebraucht werden. Nach derselben Quelle kann der Rest auch im Jahre 1956 nicht aufgebraucht werden. Das Argument des Herrn Bundesfinanzministers, er müsse Reserven ansammeln, können wir auch und gerade in diesem Zusammenhang nicht akzeptieren.
Nun hat der Herr Bundesfinanzminister gestern bei der Betrachtung des Agrarhaushalts eine besonders interessante Note angeschlagen. Ich will nicht auf die Details des Einzelplans 10 eingehen; besorgen Sie das nicht. Neben der Darstellung der besonderen Leistungen der Bundesregierung für die Landwirtschaft behandelte der Herr Bundesfinanzminister ja bekanntlich sehr breit die steuerliche Belastung der Landwirtschaft und bezeichnete sie im Grunde genommen als außerordentlich milde. Was der Herr Bundesfinanzminister da sagte, das klang doch wie eine Polemik, die offenbar an die Adresse der Herren Bauernverbandspräsidenten gerichtet war. Einige der Herren sitzen ja auf den Bänken der größten Regierungspartei. Ich weiß nicht, ob sie deshalb zu den Freunden des Herrn Bundesfinanzministers gehören. Aber das zu untersuchen, ist nicht meine Sache. Ich weiß auch nicht, ob sie sich durch die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers etwa haben überzeugen lassen, die angekündigten Kampfmaßnahmen abzublasen. Das muß man auch abwarten. Immerhin ist es ganz interessant, daß der Herr Bundesfinanzminister als Mitglied der Regierung es für zweckmäßig hielt, in der Richtung der Herren Bauernverbandspräsidenten sehr deutliche Worte zu sprechen. Man brauchte da nicht einmal zwischen den Zeilen zu lesen.
Ich möchte allerdings hinzufügen, Herr Minister: wir Sozialdemokraten bezweifeln, ob das Zahlenspiel, das Sie in einem Teil Ihrer Rede zu der Frage der landwirtschaftlichen Steuerbelastung veranstaltet haben, wirklich beweiskräftig ist. Uns erscheint es eher einseitig und gewagt, einzelne Jahre herauszufischen und ihre Ergebnisse mit denen der gewerblichen Wirtschaft zu vergleichen, mit Werten, die wahrscheinlich gar nicht in vollem Umfang vergleichbar sind. Ich glaube, man sollte hier doch vorsichtig sein.
Nun einige Bemerkungen zum Verkehrshaushalt. Der Herr Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen, daß das Volumen des Verkehrshaushalts in diesem Entwurf 150 Millionen DM mehr betrage als im vorhergehenden. Wir müssen dazu sagen, daß uns angesichts der Gesamtsituation im Verkehrswesen diese Steigerung im Verkehrshaushalt eigentlich recht kümmerlich erscheint.
Denn man kann wohl nicht behaupten, daß etwa im Straßenverkehr eine wesentliche Entlastung eingetreten ist und bereits wesentliche Schritte nach vorwärts gemacht worden sind. Die Mittel für den Straßenbau scheinen uns trotz des Verkehrsfinanzgesetzes, dessen Mittel ja in vollem Umfang in der Summe enthalten sind, noch weit hinter den Bedürfnissen zurückzubleiben. Unser Straßensystem wird beim jetzigen Finanzvolumen in ab-
sehbarer Zeit nicht in Ordnung kommen. Mir scheint, daß auf diesem Gebiet Überlegungen notwendig sind, die eine Verstärkung der Mittel zur Folge haben. Ob das in diesem Haushalt möglich ist, ist eine ganz andere Frage. Aber in den nächsten Jahren müssen wir zu wesentlich größeren Anstrengungen auf diesem Gebiete kommen.
Die Lage der Bundesbahn — Herr Dr. Vogel hat mir da eigentlich etwas vorweggenommen, was ich selber sagen wollte — ist vom Herrn Bundesfinanzminister nach meinem Gefühl und nach der Überzeugung meiner Freunde etwas zu optimistisch betrachtet worden. Ich muß offen sagen, ich habe eigentlich gestaunt, daß der Vorsitzende des Verwaltungsrats der Bundesbahn in einer Situation, in der man doch nur ganz oberflächlich urteilen konnte, als ein sonst sehr nüchterner und verantwortungsbewußter Mann in der Öffentlichkeit Prognosen gestellt hat, die gar nicht durch die Tatsachen gerechtfertigt sind. Die Lage der Bundesbahn erfordert noch immer Bundesmittel, und die Frage, ob diese Bundesmittel notwendig sind, ist, glaube ich, bereits in positivem Sinne beantwortet. Die Einnahmenverbesserungen bei der Bundesbahn sind schließlich kein Wunder. Sie sind im wesentlichen eine Folge der. konjunkturellen Entwicklung, und es wäre merkwürdig, wenn dieses größte öffentliche Wirtschaftsunternehmen von dieser Entwicklung nicht auch einen gewissen Anteil abbekäme. Aber deshalb sollte man gerade jetzt mit den optimistischen Urteilen über die Lage der Bundesbahn außerordentlich zurückhaltend sein.
Ein entscheidender Punkt in den Schwierigkeiten der Bundesbahn ist die Tatsache, daß sie politische Lasten auf sich nehmen mußte, die mit ihrer eigentlichen Aufgabe nicht im Zusammenhang stehen, politische Lasten, die auf dem Zusammenbruch des Staates im Jahre 1945, auf der Vertreibung von Millionen Menschen aus den Ostgebieten und auf anderen Gründen beruhen, die man aber der Bundesbahn als einem Wirtschaftsunternehmen eigentlich nicht zumuten dürfte, genauso wenig wie man etwa einem privatwirtschaftlichen Unternehmen eine solche Last aufbürden könnte, ohne daß es dabei vor die Hunde ginge.
— Bedenken Sie, Herr Kollege Conring, daß die Deutsche Bundesbahn heute einen Personalstand an aktiven Bediensteten hat, der erheblich geringer ist als die Zahl der Pensionäre. Wie soll denn ein Wirtschaftsunternehmen dieser Art sich wirklich entwickeln und wirtschaften können, wenn es eine solche Last zu tragen hat? Wir sind der festen Überzeugung, daß die öffentliche Hand, d. h. der Bundeshaushalt, gar nicht darum herumkommt, der Bundesbahn diese politischen Lasten abzunehmen, damit sie wirklich wirtschaften kann. Daß der Bund das in seinem Haushalt verkraftet, ist eine unausweichliche Notwendigkeit.
Man sollte auch nicht darauf spekulieren, daß sich diese Dinge schon, von selber, einfach durch den Zeitablauf erledigen. Eine solche Spekulation wäre außerordentlich gefährlich.
Ich muß nun eine Bemerkung aus der Rede des Herrn Bundesfinanzministers herauspicken, weil sie außerordentlich aufschlußreich und interessant ist, nämlich eine Bemerkung über den Luftverkehr, über die Lufthansa. Ich fand es eigentlich sehr
niedlich, daß er formulierte: die Privatwirtschaft werde sich sicher an der Lufthansa in größerem Ausmaß erst dann beteiligen, wenn die Schwierigkeiten des ersten Aufbaus überwunden seien.
Meine Damen und Herren, besser hätte kein Sozialdemokrat die Abneigung der Privatwirtschaft kennzeichnen können, im allgemeinen Interesse Risiken zu übernehmen,
und ihre Bereitschaft, einzusteigen, wenn diese Risiken durch die öffentliche Hand bewältigt sind. Wir fürchten, Herr Minister Schäffer wird nicht bereit sein, aus dieser Erkenntnis, die er selber formuliert hat, auf anderen Gebieten die richtigen Konsequenzen zu ziehen.
Schließlich noch eine kritische Bemerkung zu den Wohnungsbaumitteln! Der Herr Bundesfinanzminister hat gestern zufrieden festgestellt, daß diese Mittel gleichgeblieben sind. Herr Kollege Dr. Vogel hat hier sehr anerkennende Worte für die Leistungen auf dem Gebiete des Wohnungsbaus gefunden, und ich bin weit davon entfernt, diese Leistungen abzuwerten. Ich möchte nur behaupten — und ich glaube, das kann ich im Namen meiner Freunde tun —, daß diese Leistungen nicht dazu ausreichen, die Wohnungsprobleme in der Bundesrepublik zu bewältigen.
Wir glauben, daß gar kein Grund zur Zufriedenheit besteht, wenn festgestellt wird, daß die Mittel im Haushalt gleichgeblieben seien. Wir halten eine Verstärkung der Wohnungsbaumittel um mindestens 200 Millionen DM für möglich und für notwendig und wir glauben, daß wir darüber sehr ernsthaft reden müssen, weil nur dadurch, daß diese Mittel verstärkt werden, eine wirklich fühlbare Entlastung auf dem Wohnungsmarkt herbeigeführt werden kann.
In diesem Zusammenhang muß ich sagen, daß ich es eigentlich nicht ganz oder gar nicht verstehe, daß der Herr Bundesminister nicht endlich auch von der Kreditermächtigung Gebrauch macht, die ihm die Haushaltsgesetze Jahr um Jahr geben. Seine Abneigung gegen Anleihen in allen Ehren, und die Berufung auf die Stagnation am Kapitalmarkt ist ja auch ein Argument, das hinkt; man braucht ja nur die Frage aufzuwerfen, warum der Kapitalmarkt stagniert. Hat nicht etwa die Finanz- und Steuerpolitik des Herrn Bundesfinanzministers mit dieser Tatsache auch etwas zu tun? Ich möchte das jetzt nicht im einzelnen untersuchen; die Frage aufzuwerfen ist aber gestattet, Herr Bundesfinanzminister. Also, Ihre Abneigung gegen Anleihen in allen Ehren, aber wenn man schon den außerordentlichen Haushalt — und das hat man gelegentlich unter Berufung darauf getan, daß man dafür nicht ordentliche Einnahmen verwenden dürfe — mit so wichtigen Positionen wie dem Wohnungsbau bestückt, dann sollte man auch den Mut haben, den außerordentlichen Haushalt auf dem Wege zu decken, der im allgemeinen für Investitionen und für den außerordentlichen Haushalt vorgeschrieben ist und immer üblich war, nämlich dem Weg der Aufnahme von Anleihen. Vielleicht werden Sie mit der Bank deutscher Länder gewisse Schwierigkeiten haben; das mag sein. Trotzdem, glaube ich, geht es auf die Dauer nicht, daß Sie mit Ausgaberesten im ordentlichen Haushalt und den Verpflichtungen, die Sie im außerordentlichen Haushalt ein-
gegangen sind — allerdings manchmal mit dem stillen Vorbehalt, der uns häufig begegnet: „soweit Haushaltsmittel dafür zur Verfügung stehen" —, so hin- und herschieben. Aber das sind ja dann immer platonische Versprechungen; und die sollte man doch nicht machen, weil man dadurch Gefahr läuft, die Öffentlichkeit irrezuführen und vielen Menschen Hoffnungen zu machen, die nicht in Erfüllung gehen.
Schließlich einige Bemerkungen zum Sozialhaushalt! Sie können natürlich nicht erschöpfend sein. Der Herr Bundesfinanzminister hat gestern auch beim Sozialhaushalt ein kleines Additionskunststückchen vollbracht.
Sicherlich mit den besten Absichten hat er alle Leistungen von Bund, Ländern, Gemeinden, Sozialversicherungsträgern und ich weiß nicht was alles, zusammengerechnet und daraus den Sozialaufwand der Bundesrepublik errechnet. Es scheint mir etwas zu weit zu gehen — ich muß es ganz offen sagen—, auch noch die Beiträge der Pflichtmitglieder der Sozialversicherung in die Betrachtung des Sozialhaushalts der Bundesrepublik einzubeziehen. Das stellt doch eigentlich die Tatsachen etwas auf den Kopf.
Man sollte das nicht tun, und ich glaube, daß es auch der Sache nach nicht berechtigt ist.
— Das ist eine bescheidene Forderung, Herr Kollege Mellies.
Zweitens. Trotz der festzustellenden Steigerung des Gesamtbetrags des echten Sozialhaushalts des Bundes sind die Renten unzureichend geblieben, und das ist der Maßstab für die Leistung des Bundes.
Die Polemik des Herrn Ministers gegen die Leute, die eine Erhöhung der Renten auf 75 % des Arbeitseinkommens für notwendig halten, richtet sich doch nicht nur gegen die böse Opposition, sondern vor allem auch gegen den Kabinettskollegen des Herrn Bundesfinanzministers, den Bundesarbeitsminister St o r c h, der diese Forderung sehr nachdrücklich erhoben hat. Wir sind der Meinung, daß Herr Storch recht hat
und daß das möglicherweise gar nicht ausreicht, um die Situation einer Reihe von Menschen in unserem Volke einigermaßen geradezurichten. Wir wollen uns nicht mit den sonstigen Ansichten des Herrn Storch identifizieren; bei den Leistungen, die er bei der Sozialreform vollbracht oder vielmehr nicht vollbracht hat, möchten wir das schon gar nicht tun. Aber mir scheint, daß die Polemik, die Herr Bundesfinanzminister gestern gegen seinen Kabinettskollegen geführt hat, an der wirklichen Situation vorbeigeht.
Schließlich ein Wort zur Wiedergutmachung. Gewiß, die Wiedergutmachungsaufwendungen, die im Zuge der Gesetzgebung zum Bundesentschädigungsgesetz auf den Bund zukommen und die schon jetzt geleistet werden, sind beträchtlich. Aber sind sie denn so, daß sie wirklich dem Schaden, dem menschlichen, dem moralischen, dem materiellen Schaden auch nur in etwa näherkommen,
der durch das Dritte Reich an Millionen Menschen angerichtet worden ist? Ich bin immer — in meiner Situation als Vorsitzender eines Ausschusses, der mit finanziellen Dingen zu tun hat, liegt das nahe — geneigt, die Möglichkeiten und die Notwendigkeiten gegeneinander abzuwägen. Aber manchmal finde ich, daß wir von Wiedergutmachung in einem Sinne reden, in idem dieses Wort nicht gebraucht werden dürfte; denn das, was zerschlagen, vernichtet worden ist, kann überhaupt nicht wieder gut gemacht werden.
Was geleistet wird, ist nur ein ganz bescheidener Teil dessen, was wir zu leisten verpflichtet wären, wenn wir vor uns selber bestehen wollen. Bitte, nehmen Sie das als einen Protest gegen eine Situation, von der ich weiß, daß sie nicht leicht zu ändern ist. Nehmen Sie das als die Auflehnung gegen einen Tatbestand, der einmal da ist. Aber ich bin der Meinung, wir alle müßten ein Interesse daran haben, diesen Sachverhalt so wenig schmerzhaft zu machen wie nur möglich. Das ist das mindeste, was wir leisten können.
Darum, meine ich, sollten wir gar nicht die Leistungen für die Wiedergutmachung in irgendeiner Weise mit anderen Leistungen in Vergleich setzen. Wenn wir das täten, dann müßten wir hinzufügen: wir sind in der Bundesrepublik bei dem Ersatz für Schäden auf anderen Gebieten sehr viel großzügiger und sehr viel schneller gewesen als bei der Wiedergutmachung des Unrechts, das vom Nationalsozialismus begangen worden ist.
Ich möchte gar nicht gegen bestimmte Kreise polemisieren, die manchmal sehr laut darüber reden, daß sie noch nicht genug bekommen haben; Sie können sich alle denken, was ich meine.
Nun darf ich zum Schluß kommen. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben gestern mit einer gewissen Genugtuung davon gesprochen, daß der Bundestag durch die Änderung seiner Geschäftsordnung eine Möglichkeit geschaffen habe, in finanzpolitischen Fragen eine Methode zu entwickeln, die verhindere, daß das Parlament zur Unzeit und unter Bedingungen, die für den Bundeshaushalt untragbar sind, finanzielle Entscheidungen, finanzielle Beschlüsse trifft. Wir haben selber an der Formulierung dieses neuen § 96 der Geschäftsordnung des Bundestags mitgewirkt.
Es mag manchem so scheinen, als ob das alles gar nichts mit dem Haushalt zu tun habe. Es hat doch etwas damit zu tun. Denn, Herr Bundesfinanzminister, dieser § 96 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags bringt dieses Parlament und vor allem den Ausschuß, der mit der Beratung des Bundeshaushalts nicht nur einmal im Jahr, sondern laufend zu tun hat, in eine Situation, wo er versagen muß, wenn Sie nicht mitspielen.
Geheimnistuerei, das Verschaukeln von Ziffern und Zahlen und Titeln und Resten ist auf die Dauer nicht mehr möglich, wenn wir in diesem Hause nicht vor uns selber und vor den Menschen, die draußen von Parlament und Regierung etwas erwarten, zum Lügner werden wollen.
3 Da kann ich nur eines sagen — und das gilt für die öffentliche Finanzwirtschaft im allgemeinen —: Legen Sie die Karten auf den Tisch, halten Sie keine zurück! Erst dann wird ein ehrliches Spiel möglich sein.
Entschuldigen Sie, der Hinweis auf Ihre Allgemeinen Vorbemerkungen überzeugt gar nicht; denn es ist nicht so, daß Sie da Ihr Spiel bereits restlos aufgedeckt hätten, Herr Minister. Ich sage noch einmal: wenn Parlament und Regierung — in diesem Fall das Parlament als eine verfassungsrechtliche Institution, nicht geteilt in Regierungskoalition und Opposition — ihre Aufgabe erfüllen wollen, dann müssen sie in erster Linie die volle Wahrheit über den Zustand Ihrer eigenen Kassen, über den Zustand Ihres Haushalts sagen.
Ich kann Ihnen verraten, daß wir bei den kommenden Beratungen das Unsere dazu tun werden, daß die Karten auf den Tisch kommen.