Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Herr Vorredner hat eben schon den inneren Zusammenhang dieses Vertrages mit dem System der Pariser Verträge deutlich gemacht. In der Tat handelt es sich um einen zwar zeitlich verspäteten, im übrigen aber integrierenden Bestandteil dieses Vertragssystems. Daher wird die rechte Seite des Hauses nicht erwarten, daß die Sozialdemokratie diesem Vertrage zustimmt. Ich kann an diesem Tage darauf verzichten, dazu eine nähere Begründung zu geben.
Zum Vertrag selbst, dessen Inhalt wir eben so ausführlich dargestellt bekommen haben, möchte ich einige wenige Bemerkungen machen. Wenngleich es, wie der Herr Abgeordnete von Paar ausgeführt hat, quasi ein Formularvertrag ist, d. h. ein Vertrag, der in ähnlicher Form auf Grund desselben amerikanischen Gesetzes mit einer Reihe von europäischen Staaten schon abgeschlossen worden ist, so wirft dieser Vertrag doch eine Reihe von Fragen auf, die hier geprüft werden müssen. Insbesondere ist es zweifellos nicht so, wie mein Herr Vorredner suggeriert hat, daß in diesem Vertrag nur von unentgeltlichen Leistungen der Amerikaner die Rede ist, sondern es. ist durchaus zwischen solchen unterschieden, für die keine Entgelte gezahlt werden sollen, und solchen, die abgegolten werden. Ich mache darauf aufmerksam, daß hier eine Sache nicht klar ist, nämlich die Größe, der Umfang und der Zeitpunkt der finanziellen Verpflichtungen, die sich für die Bundesrepublik aus der Durchführung dieses Vertrages ergeben können. In dem Vertrag wird nicht gesagt: was soll geliefert werden, wieviel, wann soll geliefert werden, zu welchem Preis, zu welchen Zahlungsmodalitäten, und wann muß gezahlt werden?
Da die Bundesregierung ihrerseits bei der Einbringung darauf verzichtet hat, eine Begründung oder eine nähere Darlegung gerade dieser Fragen zu geben, scheint es mir notwendig, daß diese Fragen in den Ausschüssen geklärt werden. Es scheint auch notwendig, daß der Öffentlichkeit gerade über diese Fragen Aufklärung gegeben wird. Es ist ja allen Experten der Rüstung — ich meine hier: der materiellen Rüstung -- klar, daß die Rüstungspläne so, wie die Bundesregierung sie veröffentlicht hat, finanziell einen Aufwand erfordern werden, der etwa doppelt so hoch ist wie der, den der Herr Bundesfinanzminister mit 9 Milliarden jährlich immer wieder angekündigt hat. Es ist nun die große Frage, ob die Lücke, die zwischen der Zielsetzung des Plans und dem besteht, was man im Haushaltsplan zur Verfügung stellt, mit diesem Abkommen ganz ausgefüllt werden soll. Ich glaube, es wäre auch für die allgemeine Wirtschaftspolitik und für die allgemeine konjunkturpolitische und konjunkturpsychologische Entwicklung eine gute Sache, wenn die Bundesregierung hierüber öffentlich Aufschluß gäbe. Denn es dürfte sich niemand Zweifeln darüber hingeben, daß die konjunkturelle Überhitzung, von der wir in diesem Herbst gesprochen haben, daß die psychologische Überspannung der Konjunkturerwartungen nicht zuletzt aus der Erkenntnis herrührte, die jedem Industriellen und jedem Industrieverband selbstverständlich und gemeinsam war, aus der Erkenntnis nämlich, daß mit den 9 Milliarden Haushaltsmitteln jährlich allein diese Aufrüstungspläne niemals finanziert werden können, daß die Rüstungsaufwendungen also weit darüber hinausgehen werden. Vielleicht wäre hier ein Punkt, um etwas Konjunkturpsychologie zu treiben, indem man einmal sagt, wieviel beispielsweise auf Grund der amerikanischen Hilfe gemacht werden soll, d. h. welcher Teil der Rüstung nicht aus dem deutschen Potential herausgeholt und infolgedessen nicht konjunkturauftreibend wirken würde. Ich glaube also, daß zumindest zu diesem Punkt bei der zweiten Lesung auch von der Regierungsbank etwas gesagt werden muß.
Im übrigen darf ich mir erlauben, darauf hinzuweisen, daß nach Art. I und Art. VIII dieses Vertrags eine sehr weitgehende amerikanische Verwendungskontrolle für die amerikanische Hilfe vorgesehen ist. Wir werden eine sehr ausgedehnte amerikanische Militärmission in Godesberg erhalten, die zum Teil diplomatischen Status bekommen soll. Ich halte dafür, daß im Sicherheitsausschuß die Rechte und die Aufgaben dieser amerikanischen Militärmission des Näheren dargelegt und behandelt werden müssen.
Ich darf gleichfalls aufmerksam machen auf die Bestimmung über die amerikanisch inspirierte Embargopolitik gegenüber den Ostländern, die der Herr Vorredner schon erwähnt hat. Sie finden in Art. X eine Verpflichtung der Bundesregierung zur Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten wegen der Sicherheitskontrollen beim Export von strategisch wichtigem Material nach Ostländern. Mein Herr Vorredner hat gesagt, das sei alles etwas Selbstverständliches und bedeute nichts Neues. Ich darf darauf aufmerksam machen: Die Bundesregierung selber weist in ihrer schriftlichen Begründung darauf hin, daß die Verpflichtung aus diesem Abkommen weiter geht als die Verpflichtungen, die wir bisher auf dem Gebiet der Embargopolitik eingegangen waren. Das berühmte Cocom — das ist das internationale Gebilde in Paris, das diese Embargopolitik steuert und von dem auch der Herr Vorredner gesprochen hat — beruhte bisher auf der Absprache von Regierungen, während wir in dem Vertragswerk hier völkerrechtliche Verpflichtungen eingehen. Die Art der Formulierung macht klar, daß wir uns vielleicht noch stärker als bisher in dieser Frage unter die Führung der amerikanischen Regierung begeben. Ich darf für meine Fraktion vorbehalten, daß wir gerade diesen Teil des Abkommens im zuständigen Ausschuß noch näher prüfen. Wir glauben, daß es grundsätzlich nicht gut ist, wenn die deutsche Bundesregierung ihre handelspolitische Handlungsfreiheit auf diese Weise völkerrechtlich einschränkt.
Am Schluß dieser kurzen Bemerkung möchte ich darauf hinweisen, daß später, wenn dieser Vertrag in Kraft getreten sein sollte, in den zuständigen Ausschüssen die sicherheits- und wehrpolitischen, aber auch die haushaltsmäßigen und die handelspolitischen Folgewirkungen dieses Vertrags laufend beobachtet werden müssen. Es handelt sich hier nicht um ein Vertragswerk, wo es damit abgetan ist, wenn es einmal unterschrieben ist, sondern es ergeben sich in der Zukunft laufend handelspolitische, haushaltsmäßige und selbstverständlich militärpolitische Auswirkungen.
Für die gegenwärtige Ausschußberatung stimmen wir dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion zu und plädieren auch unsererseits dafür, die Vorlage an den Außenpolitischen und an den Sicherheitsausschuß zu überweisen.
Ich danke Ihnen.