Rede:
ID0211801200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Dr.: 1
    7. Blank.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 118. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1955 6277 118. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1955. Geschäftliche Mitteilungen 6277 C g Glückwünsche zum Geburtstag des Abg: Bauereisen 6277 B Mitteilungen über Beantwortung der Kleinen Anfrage 207 (Drucksachen 1865, 1925) 6277 C Mitteilung über Vorlage der Denkschrift fiber eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 1924) 6277 C Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1956 (Haushaltsgesetz 1956) (Drucksache 1900) 6277 C Dr. Vogel (CDU/CSU) 6277 C, 6291 D, 6292 A Schoettle (SPD) . . 6286 A, 6291 D, 6292 A Dr. Blank (Oberhausen) (FDP) . . 6297 A Niederalt (CDU/CSU) 6301 D Dr. Kather (GB/BHE) . . . 6305 C, 6310 A Dr. Schild (Düsseldorf) (DP) . . . . 6312 B Überweisung an den Haushaltsausschuß 6317 C Nächste Sitzung 6317 C Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 6317 A Die Sitzung wird um 9 Uhr durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Dr. Kopf 31. März 1956 Mensing 1. März 1956 Dr. Starke 28. Februar 1956 Jahn (Frankfurt) 9. Januar 1956 Moll 1. Januar 1956 Peters 1. Januar 1956 Klingelhöfer 31. Dezember 1955 Neumann 21. Dezember 1955 Feldmann 17. Dezember 1955 Heiland 17. Dezember 1955 Hörauf 17. Dezember 1955 Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein 17. Dezember 1955 Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 17. Dezember 1955 Welke 17. Dezember 1955 Dr. Luchtenberg 16. Dezember 1955 Dr. Reichstein 16. Dezember 1955 Dr. Graf (München) 15. Dezember 1955 Frau Rudoll 15. Dezember 1955 Schröter (Wilmersdorf) 15. Dezember 1955 Josten 12. Dezember 1955 Dr. Graf Henckel 11. Dezember 1955 Frau Albertz 10. Dezember 1955 Dr. Baade 10. Dezember 1955 Gedat 10. Dezember 1955 Eberhard 10. Dezember 1955 Kiesinger 10. Dezember 1955 Kriedemann 10. Dezember 1955 Kutschera 10. Dezember 1955 Onnen 10. Dezember 1955 Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Op den Orth 10. Dezember 1955 Frau Renger 10. Dezember 1955 Dr. Atzenroth 9. Dezember 1955 Brandt (Berlin) 9. Dezember 1955 Brese 9. Dezember 1955 Frau Dietz 9. Dezember 1955 Dopatka 9. Dezember 1955 Euler 9. Dezember 1955 Dr. Gleissner (München) 9. Dezember 1955 Gockeln 9. Dezember 1955 Glüsing 9. Dezember 1955 Haasler 9. Dezember 1955 Dr. Horlacher 9. Dezember 1955 Huth 9. Dezember 1955 Jacobi 9. Dezember 1955 Keuning 9. Dezember 1955 Kurlbaum 9. Dezember 1955 Kühlthau 9. Dezember 1955 Leibfried 9. Dezember 1955 Lermer 9. Dezember 1955 Dr. Leverkuehn 9. Dezember 1955 Lücker (München) 9. Dezember 1955 Frau Dr. Maxsein 9. Dezember 1955 Dr. Menzel 9. Dezember 1955 Morgenthaler 9. Dezember 1955 Dr. Reif 9. Dezember 1955 Scharnberg 9. Dezember 1955 Dr.-Ing. E. h. Schuberth 9. Dezember 1955 Schulze-Pellengahr 9. Dezember 1955 Frau Dr. Schwarzhaupt 9. Dezember 1955 Stahl 9. Dezember 1955 Unertl 9. Dezember 1955 Frau Vietje 9. Dezember 1955 Wagner (Ludwigshafen) 9. Dezember 1955 Wehking 9. Dezember 1955
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Erwin Schoettle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Zum Thema der Verbrauchsteuern noch eine letzte, abschließende Bemerkung. Der Herr Bundesfinanzminister stellt — und ich muß hier wieder seinen eigenen Sprachgebrauch anwenden — für die Senkung der Verbrauchsteuern 400 Millionen zur Verfügung. Was das Parlament dazu sagt, das kommt für ihn also erst in zweiter Linie.

    (Abg. Dr. Conring: Er schlägt vor!)

    — Ich folge nur seinem Sprachgebrauch, Herr Kollege Conring. Ich kann nicht dafür. Er „stellt zur Verfügung" heißt es in der Regel. Ich wende mich gegen diese Form. Schließlich beschließt das Parlament! — Wir sind der Meinung, daß das nicht ausreicht, und insbesondere glauben wir, daß die Senkung der Zuckersteuer auf 10 DM nicht genügend ist und daß entsprechend den von uns zur Konjunkturpolitik eingebrachten Anträgen die Steuern auf den Verbrauch in einem Umfang gesenkt werden können, der das Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern auf ein vernünftiges Maß zurückführt.
    Nun komme ich zum materiellen Inhalt des Entwurfs. Es ist natürlich unmöglich und würde dem Sinn einer ersten Beratung widersprechen, wenn ich zu viele einzelne Positionen behandeln wollte. Ich muß mich deshalb auf charakteristische Details beschränken, auf die wir in den kommenden Ausschußberatungen unsere Aufmerksamkeit konzentrieren werden.
    Ob der Haushalt wirklich, wie der Herr Bundesfinanzminister erklärt hat, nicht nur formell, sondern auch materiell ausgeglichen ist, wage ich zunächst einmal zu bezweifeln. Denn das Jonglieren mit den rechnungsmäßigen Fehlbeträgen, die schließlich das Ganze schon hinbiegen werden, scheint mir vom Standpunkt der Haushaltswahrheit und -klarheit nicht gerade überzeugend gewesen zu sein. Freilich kann ich auch dem Bundesrat nicht folgen — das will ich hier gleich sagen—, dessen Einwände in manchen Punkten offenbar sehr von der Überlegung bestimmt waren, wie die Wünsche der Länder in der Frage des Bundesanteils und auf anderen Gebieten einigermaßen gerechtfertigt und begründet werden könnten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir Sozialdemokraten sind nicht die Schleppenträger der Länderfinanzminister und des Bundesrates. Wir möchten hier unsere eigene Position ganz entschieden bewahren,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    auch wenn es sich um die Auseinandersetzung mit dem Bundesfinanzminister handelt.
    Eine besonders peinliche Sache scheint uns zu sein, daß auch in diesem Haushaltsentwurf der Herr Bundesfinanzminister darauf verzichtet hat, den § 75 der Haushaltsordnung anzuwenden.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Das setzt die alte schlechte Übung fort, die Fehlbeträge vergangener Jahre nicht ordnungsgemäß in den Haushalt einzustellen. Ich glaube nicht, daß das im kommenden Haushaltsjahr noch notwendig wäre. Wir werden uns darüber zu unterhalten haben, wenn das Haushaltsgesetz beraten wird.
    Ein zweiter Punkt, der Anlaß zu kritischen Überlegungen gibt, ist die noch immer nicht abgeschlossene Erhöhung des Personalstandes. Ich freue mich, daß der Sprecher der größten Regierungspartei in dieser Frage einen sehr entschiedenen Standpunkt bezogen hat, und ich hoffe, daß es dem Parlament gelingt, Entwicklungen zu bremsen, die nicht erfreulich sind. Der Bundeshaushalt weist bei den Beamten, Angestellten und Arbeitern der Bundesverwaltung einen Personalstand auf, der jetzt die 100 000er-Grenze überschritten hat, wenn man den Nachtrag 1955 noch hinzunimmt, in dem ja nicht unbeträchtliche Personalforderungen enthalten sind.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Es werden uns außerdem noch eine Reihe von gewaltigen Personalforderungen bevorstehen, wenn erst einmal das Bundesverteidigungsministerium beginnt, über den noch bescheidenen Kern hinaus in seine eigentlichen, von ihm selbst gesetzten und manchmal nicht immer ganz klar erkennbaren Aufgaben hineinzuwachsen. Jedenfalls wird uns da noch einiges blühen, und es wäre gut, wenn sich


    (Schoettle)

    das Parlament jetzt schon mit aller Entschiedenheit auf den Standpunkt stellte, daß das Wachstum der Behörden nicht unter allen Umständen ein unausweichliches Naturgesetz ist, dem nicht entgegengetreten werden kann.

    (Beifall auf allen Seiten des Hauses.)

    Wie wenig die Mahnungen hier im Hause und in der Öffentlichkeit gefruchtet haben, zeigt sich an der Geschichte der Sonderministerien. Meine Damen und Herren, diese Geschichte, so kurz sie ist, so lehrreich ist sie auch! Der Herr Atomminister Strauß ist uns gestern in der Rede des Herrn Bundesfinanzministers schon als das Haupt eines künftigen selbständigen Ressorts vorgestellt worden. Nun, wir Sozialdemokraten sind nicht fortschrittsfeindlich. Wir wissen, daß die Atomforschung, die Entwicklung der Atomkraft auch im zivilen Bereich eine außerordentlich wichtige und wahrscheinlich in der Zukunft vieles in unserem Leben beherrschende Sache ist. Wir können nicht an der Entwicklung vorbeigehen. Die Bundesrepublik muß selbstverständlich den Versuch machen, den Rückstand aufzuholen, der aus Krieg, Niederlage, Abschließung von der internationalen Forschung und was dergleichen Gründe mehr sind, entstanden ist. Das kann man alles als durchaus richtig und notwendig, wenn nicht geradezu unausweichlich ansehen. Aber man wird gespannt darauf sein dürfen, in welchem Tempo und Ausmaß sich der Aufbau eines eigenen Atomministeriums vollziehen wird. Vor allem muß man gespannt darauf sein, ob die Bundesregierung auch einmal daran denken wird, die Zusammenfassung von Aufgaben in einem Ressort personell dadurch zu ermöglichen, daß sie die Beamten und Angestellten nicht neu anfordert, sondern aus Behörden nimmt, wo sie durch das neue Amt entlastet oder gar überflüssig werden könnten.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Man hat manchmal den Eindruck, als ob die Dinge völlig unorganisch, einfach aus dem Zufall heraus, zunächst einmal geschaffen und dann zwangsläufig weiterentwickelt würden. Das beste Beispiel sind die beiden anderen, noch übriggebliebenen Sonderminister.

    (Abg. Dr. Gülich: Vor allem der „WasserKraft-Minister"!)

    Da sind der Herr Minister Kraft und der Herr Minister Dr. Schäfer. Beide sind vom Kabinett mit Sonderaufgaben beauftragt worden, der eine mit Untersuchungen auf dem Gebiete des selbständigen Mittelstandes, der andere mit der Koordinierung der wasserwirtschaftlichen Probleme, beides zweifellos Aufgaben, die absolut notwendig sind. Aber ist es notwendig, daß die beiden Sonderminister, vertreten im Haushaltsausschuß durch das Bundesfinanzministerium, nun auf Grund eines Kabinettsbeschlusses postwendend mit Wünschen kommen, die auf die Entwicklung einer eigenen Behörde hinzielen? Man hat früher einmal scherzweise von der Dame ohne Unterleib gesprochen. Ich habe den Eindruck, daß die Herren Sonderminister zunächst Minister ohne Unterleib waren, daß aber der Unterleib nun nachträglich doch noch geliefert werden soll.

    (Heiterkeit. — Beifall bei der SPD.)

    Ich weiß nicht, ob das nun gerade der Weg ist, auf
    dem wir gehen sollten, und ich bin froh, sagen zu
    können, daß jedenfalls der Haushaltsausschuß diese Versuche nahezu einheitlich abgewehrt hat. Ob er sich damit auf die Dauer durchsetzen wird, ist eine ganz andere Frage. Man hat manchmal das Gefühl, daß sich nicht nur Gesetz und Rechte wie eine ewige Plage fortsetzen, sondern auch Planstellen, Referate und Abteilungen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wenn sie erst einmal geschaffen sind, kommt man nicht wieder davon herunter. Wollen wir das auf die Dauer akzeptieren? Bis jetzt ist auch in dem Entwurf des Bundeshaushalts 1956 wenig von einem Streben nach Vereinfachung und Reform zu spüren.
    Dasselbe muß auch in einem gewissen Umfang von der Bautätigkeit des Bundes gesagt werden. Wir haben ja vor unserer Nase das schöne große — für mein Gefühl viel zu große — Gebäude des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. Es ist sicher kein Provisorium, was da im Provisorium Bonn gebaut worden ist. Die Frage ist, wie sich das weiterentwickeln soll. Das ist ein Beispiel, aber kein ermutigendes. In diesem Haus schickt sich ein schon jetzt recht üppiger Apparat an, sich weiter auszudehnen. Wenn man sich noch dazu überlegt, daß nach dem Willen der Bundesregierung dieses Presse- und Informationsamt auch die Bewirtschaftung der 2 Millionen DM für die Erzeugung von Wehrbereitschaft — sprich: Wehrpropaganda — haben soll, die im Haushalt des Bundesverteidigungsministeriums ausgebracht werden, dann hat man das Gefühl, daß der Traum des Herrn Staatssekretärs a. D. Lenz von einem Propagandaministerium gerade jetzt allmählich der Erfüllung entgegenreift. War das eigentlich das Resultat all der Proteste gegen die Tendenzen, die seinerzeit sichtbar wurden?
    Kommen erst die Bauten im Bereich des Verteidigungsministerium in Gang, dann, glaube ich, müssen wir Schlimmes befürchten. Über die Absichten aus diesem Bereich hört man schon jetzt allerlei, was zu ernsten Sorgen Anlaß gibt, und die gestern vom Herrn Bundesfinanzminister entwikkelte Theorie von der „Exterritorialität" des Verteidigungshaushalts dient in dieser Hinsicht auch nicht zur Beruhigung. Denn wenn dieser Haushalt ganz für sich allein steht, kann man dort ja schließlich alles machen, was man will, wenn nicht rechtzeitig etwas dagegen unternommen wird. Es ist schön zu wissen, daß man, wie uns gesagt worden ist, nicht beabsichtigt, die alten Heeresbauämter wieder einzurichten. Hoffentlich gilt das aber auch auf einem anderen Gebiet, das nicht weniger gefährlich sein kann, nämlich auf dem Gebiet — Herr Dr. Vogel hat es schon angesprochen — der Liegenschaftsverwaltung und der Grundstücksbeschaffung. Man muß sich nur einmal vorstellen, daß diese Tätigkeit, die zweifellos im Zuge der Entwicklung einer Wehrorganisation in Gang kommen wird, sich etwa unter dem Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnis abspielen würde! Was würde da für die öffentliche Hand dann manchmal an unsinnigen Entscheidungen herauskommen! Ich möchte hier mit allem Nachdruck — obwohl das ein Spezialfall ist — meiner Meinung Ausdruck geben, daß alle diese Fragen am besten in der zivilen Hand der Bundesvermögensverwaltung bleiben und daß alle militärischen Stellen aus diesen Dingen völlig ausgeschaltet bleiben.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Regierungsparteien.)



    (Schoettle)

    Sonst befürchte ich, daß sie uns aus der Hand geraten könnten. Überhaupt sollte jede Herauslösung der Streitkräfte aus dem Zusammenhang mit dem zivilen Leben der Nation — auch in den Anfängen schon — unterbunden werden. Leider habe ich in der These des Herrn Bundesfinanzministers, die ich verschiedentlich attackiert habe, einen solchen Anfang gesehen. Vielleicht meint er es nicht so.
    Eng verbunden mit dem Verteidigungskomplex ist ein Thema, das in diesen Tagen durch die Verabschiedung eines Gesetzentwurfs im Kabinett parlamentarisch aktuell geworden ist: der zivile Luftschutz. Bei der Beratung des Haushalts 1955 hat der Bundesminister des Innern erklärt, das Luftschutzprogramm der Regierung werde einen ähnlichen Betrag bringen, wie ihn die sozialdemokratische Opposition fordere, nämlich 1,2 Milliarden DM. Wir haben damals verlangt, daß diese 1,2 Milliarden DM aus dem Verteidigungshaushalt genommen werden. Allerdings, so sagte der Herr Minister, wolle die Regierung diese Last auf drei Haushaltsjahre verteilen. Im Entwurf des Bundeshaushalts 1956 finden wir statt der sich aus dieser Erklärung des Herrn Ministers eigentlich ergebenden Summe von etwa 400 Millionen DM nur einen Betrag von 64 Millionen DM beim Etat des Innenministeriums, wozu noch an anderer Stelle 20 oder 30 Millionen DM kommen, so daß insgesamt für Zwecke der Luftschutzes und verwandte Gebiete rund 90 Millionen DM aufgewandt werden. Gemessen an dem, was ohne Beanstandung und mit einem gewissen Schutzwall umgeben im Verteidigungshaushalt für die militärische Seite des Verteidigungskomplexes aufgewandt wird, finden wir, daß die Vernachlässigung des Schutzes der Zivilbevölkerung geradezu aufreizend ist.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Man kann darüber streiten, und es gibt Leute, die der Meinung sind, daß Luftschutz angesichts der Entwicklung der modernen Vernichtungswaffen eine nahezu hoffnungslose Angelegenheit sei. Ich teile diese Ansicht nicht, und meine politischen Freunde teilen sie in ihrer erdrückenden Mehrheit auch nicht, weil sie der Auffassung sind, daß, wenn eine Politik schon mit der Möglichkeit bewaffneter Konflikte rechnet, der Schutz der Zivilbevölkerung eine unausweichliche Notwendigkeit ist, die den eigentlichen Verteidigungsaufgaben mindestens gleichgesetzt werden muß.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn schließlich im Entwurf der Bundesregierung für den zivilen Luftschutz eine Verteilung der Luftschutzlasten zu je einem Drittel auf Bund, Länder und Gemeinden gefordert wird, so müssen wir angesichts der Finanzsituation zahlloser Gemeinden einmal aus diesem Grund schon jetzt dagegen nachdrücklich die schwersten Bedenken erheben, zum andern aber auch dagegen, daß man durch eine offenkundig im luftleeren Raum gebaute Konstruktion wahrscheinlich die Realisierung der Luftschutzmaßnahmen zu einem erheblichen Teil unmöglich macht, daß man also einer unrealistischen These nachjagt. Der Luftschutz ist ein Teil des Verteidigungsbeitrags; daran kann gar kein Zweifel sein. Wir meinen, daß er voll im Haushalt erscheinen muß und daß zu seiner Finanzierung auch die Mittel herangezogen werden sollten, die zwar für Verteidigungszwecke etatisiert sind, die aber dafür nicht gebraucht werden. Nach
    den Angaben, die wir kürzlich bei Ausschußberatungen erhalten haben, ist man sogar im Verteidigungsministerium der Auffassung, daß von den im Haushalt 1955 veranschlagten 5,2 Milliarden DM nur etwa 2 Milliarden DM gebraucht werden. Nach derselben Quelle kann der Rest auch im Jahre 1956 nicht aufgebraucht werden. Das Argument des Herrn Bundesfinanzministers, er müsse Reserven ansammeln, können wir auch und gerade in diesem Zusammenhang nicht akzeptieren.

    (Präsident D. Dr. Gerstenmaier übernimmt den Vorsitz.)

    Nun hat der Herr Bundesfinanzminister gestern bei der Betrachtung des Agrarhaushalts eine besonders interessante Note angeschlagen. Ich will nicht auf die Details des Einzelplans 10 eingehen; besorgen Sie das nicht. Neben der Darstellung der besonderen Leistungen der Bundesregierung für die Landwirtschaft behandelte der Herr Bundesfinanzminister ja bekanntlich sehr breit die steuerliche Belastung der Landwirtschaft und bezeichnete sie im Grunde genommen als außerordentlich milde. Was der Herr Bundesfinanzminister da sagte, das klang doch wie eine Polemik, die offenbar an die Adresse der Herren Bauernverbandspräsidenten gerichtet war. Einige der Herren sitzen ja auf den Bänken der größten Regierungspartei. Ich weiß nicht, ob sie deshalb zu den Freunden des Herrn Bundesfinanzministers gehören. Aber das zu untersuchen, ist nicht meine Sache. Ich weiß auch nicht, ob sie sich durch die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers etwa haben überzeugen lassen, die angekündigten Kampfmaßnahmen abzublasen. Das muß man auch abwarten. Immerhin ist es ganz interessant, daß der Herr Bundesfinanzminister als Mitglied der Regierung es für zweckmäßig hielt, in der Richtung der Herren Bauernverbandspräsidenten sehr deutliche Worte zu sprechen. Man brauchte da nicht einmal zwischen den Zeilen zu lesen.
    Ich möchte allerdings hinzufügen, Herr Minister: wir Sozialdemokraten bezweifeln, ob das Zahlenspiel, das Sie in einem Teil Ihrer Rede zu der Frage der landwirtschaftlichen Steuerbelastung veranstaltet haben, wirklich beweiskräftig ist. Uns erscheint es eher einseitig und gewagt, einzelne Jahre herauszufischen und ihre Ergebnisse mit denen der gewerblichen Wirtschaft zu vergleichen, mit Werten, die wahrscheinlich gar nicht in vollem Umfang vergleichbar sind. Ich glaube, man sollte hier doch vorsichtig sein.
    Nun einige Bemerkungen zum Verkehrshaushalt. Der Herr Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen, daß das Volumen des Verkehrshaushalts in diesem Entwurf 150 Millionen DM mehr betrage als im vorhergehenden. Wir müssen dazu sagen, daß uns angesichts der Gesamtsituation im Verkehrswesen diese Steigerung im Verkehrshaushalt eigentlich recht kümmerlich erscheint.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Denn man kann wohl nicht behaupten, daß etwa im Straßenverkehr eine wesentliche Entlastung eingetreten ist und bereits wesentliche Schritte nach vorwärts gemacht worden sind. Die Mittel für den Straßenbau scheinen uns trotz des Verkehrsfinanzgesetzes, dessen Mittel ja in vollem Umfang in der Summe enthalten sind, noch weit hinter den Bedürfnissen zurückzubleiben. Unser Straßensystem wird beim jetzigen Finanzvolumen in ab-


    (Schoettle)

    sehbarer Zeit nicht in Ordnung kommen. Mir scheint, daß auf diesem Gebiet Überlegungen notwendig sind, die eine Verstärkung der Mittel zur Folge haben. Ob das in diesem Haushalt möglich ist, ist eine ganz andere Frage. Aber in den nächsten Jahren müssen wir zu wesentlich größeren Anstrengungen auf diesem Gebiete kommen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Die Lage der Bundesbahn — Herr Dr. Vogel hat mir da eigentlich etwas vorweggenommen, was ich selber sagen wollte — ist vom Herrn Bundesfinanzminister nach meinem Gefühl und nach der Überzeugung meiner Freunde etwas zu optimistisch betrachtet worden. Ich muß offen sagen, ich habe eigentlich gestaunt, daß der Vorsitzende des Verwaltungsrats der Bundesbahn in einer Situation, in der man doch nur ganz oberflächlich urteilen konnte, als ein sonst sehr nüchterner und verantwortungsbewußter Mann in der Öffentlichkeit Prognosen gestellt hat, die gar nicht durch die Tatsachen gerechtfertigt sind. Die Lage der Bundesbahn erfordert noch immer Bundesmittel, und die Frage, ob diese Bundesmittel notwendig sind, ist, glaube ich, bereits in positivem Sinne beantwortet. Die Einnahmenverbesserungen bei der Bundesbahn sind schließlich kein Wunder. Sie sind im wesentlichen eine Folge der. konjunkturellen Entwicklung, und es wäre merkwürdig, wenn dieses größte öffentliche Wirtschaftsunternehmen von dieser Entwicklung nicht auch einen gewissen Anteil abbekäme. Aber deshalb sollte man gerade jetzt mit den optimistischen Urteilen über die Lage der Bundesbahn außerordentlich zurückhaltend sein.
    Ein entscheidender Punkt in den Schwierigkeiten der Bundesbahn ist die Tatsache, daß sie politische Lasten auf sich nehmen mußte, die mit ihrer eigentlichen Aufgabe nicht im Zusammenhang stehen, politische Lasten, die auf dem Zusammenbruch des Staates im Jahre 1945, auf der Vertreibung von Millionen Menschen aus den Ostgebieten und auf anderen Gründen beruhen, die man aber der Bundesbahn als einem Wirtschaftsunternehmen eigentlich nicht zumuten dürfte, genauso wenig wie man etwa einem privatwirtschaftlichen Unternehmen eine solche Last aufbürden könnte, ohne daß es dabei vor die Hunde ginge.

    (Zuruf des Abg. Dr. Conring.)

    — Bedenken Sie, Herr Kollege Conring, daß die Deutsche Bundesbahn heute einen Personalstand an aktiven Bediensteten hat, der erheblich geringer ist als die Zahl der Pensionäre. Wie soll denn ein Wirtschaftsunternehmen dieser Art sich wirklich entwickeln und wirtschaften können, wenn es eine solche Last zu tragen hat? Wir sind der festen Überzeugung, daß die öffentliche Hand, d. h. der Bundeshaushalt, gar nicht darum herumkommt, der Bundesbahn diese politischen Lasten abzunehmen, damit sie wirklich wirtschaften kann. Daß der Bund das in seinem Haushalt verkraftet, ist eine unausweichliche Notwendigkeit.

    (Beifall bei der SPD.)

    Man sollte auch nicht darauf spekulieren, daß sich diese Dinge schon, von selber, einfach durch den Zeitablauf erledigen. Eine solche Spekulation wäre außerordentlich gefährlich.
    Ich muß nun eine Bemerkung aus der Rede des Herrn Bundesfinanzministers herauspicken, weil sie außerordentlich aufschlußreich und interessant ist, nämlich eine Bemerkung über den Luftverkehr, über die Lufthansa. Ich fand es eigentlich sehr
    niedlich, daß er formulierte: die Privatwirtschaft werde sich sicher an der Lufthansa in größerem Ausmaß erst dann beteiligen, wenn die Schwierigkeiten des ersten Aufbaus überwunden seien.

    (Lachen bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, besser hätte kein Sozialdemokrat die Abneigung der Privatwirtschaft kennzeichnen können, im allgemeinen Interesse Risiken zu übernehmen,

    (Beifall bei der SPD)

    und ihre Bereitschaft, einzusteigen, wenn diese Risiken durch die öffentliche Hand bewältigt sind. Wir fürchten, Herr Minister Schäffer wird nicht bereit sein, aus dieser Erkenntnis, die er selber formuliert hat, auf anderen Gebieten die richtigen Konsequenzen zu ziehen.
    Schließlich noch eine kritische Bemerkung zu den Wohnungsbaumitteln! Der Herr Bundesfinanzminister hat gestern zufrieden festgestellt, daß diese Mittel gleichgeblieben sind. Herr Kollege Dr. Vogel hat hier sehr anerkennende Worte für die Leistungen auf dem Gebiete des Wohnungsbaus gefunden, und ich bin weit davon entfernt, diese Leistungen abzuwerten. Ich möchte nur behaupten — und ich glaube, das kann ich im Namen meiner Freunde tun —, daß diese Leistungen nicht dazu ausreichen, die Wohnungsprobleme in der Bundesrepublik zu bewältigen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir glauben, daß gar kein Grund zur Zufriedenheit besteht, wenn festgestellt wird, daß die Mittel im Haushalt gleichgeblieben seien. Wir halten eine Verstärkung der Wohnungsbaumittel um mindestens 200 Millionen DM für möglich und für notwendig und wir glauben, daß wir darüber sehr ernsthaft reden müssen, weil nur dadurch, daß diese Mittel verstärkt werden, eine wirklich fühlbare Entlastung auf dem Wohnungsmarkt herbeigeführt werden kann.
    In diesem Zusammenhang muß ich sagen, daß ich es eigentlich nicht ganz oder gar nicht verstehe, daß der Herr Bundesminister nicht endlich auch von der Kreditermächtigung Gebrauch macht, die ihm die Haushaltsgesetze Jahr um Jahr geben. Seine Abneigung gegen Anleihen in allen Ehren, und die Berufung auf die Stagnation am Kapitalmarkt ist ja auch ein Argument, das hinkt; man braucht ja nur die Frage aufzuwerfen, warum der Kapitalmarkt stagniert. Hat nicht etwa die Finanz- und Steuerpolitik des Herrn Bundesfinanzministers mit dieser Tatsache auch etwas zu tun? Ich möchte das jetzt nicht im einzelnen untersuchen; die Frage aufzuwerfen ist aber gestattet, Herr Bundesfinanzminister. Also, Ihre Abneigung gegen Anleihen in allen Ehren, aber wenn man schon den außerordentlichen Haushalt — und das hat man gelegentlich unter Berufung darauf getan, daß man dafür nicht ordentliche Einnahmen verwenden dürfe — mit so wichtigen Positionen wie dem Wohnungsbau bestückt, dann sollte man auch den Mut haben, den außerordentlichen Haushalt auf dem Wege zu decken, der im allgemeinen für Investitionen und für den außerordentlichen Haushalt vorgeschrieben ist und immer üblich war, nämlich dem Weg der Aufnahme von Anleihen. Vielleicht werden Sie mit der Bank deutscher Länder gewisse Schwierigkeiten haben; das mag sein. Trotzdem, glaube ich, geht es auf die Dauer nicht, daß Sie mit Ausgaberesten im ordentlichen Haushalt und den Verpflichtungen, die Sie im außerordentlichen Haushalt ein-


    (Schoettle)

    gegangen sind — allerdings manchmal mit dem stillen Vorbehalt, der uns häufig begegnet: „soweit Haushaltsmittel dafür zur Verfügung stehen" —, so hin- und herschieben. Aber das sind ja dann immer platonische Versprechungen; und die sollte man doch nicht machen, weil man dadurch Gefahr läuft, die Öffentlichkeit irrezuführen und vielen Menschen Hoffnungen zu machen, die nicht in Erfüllung gehen.
    Schließlich einige Bemerkungen zum Sozialhaushalt! Sie können natürlich nicht erschöpfend sein. Der Herr Bundesfinanzminister hat gestern auch beim Sozialhaushalt ein kleines Additionskunststückchen vollbracht.

    (Abg. Mellies: Das kann man wohl sagen!) Sicherlich mit den besten Absichten hat er alle Leistungen von Bund, Ländern, Gemeinden, Sozialversicherungsträgern und ich weiß nicht was alles, zusammengerechnet und daraus den Sozialaufwand der Bundesrepublik errechnet. Es scheint mir etwas zu weit zu gehen — ich muß es ganz offen sagen—, auch noch die Beiträge der Pflichtmitglieder der Sozialversicherung in die Betrachtung des Sozialhaushalts der Bundesrepublik einzubeziehen. Das stellt doch eigentlich die Tatsachen etwas auf den Kopf.


    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Man sollte das nicht tun, und ich glaube, daß es auch der Sache nach nicht berechtigt ist.

    (Abg. Mellies: Man sollte es dann mindestens klar aussprechen!)

    — Das ist eine bescheidene Forderung, Herr Kollege Mellies.
    Zweitens. Trotz der festzustellenden Steigerung des Gesamtbetrags des echten Sozialhaushalts des Bundes sind die Renten unzureichend geblieben, und das ist der Maßstab für die Leistung des Bundes.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Polemik des Herrn Ministers gegen die Leute, die eine Erhöhung der Renten auf 75 % des Arbeitseinkommens für notwendig halten, richtet sich doch nicht nur gegen die böse Opposition, sondern vor allem auch gegen den Kabinettskollegen des Herrn Bundesfinanzministers, den Bundesarbeitsminister St o r c h, der diese Forderung sehr nachdrücklich erhoben hat. Wir sind der Meinung, daß Herr Storch recht hat

    (Beifall bei der SPD)

    und daß das möglicherweise gar nicht ausreicht, um die Situation einer Reihe von Menschen in unserem Volke einigermaßen geradezurichten. Wir wollen uns nicht mit den sonstigen Ansichten des Herrn Storch identifizieren; bei den Leistungen, die er bei der Sozialreform vollbracht oder vielmehr nicht vollbracht hat, möchten wir das schon gar nicht tun. Aber mir scheint, daß die Polemik, die Herr Bundesfinanzminister gestern gegen seinen Kabinettskollegen geführt hat, an der wirklichen Situation vorbeigeht.
    Schließlich ein Wort zur Wiedergutmachung. Gewiß, die Wiedergutmachungsaufwendungen, die im Zuge der Gesetzgebung zum Bundesentschädigungsgesetz auf den Bund zukommen und die schon jetzt geleistet werden, sind beträchtlich. Aber sind sie denn so, daß sie wirklich dem Schaden, dem menschlichen, dem moralischen, dem materiellen Schaden auch nur in etwa näherkommen,

    (Zurufe von der SPD: Nein!)

    der durch das Dritte Reich an Millionen Menschen angerichtet worden ist? Ich bin immer — in meiner Situation als Vorsitzender eines Ausschusses, der mit finanziellen Dingen zu tun hat, liegt das nahe — geneigt, die Möglichkeiten und die Notwendigkeiten gegeneinander abzuwägen. Aber manchmal finde ich, daß wir von Wiedergutmachung in einem Sinne reden, in idem dieses Wort nicht gebraucht werden dürfte; denn das, was zerschlagen, vernichtet worden ist, kann überhaupt nicht wieder gut gemacht werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Was geleistet wird, ist nur ein ganz bescheidener Teil dessen, was wir zu leisten verpflichtet wären, wenn wir vor uns selber bestehen wollen. Bitte, nehmen Sie das als einen Protest gegen eine Situation, von der ich weiß, daß sie nicht leicht zu ändern ist. Nehmen Sie das als die Auflehnung gegen einen Tatbestand, der einmal da ist. Aber ich bin der Meinung, wir alle müßten ein Interesse daran haben, diesen Sachverhalt so wenig schmerzhaft zu machen wie nur möglich. Das ist das mindeste, was wir leisten können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Darum, meine ich, sollten wir gar nicht die Leistungen für die Wiedergutmachung in irgendeiner Weise mit anderen Leistungen in Vergleich setzen. Wenn wir das täten, dann müßten wir hinzufügen: wir sind in der Bundesrepublik bei dem Ersatz für Schäden auf anderen Gebieten sehr viel großzügiger und sehr viel schneller gewesen als bei der Wiedergutmachung des Unrechts, das vom Nationalsozialismus begangen worden ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich möchte gar nicht gegen bestimmte Kreise polemisieren, die manchmal sehr laut darüber reden, daß sie noch nicht genug bekommen haben; Sie können sich alle denken, was ich meine.
    Nun darf ich zum Schluß kommen. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben gestern mit einer gewissen Genugtuung davon gesprochen, daß der Bundestag durch die Änderung seiner Geschäftsordnung eine Möglichkeit geschaffen habe, in finanzpolitischen Fragen eine Methode zu entwickeln, die verhindere, daß das Parlament zur Unzeit und unter Bedingungen, die für den Bundeshaushalt untragbar sind, finanzielle Entscheidungen, finanzielle Beschlüsse trifft. Wir haben selber an der Formulierung dieses neuen § 96 der Geschäftsordnung des Bundestags mitgewirkt.
    Es mag manchem so scheinen, als ob das alles gar nichts mit dem Haushalt zu tun habe. Es hat doch etwas damit zu tun. Denn, Herr Bundesfinanzminister, dieser § 96 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags bringt dieses Parlament und vor allem den Ausschuß, der mit der Beratung des Bundeshaushalts nicht nur einmal im Jahr, sondern laufend zu tun hat, in eine Situation, wo er versagen muß, wenn Sie nicht mitspielen.

    (Abg. Ritzel: Sehr wahr!)

    Geheimnistuerei, das Verschaukeln von Ziffern und Zahlen und Titeln und Resten ist auf die Dauer nicht mehr möglich, wenn wir in diesem Hause nicht vor uns selber und vor den Menschen, die draußen von Parlament und Regierung etwas erwarten, zum Lügner werden wollen.

    (Beifall bei der SPD.)



    (Schoettle)

    3 Da kann ich nur eines sagen — und das gilt für die öffentliche Finanzwirtschaft im allgemeinen —: Legen Sie die Karten auf den Tisch, halten Sie keine zurück! Erst dann wird ein ehrliches Spiel möglich sein.
    Entschuldigen Sie, der Hinweis auf Ihre Allgemeinen Vorbemerkungen überzeugt gar nicht; denn es ist nicht so, daß Sie da Ihr Spiel bereits restlos aufgedeckt hätten, Herr Minister. Ich sage noch einmal: wenn Parlament und Regierung — in diesem Fall das Parlament als eine verfassungsrechtliche Institution, nicht geteilt in Regierungskoalition und Opposition — ihre Aufgabe erfüllen wollen, dann müssen sie in erster Linie die volle Wahrheit über den Zustand Ihrer eigenen Kassen, über den Zustand Ihres Haushalts sagen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich kann Ihnen verraten, daß wir bei den kommenden Beratungen das Unsere dazu tun werden, daß die Karten auf den Tisch kommen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Blank.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Martin Blank


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine beiden Herren Vorredner haben dem Herrn Bundesfinanzminister und seinem Ministerium den Dank dafür ausgesprochen, daß der Haushaltsvoranschlag 1956 so zeitig vorgelegt worden ist. Für meine Freunde und mich selbst kann ich mich diesem Dank nur anschließen.
    Lassen Sie mich bitte einen Augenblick bei dem gewaltigen Umfang der Drucksache 1900 und all dessen, was dazu gehört, bleiben. Ich habe den Eindruck, daß der Herr Bundesfinanzminister mit voller Absicht eine besondere Art von dünnem Papier hat wählen lassen, das sich auch schon bei der sogenannten Luxusausgabe des verabschiedeten Haushalts bewährt hat, damit man das Ganze überhaupt noch transportieren kann. Die „Allgemeinen Vorbemerkungen" sind in diesem Jahr zwar nicht dicker als im vorigen Jahr, aber dafür um eine ganz stattliche Anzahl von Seiten länger. Diese Allgemeinen Vorbemerkungen werden sich — das ist wohl mit Sicherheit zu erwarten — immer mehr zu einer durchaus regelmäßigen und sich ständig vervollkommnenden Einrichtung, die zum Bundeshaushalt gehört, entwickeln. Sie sind auch diesmal wieder eine Fundgrube von Material. Man kann sich, ich möchte beinahe sagen, weit über den Bereich des Bundesministeriums der Finanzen hinaus über fast alles, was in Deutschland im öffentlichen Bereich passiert ist, aus den Allgemeinen Vorbemerkungen unterrichten lassen.
    Die Fortschritte, die bei den Allgemeinen Vorbemerkungen zu verzeichnen sind, ergeben sich besonders auf dem Gebiete der Bundesbeteiligungen. Da stellen die konsolidierten Bilanzen der großen Bundesunternehmungen eine wirkliche Weiterentwicklung gegenüber dem dar, was uns noch im vorigen Jahr geliefert wurde. Ich kann das hier nur am Rande vermerken; denn über Einzelheiten der Bundesbeteiligungen zu sprechen, ist die erste Beratung des Bundeshaushalts nicht der richtige Ort. Wir haben ja sogar einen besonderen Unterausschuß dieses Hohen Hauses, der sich mit diesen Fragen beschäftigt.
    Als eine ausgesprochene Neuheit möchte ich auch den ausdrücklich als Entwurf bezeichneten Funktionenhaushalt besonders erwähnen. Meine Herren Vorredner haben ebenfalls schon davon gesprochen. Mein Eindruck bei der Durchsicht dieses Funktionenhaushalts geht dahin, daß schon durch diese Form der Beweis geliefert ist, daß ein Parlament einen nach Funktionen aufgegliederten Haushalt niemals wird verabschieden können. Wir werden höchst wahrscheinlich bei der institutionellen Aufgliederung des Haushaltsplans bleiben müssen. Das war ja auch der Eindruck der Mitglieder des Hohen Hauses, die im Sommer dieses Jahres in Amerika waren und die nun hier in schöner Gleichmäßigkeit nacheinander das Wort ergreifen; ich bin Numero 3. Wir haben uns drüben davon überzeugt, daß in dem Bundesstaat „Vereinigte Staaten von Amerika" sehr viele Probleme gleicher Art bestehen, daß aber die Form, in der man dieser Probleme Herr werden will, ganz andersartig und auch in den einzelnen Staaten sehr verschiedenartig ist. Aber ich will auch darauf nicht weiter eingehen. Allen Kollegen, die sich für diese Seite interessieren, darf ich die Lektüre unseres leider sehr umfangreich gewordenen Berichts, der vor einigen Monaten verteilt wurde, sehr ans Herz legen.
    Auch das Sachverzeichnis — es ist in dieser Form mehr ein technisches Hilfsmittel — ist zu begrüßen. Aber ebenfalls auf unsere amerikanischen Erfahrungen, insbesondere auf eine Bemerkung, die auch in unserem Bericht steht, gestützt, möchte ich folgende Bitte an den Herrn Bundesfinanzminister und seine Herren richten: bitte viel Information, möglichst konzentriert, aber bitte nicht zuviel Papier! Die Gefahr, daß man einen Bericht wegen seines Umfanges gar nicht erst zu lesen anfängt, ist bei allen Parlamentariern, die in der Weise in Anspruch genommen sind, wie das bei uns der Fall ist, sehr groß. Sie finden in unserem Amerikabericht eine Stelle, an der es heißt, daß auch die amerikanischen Stellen der Exekutive ihren Parlamentariern sehr dicke, sehr klein gedruckte, sehr lange Berichte vorlegen und daß die Berichte vielleicht in dem sicheren Vertrauen so ausgestaltet sind, daß sie dann nicht gelesen werden. Auf diesen Weg wollen wir uns bitte nicht begeben, nicht nur wegen der Kosten, sondern auch wegen des Gewissens der Abgeordneten, die ja die Verpflichtung fühlen oder fühlen sollten, die ihnen von der Regierung unterbreiteten Schriftstücke zu lesen!

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Einige Worte möchte ich dem Haushaltsgesetz widmen, das in dem jetzt vorgelegten Entwurf gegenüber 1955 verhältnismäßig wenig Änderungen aufweist. Mit meinen Herren Vorrednern bedauere ich aufs tiefste, daß der § 6 wiederum die Außerkraftsetzung des § 75 der Reichshaushaltsordnung vorsieht. Das heißt also, daß wir uns wieder einmal mit den Fehlbeträgen der Vorjahre, wie es das Gesetz vorschreibt, nicht befassen sollen. Meine Damen und Herren, wir haben — das hat der Herr Bundesfinanzminister mit Recht gesagt — einen gesunden, einen sicheren Haushalt. Er hat sich auf das Urteil des Bundesrates berufen, der ebenfalls diesen Haushalt als „innerlich gesund" bezeichnet. Ich stehe auf dem Standpunkt: Wenn wir im Zeichen noch weiter steigender Zahlen die Verpflichtung des § 75 nicht erfüllen, dann versäumen wir etwas. Ich will die Frage der Notwendigkeit des Verfahrens, das § 75 vorschreibt, hier


    (Dr. Blank [Oberhausen])

    gar nicht untersuchen. Wenn man glaubt, daß man auf die nachträgliche Abdeckung von Fehlbeträgen früherer Haushaltsjahre verzichten kann, bitte, dann soll man das Gesetz ändern, aber nicht sich selbst den bequemen Ausweg schaffen, durch einen kleinen Paragraphen die Anwendung eines Gesetzesparagraphen, der ja nicht zum Scherz in die Reichshaushaltsordnung hineingekommen ist, einfach von Jahr zu Jahr außer Kraft zu setzen. Ich finde, man muß die Vorschriften durchführen. Wenn sie undurchführbar geworden oder wenn sie unpraktisch, unanwendbar geworden sind, dann muß man sie ändern, darf sie aber nicht einfach so beiseite schieben.

    (Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)

    Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner gestrigen Rede einen sehr kurzen Satz gesprochen, den meine Freunde und ich nur aufs nachdrücklichste bestätigen können: Die Finanzpolitik hat zu dienen. Das beste an diesem Satz ist diese uneingeschränkte Kürze, diese Feststellung: die Finanzpolitik hat zu dienen. Wir haben uns manchmal mit Situationen zu beschäftigen gehabt, in denen wir — Herr Kollege Schoettle hat in anderem Zusammenhang davon gesprochen — uns als Parlament gelegentlich der vom Ministerium gemachten Finanzpolitik glaubten erwehren zu müssen. Das von dem Herrn Bundesfinanzminister erwähnte englische Beispiel, das auf völlig anderen staatsrechtlichen und — wenn man das bei England sagen darf — verfassungsrechtlichen Grundlagen beruht, kommt ja für uns leider, leider nicht in Frage. Ich kann mir nicht vorstellen, daß in den zuständigen Instanzen eine Änderung unseres Grundgesetzes, das den Lauf der Gesetzgebung vorschreibt, irgendwie Aussicht auf Verwirklichung hätte. Also können wir nur mit Wehmut daran denken und sagen: Albion, in dieser Beziehung hast du's besser!
    Der Herr Bundesfinanzminister hat den Haushaltsvoranschlag 1956 als einen Haushalt der Sicherheit nach innen und nach außen bezeichnet. Wir sind durchaus bereit, anzuerkennen, daß das angestrebt ist, in weitem Umfange, soweit man das heute überhaupt übersehen kann, erreicht ist und daß es ein im höchsten Grade erstrebenswertes Ziel ist, einen solchen Haushalt der Sicherheit nach innen und nach außen aufzustellen. Eine Bemerkung kann ich mir in diesem Zusammenhang allerdings nicht verkneifen. Die Finanzpolitik hat zu dienen, darüber haben wir eben gesprochen. Die Sicherheit des Haushalts soll dem Ganzen dienen, nicht so sehr dem Finanzministerium. Jedenfalls darf das Sicherheitsgefühl, das durch den Haushaltsplan im Bundesfinanzministerium vielleicht hervorgerufen werden kann, den Steuerzahler nicht unnötig viel kosten.
    Angesichts der unerwartet günstigen Entwicklung der Konjunktur leben weiteste Teile unserer Wirtschaft, besonders aber auch die öffentliche Finanzwirtschaft in einem, man möchte beinahe sagen, euphorischen Zustand, von dem wir überzeugt sein müssen, daß er nicht ununterbrochen bis in fernste Zukunft andauern wird.

    (Abg. Dr. Willeke: Sehr richtig!) Das wird nicht immer so bleiben.

    Gerade in diesem Zusammenhang spielen die Überlegungen bezüglich der Sicherstellung der in den nächsten Jahren wachsenden Verteidigungsausgaben eine ganz besondere Rolle. Niemand denkt daran, sich den Verpflichtungen, soweit sie auf internationalen Verträgen beruhen, zu entziehen. Wichtig ist auch — das hat uns der Herr Bundesfinanzminister ja gestern versprochen —, daß die zu diesem Zweck für spätere Jahre angesammelten Mittel nicht schockartig auf die Wirtschaft losgelassen werden sollen im Wege plötzlich zu vergebender massierter Aufträge usw. Ein abweichender Vorschlag ist auch nicht gemacht worden, wie man anders, solange wir nicht die beneideten englischen Verhältnisse haben, die Deckung für das Anwachsen der Ausgaben sicherstellen könnte als durch eine gewisse Ansammlung; das häßliche Wort dafür heißt Hortung oder Thesaurierung.

    (Abg. Dr. Conring: Es ist bisher kein besserer Vorschlag gemacht worden!)

    — Es ist — das wollte ich gerade zum Ausdruck bringen — kein anderer Vorschlag gemacht worden. Wenn ich auch durchaus dafür bin, daß man, um mit dem Kollegen Schoettle zu reden, selbstverständlich auch die gute Stube der Verteidigung immer wieder von neuem abstauben muß — das ist ja auch in jedem anderen Zimmer erforderlich —, so bin ich doch der Meinung, daß hier in ganz besonderer Weise, solange kein besserer Vorschlag gemacht wird, auf dem vom Herrn Finanzminister vorgeschlagenen Wege die volle Erfüllung der uns hier erwachsenden Verpflichtungen sichergestellt werden sollte.
    Ich habe in der Rede des Herrn Bundesfinanzministers einen Ausdruck gefunden, bei dem mir etwas unbehaglich wurde; der heißt „finanzwirtschaftliche Konjunkturpflege". So wie die Dinge noch lagen, als wir in Berlin zusammen waren, hätte ja dann die Pflege wohl in einer Abschwächung, in einer Abkühlung der damals vermuteten übermäßigen Konjunkturtemperatur bestehen müssen. Das alles hat sich mit der Abnahme der äußeren Temperatur auch in der öffentlichen Diskussion einigermaßen beruhigt. Konjunkturpflege möchte ich aber, soweit etwas Derartiges in einer sozialen Marktwirtschaft überhaupt zu erfolgen hat, lieber in der Gesamtpolitik der Bundesregierung durchgeführt sehen als nur durch das Finanzressort.

    (Beifall bei der FDP.)

    Die finanzielle Ordnung ist oberstes Ziel der deutschen Finanzpolitik, hat der Herr Bundesfinanzminister gesagt. Selbstverständlich einverstanden, meine Damen und Herren! Finanzielle Ordnung aus vielen, vielen Gründen! Aber ich darf eine Bemerkung machen. Meine Freunde und ich glauben, daß zur finanziellen Ordnung auch die Vermeidung der Ansammlung zu hoher, nicht notwendiger Barbeträge in öffentlichen Kassen gehört.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Das eigentlich von alters her probateste und ganz gut bewährte Mittel scheint mir darin zu bestehen, daß weniger Steuern erhoben werden; dann kann der Überdruck in den Kassen nicht entstehen.

    (Beifall bei der FDP.)

    In einer Aussprache über den Bundeshaushalt muß natürlich auch die Einnahmeseite behandelt werden. Das hat auch der Herr Bundesfinanzminister getan. An den Seitenzahlen der Rede gemessen sind das, was der Herr Bundesfinanzminister zu etwa zu senkenden Steuern gesagt hat, dem Um-


    (Dr. Blank [Oberhausen])

    fange nach etwa 10 % gegenüber dem, was er über die Notwendigkeit der Ausgaben gesagt hat.
    Meine Freunde halten grundsätzlich ihre in den Anträgen Drucksachen 1762, 1763 und 1764 gestellten Forderungen auf Senkung der nach unserer Meinung auch heute noch übergroßen Steuerlast aufrecht. Ich darf die wichtigsten Forderungen hier noch einmal ganz kurz nennen. Wir fordern eine lineare Senkung des Tarifs der Einkommensteuer um 10 %.

    (Beifall bei der FDP' und in der Mitte.) Inzwischen hat die Bank deutscher Länder in ihrem November-Bericht, der heute schon zitiert worden ist, in dem Abschnitt über die öffentlichen Finanzen eine Darstellung gegeben, die nach unserer Überzeugung unserer Forderung in dieser Beziehung eine Stütze gibt, wie sie besser, klassischer und deutlicher gar nicht gegeben werden kann.


    (Abg. Raestrup: Sehr richtig!)

    Wir fordern auch eine Verbesserung — sie ist uns ja auch in Aussicht gestellt — der Ehegattenbesteuerung.

    (Abg. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Sehr richtig!)

    Wir sind allerdings der Auffassung, daß die Denkschrift des Bundesfinanzministeriums zu dieser Frage — über die ebenfalls schon gesprochen wurde — unsere Wünsche und Erwartungen nicht erfüllt, insbesondere auch insofern nicht, als wir mit voller Absicht eine Denkschrift der Bundesregierung erbeten hatten, aber eine Ausarbeitung des allerdings vordringlich zuständigen, aber nur eines Ressorts bekommen haben.

    (Abg. Seuffert: Das Familienministerium war sehr beteiligt!)

    — Ah, vielen Dank! Das wußte ich nicht. Ich kann mich immer noch nicht daran gewöhnen, daß es das gibt.

    (Heiterkeit. — Bundesminister Dr. Wuermeling: Das wird Ihnen noch gelingen, Herr Kollege!)

    — Ich bin überzeugt; aber es geht eben ein bißchen langsam.
    Meine Damen und Herren, wir verzichten in keiner Weise auf Verbrauchsteuersenkung gemäß unserer Drucksache 1762.

    (Abg. Dr. Gülich: Aber die Kollegen aus Ihrer eigenen Fraktion haben vorgestern dieselben Anträge Ihrer Fraktion im Finanzund Steuerausschuß abgelehnt! — Abg. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Sie haben sich enthalten!)

    — Sie haben sich enthalten, Herr Professor; die Dinge liegen doch etwas anders, als sie vereinfachterweise in der Zeitung stehen.

    (Abg. Dr. Gülich: Aber entschuldigen Sie mal, ich war doch dabei! Zum Teil Ablehnung, zum Teil Enthaltung, in keinem Falle Zustimmung!)

    — Für meine Fraktion habe ich das zu erklären, was ich hier eben gesagt habe.

    (Heiterkeit. — Abg. Dr. Gülich: Ich sage nur, wie es in Wirklichkeit gewesen ist! Abg. Schoettle: Das war ein eleganter Ausweg!)

    — Vielen Dank!
    Schließlich glauben wir, daß wir an der ebenfalls von uns in der Drucksache 1763 beantragten steuerlichen Begünstigung des Steinkohlenbergbaus festhalten müssen. Daß auf diesem Gebiet etwas Besonderes geschehen muß, halten wir für ein sehr dringendes Erfordernis im Interesse der Versorgung unserer Wirtschaft mit Grundstoffen.
    Wir müssen auch fordern, meine Damen und Herren, daß die Konsolidierung des ganzen Finanzwesens nicht ausschließlich bei den Bundesfinanzen selbst erfolgt. Dort ruft die angenehme Kassenlage höchstens besondere Begehrlichkeit hervor.

    (Abg. Scheel: Sehr richtig!)

    Wir sollten vielmehr auch bei den einzelnen Einkommensbeziehern und namentlich in den unteren und mittleren Kategorien vorsehen, daß auch dort eine Konsolidierung eintreten kann — um es vulgär auszudrücken: daß sich auch dort ruhig etwas Speck ansammelt —, damit die deutsche Volkswirtschaft im Jahre 1957 oder 1958 in der Lage sein kann, auch größere Beanspruchungen ohne Schwierigkeiten durchzustehen.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Wenn zusätzlich zu diesen Lohn- und Einkommensteuersenkungen noch Verbrauchsteuern, wie die Zucker- und die Zündwarensteuer, gesenkt werden können, wenn auch noch andere Verbrauchsteuern gesenkt werden können — wir haben eben davon gesprochen — und wenn außerdem bei Milch und Kohle die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen ergriffen werden können, dann allerdings glauben wir, daß das ein abgerundetes Sofortprogramm auf dem Gebiete der Finanzen und Steuern ist. Dazu müßte aber vielleicht noch — diese Ergänzung möchte ich hier anbringen — die von dem Herrn Bundesfinanzminister selbst in Aussicht gestellte Erörterung der Frage kommen, ob gewisse Umsatzsteuerbelastungen in Fällen der Be- und Verarbeitung in Zukunft wegfallen können.
    Ob es richtig ist, beim Notopfer Berlin so vorzugehen, wie es der Herr Bundesfinanzminister in seiner gestrigen Rede in Aussicht gestellt hat, erscheint uns zweifelhaft. Wir glauben, daß die ganze Bevölkerung immer wieder auch in der Form einer finanziellen und im übrigen ja nicht untragbaren Belastung daran erinnert werden sollte, welche Aufgabe die Bundesrepublik in Berlin, für Berlin und damit für ganz Deutschland zu erfüllen hat.

    (Beifall bei der FDP.)

    Es ist völlig unmöglich — meinen Herren Vorrednern ist es genauso gegangen —, alle Gesichtspunkte zu behandeln, die der Herr Bundesfinanzminister in seiner gestrigen Rede herausgestellt hat, und es ist auch nicht möglich und nicht vorgesehen, in einer ersten Beratung in irgendeiner Weise auf Einzelprobleme des Haushalts einzugehen. Trotzdem darf ich einige ganz wenige Anmerkungen zu speziellen Fragen machen.
    Bezüglich des zukünftigen Schicksals der Bundesbahn sind wir nicht so pessimistisch, wie der Kollege Schoettle das eben geäußert hat.

    (Abg. Schoettle: Ich bin nicht pessimistisch! Sie müssen noch einiges tun!)

    — Der Meinung sind wir allerdings auch, und es geschieht ja schon eine ganze Menge. Vielleicht muß in der politischen Richtung etwas geschehen. Das muß erneut überlegt werden. Ich glaube aber,


    (Dr. Blank [Oberhausen])

    daß man dem Herrn Bundesfinanzminister — und das scheint mir auch im Sinne der Ausführungen des Kollegen Schoettle zu liegen — darin beistimmen muß, daß die Aufwendungen für die Bundesbahn, weil es sich um einen zur Zeit noch bestehenden laufenden Fehlbetrag handelt, von uns auch im ordentlichen Haushalt verkraftet werden müssen und nicht etwa, wie es der Bundesrat sich gedacht hat, in den außerordentlichen Haushalt aufgenommen werden können.

    (Abg. Dr. Vogel: Dann müßte aber erst ein endgültiger Finanzierungsplan vorgelegt werden!)

    - Es wäre ja überhaupt sehr erwünscht, wenn sich das eines Tages erreichen ließe.
    Meine Freunde begrüßen die zusätzlichen Aufwendungen für die ländliche Siedlung. Der Herr Bundesfinanzminister hat gestern die mich sehr erheiternde Bemerkung gemacht, der Appell an die Länder stehe in den Erläuterungen zu Kap. 10 02 Tit. 531. Ich bin der Meinung, daß es damit natürlich nicht getan ist. Ich habe mir die Erläuterungen zu Tit. 531 angesehen. Da steht: „Die Länder sollen . . .". Ich möchte, um die auch von dem Herrn Bundesfinanzminister ausgesprochene Erwartung und diesen mündlichen Appell zu unterstreichen, meinerseits erklären: Wir erwarten, daß sich die Länder an der Aufbringung der Finanzierungsmittel beteiligen, wie es in den Erläuterungen zu Tit. 531 von Kap. 10 02 steht.
    Selbstverständlich beobachten meine Freunde genau so wie die Herren Vertreter der anderen Fraktionen das weitere Anwachsen des Personalbestandes mit Sorge. Die Zahlen, die schon im Nachtragshaushalt 1955 und die ferner im Haushaltsvoranschlag 1956 — ohne Verteidigung — stehen, sind an sich objektiv nicht sehr groß. Aber der Trend geht eben leider immer noch nach oben, und wir müssen dahin kommen, daß es in dieser Beziehung rückwärts geht. Daß natürlich die Gesetzgebung dieses Hauses nicht unschuldig daran ist, daß die Ministerien glauben, die ihnen von uns übertragenen Arbeiten nur mit mehr Menschen erfüllen zu können, wollen wir zwar zugeben, und wir wollen uns auch selber vornehmen, diese Dinge stets im Auge zu behalten.

    (Abg. Niederalt: Wollen uns hoffentlich bessern!)

    Ich hatte neulich eine sehr interessante Unterhaltung mit dem Innenminister eines Landes, der sagte: Sie können auch bei uns sehr gut helfen, indem Sie nicht immer die obersten Landesbehörden in ihren Bundesgesetzen als die durchführende Stelle bestimmen. — Eine Sache, die wir uns gelegentlich einmal bei solchen Gesetzen überlegen müssen.

    (Abg. Dr. Vogel: Vor allen Dingen die Fassung der Durchführungsbestimmungen!)

    — Die Durchführungsbestimmungen tun dann auch noch ein weiteres dazu.
    Nachdrücklich anschließen möchte ich mich dem, was der Kollege Schoettle zur Frage des Luftschutzes gesagt hat. Die Summen, die in diesem Jahr für den zivilen Luftschutz vorgesehen sind, sind — gemessen an der Aufgabe — unendlich bescheiden, und wir brauchen uns bloß der vorgestrigen Diskussion über die Operation der Carte blanche zu entsinnen, um uns noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, welche Gefahren drohen. Ich
    möchte — das tue ich seit Jahren — die Dinge so betrachten: Wir alle sind, glaube ich, ohne Ausnahme, der Überzeugung, daß das Letzte geschehen muß, um einen Krieg zu verhindern. Aber wenn nachher ein Krieg, an dem wir vielleicht überhaupt gar nicht einmal selbst beteiligt sind, sondern in dem wir nur Objekt sind, über uns dahinbraust, und es ist in Deutschland zum Schutze der Zivilbevölkerung und auch der wichtigen Anlagen und Arbeitsplätze nichts geschehen, dann wird man sagen: Dafür, daß das passiert ist, seid ihr — das deutsche Parlament und die Regierung — verantwortlich. Wir müssen uns diese Sache sehr ernstlich überlegen, und es ist wirklich die Frage, was wichtiger ist — ich bitte um Entschuldigung, wenn ich diese beiden nicht miteinander in unmittelbarer Verbindung stehenden Dinge einmal in diese Verbindung setze —: Ist es wohl wichtiger, die gesetzlich zwingend nicht einmal vorgesehene Tilgung der Ausgleichsforderungen in Angriff zu nehmen und auf diesem Gebiet ein Milliardenprogramm durchzuführen — auf Jahre hinaus natürlich, aber der Luftschutz läßt sich auch nicht von heute auf morgen machen —, oder wäre es nicht doch mindestens erwägenswert, daß man die Mittel, die hier der Tilgung der Ausgleichsforderungen dienen sollen, vielleicht dem Schutz der Zivilbevölkerung dienstbar macht?
    Die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers über den Sozialetat haben uns in eindrucksvoller Weise vor Augen geführt, welche Leistungen unsere gesamte Volkswirtschaft für diesen Zweck erfreulicherweise hat aufbringen können.

    (Vizepräsident Dr. Schneider übernimmt den Vorsitz.)

    Es ist eine Binsenwahrheit, aber ich möchte es doch noch einmal sagen: nur eine ertragreiche Wirtschaft, eine Wirtschaft, die vorwärtsschreitet und Gewinne erzielt, kann Leistungen von dieser gewaltigen Milliardenhöhe aufbringen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Es .ist infolgedessen alles daran gelegen, daß der Weg, der uns bis zu diesem Maße wirtschaftlicher Aktivität und größeren Ertrages gebracht hat, auch weiter beschritten wird.

    (Beifall bei der FDP.)

    Der Einzelplan 14, der Haushalt des Bundesministeriums für Verteidigung, ist vorläufig noch im neuen Bundeshaushaltsplan ein Torso. Wir behandeln zur Zeit im Sicherheitsausschuß und im Haushaltsausschuß in gemeinsamen Sitzungen die Vorschläge, die zu einer beschleunigten Durchführung wenigstens der Anlaufmaßnahmen erforderlich sind. Hier wird sich ein Gesamtüberblick erst gewinnen lassen, wenn die Verwaltung in der Lage gewesen sein wird, uns die Einzelheiten in der Form eines Haushaltsvoranschlages zu unterbreiten. Beruhigend ist an dieser Sache, daß die vorgesehene Gesamtsumme im laufenden Haushaltsjahr unter keinen Umständen wird erhöht werden müssen oder können. Es wird also unbedenklich sein, selbst wenn die Einzelheiten im Augenblick der Verabschiedung des Haushalts 1956 noch nicht vorliegen, die Globalsumme zu beschließen.
    Der Herr Bundesfinanzminister und anschließend Herr Kollege Schoettle — ich weiß nicht, ob auch Sie etwas dazu gesagt haben, Herr Vogel; ich bitte um Entschuldigung — sind auf die Frage „Atom"


    (Dr. Blank [Oberhausen])

    — ich nenne einfach mal dieses Stichwort — eingegangen. Meine Freunde sind der Meinung, daß dieses Gebiet den nächsten Haushalt und die kommenden Haushalte stark in Anspruch nehmen wird. Die jetzt für die Bundesrepublik mögliche friedliche Nutzung der Kernenergien wird nicht nur dringende gesetzliche Maßnahmen erfordern, sondern auch materielle Bereitstellungen, um den schon sehr großen Vorsprung der anderen Staaten möglichst bald einzuholen. Ich möchte diese Notwendigkeit hier nicht im einzelnen begründen. Das wird sicherlich in Kürze bei der schon lange ausstehenden Aussprache über die diesen Fragenkomplex betreffende Große Anfrage mehrerer Abgeordneter aller Fraktionen ausgiebig geschehen. Dabei handelt es sich aber nicht etwa allein um die in der Öffentlichkeit so lebhaft diskutierte Frage der Planung und Aufstellung eines Atommeilers, sondern ganz allgemein auch um die Förderung der zentralen Forschung und Entwicklung, nicht zuletzt aber um die eigentlich schon überfällige Prüfung und Festlegung aller Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung, zur Überwachung von Wasser und Luft gegen radioaktive Verseuchung und anderes mehr. Hier wird eine gewisse Großzügigkeit in der Bereitstellung von Mitteln wahrscheinlich erforderlich sein. Gerade weil wir nicht in der Lage sein werden, so große Mittel aufzubringen wie beispielsweise die USA, Großbritannien oder sogar Frankreich, werden wir besonders überlegt vorgehen müssen, um den richtigen Einsatz zu sichern. Meine Fraktion wird jedenfalls in ,den Haushaltsberatungen energisch dafür eintreten, daß das Notwendige im Rahmen des Haushalts bereitgestellt wird.

    (Beifall bei der FDP.)

    Ein Wort lassen Sie mich zum Wohnungsbau sagen. Wir haben uns Laufe der letzten Jahre daran gewöhnt, 400, 500 Millionen DM für den sozialen Wohnungsbau als eine Selbstverständlichkeit anzusehen. Die Notwendigkeit für diese Aufwendungen besteht nach wie vor. Herr Kollege Schoettle hat sogar vorhin eine Verstärkung dieser Mittel um 200 Millionen gefordert. Man wird sich das überlegen müssen. Eine Verschiebung hat sich insofern ergeben, als nun ,allmählich durch das Fälligwerden einer größeren Anzahl von Bausparprämien, die ja aus den allgemeinen Wohnungsbauförderungsmitteln genommen werden müssen, das eigentliche, offizielle soziale Wohnungsbauprogramm beeinträchtigt wird. Das sollten wir, so wie die Dinge heute liegen, nicht zulassen. Meine Freunde und ich jedenfalls betrachten den Wohnungsbau noch immer als eine Aufgabe allererster Ordnung, als d i e Aufgabe im Bereich der Bundesrepublik. Ich möchte diesen Standpunkt auch von dieser Stelle aus ausdrücklich unterstreichen.
    Die Aufrechterhaltung der Kaufkraft unserer Währung, die Sicherheit der intervalutarischen Bewertung unserer Währung hatte der Herr Bundesfinanzminister als eine unserer wichtigsten Aufgaben bezeichnet. Wir können das nur bestätigen und auch das, unterstreichen, was zu diesem Punkt der Kollege Vogel in seinen Ausführungen gesagt hat. Es darf — so muß unsere Politik und insbesondere unsere Ausgabenpolitik beschaffen sein — überhaupt niemals der Gedanke aufkommen, die Währung könnte nicht stabil sein. Wir haben augenblicklich, wie uns der Herr Bundesfinanzminister gesagt hat, geradezu märchenhaft gute Deckungsverhältnisse des umlaufenden Geldes durch Gold und Devisen. Das wird nicht immer so
    bleiben; das gehört auch zu der Euphorie. Aber selbst wenn sich das in irgendeinem Zeitpunkt einmal ändern sollte, — unsere staatliche Ausgabenpolitik kann und darf niemals Anlaß auch nur zu Zweifeln geben an der Sicherheit und der Aufrechterhaltung des Wertes unserer Währung,
    Von meinen Herren Vorrednern ist schon verschiedentlich von der allmählich sehr notwendig gewordenen Reform des Haushaltsrechts gesprochen worden. Meine Kollegen Schoettle, Vogel und ich freuen uns sicherlich darüber, daß der Herr Bundesfinanzminister wesentliche Anregungen und Erkenntnisse, die wir in USA gewonnen haben und die in unserem Bericht niedergelegt sind, aufgreift. Auch uns erscheinen die Punkte: Rechnungsjahr gleich Kalenderjahr, Abschaffung des außerordentlichen Haushalts und dafür Einrichtung eines Kapital- oder Investitionshaushalts, Mehrjährigkeit gewisser Ausgabeermächtigungen, Anpassung der Reichshaushaltsordnung an die gegenwärtige staatsrechtliche Lage, Vermögensrechnung, Rechnungsabschluß, Bundesbeteiligungen usw. vordringlich zu sein. Wir freuen uns, wenn nun diese Arbeiten, die schon seit langem laufen, schnell weitergehen. Wir wissen, eine Reform des Haushaltsrechts ist eine unendlich komplizierte und langwierige Aufgabe. Wir glauben aber, daß man den Perfektionismus nicht zu weit treiben und dringliche Abänderungen in einer Art Kleiner Haushaltsrechtsreform lieber vorwegnehmen und gesetzlich verabschieden sollte. In diese Richtung führen ja auch die Ausführungen zu dem Thema auf den Seiten 228 und 229 der Allgemeinen Vorbemerkungen.
    In meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses des Haushaltsausschusses lassen Sie mich sagen, daß wir im Rechnungsprüfungsausschuß besonders die Hoffnung haben, die Rechnungslegung und die Prüfung durch den Bundesrechnungshof mögen so beschleunigt werden, daß wir in einer nahen Zukunft aus den Erfahrungen und Ergebnissen vergangener Jahre und möglichst nahe zurückliegender Jahre Nutzanwendungen und Kenntnisse für die Behandlung des neuen Haushalts gewinnen können. Denn das ist ja eigentlich der letzte und tiefe Sinn einer Rechnungsprüfung. .

    (Abg. Dr. Vogel: Sehr richtig!)

    Namens meiner Freunde darf ich das Hohe Haus bitten, den Haushaltsvoranschlag, Drucksache 1900, dem Haushaltsausschuß zu überweisen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)