Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich im Namen der CDU/ CSU-Fraktion zunächst einige kurze Bemerkungen zum Antrag der SPD machen. Der Redner der SPD hat mit Recht auf die veränderte Rechtslage hingewiesen. Er hat darauf hingewiesen, daß es sich hier um einmalige außerordentliche Leistungen der öffentlichen Fürsorge handelt, für die einzig und allein die Länder zuständig sind, und daß für den Bund verhältnismäßig wenig Möglichkeiten bestehen, hier einzuwirken. Die Rechtslage hat sich ja insbesondere durch das Vierte Überleitungsgesetz mit dem Beginn dieses Rechnungsjahres geändert. Sie wissen, daß die Bundesregierung im vorigen Jahr und vor zwei Jahren Bundesrichtlinien an die Länder erlassen hat. Diese Richtlinien sind seit der Pauschalierung der Erstattung der Fürsorgekosten nicht mehr notwendig; sie können vom Bund nicht mehr erlassen werden. Die Länder sind nicht mehr darauf angewiesen, die Verrechnungsfähigkeit ihrer Ausgaben, die sie an Empfänger von Kriegsfolgenhilfeleistungen gewähren, rechtzeitig beim Bund zu sichern. Wir haben mit diesem Vierten Überleitungsgesetz endlich eine klare Abgrenzung der Lasten zwischen Bund und Ländern erzielt, die gerade auf dem Gebiete des Fürsorgewesens, wo es so viele Ermessensentscheidungen gibt, ganz besonders notwendig war. Die Länder tragen nunmehr die Ausgabenverantwortung ganz allein.
Dieser veränderten Rechtslage hat der SPD-Antrag in gewissem Umfang ohne Zweifel Rechnung getragen. Deshalb spricht er auch nicht etwa von einer Erweiterung der früheren Bundesrichtlinien, sondern lediglich von Empfehlungen, die die Bundesregierung an die Länder richten soll. Wir werden uns im Ausschuß darüber Gedanken machen, ob solche Empfehlungen bei der geschilderten Rechtslage möglich sind, ob sie zweckmäßig und ob sie überhaupt nötig sind. Sie wissen, daß solche Empfehlungen sehr leicht als Richtlinien und Weisungen empfunden werden können, und Sie kennen die diesbezüglichen Auseinandersetzungen, die wir laufend mit dem Bundesrat haben. Eine Pauschalierung schließt eben ein Weisungsrecht aus. Würde die Bundesregierung eine bestimmte Höhe der Weihnachtsbeihilfe empfehlen, meine Damen und Herren von der SPD, so könnten das die Länder immerhin als eine Einmischung in ihre Finanzhoheit betrachten und unter Umständen zusätzliche Forderungen gegenüber dem Bund geltend machen. Jedenfalls könnten solche Empfehlungen langwierige Auseinandersetzungen mit dem Bundesrat nach sich ziehen, so daß eine Verzögerung in der Auszahlung der Weihnachtsbeihilfen zu befürchten wäre. Doch wir wollen uns eingehend im Ausschuß darüber unterhalten.
Was nun das sozialpolitische Gefälle angeht, von dem in Ihrem Antrag die Rede ist, also die Tatsache, daß die Länder unter Umständen verschieden hohe Beihilfen zahlen, so steckt darin natürlich ein ernst zu nehmendes Problem. Wir werden uns darüber im Ausschuß besonders unterhalten müssen. Ich muß aber heute schon sagen, daß ich sehr skeptisch bin, ob wir in dieser Beziehung viel ändern können. Ich könnte mir übrigens denken, daß die Länder schon von sich aus ein Interesse daran haben, diese Dinge zu koordinieren. Sie wissen, daß im September dieses Jahres die leitenden Fürsorgereferenten der Länder sich in Berlin zu einer Tagung zusammengesetzt haben; sie könnten bei dieser Gelegenheit auch solche Fragen besprechen und miteinander in Güte regeln.
Nun aber zum Antrag des BHE! Meine Dame und meine Herren vom BHE, Sie haben sich die Arbeit wahrhaftig sehr leicht gemacht. Die SPD hat wenigstens in den letzten Jahren etwas hinzugelernt,
während Sie einfach Ihren vorjährigen Antrag haben neu drucken lassen. Frau Kollegin Finselberger hat es selber gesagt.
— Ja, Sie müssen sich mal belehren lassen; ich werde es Ihnen nachher beweisen! — Die SPD hat ihr Anliegen wenigstens technisch richtig gemacht. Sie hat uns eine ganze Reihe von Anträgen au: Sonderzulagen auf den verschiedenen Gebieten de: öffentlichen und sozialen Leistungen vorgelegt
Sie aber haben lediglich Ihren vorjährigen Antrag wiederholt, und dieser Antrag war wahrhaftig kein Meisterstück; das müssen Sie sich sagen lassen. Das war eine ganz miserable Lehrlingsarbeit, was Sie da gemacht haben.
Ich meine, meine Dame und meine Herren vom BHE: wenn man schon Anträge einbringt, dann muß man sie wenigstens technisch so gestalten, daß sie sich einigermaßen vor den Leuten, die etwas davon verstehen, sehen lassen können.
— Darüber werden wir nachher noch zu reden haben. — Es genügt nicht, meine Dame und meine Herren vom BHE, einem gewissen Bedürfnis, sagen wir einmal ganz gelinde: nach Werbung freien Lauf zu lassen; man muß sich schon anstrengen und mit viel Fleiß und auch mit Sachkenntnis an solche Anträge herangehen.
— Ich bin nicht der Vater des Kindergeldgesetzes. —Wie Sie wissen, wiederholen sich die Weihnachtsbeihilfedebatten in diesem Hause jedes Jahr. Die erste Debatte, die ich in diesem Hause im Jahre 1953 — es war am 3. Dezember 1953 — mitgemacht habe, habe ich nie vergessen. Damals haben manche Kollegen auch aus Ihren Reihen wirklich für die nötige Weihnachtsstimmung in diesem Hause gesorgt. Aber eines habe ich von damals noch in Erinnerung. Damals hat der Vizepräsident Schneider dem Sprecher des BHE — ich glaube, es war Herr Dr. Gille — wörtlich gesagt:
Ihre Formulierung könnte den Eindruck erwecken, daß der BHE bereits nicht mehr zu den Regierungsparteien gehört.
Das war im Jahre 1953. Nun, meine Damen und Herren, heute ist es so weit: heute zählt sich die Restgruppe des BHE nicht mehr zur Regierungskoalition. Deshalb tut sie sich auch besonders leicht, solche Anträge zu stellen und uns auf den Tisch des Hauses zu legen.
Aber das will ich Ihnen sagen: solche Anträge können Sie draußen bei Ihren Wählern auch nicht mehr retten.
— Ja natürlich; das muß Ihnen gesagt werden. Daß Sie sich darüber ärgern, verstehe ich. Aber Sie sollen sich ruhig darüber ärgern!
Ihre Mitbürger — auch die Kreise, die Sie speziell ansprechen wollen — sind viel vernünftiger und viel einsichtiger, als Sie denken. Die können zwar manchmal auch schimpfen und murren; aber im Grunde kennen sie ganz genau die Grenzen, die uns in der Sozialpolitik gesetzt sind.
— Ja, das sollten Sie wissen, daß wir enge Gren- ( zen haben,
daß uns in der Sozialpolitik nichts als Geschenk vom Himmel herunterfällt.
Auch das müssen Sie vom BHE sich merken.
— Bitte, lassen Sie mich doch einmal ausreden! — Ich meine, das sind Dinge, die wir ruhig einmal miteinander ausfechten müssen. Diese Menschen draußen trauen viel mehr denjenigen Politikern, die den Mut haben, auf diese Grenzen hinzuweisen, und sie vertrauen den Menschen, die dafür sorgen, daß das, was heute gewährt wird, auch auf die Dauer gewährt werden kann, ohne daß die Kaufkraft dieser Sozialleistungen verwässert und verschlechtert wird.
Meine Damen und Herren, sehen wir uns doch einmal diesen Antrag des BHE ein bißchen näher an! Machen Sie sich einmal die Mühe und nehmen Sie die Drucksache 1747 zur Hand.
Da heißt es:
Empfänger von öffentlicher Fürsorge und Empfänger von Arbeitslosenfürsorgeunterstützung erhalten jährlich
— also auf die Dauer, nicht bloß jetzt, nicht nur in diesem Jahr —
eine Weihnachtsbeihilfe.
Eine gleiche Weihnachtsbeihilfe erhalten, soweit sie den Personenkreisen des Absatzes 1 wirtschaftlich gleichstehen, die Empfänger von ....
— es sind sechs Gruppen: versicherungsmäßige Arbeitslosenunterstützung, Heimkehrerunterstützung, Sozialversicherung, Kriegsopferversorgung usw.
Dann kommt die erste Ermächtigung an die Bundesregierung. Es sind sechs Ermächtigungen an die Bundesregierung in diesem Antrag. Hier heißt es:
Inwieweit wirtschaftliche Gleichstellung vorliegt, bestimmt die Bundesregierung.
Arme Bundesregierung, muß man da sagen, wenn man sie so überfordert!
Im § 2 gleich zwei Ermächtigungen an die Bundesregierung!
Weihnachtsbeihilfe erhält nur, wer ....
2. diese Sozialleistungen bereits während einer Mindestdauer bezieht.
Die Bundesregierung
— alles auf die Bundesregierung abschieben! —
setzt für die einzelnen Personenkreise die Mindestdauer fest.
Sie haben sehr viel Vertrauen — das freut mich — zur Bundesregierung!
Weiter heißt es dann:
Die Bundesregierung kann vorschreiben, daß gewisse Unterbrechungen im Bezuge unberücksichtigt bleiben.
Im § 3 lesen Sie wieder:
Die Weihnachtsbeihilfe beträgt
— Sie haben es von Frau Kollegin Finselberger gehört —
für den Empfänger der Sozialleistung 25 Deutsche Mark und für die Angehörigen je 10 Deutsche Mark. Die Bundesregierung bestimmt, wer als Angehöriger gilt.
Und nun die fünfte Ermächtigung an die Bundesregierung in Abs. 4 des § 3:
Die Bundesregierung kann die Häufung von Weihnachtsbeihilfen in einer Familiengemeinschaft einschränken oder ausschließen.
Die sechste Ermächtigung finden Sie schließlich in § 4:
Die Bundesregierung kann Härteregelungen vorsehen.
Und das alles im Wege von Rechtsverordnungen, die mit dem Bundesrat ausgehandelt werden müssen, die der Zustimmung des Bundesrats bedürfen! Wenn wir nach Ihrem Antrag verfahren, dann bekommen diese Empfangsberechtigten ihre Weihnachtsbeihilfe nicht im Jahre 1955, sondern im Jahre 1956 zu Weihnachten.
Also, meine Damen und Herren, wenn Sie noch Lust haben, diesen Antrag den Ausschüssen zu überweisen, dann schlage ich Ihnen vor, ihn dem Haushaltsausschuß als federführendem Ausschuß und — jetzt müssen Sie es aber auch so machen — zur Mitberatung dem Ausschuß für Kriegsopfer-und Heimkehrerfragen, dem Ausschuß für Sozialpolitik, dem Ausschuß für Arbeit und dem Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge zu überweisen.