Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei meiner Stellungnahme zu dem Antrag der CDU befinde ich mich in einiger Verlegenheit, weil die Darlegungen der Kollegen Dr. Bergmeyer und Dr. Vogel klar gezeigt haben, daß in dieser Fraktion zwei völlig entgegengesetzte Auffassungen bestehen, so daß man nicht mehr den Eindruck haben kann, es mit der Auffassung einer Fraktion zu tun zu haben. Ich werde mich aus der Affäre ziehen, indem ich die gut fundierte Begründung, die Herr Dr. Vogel dem Antrag gegeben hat, zum Gegenstand meiner Auslegungen mache.
Meine Damen und Herren, im Urteilsbild der Öffentlichkeit sind die Verwaltungen seit jeher Organismen, die Fettpolster ansetzen, und nach der gleichen Meinung gibt es kein auf die Dauer wirksames Rezept, diese Fettpolster abzubauen. Deshalb verbindet die Öffentlichkeit das dringende
Erfordernis der Einsparungen und Verwaltungsreformen immer mit einer tiefen Skepsis, ja, ich möchte sagen, mit einem vorsorglichen Fatalismus. Damit, daß jetzt der Bundestag diesen Fragenkomplex aufgreift, um ihn zu lösen, geht er das Risiko ein, von der Öffentlichkeit über die Grenzen seiner Wirksamkeit aufgeklärt zu werden. Wenn wir uns in diese Gefahr nicht begeben wollen, dann müssen wir diesen ganzen Fragenstoff aus dem Bereich von Deklamationen herausheben und uns nur mit seinem wirklichen Gehalt, mit den realisierbaren Möglichkeiten beschäftigen. Dann dürfen wir auch nicht unbesehen der Auffassung der Öffentlichkeit folgen, die mit ihrer generalisierenden. Meinung doch große Fehlurteile fällt.
Ich habe sehr den Eindruck, daß der Kollege D r. B er g m e y er im Schatten solcher Auffassungen der Öffentlichkeit gestanden hat. Er sagte z. B.: schuld ist die Bürokratie. Ich verstehe zunächst einmal nicht, weshalb Herr Dr. Bergmeyer dieses Urteil fällt. Es wurde ihm ja hier der Zuruf gemacht: „Na, Sie haben doch dem Haushalt zugestimmt!" Und tatsächlich gab doch die Haushaltsberatung und Abstimmung die Gelegenheit, Einspruch gegen eine zu große und zu stark aufgeblähte Bürokratie zu erheben. Herr Dr. Bergmeyer ist allerdings die Antwort auf diesen Zwischenruf schuldig geblieben.
Nun, meine Damen und Herren, diese Auffassung stimmt aber auch in ihrem Gehalt nicht. Es ist einfach nicht so, daß die Bürokratie von sich aus sich jeder Rationalisierung entgegenstemmt. Im Gegenteil, es findet tatsächlich eine fortlaufende Vereinfachung statt.
Mir ist gerade in dieser Woche ein Heft in die Hände gefallen, das mit Unterstützung des Ministeriums für das Post- und Fernmeldewesen herausgegeben wird und in dem sich ungefähr die Hälfte der Artikel mit den Vereinfachungen befaßt, die in der letzten Zeit getroffen worden sind. Da hat besonders ein Absatz meine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, in dem darauf hingewiesen wurde, daß unter diesen Vereinfachungsmaßnahmen auch die Maßnahme getroffen worden ist, daß beim Abhaken der Rechnungsbeträge nicht mehr blaue Tinte, sondern künftighin schwarze Tinte verwendet werden kann. Nun, meine Damen und Herren, ich mußte über diese Einsparungsmaßnahme schmunzeln, bin aber doch nachdenklich geworden. Sehen sie, hier zeigt sich an einem Beispiel, wie die mittleren und unteren Verwaltungsstellen bemüht sind, die Rationalisierung wirklich in jeden Winkel zu tragen. Daß sie die Rationalisierung nicht in den großen Formen unserer Verwaltungen zum Durchbruch bringen können, liegt einfach an ihrer Zuständigkeit. Aber man kann dann auch nicht sagen, daß die Bürokratie an sich daran schuld sei.
Das stimmt übrigens auch schon aus folgendem Grunde nicht. Herr Kollege Dr. Bergmeyer, Sie werden diesen Antrag ja nicht unvorbereitet gestellt haben. Trotzdem muß ich sagen, daß Ihre Ermittlungen nicht abgerundet sind. Ihnen muß ja bekannt sein, daß der Verkehr bei der Bundesbahn und bei der Bundespost jährlich erheblich zunimmt — bei der Post sind es jährlich rund 10 % — und daß der Arbeitsanfall ohne Vermehrung des Personals bewältigt wird. Das bedeutet also, daß hier ständig Rationalisierungen vorgenommen werden. Das ist ein Beispiel, das für andere spricht.
Wir in der FDP sind trotzdem immer diejenigen gewesen, die eine Verwaltungsvereinfachung gefordert haben. Wir haben es aber nie bei Forderungen belassen, sondern haben Vorschläge gemacht. Erlauben Sie mir, daß ich auf einige dieser Vorschläge zurückkomme.
Für den Ausgangspunkt der Ermittlung der Ursachen, die die Verwaltungserweiterungen herbeigeführt haben, bitte ich Sie, sich doch einmal folgendes klarzumachen. Es hat sich gegenüber früher tatsächlich bei den Behörden in der Publikumsabwicklung doch etwas geändert. Früher wußte der Gesuchsteller, daß er einer Stelle gegenübertrat, die letztgültige Entscheidungsbefugnis hatte. Dieses Bild besteht schon seit langem nicht mehr. Heute hat der Bürger das sichere Gefühl, daß er sich nicht einer Stelle mit letztgültiger Entscheidungsbefugnis gegenüber befindet, sondern gewissermaßen einer Vorsortierung unterliegt, und es ist immer sein Bemühen, zu demjenigen vorzudringen, der die Entscheidung endgültig zu seinen Gunsten treffen kann, also Hürden zu überspringen.
Hier muß natürlich eine Änderung einsetzen. Herr Dr. Kleindinst hat darauf verwiesen und mit Recht gesagt: Man muß die Kompetenzen, man muß die Verantwortung nach unten verlegen. Das ist eine Forderung, deren Erfüllung bestimmt eine weitere Einsparungsmöglichkeit mit sich bringen wird. Ich entsinne mich noch sehr gut der Zeiten, als diese untersten Stellen wegen ihrer Sachkenntnis und ihrer letztgültigen Entscheidungsbefugnis nicht nur den Respekt des Publikums, sondern auch den Respekt der vorgeordneten Beamten genossen, weil diese Beamten oftmals vor der Erfahrung und dem Sachwissen dieser Leute kapitulieren mußten und sich, wie es richtig ist, auf die Geltendmachung übergeordneter Gesichtspunkte zurückgezogen haben.
Wir müssen also dazu kommen, daß die Entscheidungsbefugnis, die heute weitgehend gefächert ist, wieder zusammengezogen, und zwar nach unten verlegt wird. Diese Forderung ist für einen Bereich seitens der FDP von dieser Stelle aus bereits zweimal erhoben worden, und zwar bei der Beratung des Haushalts des Ministers für das Post- und Fernmeldewesen.
Ich möchte hier ganz kurz auf die Lage bei den Betriebsverwaltungen eingehen. Es handelt sich dabei immer um Personalkörper, die außerordentlich groß sind. Ich habe selber damals darauf hinweisen dürfen, daß die bisherige Gliederung — Ministerien, Direktionen, Verkehrsämter — nicht mehr wirksam ist, daß sich aus den Ansprüchen, die die Technik unserer Zeit an uns stellt, neue Organe — in Form der technischen Zentralämter — dazwischengestellt haben. Bei der Eisenbahn hat sich noch ein Organ dazwischengestellt, das sich die Oberbetriebsleitung nennt. Daraus ergeben sich zwangsläufig Überschneidungen. Auf der Seite der Direktionen werden gewissermaßen Mitlaufwerke in Betrieb gesetzt, die nur eine Erschwerung des Verwaltungsablaufs mit sich bringen. Hier wäre bestimmt etwas zu machen.
— Ich komme schon dazu Herr Kollege; das gehört aber letztlich dazu!
Wir kommen sonst nicht zu einer Einsparung, wenn Sie nicht auf die Gliederung eingehen. Ich bin damit auch fertig.
Meine Damen und Herren, wir müssen dazu kommen, daß die übergeordneten Stellen von Einzelentscheidungen befreit werden, daß sie, wie es früher einmal der Fall war, nur Richtlinien herauszugeben und sich mit der Kontrolle des Verwaltungsablaufs zu befassen haben.
Ich glaube, Ihnen auch noch folgendes Beispiel der Möglichkeit einer Verwaltungsvereinfachung darlegen zu sollen. Sie alle haben wahrscheinlich Zuschriften darüber bekommen, daß das Zollausschlußgebiet Jestetten die Forderung stellt, wieder zum Ausschlußgebiet zurückgeführt zu werden. Hier haben wir bekanntlich zur Zeit eine Grenze von 40 km zolltechnisch abzuschließen, während diese Arbeit früher auf 4 km zusammengerückt worden ist, was eine erhebliche Ersparnis mit sich gebracht hat. Wie hier, ist auch in zahlreichen anderen Fällen eine Ersparnismöglichkeit gegeben.
Aber lassen Sie mich noch auf eine Frage eingehen, die mir von grundsätzlicher Bedeutung zu sein scheint. Wenn wir an die Verwaltungsvereinfachung herangehen, dürfen wir auch nicht eine Vereinfachung im materiellen Aufwand außer acht lassen — ich meine damit den technischen Aufwand —, sonst kommen wir nicht zu echten Ersparnismaßnahmen. Heutzutage drängt nämlich schon der technische Aufwand tief in unsere Verwaltungen ein. Zur Zeit ist ja eine Möglichkeit, den Aufwand der Verwaltung zu prüfen, nur durch den Bundesrechnungshof gegeben, der sich aber darauf beschränkt, die sparsame Verwaltung der Mittel — Angebotsverfahren, Kostenanschläge und die Preisprüfung usw. — zu kontrollieren. Nach meiner Auffassung fehlt eine Prüfung des technischen Aufwandes völlig. Wenn man dieser Forderung gerecht werden will, muß der Bundesrechnungshof in seiner personellen Zusammensetzung allerdings durch einen Stamm von kundigen Technikern und Ingenieuren ergänzt werden. Wenn dieser Techniker- und Ingenieurstamm schon vorhanden gewesen wäre, dann hätte es nicht vorkommen können, daß, wie hier schon erwähnt worden ist, bei den großen Betriebsverwaltungen Hunderte von Personenkraftwagen zur Pflege und zur Reparatur über weite Strecken in die betriebseigenen Kraftfahrzeugwerkstätten gefahren werden müssen, obwohl sich unweit des Dauerstandorts dieser Fahrzeuge eine Werkstätte der betreffenden Kraftfahrzeugtype befindet, und dann wäre es auch nicht vorgekommen, daß man in diesen Werkstätten auch noch Fahrräder und Schreibmaschinen als Füllsel für die Arbeit dazugenommen hätte.
Man soll sich auch einmal klarmachen — und auch das wäre die Aufgabe eines Rechnungshofes —, welch ungeheure Aufwendungen die Ersatzteillager verschlingen. Meine Damen und Herren, es liegen hier Millionenwerte in Form von Ersatzteilen. Hinzu kommen die sehr hohen Aufwendungen für Grundstücke, für Personal, für die Verwaltung dieser Lager. Durch ein Normblattsystem oder ein Sammelkartensystem könnte man sehr gut dieses Zwischenglied ausschalten. Man würde dadurch enorme Beträge einsparen. Hinzu kommt, daß diese Zeugämter oder Ersatzteillager Funktionen übernehmen, die im Regelfall die Verteilerorganisationen der Wirtschaft ausüben. Die Verwaltungen erhalten aber keinen Rabatt für die Übernahme dieser Funktionen. Schließlich ist es eine Erfahrungstatsache, daß solche zentralisierten Ersatzteillager keineswegs die Aufgabe der Zusammenfassung erfüllen, sondern die einzelnen Dienststellen sich doch Filiallager halten. Dadurch wird der gute Zweck völlig verwässert.
Meine Damen und Herren, die Funktion des Rechnungshofes hat zweifellos sehr viel Nutzen im Sinne der hier verfochtenen Forderungen gebracht. Wir meinen aber, die Institution des Rechnungshofes, und zwar der Präsident des Rechnungshofes in seiner Eigenschaft als Beauftragter für die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung, sollte doch noch mehr in Anspruch genommen werden. Man sollte weit mehr Gutachten einfordern, sollte diese Gutachten aber auch dem Bundestag vorlegen, und der Bundestag sollte — das scheint uns das Wesentliche zu sein — den Haushaltsausschuß mit der Verwertung dieser Prüfberichte beauftragen, damit sie nicht im leeren Raum stehen bleiben, ohne Folgerungen bleiben, sondern der Bundestag auch die Wirksamkeit der Prüfungen und der, wie zu hoffen ist, daran geknüpften Maßnahmen verfolgen kann.
Ich sagte schon zu Beginn: wir haben hier mehrfach Vorschläge für Verwaltungseinsparungen gemacht. Wir hatten manchmal den Eindruck, daß sich zwischen diesem Rednerpult und der Regierungsbank ein „toter Winkel" einschaltete. Um so mehr sind wir bereit, diesen toten Winkel überbrücken zu helfen und mitzuhelfen, eine wirklich sparsame Verwaltung zu schaffen. Wir werden uns dabei aber — das ist unser Grundprinzip — nicht auf Forderungen beschränken, die, wenn sie ohne Begründung sind, keinen Effekt auslösen können, sondern wir werden immer konkrete Vorschläge machen.