Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Pariser Verträge, insbesondere der Beitritt der Bundesrepublik zur NATO, haben der Bundesrepublik militärische Verpflichtungen auferlegt. Sie hat einen militärischen Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung des freien Westens übernommen. Wir kennen die Sorgen, die wir in diesen Monaten über ,die finanzielle und wirtschaftspolitische Durchführung dieses Verteidigungsbeitrages gehabt haben. Wir wissen, daß die Übernahme dieser Verpflichtung gar nicht möglich gewesen wäre, wenn nicht die Zusage der militärischen und der finanziellen Hilfe von seiten der Vereinigten Staaten vorgelegen hätte. Wir befinden uns dabei in keiner anderen Lage als die übrigen NATO-Staaten. Es ist bekannt, daß diese, einschließlich der Großmächte wie Frankreich und Großbritannien, ebenfalls Hilfeleistungen in Geld und in Natur von den Vereinigten Staaten erhalten haben.
Die Hilfe wird grundsätzlich unentgeltlich gewährt, entweder endgültig überlassen oder leihweise ohne Vergütung. Es ist deshalb verständlich, daß die Vereinigten Staaten ihre Hilfe an Bedingungen knüpfen. Diese Bedingungen werden jeweils mit den Empfängerstaaten vertraglich vereinbart. Sie sind durch ein amerikanisches Gesetz, den Mutual Security Act, umrahmt. Dieses Gesetz stammt aus dem Jahre 1949. Es ist wiederholt novelliert worden und liegt jetzt in der neuesten Fassung vom 26. August 1954 vor. Dieses Gesetz enthält die Bedingungen, die in die Verträge mit den einzelnen Empfängerstaaten jeweils aufgenommen werden.
Der Vertrag, der zu diesem Zweck von der Bundesregierung mit der Regierung der Vereinigten Staaten abgeschlossen worden ist, liegt uns heute zur Ratifizierung vor. Er ist vom 30. Juni 1955 datiert, ist also kurz nach dem Inkrafttreten der Pariser Verträge ausgehandelt worden. Daß der Vertrag ratifizierungsbedürftig ist, kann nach Art. 59 des Grundgesetzes nicht zweifelhaft sein. Sein Inhalt deckt sich in allem Wesentlichen mit den Verträgen, die die Vereinigten Staaten mit den anderen Empfängerstaaten abgeschlossen haben.
Die Ratifizierung des Vertrages ist eilig. Sie ist deshalb eilig, weil schon am 1. Januar sowohl in der Bundesrepublik wie in den Vereinigten Staaten Lehrgänge anlaufen. Diese Lehrgänge bedürfen zu ihrer Durchführung der Waffen, die ja nur von Amerika kommen können. Die Teilnehmer der Lehrgänge drüben werden, wenn dieses Vertragswerk ratifiziert ist, auf Kosten der Vereinigten Staaten hinüberbefördert. was ohne die Ratifi-
zierung nicht möglich wäre. Schließlich ist auch das amerikanische Lehrpersonal, das wir insbesondere für die Lehrkompanien hier und die Lehrkurse drüben brauchen, davon abhängig, daß dieser Vertrag ratifiziert wird.
Man kann sich fragen und man hat sich gefragt, wie es kommt, daß uns dieses Abkommen erst jetzt zur Ratifizierung vorgelegt wird. Es ist, wie ich vorhin schon erwähnt habe, am 30. Juni dieses Jahres abgeschlossen worden, und ich glaube, daß — auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Parlamentsferien in die Zwischenzeit gefallen sind und das Abkommen den Bundesrat hat passieren müssen — etwas mehr Eile durchaus möglich gewesen wäre und daß wir das Abkommen immerhin einige Wochen früher hätten erhalten können.
Der Inhalt des Abkommens wird in den Ausschüssen und eventuell in der zweiten Lesung noch im einzelnen zu erörtern sein. Ich will mich daher heute auf einen kurzen Überblick beschränken. Es handelt sich um ein Rahmenabkommen, das im weiteren Verlauf durch Einzelabkommen auszufüllen sein wird.
Die Präambel enthält eine Feststellung, daß das Abkommen im Rahmen des Art. 3 des NATO- Vertrages liegt, daß also keine Verpflichtungen übernommen werden, die nicht schon auf dem NATO-Vertrag beruhen, und daß der Frieden am besten durch wirksame Verteidigungsmaßnahmen aufrechterhalten wird.
In Art. I findet sich die Zusage der Hilfeleistung, wobei, wie ich betonen möchte, jede einzelne Hilfeleistung von der Regierung der Vereinigten Staaten genehmigt werden muß, ebenso aber auch von der Bundesregierung, so daß wir dagegen geschützt sind, daß uns etwa Ladenhüter aufgehängt werden, daß wir veraltete oder unbrauchbare Waffen übernehmen müßten. Die Bundesregierung übernimmt in dem Artikel die Verpflichtung, das Material nur im Sinne des NATO-Vertrages und nur zu Verteidigungszwecken zu verwenden. Es ist verständlich, daß sich die Vereinigten Staaten bei Gewährung derartiger Hilfe auch die vertragsmäßige Gewähr dafür verschaffen wollen, daß ein Empfängerstaat mit diesem Material nicht etwa eine Aggressionspolitik betreibt. Da das Material unentgeltlich geliefert wird, muß es, wenn es nicht mehr gebraucht wird — sei es, daß es veraltet ist oder daß es aus anderen Gründen überholt ist —, wieder zurückgegeben werden. Auch diese Verpflichtung ist in dem Vertrag niedergelegt. Es ist ferner gesagt, daß das Material nicht an andere weitergegeben werden darf, auch eine Selbstverständlichkeit.
Schließlich enthält das Abkommen die Bestimmung, daß das Material, das seinerzeit vom Bundesgrenzschutz übernommen worden ist, nun auch für die Streitkräfte verwendet werden darf. Es sind damals im Jahre 1953 besondere Abkommen über dieses Material geschlossen worden, und nur die ausdrückliche Erwähnung in diesem Abkommen gestattet es, im Falle einer Übernahme des Bundesgrenzschutzes auch die Waffen mit zu übernehmen.
Die deutsche Gegenverpflichtung geht grundsätzlich dahin, daß auch wir verpflichtet sind, im Rahmen unserer Möglichkeiten den Vereinigten Staaten Hilfe zu leisten. Es ist klar, daß diese Verpflichtung im wesentlichen theoretischer Natur ist und gewissermaßen nur das Korrelat bildet zu der
Hilfsverpflichtung der Vereinigten Staaten. Die Formulierung ist in dem Abkommen so getroffen, daß keinerlei Besorgnis bestehen kann, es würde etwa durch unzeitgemäße amerikanische Hilfswünsche die deutsche Volkswirtschaft in Gefahr gebracht werden; denn alles, was etwa auf Grund dieser Gegenverpflichtung deutscherseits zu leisten ist, muß in jedem einzelnen Fall von der Bundesregierung frei genehmigt werden, ohne daß Einzelansprüche der anderen Vertragsseite bestehen.
Es folgt eine Anzahl von Bestimmungen mehr selbstverständlichen formalen Charakters, z. B. daß militärische Patente ausgetauscht werden, daß die Geheimhaltungspflicht aufrechtzuerhalten ist, daß die gelieferten Waffen und Materialien gegen Zugriff Dritter, etwa im Wege der Pfändung, geschützt bleiben müssen, daß die gelieferten Waffen und Ausrüstungsgegenstände unter das Off-shoreSteuerabkommen vom Jahre 1954 gestellt werden — auch eine Selbstverständlichkeit! — und schließlich, daß ein kleiner Stab alliierten Überwachungspersonals in der Bundesrepublik stationiert wird. Es wird sich im ganzen nur um sechs Personen mit volldiplomatischem Status und um etwa hundert Personen mit, sagen wir, halbdiplomatischem Status handeln, die der amerikanischen Botschaft zugeteilt werden und deren Aufgabe es ist, sich zu vergewissern, daß die Waffen, Ausrüstungsstücke usw. in dem Sinne verwendet werden, in dem sie gegeben wurden. Aber auch diese Tätigkeit kann nur im Einvernehmen mit der Bundesregierung ausgeübt werden. Es ist also die Sicherheit gegeben, daß diese Überwachungsorgane nun nicht etwa auf eigene Faust im Lande herumreisen und Inspektionen vornehmen.
Die deutschen Verpflichtungen im Rahmen der Verträge sind in Art. IX des Abkommens noch einmal zusammengefaßt und so formuliert — ich verweise auf die Drucksache —, daß keinerlei Bedenken gegen die Annahme dieser Formulierung bestehen können.
Schließlich geht das Abkommen noch auf die Cocom-Verpflichtungen ein, d. h. auf das Verbot der Ausfuhr strategischer Güter nach Ländern, die den Frieden bedrohen könnten. Auch das ist nichts Neues und schon in den entsprechenden Abkommen aus früherer Zeit enthalten.
Das Abkommen ist mit einjähriger Frist kündbar. Gewisse Bestimmungen wie etwa die Geheimhaltungsbestimmungen usw. laufen über die Kündigungsfrist weiter, bis sie im Wege gegenseitiger Vereinbarung aufgehoben sind. Schließlich ist noch Konsultation zwischen den beiden Vertragsteilen für den Fall vorgesehen, daß sie sich bei Anwendung des Abkommens als erforderlich erweisen sollte.
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die in dem Abkommen zugesagte Hilfe der Vereinigten Staaten für die Durchführung unserer Politik gemeinsamer Verteidigung der westlichen Freiheit und für die Erfüllung unserer militärischen Verpflichtungen aus den Pariser Verträgen unentbehrlich und eilig ist, daß diese Hilfe nach dem amerikanischen Verfassungsrecht, nach dem Mutual Security Act, nur gewährt werden kann, wenn das Abkommen in der vorgesehenen Form von uns ratifiziert wird. Die von uns übernommenen Verpflichtungen sind teils mehr oder weniger formale Selbstverständlichkeiten — wie etwa die Geheim-
haltungspflicht —, teils sind sie vernünftige Korrelate für die unentgeltliche Überlassung — also etwa die Rückgabe- und die Kontrollpflicht —, und schließlich enthalten sie politische Verpflichtungen, die in keiner Weise über diejenigen hinausgehen, die wir durch Abschluß der Pariser Verträge bereits übernommen haben.
Ich beantrage daher namens meiner Fraktion, den Entwurf des Gesetzes über das Abkommen vom 30. Juni 1955 zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten dem Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit — federführend — und dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zur Mitberatung zu überweisen.