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ID0211501400

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    2. Deutscher Bundestag — 115. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1955 6155 115. Sitzung Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1955. Geschäftliche Mitteilungen 6155 C Vorlage des Berichts des Bundesministers der Finanzen über Maßnahmen der Bundesregierung betr. Städtebaulicher Ideenwettbewerb „Hauptstadt Berlin" und Architektenwettbewerb „Wiederherstellung Reichstagsgebäude" (Drucksache 1907) 6155 C Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung vom 1. Dezember 1955 betr. Genfer Außenministerkonferenz, europäische Sicherheit, Wiedervereinigung Deutschlands, Ost-West-Kontakte (Entschließungsanträge Drucksachen 1898, 1909) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Genfer Außenministerkonferenz der Vier Mächte (Drucksache 1723) 6155 C Ollenhauer (SPD) . 6155 C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 6162 C Kiesinger (CDU/CSU) . . . 6163 B, 6166 B Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) 6165 D, 6166 B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . . 6172 A Dr. Gille (GB/BHE) . 6178 D Dr. von Brentano, Bundesminister des Auswärtigen 6185 A Kraft, Bundesminister für besondere Aufgaben . 6185 C Dr. Brühler (DP) 6185 D Dr. Lenz (Godesberg) (CDU/CSU) (zur Geschäftsordnung) . 6187 D Abstimmungen 6188 A Nächste Sitzung 6188 C Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 6188 Die Sitzung wird um 9 Uhr durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Dr. Kopf 31. 3. 1956 Mensing 1. 3. 1956 Dr. Starke 28. 2. 1956 Jahn (Frankfurt) 9. 1. 1956 Moll 1. 1. 1956 Peters 1. 1. 1956 Neumann 31. 12. 1955 Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 17. 12. 1955 Dr. Luchtenberg 16. 12. 1955 Dr. Reichstein 16. 12. 1955 Dr. Graf (München) 15. 12. 1955 Schröter (Wilmersdorf) 15. 12. 1955 Frau Rudoll 14. 12. 1955 Eberhard 10. 12. 1955 Stahl 9. 12. 1955 Leukert 5. 12. 1955 Frau Albertz 2. 12. 1955 Dr. Baade 2. 12. 1955 Bauknecht 2. 12. 1955 Bazille 2. 12. 1955 Diekmann 2. 12. 1955 Even 2. 12. 1955 Hansen (Köln) 2. 12. 1955 Dr. Horlacher 2. 12. 1955 Frau Hütter 2. 12. 1955 Jacobi 2. 12. 1955 Dr. Keller 2. 12. 1955 Kramel 2. 12. 1955 Kriedemann 2. 12. 1955 Dr. Maier (Stuttgart) 2. 12. 1955 Menke 2. 12. 1955 Dr. Mocker 2. 12. 1955 Dr. Mommer 2. 12. 1955 Neuburger 2. 12. 1955 Frau Pitz 2. 12. 1955 Dr. Pohle (Düsseldorf) 2. 12. 1955 Rasner 2. 12. 1955 Struve 2. 12. 1955 Wagner (Ludwigshafen) 2. 12. 1955 Dr. Wahl 2. 12. 1955 Welke 2. 12. 1955
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    Rede von Dr. Kurt Georg Kiesinger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nun, meine Damen und Herren, ich möchte aber einen Schritt weitergehen. Sollten wir uns nicht ernstlich fragen, was das wirkliche Problem für Sowjetrußland in der Frage der deutschen Wiedervereinigung ist? Ist es wirklich die mit so viel Nachdruck immer und immer wieder herausgestellte militärische Frage, der militärische Aspekt, der Sicherheitsaspekt im militärischen Sinne? Herr Kollege Ollenhauer hat selbst gesagt, daß dieser militärische Aspekt für Sowjetrußland gar nicht so wichtig sei. Ich stimme ihm zu. In einem Zeitalter, in dem beide Lager die Wasserstoffbombe besitzen, ist tatsächlich die Kriegsgefahr, die Gefahr eines totalen Krieges als ultima ratio einer festgefahrenen Politik, außerordentlich unwahrscheinlich geworden, und es ist durchaus denkbar — ich halte es sogar für wahrscheinlich —, daß Sowjetrußland sich heute in verhältnismäßiger Sicherheit zu befinden glaubt. Von da her müssen wir meines Erachtens manche Reaktionen der sowjetrussischen Politik verstehen.
    Ich möchte aber gleich hinzufügen, Herr Kollege Ollenhauer: Die Bedeutung des Verteidigungsbeitrages, den die Bundesrepublik im Rahmen der Anstrengungen der westlichen Welt, insbesondere hier auf dem Boden Westeuropas, macht, kann dabei nicht gering geschätzt werden. Im Gegenteil, diese Bedeutung ist gerade deswegen, weil es so ist, so außerordentlich groß. Ich spreche das bekannte Problem an, daß trotz des Besitzes der Wasserstoffbombe, oder vielleicht gerade wegen dieses Besitzes, die Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung mit herkömmlichen Waffen auch auf europäischem Boden keineswegs ausgeschlossen ist.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Um dieser Gefahr zu begegnen, nicht allein durch Verträge — die für sich allein ja nie genügen —, sondern auch durch Schaffung von Verteidigungsrealitäten, muß das europäische Verteidigungswerk im Rahmen der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft mit einem deutschen Beitrag so rasch und so gründlich wie möglich vorangetrieben werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und rechts.)

    Das bedeutet keinen feindseligen Akt gegenüber der Sowjetunion. Ich glaube, die sowjetrussischen Führer sind Realisten genug, zu sehen, was wir damit wollen.

    (Abg. Wehner: Das haben Sie schon einmal gesagt, Herr Kiesinger! Wissen Sie: Pariser Verträge!)

    — Lieber Herr Kollege Wehner, ich bin auch durch meinen Besuch in Moskau nicht davon überzeugt worden, daß die sowjetrussischen Führer etwa die Realitäten nicht richtig sehen.

    (Abg. Wehner: Entschuldigen Sie! Damals sagten Sie es im Sinne der Anpassung an das, was Sie meinen!)

    — Ich kann Ihnen nur sagen: ich bin überzeugt, man versteht in Sowjetrußland durchaus, daß der Westen Europas — wenn man einmal annimmt, daß die Wasserstoffbomben in einem kommenden Krieg nicht zum Einsatz kommen werden oder daß wenigstens eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht —, daß der Westen Europas und die übrige freie Welt gar keine andere Wahl haben als die, der ungeheuren Überlegenheit Sowjetrußlands in konventionellen Waffen eine gleich starke Kraft auf diesem Gebiet entgegenzusetzen, und davon sind wir leider Gottes noch weit entfernt.

    (Abg. Stücklen: Sehr richtig!)

    Ich stimme durchaus Herrn Kollegen Ollenhauer zu: das eine tun und das andere nicht lassen. Das ist nur ein scheinbarer Widerspruch.

    (Abg. Dr. Bartram: Sehr richtig!)

    Wir sollten uns durchaus mit all jenen Kräften verbünden, die heute an die Großen dieser Welt appellieren, das Wettrüsten mit den schrecklichen modernen Waffen endlich zu beenden. Aber Sie wissen genau so wie ich, daß Sowjetrußland primär die Abrüstung auf dem Gebiet der Wasserstoffbomben fordert, ohne gleichzeitig die Abrüstung auf dem Gebiet der konventionellen Waffen mit einzubeziehen.

    (Abg. Dr. Mende: Während es selber die größten Versuche auf dem Gebiet der Wasserstoffbombenentwicklung macht!)

    — Sie stimmen mir zu, Herr Kollege Mende, wenn ich Sie recht verstehe. — Das ist etwas, was die westliche Welt um ihrer Sicherheit willen nicht annehmen kann.
    Man muß also davon ausgehen, daß Sowjetrußland in der gegenwärtigen Stunde nicht bereit ist
    — und das sagten Sie ja wohl auch, Herr Kollege Ollenhauer —, der Wiedervereinigung Deutsch-


    (Kiesinger)

    lands näherzutreten, wenn nicht alle Bedingungen, die es gestellt hat, erfüllt sind. Da kommt nun meine These: Selbst ein waffenloses und neutralisiertes Deutschland steckt in dieser sowjetrussischen Rechnung nicht drin. Das ergibt die Bedingung der Einbeziehung der sogenannten DDR mit ihrer gesamten kommunistischen Substanz in das zukünftige Deutschland und die Forderung nach Änderung der sozialen und politischen Struktur in der Bundesrepublik.
    Einer Ihrer Kollegen, Herr Eichler, hat jüngst gesagt, offenbar habe die Sowjetunion zwei Ziele: das Maximalziel, Gesamtdeutschland unter seinen Einfluß zu bekommen, oder wenigstens, wenn dies bei der Bundesrepublik mißglücken sollte, die kommunistische Substanz im Osten zu halten. Infolgedessen wird man nicht sagen können, daß die sowjetrussische Politik eine Politik des Status quo sei. Ich fürchte, wir müssen hinzufügen: Die sowjetrussische Politik will den gegenwärtigen territorialen Stand erhalten; sie will aber darüber hinaus versuchen, die kommunistische Position in den Westen und vor allen Dingen in die Bundesrepublik vorzuschieben.

    (Abg. Dr. Lenz [Godesberg]: Sehr richtig!)

    Das ist jedenfalls ein Versuch, auf den sie es ankommen lassen will. Ob er glückt oder nicht, darauf will sie offenbar warten; denn sie glaubt, daß ihrer Politik der Erfolg beschieden sein wird.
    Sie selbst, Herr Kollege Ollenhauer, haben Vermutungen darüber angestellt, welches etwa die Motive, die Gedankengänge, die Berechnungen sein könnten, die Sowjetrußland anstellt, um diese Zuversicht zu hegen. Wir sind gewiß auf Vermutungen angewiesen. Aber es ist nicht schwer, sich klarzumachen, welche Gedankengänge in den sowjetrussischen Köpfen tatsächlich vorhanden sind. Sie glauben an den automatischen Zerfall der kapitalistischen Welt, sie glauben daran, daß diese zum Untergang verdammt ist. Sie gehen davon aus, daß, obwohl diese kapitalistische Welt nach kommunistischer Theorie eines Tages den Kommunismus in seinem Heimatland zerstören wolle, die technischen Gegebenheiten der heutigen Situation, insbesondere der Besitz der Wasserstoffbombe in beiden Lagern, diesen Gelüsten einen Riegel vorschieben. Ihre Blicke gehen nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Sie wissen, daß die öffentliche Meinung des amerikanischen Volkes gegen kriegerische Abenteuer eingestellt ist. Sie wissen, daß auch die amerikanische Regierung — Präsident Eisenhower und Herr Dulles haben es ihnen ja versichert — gegen jedes kriegerische Abenteuer steht. Sie glauben also, wie sie uns auch in Moskau versichert haben, daß die derzeitigen Führer der westlichen Politik ernsthaft den Frieden wollen. Auch das sagt ihnen: wir haben Zeit.
    Ähnlich steht es in Großbritannien. In Großbritannien ist noch das besondere Problem der kolonialen Überlieferung gegeben. Wir alle wissen, wie sehr Sowjetrußland die Ressentiments der kolonialen Welt gegen die bisherigen kolonialen Mächte auszunutzen bestrebt ist, um Wasser auf die Mühlen des Kommunismus zu leiten. Daher das Übergreifen der sowjetrussischen Politik nach Asien, Afrika, ja nach Südamerika.
    Und in Europa! Man hat uns vorgeworfen, daß unser neuer Appell zu einer verstärkten Politik europäischer Einigung eine Art Alternative zur nicht stattfindenden Wiedervereinigung sei. Meine
    Damen und Herren, wann je haben wir Ihnen Anlaß für eine solche Behauptung gegeben?

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen] : Niemals!)

    Wir haben die europäische Einigung immer als ein Werk betrachtet, das gerade auch der deutschen Wiedervereinigung besser als vieles andere dienen könnte. Daß wir das Werk der europäischen Einigung vorantreiben müssen, liegt auf der Hand. Europa zwischen den Giganten der heutigen Zeit, insbesondere unter dem Druck des Ostens, hat doch überhaupt nur eine Chance, wenn es sich so rasch wie möglich zusammenfindet.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es handelt sich auch hier wiederum nicht um eine Unternehmung, die gegen Sowjetrußland gerichtet ist. Sowjetrußland kann doch nicht ernsthaft behaupten, daß das klein gewordene Europa eine Gefahr für die Riesenmacht, die Sowjetrußland heute darstellt, sein könne.
    Außerdem haben wir allen Grund zur Beunruhigung, wenn wir in dieses westliche Europa hineinblicken. Es gibt Kommunismus nicht nur in Sowjetrußland; es gibt in Europa große Länder, in denen die Bevölkerung bis zu einem Drittel heute noch kommunistisch wählt. Das ist eine Tatsache, die ebenfalls auf eine sehr große Gefahr hinweist.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Bei unseren Verbündeten ist das der Fall, Herr Kiesinger!)

    — Gewiß! Das ändert ja die Lage nicht. Vielleicht, Herr Kollege Schmid, sollten wir daran denken, daß wir unseren Verbündeten am besten dadurch helfen können, daß wir im Rahmen eines vereinigten Europa auch solche wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen mit herstellen helfen — Herr Ollenhauer will es ja vielleicht jetzt auch tun, mit uns zusammen im Aktionskomitee, das Herr Monnet ins Leben gerufen hat —, die den Kommunismus allmählich zurückdrängen. Das ist doch mit ein Ziel der europäischen Einigungspolitik, und wir sind überzeugt, daß die Schaffung eines gemeinsamen Marktes und das Übereinkommen der Europäer auf wirtschaftlichen und sozialen Gebieten eine solche Änderung in Europa bewirken könnte.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die härteste Kritik, die Herr Ollenhauer und die Sozialdemokratie an unserer Politik geübt hat, ist die, daß er die These aufgestellt hat, unsere Politik habe, wenn auch ungewollt, die sowjetrussische Deutschlandpolitik gestützt. Andere sagen, sie habe dieser Politik eine Ausrede geliefert. Manchmal findet man diese beiden Argumente in ein und demselben Artikel, in ein und derselben Rede beisammen, ohne daß die Urheber bemerken, daß sie einen Widerspruch in sich darstellen. Entweder hat unsere Politik diese sowjetrussische Deutschlandpolitik tatsächlich gestärkt, oder aber die sowjetrussische Deutschlandpolitik lag — wie wir behaupten — von vornherein fest, und die Russen benutzen allenfalls, was wir getan haben, als eine durchsichtige Ausrede.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ich will ganz deutlich aussprechen, daß ich fest
    davon überzeugt bin, daß die deutsche Sozialdemokratie ein kräftiges Bollwerk, neben den anderen


    (Kiesinger)

    politischen Parteien in Deutschland, wider den Kommunismus darstellt;

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen]: Sehr richtig!)

    ich glaube Ihnen da jedes Wort. Aber Sie müssen sich fragen, ob auch Sowjetrußland die Lage so sieht. Sie wissen, daß Herr Molotow in Genf die Sozialdemokratie zweimal apostrophiert hat. Auf wen setzt die sowjetrussische Politik in Deutschland?

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Setzt sie darauf, daß wir eine falsche Politik machen und daß sie sie dann benutzen könne, um ihre Politik durchzuführen, oder tut sie es umgekehrt mit Ihnen so?

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: In Moskau hat sie offensichtlich auf den Herrn Bundeskanzler gesetzt! — Zuruf rechts.)

    — Herr Professor Schmid, seien Sie nicht so sicher! Herr Kollege Ollenhauer, Molotow hat in Genf z. B. bei der Frage des Gesamtdeutschen Rates und des „hochmütigen Verhaltens der Bundesrepublik gegenüber der DDR" gesagt: „Meine Herren, Sie wissen doch, daß Herr Ollenhauer hier in Genf die Auffassung vertritt, daß man gesamtdeutsche technische Kontakte aufnehmen solle",

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Wollen Sie das nicht?)

    und damit im Zusammenhang sagte er: Also könnten die hochmütige Haltung der Bundesrepublik gegenüber der DDR und die Nichtanerkennung gar nicht mehr lange dauern.
    Was wollte er damit sagen?

    (Abg. Ollenhauer: Aber, Herr Kiesinger, Herr Molotow ist nicht der Interpret der sozialdemokratischen Politik! Was soll denn das? — Sicher nicht, Herr Ollenhauer; (Abg. Wehner: Sie müssen ja darauf kommen!)

    wir dürfen Herrn Molotow weder als den Interpreten der Außenpolitik der Bundesregierung in diese Zusammenhänge bringen noch als den Interpreten Ihrer Politik. Aber wenn Sie sagen, unsere Politik habe die sowjetrussische Deutschlandpolitik gestärkt und habe ihr Argumente geliefert, dann müssen Sie sich schon gefallen lassen, daß ich Sie auf die Gefahr hinweise, daß Ihre Politik das genau bei der sowjetrussischen Politik zu tun droht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Darin liegt beileibe nicht der Vorwurf, daß die Sozialdemokratische Partei irgend etwas dieser Art beabsichtigt hätte. Deswegen habe ich Ihnen ja ausdrücklich gesagt, daß es nicht der Fall sei. Aber liegt es denn nicht nahe, anzunehmen, daß Sowjetrußland für die nächsten zwei Jahre hinsichtlich Deutschlands folgendermaßen spekuliert?

    (Abg. Wehner: Jetzt spekulieren Sie!)

    Molotow sagte: Die Pariser Verträge sind den Westdeutschen aufgezwungen worden, sie haben sie gar nicht freiwillig akzeptiert; der beste Beweis dafür ist, daß nicht nur die Werktätigen in der DDR, sondern auch die in der Bundesrepublik, die Sozialdemokraten und die Kommunisten, dagegen waren. Nun gut, worauf spekulierte er wohl? Sie
    haben von den Fehlspekulationen des Kommunismus in den vergangenen Jahren gesprochen. Ich gebe Ihnen darin recht: der Kommunismus hat sich im Grunde immer wieder verspekuliert, zu seinem Nachteil, wie ich glaube, aber auch zu unserem Schaden. Er könnte jedoch damit rechnen, daß in den nächsten zwei Jahren in Deutschland vielleicht politische Gruppierungen entstehen, die jedenfalls die Politik des Zusammengehens Deutschlands mit der westlichen Welt ablösen.

    (Abg. Ollenhauer: Herr Kiesinger, wollen Sie nicht bitte diesen Teil meiner Rede von heute morgen endlich zur Kenntnis nehmen?)

    — Ich nehme ihn ja zur Kenntnis, Herr Ollenhauer. Ich habe Ihnen gerade gesagt, ich bin froh gewesen, daß Sie das heute früh auch Sowjetrußland gegenüber erklärt haben. Aber glauben Sie denn, daß Sowjetrußland deswegen seine Spekulation aufgeben wird, daß es zumindest als erste Etappe — und da sehen wir die Gefahr — gelingen könnte, die bisherige Politik der Bundesregierung durch eine Politik eines neutralisierten und vielleicht auch waffenlosen Deutschlands abzulösen? Glauben Sie nicht, daß man sich in Moskau sagt: Warum sollte das nicht gelingen, besonders wenn außer der Sozialdemokratie im Jahre 1957 in den Deutschen Bundestag noch andere Gruppen einziehen sollten, die vielleicht noch radikalere Konsequenzen zu ziehen gewillt sein werden? Das ist eine Spekulation auf eine Politik, die in den Augen der Sowjetunion mindestens eine Etappe auf dem Wege zu ihrem Endziel darstellen könnte. Deswegen gerade war ich so dankbar, daß Sie heute mit solcher Deutlichkeit den Standpunkt der Sozialdemokratie dargestellt haben.
    Sie haben auch davon gesprochen, unser Fehler liege darin, ,daß wir unsere Interessen mit denen des Westens völlig identifiziert hätten. Aber, Herr Ollenhauer, was gibt Ihnen Anlaß dazu, das zu sagen? Deswegen, weil wir in den vergangenen Jahren mit dem Westen eine gemeinsame Politik gemacht haben, weil aus ehemaligen Gegnern des Weltkrieges Verbündete geworden sind, sollten wir unsere Interessen mit denen des Westens identifiziert haben. Wir haben lediglich das getan, was jede vernünftige Außenpolitik tut: wir haben geprüft, welche Interessen unserer ehemaligen Gegner mit unseren eigenen Interessen identisch oder gleichlaufend sind, und haben daraus die richtigen Konsequenzen gezogen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Welches waren diese Interessen? Nun, es waren zunächst die Interessen der Sicherheit. Die westliche Welt sah sich — das ist doch eine feststehende Tatsache — nach dem letzten Krieg ganz einfach durch die gewaltige militärische und territoriale Expansion Sowjetrußlands bedroht. Dagegen hat sie sich organisiert: Berliner Luftbrücke, Korea, Griechenland, Türkei — ich brauche doch das alles nicht mehr ausdrücklich ins Gedächtnis zu rufen. Das war unser Glück. Wenn diese deutschen Sicherheitsinteressen nicht parallel gelaufen wären mit den Sicherheitsinteressen der westlichen Welt, — ich wage nicht auszudenken, meine Damen und Herren, wo wir heute stünden!

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP.)



    (Kiesinger)

    Aber auch das zweite Hauptanliegen der deutschen Politik, das gleichrangig mit den Interessen der Sicherheit zu bewerten ist — beide sind voneinander überhaupt nicht zu lösen —, das Anliegen der deutschen Wiedervereinigung, ist ein Interesse, das auch der Westen teilt. Es ist uns fa nicht nur gelungen, ein Bündnis mit den ehemaligen Kriegsgegnern herzustellen und dadurch nach menschlichem Ermessen unsere Sicherheit so gut zu schützen, als es in der gegebenen geschichtlichen Stunde möglich ist, es ist uns darüber hinaus gelungen — und der Außenminister hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das doch keine Selbstverständlichkeit ist —, daß der Westen auch das Anliegen der deutschen Wiedervereinigung als ein eigenes Anliegen begreift. Die westlichen Regierungen haben doch nicht nur Deklarationen abgegeben. Wir haben in der Beratenden Versammlung des Europarates die ganze Frage bei der jüngsten Tagung durchberaten. Dabei ist fast in jeder Rede zum Ausdruck gekommen, wie sehr der Westen weiß, daß es in Europa eine dauernde Ordnung des Friedens und des Rechts nicht geben wird, solange die Frage der deutschen Wiedervereinigung nicht gelöst ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das ist doch immerhin etwas; das ist ein Erfolg auch unserer Politik der vergangenen Jahre, und Sie sollten sie gewiß nicht gering achten. Seien Sie gewiß, uns ist dabei klar und wir haben in keinem Augenblick außer Betracht gelassen, daß es im Westen Tendenzen geben mag und gibt, die sich vielleicht kurzsichtig mit der Tatsache der deutschen Spaltung abfinden wollen. Wo immer wir konnten, haben wir die verantwortlichen Staatsmänner des Westens darauf aufmerksam gemacht, daß hier ein Problem liegt, das gelöst werden muß um des Heiles aller willen. Wir werden fortfahren, dies zu tun, auch wenn einmal vorübergehend gewisse westliche Politiker glauben sollten, daß das Anliegen der Wiedervereinigung vielleicht störend in gewisse westliche Konzeptionen eingriffe. Wir haben aber — und das versichere ich aus voller Überzeugung — nicht einen einzigen Anhaltspunkt dafür, daß gewisse da und dort in einzelnen Zeitungen auftretende Meinungsäußerungen dieser Art der Meinung der verantwortlichen politischen Führer der westlichen Politik entsprechen. Im Gegenteil, gerade Genf hat uns erneut davon überzeugt, daß der Westen geschlossen hinter dem Anliegen der deutschen Wiedervereinigung steht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP.)

    Ich habe das Gefühl—und ich sage das ohne jeden Willen, Sowjetrußland zu attackieren —, daß Sowjetrußland weniger vor den militärischen Aspekten als viel eher Sorge davor hat, w o ein wiedervereinigtes Deutschland, wo das gesamte deutsche Volk von 70 Millionen gesinnungsmäßig, weltanschaulich und daher auch im eigentlichen Sinne politisch steht.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Das ist eine sehr ernste Feststellung. Kommen Sie mir nun nicht sofort mit dem Gegenargument: Also müssen wir das Anliegen der Wiedervereinigung aufgeben! Ich habe das Gefühl, daß sich die sowjetrussischen Führer sagen: Dieses deutsche Volk wird — und nach einer Wiedervereinigung sogar noch fester — im Lager der nichtkommunistischen Welt stehen. Ja, ich gehe darüber hinaus: welches
    große Volk in Europa gibt es, das gegenüber dem
    Kommunismus mehr immun wäre als das deutsche?

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP.)

    Hier liegt unser tragisches Problem. Das Militärische — so, denke ich mir, sagen sich die russischen Politiker — ist ein Annex des Politischen. Ein Volk wie das deutsche, das gesinnungsmäßig im Lager der freien Welt steht, ist ein Faktor im Ringen der heutigen Kräfte um die ideologische Herrschaft über diesen Planeten. Die Entscheidung, die dieses vereinte deutsche Volk treffen wird, ist für denjenigen, der mit einer Ausbreitung des Kommunismus über den Erdball rechnet, auf diese Ausbreitung hofft und sie wünscht, natürlich eine Tatsache von allererster Bedeutung.
    Wenn dieses Feststellung richtig ist — ich gestehe Ihnen: ich halte sie für die zentrale Feststellung in unseren außenpolitischen Überlegungen, und ich glaube, daß wir von ihr bei allen unseren Plänen ausgehen müssen —, dann werden Sie mich fragen: Weiche Konsequenzen sind daraus zu ziehen? Nun, ich habe meine Ausführungen über die sowjetrussische Politik, über die sowjetrussische Ideologie nicht gemacht, um Anklagen gegen Sowjetrußland zu schleudern. Ich habe Sowjetrußland als ein Phänomen genommen, das in der Welt ist und mit dem man zu rechnen hat. Aber wenn das so ist, dann kann unsere zukünftige Politik nur einen Kurs einschlagen: wir sind darauf angewiesen, das Anliegen der deutschen und westeuropäischen Sicherheit und das Anliegen der Wiedervereinigung g e m eins am zu betreiben. Das Anliegen der Sicherheit ist nur zusammen mit unseren Verbündeten in der westlichen Welt zu sichern. Das steht fest. Es ist durch kein noch so schönes und ideales kollektives Sicherheitssystem auf dem Papier zu sichern. Die deutsche Wiedervereinigung erreichen wir nur, das ist wahr, wenn die Sowjetunion dabei mitwirkt. Infolgedessen heißt die Losung: diese beiden Interessen miteinander zu verbinden und auch die Sowjetunion zu einer Lösung zu bewegen, bei der beiden Interessen Gerechtigkeit widerfährt.
    Wir können aber nicht das Anliegen der Wiedervereinigung mit dem Preis unserer nationalen Unabhängigkeit und mit der Aufgabe unserer freiheitlichen demokratischen Ordnung bezahlen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Es ist nicht zuviel gesagt, wenn ich behaupte, daß die Vorschläge von Herrn Molotow in Genf genau darauf hinauslaufen. Er hat zwar einschränkend gesagt — nachdem er sich vielleicht ein wenig vergaloppiert hatte —, man könne das aus seinen Ausführungen nicht herauslesen. Aber der Herr Außenminister hat schon mit Recht darauf hingewiesen, daß, wenn man alle seine Ausführungen zusammennimmt, auch mit bestem Willen nichts anderes gefunden werden kann, als was ich soeben gesagt habe.
    Das bedeutet, daß wir für unsere Politik gar keine andere Wahl haben, als unsere Sicherheit weiterhin zu schützen. Zugleich müssen wir Sowjetrußland davon überzeugen, daß ein wiedervereinigtes freies Deutschland, obwohl es nicht kommunistisch gesonnen sein wird, bereit ist, mit Sowjetrußland in friedlicher Nachbarschaft zu leben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP.)



    (Kiesinger)

    Ich bin mir darüber klar, wie schwer das ist. Wie oft sind Zusicherungen solcher Art unter Völkern und unter Staatsmännern ausgetauscht worden! Ich weiß, daß Sowjetrußland nicht von heute auf morgen bereit sein wird, solche Zusicherungen hinzunehmen. Ich weiß, daß auch der Schock des letzten Krieges, den der Wahnsinnige unternommen hat, insbesondere der Überfall auf Sowjetrußland, noch heftig in Sowjetrußland nachwirkt und daß es etwas kosten wird, die Sowjetunion davon zu überzeugen, daß wir dieses friedliche Nebeneinanderleben wirklich wollen.
    Aber wir müssen die Sowjetunion auch davor warnen, Gefangene ihrer eigenen Propaganda zu werden. Wenn jüngst Besucher aus der Sowjetunion zurückgekommen sind und erzählt haben, Sowjetrußland wolle aus den Gründen, die ich soeben aufgezählt habe, die Wiedervereinigung Deutschlands nicht, weil man das vereinigte Deutschland als gesinnungsmäßige politische Potenz nicht haben wolle und weil dieses vereinigte Deutschland sofort wieder expansiv nach Osten werden würde, dann dürfen wir doch in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß es etwas kurios klingt, wenn eine Riesenmacht wie die Sowjetunion, die im Besitz der Wasserstoffbombe ist, eine solche Expansionspolitik von deutscher Seite erwartet. Eine einzige Wasserstoffbombe, abgeworfen an einer wichtigen Stelle des deutschen Gebiets, würde doch das Ende eines solchen Abenteuers bedeuten. Außerdem dürfen wir Sowjetrußland darauf hinweisen, daß es allen Traditionen der deutschen Politik widerspricht, anzunehmen, ein wiedervereinigtes Deutschland werde in Konflikt mit Sowjetrußland geraten. Im Gegenteil, es hat immer den Lebensinteressen. sowohl des deutschen wie des russischen Volkes entsprochen, wenn beide Völker in friedlicher Nachbarschaft gelebt haben, und so wird es auch in Zukunft sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Ollenhauer meinte, das bedeute ein SichAbfinden mit der Lage. Ja, es mag leicht so aussehen, wenn man in einer Stunde wie dieser nicht in der Lage ist, ein fix-und-fertiges Rezept für die deutsche Wiedervereinigung zu geben. Herr Ollenhauer, Sie können es auch nicht.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Sie haben es auch nicht behauptet. Der Unterschied zwischen uns ist folgender. Sie glauben offenbar, daß man dann wenigstens damit anfangen müßte, daß man an die Russen diese Frage nach dem militärischen Status eines wiedervereinigten Deutschlands stellt. Nun, es könnte sehr leicht sein, Herr Kollege Ollenhauer, daß diese Frage von Rußland so beantwortet wird, daß die letzten Illusionen verfliegen. Eine unter den zehn Bedingungen, die der Außenminister hier erwähnt hat, ist die, daß im Falle der Wiedervereinigung Gesamtdeutschland sich von westlichen Verteidigungsbünden fernhalten müßte. Wenn meine These richtig ist, daß Sowjetrußland sich noch nicht bereit erklärt, sich mit einem wiedervereinigten Deutschland abzufinden, ganz gleich, wie sein militärischer Status ist, weil es einfach die geistige und politische Bedeutung dieses Landes fürchtet, dann bleibt uns eben nur übrig, in den kommenden Jahren mühselig und geduldig zusammen mit unseren westlichen Verbündeten Sowjetrußland davon zu überzeugen, daß hier keine Gefahr droht. Das können wir nicht allein, denn die Welt ist nun einmal in
    zwei Lager gespalten, und wenn ich von den kolonialen oder bisher kolonialen Gebieten absehe, dann gibt es nur eine kommunistische und eine nichtkommunistische Welt; dazwischendrin gibt es nichts.

    (Zuruf des Abg. Dr. Schmid [Frankfurt].)

    — Herr Kollege Schmid, dazwischen gibt es nichts.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Es gibt doch einen neuen politischen Kontinent!)

    — Sollten Sie ernsthaft der Meinung sein, Herr Kollege Schmid — die Frage interessiert mich außerordentlich, sie ist wirklich von allergrößter Bedeutung —, daß, wie ich soeben sagte, von den kolonialen oder bisher kolonialen Gebieten abgesehen, wo eine besondere Situation gegeben ist — —

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Gut!)

    — Das habe ich ja gesagt: wo eine besondere Situation gegeben ist.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Dann habe ich Sie falsch verstanden!)

    — Gut, dann sind wir uns darüber einig, daß da die Welt in ein kommunistisches und ein nichtkommunistisches Lager gespalten ist, daß es da-zwischendrin nichts gibt. Denn für die Sowjetrussen ist z. B. der freiheitliche Sozialismus, wie Sie ihn vertreten, genau so eine faschistische Angelegenheit wie irgend etwas anderes; das wissen wir doch.
    Sie sagen mir sicherlich: Ja, um Gottes willen, es muß doch etwas geschehen!, und so sagen viele Deutsche. Die Fassungslosigkeit, mit der viele Deutsche diesem Phänomen gegenüberstehen, dem angeblichen toten Punkt, der ja nicht ein toter Punkt, sondern der wahrscheinlich eine tote Strecke seit Jalta und Potsdam ist, worauf man immer wieder hinweisen muß, diese Fassungslosigkeit erklärt sich nur dadurch, daß man sich scheut, die Tatsachen in ihrer vollen Härte zu sehen. Das, womit wir hier ringen, ist das schauerliche Überbleibsel der Politik Adolf Hitlers im vergangenen Krieg. Nicht nur die Wiedervereinigung mit den 18 Millionen drüben, auch die Frage der deutschen Gebiete jenseits der Oder und Neiße ist das schlimme Erbe. Vielleicht sehen es manche Leute hier im Westen deswegen nicht, weil ihnen in den vergangenen Jahren der Wirtschaftsblüte, diese Probleme ein wenig zu fern gerückt sind.
    Infolgedessen bleibt uns gar nichts anderes übrig als die Politik, die der Außenminister sehr klar umrissen hat. Er hat keineswegs resigniert. Er hat keineswegs gesagt, man müsse nichts tun. Herr Kollege Ollenhauer, es ist doch klar, daß die Regierung in dieser Situation die größten Anstrengungen unternehmen wird, daß sie noch einmal eine Prüfung des gesamten Sachverhalts anstellen, noch. einmal eine sorgfältige Analyse machen wird, aus der sich ergeben könnte, welche neuen Impulse man dem Anliegen der deutschen Wiedervereinigung geben kann. Aber erwarten Sie von der Regierung nicht, daß sie jetzt unmittelbar nach der Genfer Konferenz mit einem rasch zusammengezimmerten Programm hervortritt. Ich finde, es sollten auch viele unserer Kollegen und viele andere deutsche Persönlichkeiten sich klar sein darüber, daß man bei allem Verständnis für die Herzensnot, in der sich jeder von uns im Hinblick auf das deutsche Anliegen befindet, doch fragen muß, ob es auch der Sache der Wiedervereinigung dient, wenn jeder


    (Kiesinger)

    zweite oder dritte mit einem eigenen hausgemachten Programm für die deutsche Wiedervereinigung hervortritt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir sind ja durchaus bereit, das gemeinsam zu tun. Sie dürfen überzeugt sein, daß sowohl die Regierung — Sie haben die Anstrengungen des Bundesaußenministers in der letzten Zeit bemerkt
    — wie auch wir hier im Bundestag bereit sind, mit Ihnen zusammen in den zuständigen Gremien die notwendigen Prüfungen und Überlegungen anzustellen.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Rechtzeitig!)

    — Auch rechtzeitig! Rechtzeitig, Herr Kollege Schmid, das heißt doch auch zugleich sorgfältig.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Das hängt insbesondere von der Fragestellung ab!)

    — Herr Kollege Schmid, Sie kommen immer wieder auf die Fragestellung zurück.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Ja! Ohne richtige Fragestellung kann man nämlich nicht richtig argumentieren!)

    Ich will mich nicht wiederholen. Aber glauben Sie wirklich ernsthaft — ich will jetzt einmal davon absehen, das ganze Problem der Sicherheit wieder aufzuwerfen —, daß Ihre Fragestellung an dem Tatbestand, den ich geschildert habe, der ja weit über das Militärische hinausgreift, das geringste ändern würde?

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Aber an seiner Beurteilung!)

    — Ich glaube es nicht. Wir haben in Genf genug Tatsachen vorgesetzt bekommen, die uns die Lage klarmachen.
    Wir werden, gestützt auf die Loyalität unserer Verbündeten, den Weg weitergehen, der uns Sicherheit beschert. Wir werden zu gleicher Zeit — ich wiederhole das, was der Außenminister gesagt hat — Rußland davon zu überzeugen versuchen, daß es uns auf eine friedliche Politik und auf ein dauerndes gutnachbarliches Verhältnis mit Sowjetrußland ankommt. Bitte, wirken wir in diesem Punkte zusammen und denken wir daran, wie stark es doch Sowjetrußland beeindrucken könnte, wenn es sähe und in der Zukunft immer mehr und mehr sähe, daß die großen demokratischen Parteien dieses Landes und dieses Hauses in dieser Frage Schulter an Schulter stehen!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Vielleicht wird dann Sowjetrußland, Herr Kollege Ollenhauer, die Fehlspekulation eines Tages einsehen. Vielleicht wird es begreifen, daß es auch in seinem Interesse nicht gut ist, drüben mit Gewalt ein kommunistisches und verhaßtes Herrschaftssystem — verhaßt, weil es sich um eine Regierung handelt, die man den Menschen aufgezwungen hat — aufrechtzuerhalten und zu versuchen, gar noch in der Bundesrepublik kommunistische Einflüsse durchzusetzen. Sowjetrußland muß ja auch sehen, daß diese Politik zur Folge hätte, daß in diesem Volke das Gefühl ständig wachsen würde, der Widersacher der deutschen Einigung sei einzig und allein Sowjetrußland. Damit würde wieder eine unheilvolle Saat der Feindschaft zwischen unseren beiden Völkern gesät werden, und das wollen wir vermieden wissen.
    Sie, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, haben einen Entschließungsentwurf vorgelegt, dem wir in vielem unsere Zustimmung geben könnten. Aber Sie werden nicht leugnen, daß Sie darin natürlich auch Ihre Auffassungen über die einzuschlagende Politik niedergelegt haben, und Sie werden von uns daher nicht verlangen, daß wir diesem Entschließungsentwurf unsere Zustimmung geben. Es ist wohl auch nicht möglich, den Entschließungsentwurf aufzuteilen und Punkt für Punkt darüber abzustimmen, sondern wir wollen ganz ehrlich unsere gegenseitigen Auffassungen hier zum Ausdruck bringen. Wir hätten vielleicht folgendes tun können, wir hätten sagen können: Wir sind uns immer noch in den und den Punkten uneins, aber in folgenden Punkten sind wir uns einig. Vielleicht hätte eine solche gemeinsame Entschließung einen guten Eindruck im Volk und draußen gemacht. Verstehen Sie es also richtig, wenn wir diesem Entschließungsentwurf nachher nicht unsere Zustimmung geben können.
    Wir erwarten von Ihnen auch nicht, daß Sie dem Entschließungsentwurf, den wir vorlegen werden, Ihre Zustimmung geben; denn er enthält unsere eigene politische Konzeption. Er schließt sich an die Ausführungen des Herrn Bundesaußenministers an — kurz und bündig —, spricht seine Zustimmung dazu aus und enthält auch noch einige Sätze zu der Frage der deutschen Wiedervereinigung und zu dem Verhältnis zu Sowjetrußland.
    Wir wissen uns mit Ihnen einig, daß es unsere Pflicht ist, in den kommenden Monaten den Menschen in der Sowjetzone mit aller Kraft das Gefühl unserer ständigen Gegenwart zu geben. Vielleicht machen wir folgendes, Herr Kollege Ollenhauer: Beschränken wir uns nicht nur auf solche Versicherungen. Lassen wir uns aber auch nicht auf das gefährliche Abenteuer gesamtdeutscher institutioneller Kontakte ein. Wir sind sicher, daß solche Kontakte von drüben — und „drüben" heißt in diesem Fall doch „Moskau" — nur dazu benutzt werden würden, ein Surrogat für den fehlenden gesamtdeutschen Rat zu schaffen. Und wir sitzen dabei am kürzeren Hebelarm! Immerhin, wir können über diese Dinge und darüber, wie Sie es sich denken, noch diskutieren. Wir können uns darüber hinaus in gemeinsamer Arbeit im Bundestag und seinen Ausschüssen überlegen, was wir an praktischen Maßnahmen unternehmen können, um die Bevölkerung der Sowjetzone wirklich von unserer helfenden Gegenwart zu überzeugen.
    Die Resolution, die die Koalitionsparteien dem Hohen Hause vorlegen werden, hat folgenden Wortlaut:
    Der Deutsche Bundestag billigt die von dem Bundesminister des Auswärtigen in der 114. Sitzung des Bundestages namens der Bundesregierung abgegebene Erklärung. Er erwartet, daß die Bundesregierung auch in Zukunft alle Anstrengungen unternimmt, um die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit im Zusammenwirken mit den Regierungen der Französischen Republik, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika herbeizuführen.
    Er appelliert an die Regierung der UdSSR, die auch von ihr anerkannte Verpflichtung zur Wiedervereinigung Deutschlands im Wege freier Wahlen im Einklang mit den nationalen Interessen des deutschen Volkes und den Interessen der europäischen Sicherheit zu erfüllen.


    (Kiesinger)

    Damit würde die Grundlage für dauernde friedliche Beziehungen zwischen dem deutschen Volke und den Völkern der Sowjetunion gelegt werden.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien).



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Max Becker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bekam gestern morgen aus Hessen eine Karte mit der Bitte, zu prüfen, ob es nicht möglich wäre, zu verhindern, daß diese Sitzung durch den Rundfunk übertragen wird; denn es mache doch einen sehr schlechten Eindruck, wenn hier die Parteien sich in solchen Lebensfragen unserer Politik miteinander stritten. Diese Karte hat mich in meiner Absicht bestärkt, einmal alles das hervorzuheben, in Leitsätze zusammenzustellen, was uns in diesen Fragen einigt. Ich möchte zu diesem Zweck einmal alles das, was sich an innerpolitischen Streitigkeiten, an Parteidifferenzen, an taktischen oder aus Intrigen geborenen Vorgängen ereignet hat, völlig beiseite schieben und nur über diese Lebensfragen unserer Nation sprechen, in dem Bestreben, eine Grundlage für eine einige, geschlossene Auffassung herbeizuführen.
    Ich beginne mit der Saar. Nachdem die Deutschen an der Saar den Mut gehabt haben, zum Saarstatut nein zu sagen, sagte mir einer der älteren dortigen Politiker: Was wäre aus uns, die wir für ein Nein gekämpft haben, geworden, wenn wir in der Minderheit und die bisherige separatistische Regierung am Ruder geblieben wäre?

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    An diese Worte sollten wir in Deutschland denken. Wir machen uns oft viel zu wenig klar, welcher Mut von den Vorkämpfern an der Saar aufgebracht worden ist. Wir sollten diesen Mut als Ansporn für uns und im Gedenken an Berlin und die Sowjetzone in dem Sinne werten, daß ein jeder echte Demokrat da, wo es not tut, einen solchen Mut betätigen sollte; denn ohne mutige Demokraten gibt es keine Demokratie.

    (Beifall bei der FDP und bei der SPD.)

    Mit dieser Volksabstimmung ist die Entscheidung der höchsten demokratischen Instanz gefallen. Diese Entscheidung wird beachtet werden müssen. Nach Ablauf einer Übergangszeit, welche auch von den deutschen Parteien an der Saar einmütig vorgeschlagen wird, muß die Saar Teil der Bundesrepublik werden. Die Übergangszeit müßte genau begrenzt sein. Ob dann die Saar als eigenes Bundesland — oder in welcher Form sonst — zurückkehrt, muß mit den Saarländern abgesprochen werden.
    Mit ihrer Abstimmung haben die Menschen an der Saar aber auch einen in sich zweideutigen Vertrag, wie Paul Reynaud einmal sagte: einen „procès-verbal de désaccord", d. h. eine Dokumentation innerer Widersprüche, beseitigt. Damit ist die Bahn frei, im Einvernehmen mit den Deutschen an der Saar und mit unseren französischen Nachbarn einen klaren und unzweideutigen Vertrag abzuschließen. Die Grundlage dieses Vertrages, welcher den wirtschaftlichen Interessen Frankreichs Rechnung tragen soll und wird, werden Vorschläge etwa in dem Sinne sein können, wie sie im vergangenen Frühjahr von den Ministern Preusker und Blücher hier gemacht worden sind.

    (Beifall bei der FDP.)

    Ein solches Abkommen muß auch vorsehen — und darauf möchte ich die Aufmerksamkeit lenken —, daß, soweit reparationsähnliche Verpflichtungen übernommen werden, diese nicht von der Saar allein, sondern von Gesamtdeutschland zu tragen sind. Wenn wir demnächst im Außenpolitischen Ausschuß über diese Fragen sprechen, sollte es möglich sein, eine gemeinsame Plattform zu schaffen. Das wäre unser Wunsch hierzu.
    Nun zur Frage der Wiedervereinigung und der Ost- und Westbeziehungen. Auch hier möchte ich versuchen, zunächst das, was uns einigt, zusammenzufassen. Ich möchte weiterhin auch nicht versäumen, den Ernst der Situation, in der wir uns befinden, gebührend hervorzuheben.
    Lassen Sie mich damit beginnen, daß wir alle ohne Unterschied in diesem Hause den Wunsch haben, daß der Rest der Gefangenen und auch die Zivilinternierten, die noch nicht zurückgekehrt sind, nun sehr bald zurückkommen.

    (Allseitiger Beifall.)

    Wir unterstützen die Bemühungen der Regierung nach dieser Richtung hin. Wenn wir nur noch eine einzige Begründung hinzufügen wollen, dann ist es die: denn es ist bald Weihnachten.
    Und dann zum zweiten. Das deutsche Volk wünscht nichts sehnlicher als eine lange Periode des Friedens. Das Ausland, das uns oft noch für ein militaristisches Volk hält, sollte sich darüber klarwerden, welch eine große innere Wandlung in diesem deutschen Volk vor sich gegangen ist, eine Wandlung, geboren in dumpfen Luftschutzkellern in langen Bombennächten, geboren auf der Flucht vor Feuersäulen, die durch die Gassen der Großstädte rasten, geboren aus der Erkenntnis, daß es unendlich viel wertvoller ist, materielle Güter dieser Welt für Zwecke friedlicher Forschung, wirtschaftlicher Weiterentwicklung, Wohnungsbauten und soziale Besserstellung zu verwenden als für kriegerische Zwecke. Und endlich: unsere Jugend wird wie die Jugend anderer Völker für die Verteidigung der Heimat im Ernstfall ihre Pflicht tun, wie es ihre Väter und Vorväter getan haben. Aber sie drängt sich nicht zu den Waffen. Wir sind nicht die Militaristen, als die wir verschrien werden.
    Und zum dritten. Das deutsche Volk weiß — und auch darüber sind wir wohl alle einig —, daß Deutschland nicht als schwacher Staat allein mitten in Europa zwischen Ost und West stehen kann. Versuche Deutschlands in der Vergangenheit, eine Einzelstellung inmitten Europas durchzuhalten, waren schon zu den Zeiten, als die europäischen Mächte und auch Deutschland noch Mächte waren, weder von Dauer noch von Erfolg.
    Viertens. Wir sind nach unserer Erziehung und unserer Tradition, nach unserer Art zu leben und auf Grund unserer außenpolitischen Erfahrungen insbesondere in den letzten zehn Jahren, auf ein Zusammenstehen mit dem Westen angewiesen. Wir werden selbstverständlich auch dabei bleiben. Geographisch liegen wir nun freilich mitten in Europa zwischen Frankreich und Rußland. Die Westmächte werden dafür Verständnis haben, daß unsere Außenpolitik auch dieser geographischen Lage Rechnung tragen muß.


    (Dr. Becker [Hersfeld])

    Fünftens. Wir haben aus der Erkenntnis unserer Schwäche und unserer unsicheren Lage die Pariser Verträge abgeschlossen, also, wie ich für meine politischen Freunde betonen möchte, zu unserer Sicherheit, nicht aus einer Politik der Stärke heraus. Wir werden aus dieser Politik unserer Sicherheit und in loyaler Vertragstreue zu unseren Verbündeten die Pariser Verträge einhalten. Ich darf hier zu meiner Freude feststellen, daß meine Vorredner die gleiche Erklärung abgegeben haben. Wir werden sie einhalten, so wie wir — und das möchte ich gerade auch für meine politischen Freunde hervorheben — ernstlich bemüht sind, diese Verträge auch praktisch — allerdings mit Sorgfalt — durchzuführen.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)

    Gerade die Tatsache, daß wir, unterstützt von auf diesem Gebiete besonders sachkundigen Parteifreunden, uns ernstlich und eingehend mit dieser Aufgabe befassen, sollte dafür, daß wir zu diesen Verträgen stehen, Beweis genug sein und auch gewesen sein.
    Wenn eine zukünftige politische Entwicklung eine Abänderung dieser Verträge nötig machen sollte — die Revisionsmöglichkeit ist ja im Deutschland-Vertrag vorgesehen —, dann werden sie vielleicht abgeändert werden müssen, selbstverständlich in Übereinstimmung mit den Vertragspartnern. Auch darüber hat sich heute morgen Übereinstimmung ergeben.
    Aber das ist alles schon so oft ausgesprochen worden, daß es eigentlich nicht nötig sein sollte, es immer wieder zu wiederholen. Ich glaube, wenn ich das hier einfügen darf: wir treiben in der Außenpolitik viel zu sehr eine Politik der Untersuchung der Methoden, statt auf den Kern zu kommen.

    (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.)

    Als wir die Pariser Verträge abschlossen, kannten wir die Erklärung der Sowjetunion, daß dadurch nach ihrer Meinung die Wiedervereinigung verhindert würde. Wir haben gleichwohl abgeschlossen, und zwar aus den zuvor genannten Gründen, also im Interesse der Sicherung Deutschlands und der Freiheit seiner Bewohner. Wir haben aber andererseits von der Seite der Sowjetunion noch nie gehört, daß, wenn wir die Pariser Verträge nicht abschlössen oder sie aufkündigten, die Wiedervereinigung mit unserer Mittelzone so erfolgen würde, daß das künftige Leben Gesamtdeutschlands auf der Grundlage demokratischer Freiheit im westeuropäischen Sinne gesichert wäre.

    (Sehr wahr! bei der FDP.)

    Zum weiteren: Die ehemaligen Siegerstaaten einschließlich Sowjetrußlands haben im Potsdamer Kommuniqué bindend proklamiert, daß ein einheitlicher deutscher Staat fortbestehe. Sie haben damit in dieser Richtung eine Rechtsverpflichtung für sich übernommen und einen Rechtsanspruch für uns begründet. Es ist wahrlich an der Zeit, daß zehn Jahre nach der Festlegung dieser Grundsätze nun ein Friedensvertrag geschlossen wird. Es ist insbesondere ein geradezu grotesker Zustand, daß einer großen Nation zehn Jahre nach Beendigung der Feindseligkeiten noch ihre Hauptstadt Berlin vorenthalten wird und daß diese Stadt aufgespalten bleibt.
    In der Atlantikcharta vom 14. August 1941 haben die Alliierten sich verpflichtet, für ihre Länder keinen Gewinn territorialer Art zu suchen und keinen territorialen Veränderungen zuzustimmen, die nicht den in Freiheit ausgesprochenen Wünschen dieser Völker entsprechen. Sie haben sich ferner verpflichtet, das Recht aller Völker zu beachten, diejenige Regierungsform zu wählen, unter der sie leben wollen, und sie haben sich weiter verpflichtet, dafür einzutreten, daß Souveränitätsrechte und eine eigene Regierung all den Völkern zurückzugeben sind, denen sie gewaltsam genommen worden sind. Diese Atlantikcharta ist durch die nie abgeänderte und nie widerrufene Erklärung der Alliierten auf der Krimkonferenz vom 12. Februar 1945 eine konkrete völkerrechtliche Verpflichtung auch für Sowjetrußland geworden. Sie ist dann auch in die erste Deklaration der Vereinten Nationen aufgenommen und damit allgemeingültiges Recht geworden.
    Wir können nur immer wiederholen, daß wir alle Völker, die diese Verpflichtung übernommen haben, an diese ihre Zusage gebunden halten. Wir danken aber in diesem Zusammenhang auch unsererseits den Regierungen und Völkern der Westmächte für die Energie, mit der sie zu wiederholten Malen in Durchführung dieser Grundsätze für Deutschland, für Berlin und für den Gedanken der Wiedervereinigung eingetreten sind.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir hoffen sehr, daß sie, auch weiterhin gestützt auf die Zustimmung ihrer Völker und zugleich im eigenen Lebensinteresse ihrer Völker, uns weiter unterstützen.
    Ich danke zugleich aber auch den Mitgliedern des Europarates, insbesondere Herrn de Menthon, für die verständnisvolle Art, in der sie immer für diese Frage der Wiedervereinigung eingetreten sind.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Sechstens. Der genaue Status eines künftigen Gesamtdeutschland wird in einem zukünftigen Friedensvertrag ausgehandelt werden, d. h. insbesondere in Übereinstimmung aller vier vormaligen Besatzungsmächte. Er wird auch unter Zustimmung Deutschlands ausgehandelt werden müssen, er wird ausgehandelt werden müssen nach den zuvor genannten, erstmals in der Atlantikcharta ausgesprochenen Grundsätzen. Weil viele zustimmen müssen, gibt es kein Rezept eines einzigen, von dem man mit Sicherheit sagen könnte, daß das das Rezept wäre, nach dem die Dinge zu meistern wären.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Erst dieser so ausgehandelte zukünftige Status Gesamtdeutschlands wird dann auch die Grundlage dafür geben, in welchem Umfang und in welcher Weise Gesamtdeutschland endgültig militärisch organisiert sein wird. Diesen Gedanken hat der Deutsche Bundestag in seiner Drucksache 1201 Ziffer 5 durch Beschluß vom 26. Februar 1955, den er vor wenigen Wochen hier neu bestätigt hat, wie folgt formuliert:
    Der Deutsche Bundestag fordert, es möge so bald wie möglich ein Friedensvertrag mit Deutschland geschlossen werden, der in gleicher Weise für die beteiligten Mächte wie für die in ihren Entschlüssen freie gesamtdeutsche Regierung annehmbar wäre.
    Wir — und ich auf Grund persönlicher Erfahrungen — haben das Vertrauen zu dem Außen-


    (Dr. Becker [Hersfeld])

    minister von Brentano, daß es seiner Geschicklichkeit und seiner Wendigkeit gelingt, bei derartigen Verhandlungen das für Deutschland herauszuholen, was sich nur herausholen läßt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Und dann weiter: Es dürfte wohl auch bei niemandem in Deutschland ein Zweifel darüber bestehen, weder nach der ersten Konferenz von Genf mit ihrem Lächeln und ihren Freundlichkeiten noch — erst recht nicht — nach der zweiten Genfer Konferenz, daß das Endziel der kommunistischen Zentrale auch weiterhin darin besteht, die ganze Welt dem Kommunismus nach und nach zu unterjochen. Totalitäre Systeme, auf welchem Gebiet sie auch bestehen mögen — und wir Deutschen haben unsere Erfahrungen gesammelt —, bleiben immer ihrem Endziel treu. Sie machen zwar Pausen, sie schließen zwar auch Verträge, die dieses Endziel scheinbar vergessen oder übersehen lassen, sie halten auch ernstlich solche Verträge, aber gespannteste Wachsamkeit bleibt auch dann immer nötig.
    Nun ist die große Frage aufgetaucht: Soll man gleichwohl mit Sowjetrußland sprechen oder verhandeln oder nicht?, wobei ich als selbstverständlich unterstelle, daß auch bei allen derartigen Besprechungen oder Verhandlungen niemals die Loyalität gegenüber unseren Bundesgenossen irgendwie außer acht gelassen werden dürfte.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Das ist heute morgen auch schon mit Recht betont worden; aber es entspricht wohl nur einer gewissen Primitivität der deutschen politischen Diskussion auf diesem Gebiet, wenn auch dieser Zusatz immer wieder öffentlich gemacht werden muß.
    Wir haben mit Moskau diplomatische Beziehungen angeknüpft. Das bedeutet an sich nichts Neues und auch gar nichts Erschütterndes, auch nicht gegenüber dem Ausland; denn jedes souveräne Land unterhält nach allen Seiten hin diplomatische Beziehungen und nimmt in politischen Gesprächen seine Interessen wahr. Es liegt in der Natur der Dinge, daß ein deutsches diplomatisches Auftreten in Ländern, zu denen bisher keine Beziehungen bestanden haben, zunächst der beiderseitigen Information und anschließend daran allenfalls der Pflege geistigen und wirtschaftlichen Kontaktes dienen wird. Wir haben in der deutschen Öffentlichkeit in der letzten Zeit wiederholt sehr feine Unterschiede definieren hören über Besprechungen und Verhandlungen, vollständige oder unvollständige Beziehungen, darüber, ob und über welche Themen nun verhandelt oder nur gesprochen werden dürfe usw. Wir haben uns mit all dem tierischen Ernst, dessen der Deutsche in solchen Situationen fähig ist, einer solchen Diskussion hingegeben.

    (Sehr wahr! bei der FDP.)

    Ich glaube, wir kommen am ehesten zur Übereinstimmung, wenn wir uns auf die Worte eines Realpolitikers einigen. Diese Worte lauten:
    Immerhin betrachte ich es doch als einen Fortschritt, daß Sowjetrußland diese Verpflichtung, die Einheit wiederherzustellen, anerkennt; ferner, daß wir, sobald wir diplomatische Beziehungen zu Sowjetrußland haben, in der Lage sind, nicht nur mit den drei westlichen Alliierten, sondern auch mit Sowjetrußland, dessen Stimme ja auch nötig ist, über die Prozedur
    der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands zu sprechen.
    Ich wiederhole: „über die Prozedur der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands zu sprechen."
    Diese Worte sind in der Pressekonferenz, die der
    Herr Bundeskanzler noch in Moskau über das Ergebnis der Konferenz abgehalten hat, von ihm ausgesprochen worden. Wir können uns dieser Feststellung des Herrn Bundeskanzlers nur anschließen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ob nun Gespräche oder Verhandlungen, meine Damen und Herren, zweierlei scheint auf jeden Fall als äußerste Grenze solcher Gespräche oder Verhandlungen festzustehen, und ich glaube auch hierüber Einigkeit feststellen zu können. Das eine ist: wir werden niemals die Souveränität und die Freiheit der Bundesrepublik und die Freiheit ihrer Bewohner für eine Wiedervereinigung im sowjetischen Sinne hergeben.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das würde die Bolschewisierung ganz Deutschlands sein. Und zum zweiten: wir werden uns niemals auf die schiefe Ebene einer Verbindung kommunistischer und westlicher Elemente zu einer einheitlichen Regierung, auf deutsch: wir werden uns niemals zu dem Experiment einer Volksfrontregierung hergeben dürfen.

    (Wiederholter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Lassen Sie mich zu den Punkten, von denen ich glaube, daß wir darin einig sein könnten oder werden könnten, noch einen letzten hinzufügen. In der Presse ist in der Tat nach der letzten Genfer Konferenz mehrfach der Gedanke aufgetaucht, daß es nunmehr mit der Wiedervereinigung aus sei und daß man dafür an die Integration Europas mit erneuten Kräften herangehen müsse. — Ich behaupte nicht, daß eine Partei das gesagt habe, ich habe nur von der Presse gesprochen. — Sie wissen, daß ich und mit mir sehr viele meiner Freunde viel für eine Vereinigung Europas getan haben. Wir haben nicht nur im Europarat mitgearbeitet. Ich habe persönlich im Studienkomitee der Europabewegung unter Vorsitz Spaaks an der Ausarbeitung einer europäischen Verfassung mitgearbeitet. Wir haben schließlich im Verfassungsausschuß unter dem Vorsitz unseres Herrn Außenministers von Brentano im Winter 1952/53 innerhalb der Frist von sechs Monaten, die uns die europäischen Minister seinerzeit gestellt hatten, den Entwurf einer europäischen Verfassung fertiggestellt. Ich werde immer mit Freude an diese Zeit der Zusammenarbeit mit ausländischen und deutschen Kollegen unter dem Vorsitz des Herrn von Brentano zurückdenken.
    Wir fühlen uns dem Gedanken der europäischen Vereinigung auch weiterhin verpflichtet. Wir müssen uns nur über die Realitäten Klarheit verschaffen. Vorangetrieben wurde in jenen Jahren die europäische Vereinigung einmal durch die Unterjochung der europäischen Oststaaten, durch die Blockade Berlins, durch die Angriffe auf Nordgriechenland und auf Korea; das dadurch geschaffene Sicherheitsbedürfnis zwang und führte die Menschen in Europa zusammen. Sie wurde andererseits vorangetrieben durch den enthusiastischen Elan, der sich nach dem Kriege aller Völker Europas bemächtigt hatte, insbesondere auch der deutschen Jugend, die in der Vereinigung Europas ein neues, ein erstrebenswertes Ideal sah. Diese bei-


    (Dr. Becker [Hersfeld])

    den Elemente — Sicherheitsbedürfnis auf der einen, Enthusiasmus auf der andern Seite — beflügelten die Arbeit derer, die für ein vereinigtes Europa eintraten.
    Zwei Säulen waren gewissermaßen aufgerichtet, die Montanunion auf der einen Seite, die Verträge über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft auf der andern Seite. Auf diesen beiden Säulen und auf der noch zu errichtenden dritten Säule eines einheitlichen europäischen wirtschaftlichen Marktes sollte sich dann der Kuppelbau der europäischen Einheit wölben, an dem mitzuarbeiten wir hofften und glaubten.
    Die Kriegsgefahr von damals hat sich für viele verflüchtigt. Man glaubt an eine Entspannung; die Angst ist vorbei. Die Menschheit ist satter geworden. Der Enthusiasmus der Jugend ist zwar noch vorhanden, aber er verflüchtigt sich wie jeder Enthusiasmus, der nicht sofort in Taten umgewandelt werden kann. Unser Verfassungsentwurf ist von den sogenannten Experten zergliedert, zerfetzt, versenkt worden. Von all den Säulen steht nur noch eine, die Montanunion als übernationale Organisation. Aber aus der Geschichte unseres Vaterlandes wissen wir, daß die Einigung Deutschlands lange Zeit gedauert hat, daß sie über Höhen und durch Tiefen führte und daß ein besonders starker Antrieb gerade aus der Zollunion des 1. Januar 1834 kam.
    So glaube ich sagen zu dürfen, daß wir, wenn wir die Einigung Europas weitertreiben wollen, sie weniger in der Schaffung großer europäischer Bürokratien, die außerdem nicht ganz billig sind, suchen sollten, sondern daß wir etwa von der OEEC her, vom Wirtschaftlichen her, versuchen sollten, diese Entwicklung weiterzuführen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Es ist in der deutschen Öffentlichkeit leider kaum bemerkt worden, daß unser verehrter sozialdemokratischer Kollege im Europarat Herr Dr. Mommer im Oktober dieses Jahres die Erklärung abgegeben hat, daß er und seine Freunde sich in Zukunft in besonderem Maße für eine Integration Europas einsetzen würden. Ich möchte namens meiner Freunde diese Erklärung auch hier sehr begrüßen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Um aber Klarheit zu schaffen, muß gesagt werden, was vorhin auch zu unserer Freude schon ausgesprochen wurde: daß nicht die europäische Vereinigung jetzt etwa an die Stelle der Wiedervereinigung tritt. Es handelt sich — Herr Kiesinger hat es mit Recht gesagt — nicht um eine Alternative, nicht um eine Wahl zwischen dem einen oder dem anderen, sondern beides soll in Angriff genommen und gefördert werden. Das eine schließt das andere niemals aus.

    (Zustimmung bei der FDP.)

    Und nun, meine Damen und Herren, nachdem ich geglaubt habe feststellen zu können, daß wir in sehr zahlreichen Punkten einer Meinung sind, noch einige Ausführungen über den Ernst der Situation, über den man sich vielleicht in manchen Kreisen nicht einig ist.
    Nach dem Ausgang der letzten Konferenz sieht es scheinbar mit der Frage der Wiedervereinigung trübe aus. Warum? Darf ich eine kleine Geschichte einflechten? Vor einiger Zeit erschien im Buchhandel ein Buch, auf dessen Titelblatt eine Dame in großer Abendtoilette und ein Herr im Frack abgebildet waren. Darüber stand: „Man benimmt sich wieder." Das bezog sich auf das gesellschaftliche Leben, vermutlich hier in Bonn, und man hat ja auch genügend Scherze über die neu auftauchenden Fräcke, die nach Maß geschneiderten und die geliehenen, gemacht. Aber hat sich mit diesem neuen Benehmen auch an den Menschen viel geändert?

    (Abg. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Sehr richtig!)

    Man benimmt sich auch wieder in der Außenpolitik. Worte wie „Whiskysäufer" von damals oder „Hyänen des Großkapitals" sind verschwunden. Man sagt sich Freundlichkeiten. Man lächelt. Man läßt sich zusammen fotografieren. Warum?
    Die Politik der Sowjetunion ist dessen innegeworden, daß die sture Haltung der Politik Stalins den Westen zusammengeschweißt, daß Handlungen wie die Blockade Berlins, wie der Angriff auf Nordgriechenland, wie der Einbruch in Korea gerade erst die Verteidigungsorganisation des Westens nötig gemacht und veranlaßt haben. Man glaubt vielleicht, durch eine andere Handhabung politischer Sitten nun das, was man im Westen gegen sich zusammengeschaffen hat, wieder zu erweichen und aufzulösen. Es liegt an den Völkern des Westens, ob sie vergessen, hinter allen äußeren Freundlichkeiten das wirkliche politische Wollen der anderen zu erkennen, und ob sie vergessen, was an politischen Zielen dort vorhanden ist.
    Es will uns scheinen, als wenn die russische Politik darauf ausginge, in einer Vielzahl von Konferenzen über die Frage der Wiedervereinigung den guten Willen der Westmächte, uns beizustehen, abzunutzen und in der öffentlichen Meinung der Westmächte, insbesondere Frankreichs und Englands, Ermüdungserscheinungen, ja darüber hinaus Erwägungen aufkommen zu lassen, ob die Wiedervereinigung Deutschlands für diese Staaten überhaupt von Vorteil wäre. Es liegt der sowjetrussischen Diplomatie offensichtlich daran, in der Weltöffentlichkeit den Gedanken aufkommen zu lassen: „Warum sollen wir uns mit dieser ewigen deutschen Frage immer noch beschäftigen! Laßt doch die Deutschen das unter sich ausmachen!" Und unter den Deutschen ist dann die Bundesrepublik einerseits und die sogenannte DDR andererseits zu verstehen. Wir glauben, die Politik der Sowjetunion ziele darauf ab, in der Frage der Wiedervereinigung Bonn und Moskau, und Moskau nur verborgen hinter Pankow, zu konfrontieren und sich allein gegenüberstehen zu lassen.
    Wenn das so kommen sollte, dann, meine Damen und Herren, kommt für unser deutsches Vaterland, für seine politische Führung, aber auch für die moralische Haltung und Standhaftigkeit seiner Bewohner d i e große Bewährungsprobe.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Aber es naht zugleich für die Mächte des Westens auch eine große Gefahr.
    Wir entsinnen uns noch alle, wie zum Schluß des zweiten Weltkrieges eine neue polnische Regierung geschaffen wurde durch die Zusammenfügung zweier Systeme. Auf Wunsch der Sowjetunion kam das sogenannte Lubliner Komitee, das heißt, die Kommunisten, in die gemeinschaftliche Regierung; auf Wunsch der Westmächte kamen die Exilpolen in diese gemeinschaftliche polnische Regierung. Beide wurden zusammengeschweißt - mit dem


    (Dr. Becker [Hersfeld])

    Erfolg, daß Polen sehr bald kommunistisch und damit Satellit Rußlands war. Und daher kommt es, daß die Grenze der freien Welt nicht mehr bei Brest-Litowsk, sondern dicht östlich von Lübeck, Braunschweig und Kassel liegt.
    Sollte, was Gott verhüten möge, einmal ein ähnliches Schicksal Deutschland beschieden werden, dann würde die Grenze der Freiheit an Rhein und Rhone, an der Schelde, am Kanal und in Kopenhagen liegen, und dann würden die Völker des Westens sich vielleicht daran erinnern, daß die Frage der Existenz Deutschlands doch auch von sehr großer, von entscheidender Bedeutung für die eigene Sicherheit wäre.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    England und Frankreich können kein Interesse daran haben, daß mehrere ohnmächtige kleine Staaten den Raum in der Mitte Deutschlands ausfüllen. Nicht eine Menge schwacher Länder und Ländchen, sondern eine Betonmauer in Gestalt eines wiedervereinigten Deutschlands und eines geeinten Europas liegt im wohlverstandenen Interesse des Westens.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU.)

    Man hat geglaubt, daß Rußland zu einer Wiedervereinigung dadurch zu bestimmen sei, daß man auf sein angebliches Sicherheitsbedürfnis eingehe und ihm zusätzliche Angebote nach der Richtung mache. Wie ist die Wirklichkeit? Rußland weiß, daß Deutschland nach den Pariser Verträgen höchstens 12 Divisionen haben darf. Rußland weiß, daß uns die ABC-Waffen, die Atomwaffen, die biologischen und die chemischen Waffen, verboten sind. Rußland weiß, daß wir keine Kriegsschiffe größeren Formats haben dürfen, daß uns Düsenflugzeuge verboten sind, daß die Größe unserer Luftwaffe — —

    (Abg. Kiesinger: Daß wir darauf verzichtet haben, Herr Kollege!)

    — Kommt, Kommt! Rußland weißt daß nach dem westeuropäischen Vertrag die Einhaltung dieser Beschränkungen vom Westen kontrolliert wird. Rußland weiß, daß unsere Divisionen nicht unter unserem Oberbefehl, sondern im Ernstfall unter dem NATO-Oberbefehl stehen. Rußland weiß, daß wir dem Westen zugesagt haben, keine Angriffe vorzutragen, und daß wir diese Beschränkungen selbst angeboten haben.
    Rußland weiß andererseits, daß es selbst über 175 Divisionen ersten Aufgebots verfügt. Es weiß, daß seine Satellitenstaaten des europäischen Ostens etwa 80 Divisionen haben. Es weiß, daß die sowjetische Mittelzone sechs kasernierte Divisionen, dazu 80 000 Mann bewaffneter Fabrikwehr besitzt, daß es eine Luftflotte besitzt und daß eine neue Luftflotte hinzukommen soll. Rußland weiß weiter, daß infolge der Neutralität Österreichs eine neutrale Zone von Ungarn über Wien und Innsbruck bis Genf führt, daß also Verschiebungen von Norden nach Süden und von Süden nach Norden in Europa sehr erschwert sind.
    Wo ist hier ein Bedürfnis nach Sicherheit? Ich glaube nicht, daß Rußland ernstlich Sorge vor einem wiedervereinten Deutschland hat. Rußlands Sorge, wenn es sie einst gehabt hat, ist verschwunden, seitdem es Düsenflugzeuge mit hohen Geschwindigkeiten und Raketen gibt, von denen die neuesten eine Reichweite bis zu 6000 km haben; und Rußland hat in den letzten Tagen durch eine neue Wasserstoffbombenexplosion der Welt zu Gemüte geführt, daß es auch auf diesem Gebiete mehr als aufgeholt hat.
    Sicherheit in der ganzen Welt brauchen wir Deutsche und wir Europäer!

    (Beifall rechts und in der Mitte.)

    Man verhandelt über Sicherheitszonen, über neutralisierte Zonen, und was an ähnlichen Vorschlägen nicht alles vorgetragen wird. Wenn wir uns überlegen, daß ein Panzerkorps an einem Tage 300 km zurücklegen kann, wenn wir an die Geschwindigkeit der Düsenflugzeuge denken, wenn wir uns überlegen, daß die Transozeanraketen eine Stundengeschwindigkeit von 9000 bis 10 000 km haben und keinen Umweg um neutrale Zonen machen werden,

    (Sehr richtig! rechts)

    wenn wir uns überlegen, daß sich radioaktiver Staub bei Explosionen über weite Strecken unserer Erdoberfläche verbreitet, dann kommen wir doch zu dem Ergebnis, daß die Wirkung eines neutralisierten Streifens von 300 oder 400 km Breite praktisch in ein Nichts zusammenschrumpft.
    Abrüstungsverhandlungen können noch Aussicht auf Erfolg haben; aber eine Diskussion über neutralisierte Zonen als Äquivalent gegen die Wiedervereinigung hat, wenigstens nach meiner persönlichen Oberzeugung, keinen Zweck. Ein kleines Beispiel: Sie wissen, daß die Radarstationen in der neuesten Vervollkommnung die Möglichkeit geben, etwa aus der Gegend von Hannover festzustellen, ob auf dem Hauptbahnhof in Basel Güterzüge oder D-Züge ausfahren und einfahren. Es gibt die Möglichkeit, das Herannahen überfallartiger Flugzeug- und Raketenangriffe schnellstens zu erkennen, allerdings auch nur um wenige, aber sehr entscheidende Minuten im voraus. Die Westmächte hatten jetzt in Genf angeboten, daß Rußland berechtigt sein soll, seine Radarstationen von östlich der Elbe nach Westen vorzuverlegen bis etwa an die Maas oder Schelde, und die Westmächte entsprechend umgekehrt. Das ist abgelehnt worden. Wo bleibt dann noch ein Sicherheitsbedürfnis Rußlands, wenn das Angebot beiseite geschoben wird?

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Auf der Genfer Konferenz war ja erkennbar, daß Molotow die Erörterung über neutralisierte Zonen und über Sicherheitspakte praktisch beiseite geschoben und dafür die Diskussion nach einer anderen Richtung gelenkt hat. Nunmehr sprach er davon, daß die Errungenschaften der sogenannten DDR auch in einem vereinigten Deutschland aufrechterhalten bleiben müßten und daß diesen Errungenschaften des Ostens auch Eingang in den deutschen Westen verschafft werden müsse. Ich darf feststellen, daß wir einig darüber sind, daß von alledem nichts geschehen darf. Warum — das ist das einzige, was ich hervorheben will — laufen in immer steigendem Maße die Menschen, insbesondere die jungen Menschen, vor diesen Errungenschaften davon?!

    (Beifall bei der FDP und DP.)

    In diesem Zusammenhang in ausdrücklichem Auftrag meiner politischen Freunde noch eine besondere Warnung. Die Juli-Konferenz von Genf hat von Rußland her gesehen den Zweck gehabt, ausfindig zu machen, wie weit der Westen im Ernstfall zu gehen bereit ist, nachdem Atomwaffen


    (Dr. Becker [Hersfeld])

    und Wasserstoffbomben die Möglichkeit eines dritten Weltkrieges - vorsichtig ausgedrückt — ohnehin in sehr weite Ferne gerückt hatten. Viele haben den Eindruck gewonnen, daß Rußland im Juli von Genf mit der Überzeugung zurückgekehrt ist, daß der Westen keinesfalls zu einem solchen Widerstand schreitet, der einen dritten Weltkrieg mit allen seinen Folgen auslösen könnte. Ich glaube, daß umgekehrt der Westen die gleiche Feststellung hinsichtlich des Ostens getroffen hat. Man kann über diese Feststellungen nur sehr erfreut sein, denn sie zeigt uns, daß keine der beiden großen Mächtegruppen bewußt auf einen Weltkrieg mit allen seinen Schrecken lossteuert.
    Neben allumfassenden Weltkriegen gibt es aber an kriegerischen Möglichkeiten Unternehmungen von sogenannter lokaler Natur, wobei der Begriff „lokal", geographisch gesehen, doch recht weit umschrieben werden kann. Korea, Indochina, der Gefahrenherd an der israelisch-ägyptischen Grenze sind auch in diesem Sinne lokaler Natur. Es besteht daher die Gefahr, daß die vermeintliche Sicherheit dahin, daß der andere Teil einen dritten Weltkrieg unter allen Umständen vermeiden will, gerade den Anreiz stärkt, diese oder jene lokale Unternehmung zu starten.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Auch vor dem zweiten Weltkrieg glaubten viele, daß z. B. die Entwicklung der Gaswaffen einen zweiten Weltkrieg unmöglich machen würde, und deshalb wurde bei diesem oder jenem Abenteurer der Gedanke wachgerufen, durch einen schnellen Krieg, einen sogenannten Blitzkrieg, Unternehmungen lokaler Natur schnell und sicher durchzuführen. Meine Freunde möchten mit diesem Hinweis warnend ihre Stimme erheben. Sie möchten darauf verweisen, daß der Übermut und die Leichtfertigkeit, die aus einer falschen Einschätzung der anderen und ihrer Haltung entstehen, gerade das herbeiführen könnten, was nach den Wünschen aller Völker vermieden werden sollte. Deshalb auch für uns eine Politik der Sicherheit, und deshalb auch unsere warnende Stimme an alle, die es angeht.

    (Beifall bei der FDP und bei der CDU/CSU.)

    Was kann von uns Deutschen praktisch zur Wiedervereinigung beigetragen werden? Wir können auf die Rechtslage verweisen, auf das Potsdamer Abkommen mit der Verpflichtung zur Einheit, auf die Atlantik-Charta mit der Verpflichtung zur Freiheit, auf die Atlantik-Charta mit der Verpflichtung zur Herausgabe alles dessen, was ohne freiheitliche Zustimmung der Bewohner besetzt worden ist. Vielleicht darf ich noch ein Beispiel anfügen. Im Jahre 1954 ist auf der Konferenz von Genf, jener Konferenz, die über das Schicksal von Indochina entschied, das Land Vietnam, der östliche Teil von Indochina, geteilt worden. Es ist merkwürdig, daß alle Dinge immer geteilt werden: Deutschland, Korea, Vietnam und mit Deutschland Europa. Damals haben sich die kommunistischen Staaten Sowjetunion und China an diesem Vertragsabschluß, an dieser Teilung beteiligt und haben ihrerseits durchgesetzt, daß spätestens am 20. Juli 1956 in beiden Teilen dieses Landes freie Wahlen unter internationaler Kontrolle stattfinden müssen mit dem Zweck, daß die Wiedervereinigung des Landes und daß seine Verfassung für die Zukunft beschlossen werden kann. Ich habe mir erlaubt, gelegentlich einmal im Europarat darauf zu verweisen. Es war mir eine Freude, vor einigen
    Tagen in der französischen Zeitung „Le Monde" den gleichen Hinweis zu finden: Warum würden nicht einmal die Westmächte in der Form einer sagen wir, nicht nur defensiven Diplomatie auch ihrerseits Vorschläge an den Osten in dieser Beziehung richten?
    Noch eines dazu! Es wird richtig sein, alle Erörterungen der Zukunft über die Wiedervereinigung nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit vorzunehmen, weil diese Öffentlichkeit einer praktischen Erledigung der Arbeiten nur hindernd im Wege steht. Keiner will von seinem ursprünglichen Standpunkt in der Öffentlichkeit zuerst zurück. Eine nicht öffentliche Verhandlung führt nach aller Erfahrung weiter. Ein Näherkommen entgegengesetzter Ansichten ist nur in nicht öffentlichen Besprechungen zu erreichen. Möglicherweise hat die in der Öffentlichkeit nicht beachtete geheime Konferenz zwischen amerikanischen und chinesischen Unterhändlern in Genf sehr viel mehr an praktischem Erfolg gezeitigt als die letzte öffentlich geführte Genfer Konferenz vom Oktober/November dieses Jahres.
    Aber wir haben auch nach der persönlichen Seite hin eine besondere Aufgabe gegenüber der Ostzone, und das ist die, daß wir, jeder einzelne von uns, uns bemühen, den Willen zum Durchhalten dort zu stärken. Da komme ich auf die Art zu sprechen, wie der von uns geschaffene Feiertag des 17. Juni eigentlich begangen werden sollte und wie er nicht gefeiert werden sollte. Was geschieht jetzt? Jeder benutzt den freien Tag, nimmt seinen Pkw oder sein Motorrad und rattert in die freie Natur; aber an die Menschen in der Ostzone wird in keiner Weise gedacht. Wir sind zu satt geworden, und Sattsein macht stumpf und träge!

    (Beifall.)

    Wie wäre es, wenn Glockengeläute an dem Tag zur Besinnung riefe, wenn um 12 Uhr zwei Minuten Verkehrsstille wäre, wenn in den Schulen der Bedeutung der besetzten Zone und ihrer Menschen gedacht würde und wenn jeder von uns — jeder nach seinem Vermögen — wenigstens an diesem Tage an die Menschen in der Ostzone ein Paket schickte?

    (Erneuter Beifall.)

    Ich glaube, das wäre besser, als Spaziergänge und Spazierfahrten zu machen und zuzusehen, wie an diesem Tag drüben in der Zone die Menschen arbeiten müssen.
    Wir Deutschen, die wir in Frieden mit allen Völkern dieser Erde leben wollen, sollten auch die Verbindung mit ihnen allen suchen. Der engere Ausbau unserer Beziehungen zu den Staaten des amerikanischen Kontinents, die Fühlungnahme mit den Völkern des Nahen Ostens und Asiens sollten unsere Aufgabe werden. Wir haben auch hier die Überzeugung, daß sich Herr von Brentano, der in der kurzen Zeit seiner Tätigkeit schon so manche glückliche Probe gegeben hat, auch dieser Aufgabe gern zuwenden wird. Wir begrüßen es, daß Herr Vizekanzler Blücher in Neu-Delhi vorsprechen will. Wir müssen uns um das, was in fremden Erdteilen vorgeht, auch kümmern, weil die Lösung der Frage der Wiedervereinigung vielleicht nur in globalem Rahmen möglich sein wird. Es muß uns aus wirtschaftlichen und aus politischen Gründen interessieren, was im vorderen und mittleren Orient vor sich geht, was sich an den Grenzen z. B. von Pakistan und Afghanistan ereignet,


    (Dr. Becker [Hersfeld])

    welche Bewegungen in Tibet, in Sinkiang, in der Mongolei, in der Mandschurei vor sich gehen oder vor sich gegangen sind. Es könnte nützlich sein, die wirtschaftliche Entwicklung Chinas, es könnte ebenso nützlich sein, die Entwicklung der politischen Beziehungen Chinas und der Sowjetunion laufend und aus der Nähe zu beobachten. Es könnte auch zu empfehlen sein, unser geistiges Wissen und unser technisches Können in deutschen Schulen den unterentwickelten Ländern zur Verfügung zu stellen. Aufgaben bieten sich in dieser sich umgestaltenden Welt vielfältig an.
    Nicht nur wegen der Frage der Wiedervereinigung, aber auch wegen dieser Frage und aus Gründen der allgemeinen Politik scheint es notwendig, noch über die engen Grenzen des uns beschäftigenden Problems der Wiedervereinigung hinaus einen Blick in ,die Welt zu werfen. Der französische Staatsmann Paul Reynaud sprach kürzlich in einem Vortrag in New York davon, daß das Zeitalter des Kolonialismus alten Stils vorbei sei. Große Gebiete haben sich in der Zwischenzeit selbständig gemacht. Seit etwa zehn Jahren geht durch die gesamte farbige Welt Asiens und Afrikas in immer wachsendem Maße ein Erwachen und Erstarken vor sich, verbunden mit einem Umlernen, mit einem Bewußtsein der eigenen Bedeutung, der eigenen Macht und der eigenen Zukunftsmöglichkeiten, dessen Ausmaß und dessen Wirken von den weißen Völkern dieser Erde noch nicht richtig gewürdigt wird. Ich erinnere mich — und ich glaube, unsere Mitglieder im Europarat werden sich erinnern —, wie im vergangenen Dezember der französische Abgeordnete aus Afrika, Herr Senghor, aufstand und sagte: Asien reckt sich, Afrika erwacht, und Europa zankt sich. Für die farbige Welt geht, im großen gesehen, gewissermaßen ein Zeitabschnitt zu Ende, den wir, auf Europa angewandt, als Mittelalter zu bezeichnen hätten. In den Zeiten der Renaissance und der Reformation, im Zeitalter der Entdeckungen und noch einmal im Zeitalter der französischen Revolution ging bei den Völkern Europas eine ähnliche Entwicklung vor sich, die ungeahnte Kräfte frei werden ließ und zu neuen gesellschaftlichen, zu neuen wirtschaftlichen und zu neuen politischen Formen und Machtgruppierungen geführt hat. Das, was in der farbigen Welt jetzt vor sich geht, muß dieser Entwicklung in Europa vor 400 Jahren und 150 Jahren gleichgestellt werden.
    Um die Seele dieser farbigen Völker kämpft nun der freie Westen, kämpft der Block der kommunistischen Staaten. Der Block der kommunistischen Staaten bedient sich des Dranges der Völker Asiens und Afrikas, vom Joch des alten Kolonialismus frei zu werden, neue Lebensformen, neue Staatsgestaltungen für sich zu schaffen. Diesen Völkern wird der Kommunismus als der Weg gezeigt, der zur nationalen und wirtschaftlichen Freiheit führt. Das wahre Gesicht des Kommunismus verschwindet dort hinter der Maske des Befreiers, hinter der Maske des Bringers neuer glücklicher Zustände. Die weiße Welt steht demgegenüber den kommunistischen Mächten propagandistisch im Hintertreffen.
    Es gibt aber auch einen modernen Kolonialismus. Er besteht darin, daß ein Staat versucht, einen äußerlich scheinbar unabhängigen Staat zu schaffen, regiert von einer totalitären Einheitspartei, regiert von der gleichen Einheitspartei, die auch im herrschenden Staat am Ruder ist und auf diesem
    Wege den Satellitenstaat unterjocht und wirtschaftlich dem herrschenden Staat nutzbar macht. Ein Teil der farbigen Völker der Welt hat diese Gefahr des neuen Kolonialismus, der ihnen vom Kommunismus her droht, erkannt und hat auf der Konferenz in Bandung vom April dieses Jahres in einer besonderen Entschließung sich scharf gegen den Kolonialismus in jeder Form gewendet, und unter „jeder Form" war auch diese neue Art des kommunistischen Kolonialismus gemeint. Dieser Kolonialismus unterdrückt seit zehn Jahren auch die Mittelzone Deutschlands, unterdrückt die baltischen Staaten, unterdrückt Polen, Ungarn, Bulgarien, Albanien, Rumänien und die Tschechoslowakei.
    Die Zweiteilung Deutschlands ist auch eine Zweiteilung Europas. Sollte es den Völkern des Westens nun nicht möglich sein, wenigstens ideologisch und propagandistisch diesem neuen Kolonialismus entgegenzutreten? Herr Bulganin hat in einer seiner früheren Noten an die angelsächsischen Mächte die Aufforderung gerichtet, alle ihre Stützpunkte aus Europa zurückzuziehen. Wir verstehen nicht, warum nicht eine Gegenfrage an die Sowjetunion gerichtet wird. Diese Gegenfrage würde zum Inhalt haben, ob die Sowjetunion ihrerseits bereit wäre, sich aus Europa, d. h. aus Deutschland und den osteuropäischen Staaten zurückzuziehen. Diese Frage bezieht sich dann nicht nur auf einen Rückzug der militärischen Streitkräfte Rußlands aus den Satellitenstaaten; die Frage bezieht sich auch und viel mehr, da Rußland ja auch ideologisch Europa angegriffen hat, darauf, daß die deutsche Mittelzone und die Staaten Osteuropas aus ihrer Fesselung an die Sowjetunion freigegeben werden. Neben dem Rückzug der russischen Truppen aus Osteuropa sollte daher auch die Abhaltung freier Wahlen unter internationalem Schutz und internationaler Kontrolle in allen von Rußland abhängigen Staaten des europäischen Ostens gefordert werden. Das russische Volk hat so wenig irgendeinen Nutzen von der Unterjochung anderer Völker, wie nach den Lehren der Geschichte andere Völker von der Unterjochung ihrer Nachbarn gehabt haben. Freie europäische Staaten vom atlantischen Meer bis zur Ostgrenze Polens würden auch für das russische Volk eine größere Friedensgarantie bieten als die Unterjochung der Mittelzone Deutschlands und der osteuropäischen Staaten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)