Rede von
Dr.
Richard
Jaeger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, über den Bericht des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 1579 ist gemeinsame Abstimmung vorgeschlagen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Große Anfrage der Fraktionen der DP, GB/ BHE betreffend Ziviler Luftverkehr .
Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage hat der Abgeordnete Schneider .
Schneider (DP), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere es zutiefst, daß die Große Anfrage, die die Deutsche Partei gemeinsam mit dem Gesamtdeutschen Block/BHE Anfang dieses Jahres gestellt hatte, erst nach einem halben Jahr auf der Tagesordnung des Hauses steht. Ich bedauere es weniger der Sache wegen als grundsätzlich, weil wichtige Dinge nach Möglichkeit hier auch verhandelt werden sollten. Wir haben es leider schon wiederholt erlebt, daß aktuelle Fragen dadurch, daß sie hier nicht rechtzeitig behandelt wurden, entsprechend an Aktualität und an Aufmerksamkeit verloren.
Beim totalen Zusammenbruch 1945 mußte auch die Luftfahrt mit dran glauben. Sie wissen, daß die Alliierten damals hinter ihren kämpfenden Truppen her Stäbe von Menschen sandten, die dafür sorgen sollten, daß die Erkenntnisse der deutschen Luftfahrt den Alliierten zugute kämen. Wohl kaum in einem anderen Wirtschaftssektor ist in einem derartigen Umfang demontiert und abtransportiert worden wie gerade auf dem Sektor der Luftfahrt.
Inzwischen ist Deutschland fast zehn Jahre lang von der Luftfahrt der Welt ausgeschlossen .gewesen, und speziell die technische Entwicklung hat einen ganz enormen Aufschwung genommen, so daß man heute, wenn man sich mit den Dingen beschäftigt oder auch einmal ins Ausland kommt, feststellen muß, welch gewaltigen Vorsprung das Ausland gewonnen hat.
Die Luftfahrt ist darüber hinaus in unserer schnellebigen Zeit zu einem Verkehrs- und Wirtschaftsfaktor geworden, der einfach nicht mehr wegzudenken ist und der — das kann ohne Übertreibung gesagt werden — ständig an Bedeutung gewinnt. Sie ist ein Faktor einmal — bedauerlich, aber nicht zu ändern — in militärischer Hinsicht; sie ist aber auch in wirtschaftlicher und verkehrspolitischer Hinsicht von allergrößter Bedeutung. Daß das so ist, zeigt auch die Tatsache, daß, nachdem wir innerhalb der alliierten Gesetze die Freigabe auf den verschiedensten Gebieten, beispielsweise dem des Schiffbaues, erlangen konnten, uns dies auf dem Gebiete der Luftfahrt bis zur Ratifizierung der Westverträge nicht möglich war. Es kann sich bei der Behandlung der Großen Anfrage hier natürlich nur darum drehen, daß wir uns über die zivile Luftfahrt unterhalten und am Rande auch über die Sportluftfahrt, jedoch nicht über die Militärluftfahrt.
Ich möchte vorab auch noch darauf hinweisen, daß neben dem rein Materiellen in der Luftfahrt schlechthin auch noch ein großes Stück Ideelles steckt. Viele von Ihnen werden vielleicht wissen, daß der, wenn ich einmal so sagen darf, Korpsgeist innerhalb der Luftfahrt ähnlich ist wie in der Marine; und abgesehen davon, daß die Luftfahrt auch eine gewisse Menschenbildung, eine gewisse Formung des Menschen herbeizuführen vermag, ist sie letzten Endes auch ein Stück Weltfrieden, eben weil sie imstande ist, mit großer Geschwindigkeit und zu jeder Tages- und Nachtzeit die Kontinente zu überbrücken.
Mit der Wiedererlangung der Lufthoheit war es notwendig, zahlreiche Maßnahmen zu treffen, und zwar in verfassungsrechtlicher Hinsicht die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern zu klären und darüber hinaus die Forschung in Gang zu setzen, die Technik, das Prüfwesen, die Flugsicherung usw. Gerade dem letzteren Sektor kommt eine ganz besondere Bedeutung zu, da die Vielzahl. der Luftfahrzeuge, die sich heutzutage im Raum bewegen, und die Geschwindigkeiten es erforderlich machen, daß auf allergrößte Sicherheit Wert gelegt wird.
Es war dann natürlich außerdem erforderlich, die Bodenorganisation entsprechend vorzubereiten. Hier verdient die Arbeit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen ein Wort der Anerkennung und des Dankes. Aber auch Bund und
Länder haben inzwischen das Ihrige dazu getan, daß sowohl die deutschen wie die ausländischen Flugverkehrsgesellschaften und teilweise auch die Sportfliegerei zu ihrem Rechte kommen können.
Wenn wir aber schon einmal dabei sind, einen Dank auszusprechen, dann möchte ich nicht versäumen, auch jenen Forschern, Ingenieuren und Technikern zu danken, die sich unbeirrt von den Zeitläuften wieder ans Werk begeben haben und inzwischen beachtliche Leistungen erzielen konnten, und danken möchte ich von dieser Stelle aus auch dem Staatssekretär Professor Brandt von Nordrhein-Westfalen, der bekanntlich sein ganzes Herz an die Luftfahrt gehängt hat und der mit einer enormen Vitalität in den verflossenen Jahren wirken konnte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn von Luftfahrt die Rede ist, dann denkt jeder Mensch draußen natürlich zuallererst an die Deutsche Lufthansa; und es ist vielleicht mehr als eine Reminiszenz, wenn man in dem Zusammenhange noch einmal zurückdenkt an die Gablentz, Köhl, Fitzmaurice, Hünefeld usw.
Es ist eine glückliche Fügung, daß die Vorbereitungsarbeiten des Bundesverkehrsministeriums, das ja schon lange vor der Ratifizierung der Westverträge immer wieder nachdrücklich die Rück- gabe der deutschen Lufthoheit gefordert hatte, daß alle diese vorausschauenden Maßnahmen praktisch mit dem Tage zusammenfielen, an dem uns die Lufthoheit selbst zurückgegeben wurde. Daß dies ein umfangreiches Stück Arbeit war, wird niemand bestreiten wollen. Man muß den Umfang dieser Arbeit ermessen können, wenn man weiß, daß beispielsweise die ausländischen Fluggesellschaften im Jahre 1954 in Deutschland allein 2 1/2 Millionen Fluggäste befördert haben. Was das bezüglich des Maschinenparks, der Organisation, des Service usw. für Anforderungen stellt, kann sich jeder selbst denken, und Sie werden auch verstehen, daß unter diesen Umständen die Lufthansa, die mit einem verhältnismäßig kleinen Maschinenpark beginnen muß, es nicht leicht hat, sich in diesem internationalen Felde zu behaupten. Trotzdem kann heute schon festgestellt werden, daß sie einen glücklichen Start hatte und daß die Entwicklung erfreulich vorangeht.
An dieser Stelle muß aber auch.. ausgesprochen werden, daß das Verständnis des Haushaltsausschusses dieses Bundestages erheblich mit dazu beigetragen hat, daß die Maßnahmen bezüglich der Luftfahrt und speziell der Aufbau der Deutschen Lufthansa so vorangetrieben werden konnten, daß wir heute wieder eine international anerkannte Gesellschaft betreiben können.
In der Zwischenzeit ist nun eine vielfältige Kritik an der Lufthansa geübt worden, wie es natürlich in solchen Fällen nicht ausbleibt. Insonderheit paßt es vielen nicht, daß die staatliche Beteiligung an diesem Unternehmen so groß ist — bekanntlich beträgt sie 85 0/o — und daß sich die Wirtschaft selbst nur sehr schwach beteiligt hat. In der Wirtschaft wird ja ausschließlich mit ganz nüchternen Zahlen gerechnet, und da das Geschäft offenbar noch nicht genug abwirft, interessiert man sich leider Gottes zuwenig für diesen Komplex. Ich möchte deswegen von dieser Stelle aus, was ich schon einmal getan habe, die Hoffnung und die Erwartung aussprechen, daß sich die deutsche Wirtschaft mehr, als es bisher der Fall gewesen ist, in dieser Hinsicht engagiert.
Kritik ist auch am Maschinenpark der Deutschen Lufthansa geübt worden. Ich will es hier ganz offen aussprechen, daß man der Deutschen Lufthansa von verschiedener Seite den Vorwurf macht, sie habe beim Kauf zumindest ihrer zweimotorigen Flugzeuge nicht das richtige Material gewählt. Meine Damen und Herren, es muß hier klar ausgesprochen werden, daß man zu der Zeit, als die damalige Luftag, der Vorläufer der Lufthansa, sich mit der Frage des künftigen Maschinenparks der Fluggesellschaft befaßte, von dem alten und obersten Grundsatz der Deutschen Lufthansa ausging, daß nämlich im Luftverkehr in allererster Linie Sicherheit für den Menschen zu fordern sei. Gerade die Deutsche Lufthansa kann es sich nicht erlauben, speziell auf diesem Gebiet etwa zu versagen.
Es lag deswegen nahe, daß man als viermotorige Maschine die Super-Constellation anschaffte, die ja unbestritten ein ausgezeichnetes Flugzeug ist, wobei die Kritiker, die auch das benörgeln, bedenken sollten, daß wir, wenn sich der Vorstand der Lufthansa damals für die britischen Comet-Düsenflugzeuge entschieden hätte, wahrscheinlich dieselben bedauerlichen Vorkommnisse erlebt hätten, wie die Briten sie erleben mußten, die ja in der ganzen Welt Aufsehen erregten und Anteilnahme erweckten. Bezüglich der viermotorigen Clipper ist also zweifelsohne die richtige Entscheidung gefallen, als man ein wirtschaftlich erprobtes Flugzeug in Dienst stellte. Bei den zweimotorigen Flugzeugen des Typs Convair 340 liegen die Dinge so, daß auch hier die Lufthansa von ihrem Prinzip „Sicherheit zuerst" nicht abgehen konnte, und es muß mit Deutlichkeit gesagt werden, daß diejenigen Kritiker, die behaupten, es hätte damals schon das britische Propeller-Turbinen-Flugzeug Vickers Viscount bestellt werden müssen, ebenfalls mit ihrer Kritik nicht am rechten Platz sind, da dieses Flugzeug zu der Zeit, als diese Fragen zu erörtern waren, noch nicht als so verkehrssicher gelten konnte, wie es gefordert werden mußte.
Die Vielfalt des Geräts, das die Deutsche Lufthansa zu beschaffen hatte, machte es natürlich erforderlich, auch dafür die notwendige Bodenorganisation, die Werft etc. zu schaffen, was ebenfalls in hervorragendem Umfang gelungen ist. Es würde mich interessieren, vielleicht durch den Herrn Verkehrsminister des näheren zu erfahren, wie die künftige Planung der Deutschen Lufthansa ist, die bekanntlich zur Zeit mit vier Super-Constellation, acht Convair 340 und einigen Douglas DC 3 fliegt, gerade im Hinblick darauf, daß die interkontinentalen Verkehre von Europa nach Übersee diejenigen sind, die, ich will einmal sagen, das meiste Geld bringen. Es ist für denjenigen, der sich mit den Dingen beschäftigt, bekannt, daß die europäischen Dienste praktisch aller Fluggesellschaften Zuschußbetriebe sind oder daß sie allenfalls mit plus minus null abzuschließen vermögen und daß das Geschäft im interkontinentalen Verkehr liegt. Es wäre deswegen erfreulich, wenn die Deutsche Lufthansa — und ich vermag vielleicht einen kleinen Vorschlag dazu im Verlauf meiner weiteren Ausführungen zu machen — mit Hilfe dieses Hauses in den Stand versetzt würde, schneller als ursprünglich vorgesehen in den Besitz eines größeren Maschinenparks gerade viermotoriger Maschinen zu gelangen. Im übrigen appelliere ich damit keineswegs an die Bewilligungsfreudigkeit des Parlaments, wie es immer so schön heißt; denn
wir sind uns alle darüber im klaren, daß die Aufgaben, die auf uns zukommen, — —
— Doch, Herr Dr. Bucerius, ich tue es bestimmt nicht. Ich werde Ihnen einen Vorschlag machen, der uns nicht viel Geld kostet und den Sie vielleicht wenigstens erwägen können. Es gehört ja auf der anderen Seite auch gerade in der Luftfahrt neben dem Geld ein gewisser Optimismus und Glaube an die Sache dazu.
Auch das wird von vielen Kritikern bestritten, die eben nur das Geschäftliche sehen wollen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß es so ist. Der Lufthansa fehlen praktisch — vielleicht kann der Herr Minister auch darüber Auskunft geben — 100 Millionen DM, damit sie noch schneller rentabel werden kann, als das in dem festgelegten Plan vorgesehen ist. Wie wäre es, wenn man einmal erwöge, ob eine Zinsverbilligung seitens des Bundes gegeben werden könnte. Man könnte viele kleinere Aktien unterbringen und die Zinsbeihilfe vom Bund bekommen. Das wäre ein verhältnismäßig billiger Weg, wenn man beispielsweise 4 % annähme; aber dieser Weg könnte einen großen Effekt zeitigen.
Weiter würde mich interessieren, vom Herrn Verkehrsminister etwas über die Ausbildung des Personals, das ja sehr zahlreich ist, zu erfahren. In diesem Zusammenhang muß von dieser Stelle aus gesagt werden, daß sowohl amerikanische wie britische Fluggesellschaften das Wiedererscheinen der Lufthansa aufs herzlichste begrüßten und sie wirklich aufrichtig in ihren Kreis aufgenommen haben. Wir werden es immer dankbar vermerken müssen, daß sich die amerikanische Fluggesellschaft Trans-World-Airlines und die British-European-
Airways dazu bereitgefunden haben, eine Anzahl Piloten für die Dauer eines Jahres zur Verfügung zu stellen, damit die Lufthansa-Piloten eine entsprechende Umschulung erfahren können. Es ist vielleicht auch politisch ein erfreuliches Zeichen, daß uns hier Amerikaner und Briten in dieser hervorragenden Weise entgegengekommen sind. Ich hatte inzwischen selbst Gelegenheit — und mit mir einige Kollegen des Hauses —, auf Flügen mit der Deutschen Lufthansa die Flugzeuge und den Service an Bord kennenzulernen. Ich habe dabei den Eindruck gewonnen, daß die Lufthansa durchaus in der Lage ist, mit der Konkurrenz der übrigen Gesellschaften Schritt zu halten, wenn ich auch manchmal das Gefühl hatte, Herr Minister, daß speziell die Stewardessen nebst dem Küchenpersonal doch in einer ganz erheblichen Weise beansprucht werden. Natürlich ist es für die Gesellschaft bei ihrer derzeitigen finanziellen Lage sehr schwierig, hier Erleichterungen zu schaffen. Trotzdem müßte dies einer der ersten Punkte sein, der besondere Beachtung findet.
Die Kritiker der Deutschen Lufthansa und der Luftfahrt überhaupt haben es auch nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß es unrentabel sei, wenn alle europäischen Nationen ihre eigenen Luftfahrtgesellschaften betrieben, und daß hier so wie auf anderen Gebieten eine Integration notwendig sei. Ich glaube, der Herr Minister wird in der Lage sein — jedenfalls sind mir entsprechende Berichte bekannt — darzulegen, daß solche Bestrebungen deutscherseits und auch auf ausländischer Seite bestehen, daß sie aber natürlich nur zum Erfolg führen können, wenn die Bereitwilligkeit bei allen oder jedenfalls bei den großen und führenden Luftverkehrsgesellschaften in Europa vorhanden ist. Es ist aber eine erwiesene Tatsache, daß das nicht der Fall ist. Das hat seinen Grund in vielerlei Dingen, beispielsweise in der Unterschiedlichkeit der Maschinenparks, in den Beteiligungen privaterseits, staatlicherseits usw. usw. Man ist im Gespräch, aber es ist eine Utopie, zu glauben, daß etwa die europäische Luftverkehrsgesellschaft schon im Kommen sei.
Ich möchte nun noch einige Worte zu den internationalen Abkommen sagen. Ich möchte nicht in den Verdacht kommen, daß ich das Bundesverkehrsministerium von dieser Stelle aus unbedingt immer lobe. Aber hier verdient die Abteilung Luftfahrt des Bundesverkehrsministeriums wirklich ein Lob dafür, daß es ihr gelungen ist, gerade in der letzten Zeit einige wichtige Luftfahrtabkommen zu schließen. Sie alle haben in der Presse von den Bestrebungen gelesen, mit den Amerikanern zu einem Agreement zu kommen, das den Deutschen zweifellos gewisse Vorteile einräumt, die auf der anderen Seite aber dadurch wettgemacht werden, daß die amerikanischen wie auch andere europäische und außereuropäische Fluggesellschaften kraft alliierten Gesetzes seit 1945 das Recht haben, in Deutschland hin und her zu fliegen, wie es ihnen beliebt. Die Presse hat die Weigerung der Amerikaner, dieses Abkommen zu ratifizieren, vielfach in einer leider sehr unfreundlichen Weise kommentiert. Ich bedaure das, weil dadurch der Sache nicht gedient wird. Es liegt nicht in jedem Falle sofort die Schuld beim Bundesverkehrsministerium, wenn einmal etwas nicht klappt; und hier waren es ganz reale geschäftliche Gründe, die die amerikanischen Luftverkehrsgesellschaften bewogen, sich gegen das vorgesehene Abkommen zu stemmen. Inzwischen haben Sie ja alle die erfreuliche Nachricht vernehmen können, daß trotz des Einspruchs der amerikanischen Luftverkehrsgesellschaften, unter denen sich so gewaltige wie die Pan American Airways und andere befinden, dieses Abkommen hat ratifiziert werden können, was uns auf der einen Seite in den Stand versetzt, nach Austral-Asien, an die Karibische See, nach beiden Küsten Amerikas usw. zu fliegen, wozu wir auf der anderen Seite zur Zeit aber leider auch wieder nicht imstande sind, da wir im Augenblick noch nicht über den entsprechenden Maschinenpark verfügen. Dies ist neben der Frage der schnelleren Erreichung der Rentabilität der Deutschen Lufthansa vielleicht mit ein Anlaß für das Parlament, zu überlegen, ob man nicht doch durch geeignete Maßnahmen die Rentabilität unter allen Umständen schneller sicherstellen kann. — So viel zur Lufthansa.
Ich möchte andererseits nicht in den Verdacht geraten, daß ich hier einseitig der Deutschen Lufthansa das Wort rede. Es ist notwendig und erwünscht, daß auch andere private Luftverkehrsgesellschaften — allerdings in nicht zu großer Zahl — ihr Geschäft in Westdeutschland betreiben. Ich kann darauf verweisen, daß auch nach dem ersten Weltkrieg zahlreiche solche Gründungen erfolgt sind. Es waren, glaube ich, nicht weniger als 60, von denen nach wenigen Jahren nicht mehr als 2 übriggeblieben waren. Es wäre ein Jammer, wenn auch jetzt wieder, nachdem der Luftverkehr freigegeben ist, volkswirtschaftliches Vermögen in dieser unnötigen Weise verplempert würde. Es ist daher erforderlich, daß die Deutsche Lufthansa einerseits
und das Bundesverkehrsministerium und das Bundeswirtschaftsministerium andererseits, soweit sie dazu in der Lage sind, ihren Einfluß in dieser Richtung geltend machen. Wir müssen natürlich damit rechnen, daß gewisse Gesellschaften, die von vornherein vielleicht nicht so gut fundiert sind, trotzdem das Wagnis unternehmen. Auf jeden Fall würde auch auf diesem Gebiet die Konkurrenz das Geschäft heben. Deswegen begrüßen es meine Freunde und ich, wenn Bestrebungen bestehen, sowohl für den Personen- wie insbesondere auch für den Fracht- und Zubringerverkehr private Gesellschaften zu gründen und sie am Geschäft partizipieren zu lassen.
Nur ein Wort zur Sportluftfahrt am Rande. Hier handelt es sich natürlich ganz besonders um ideelle Werte, die ich im einzelnen nicht darzulegen brauche. Jedenfalls sind die Flieger eine verschworene Gemeinschaft, gleichgültig, ob es sich um Segeloder Motorsportflieger handelt. Wir hatten gerade am vergangenen Sonntag in Bremen die Möglichkeit, am Luftfahrertag teilzunehmen, und haben dort die erfreuliche Aufwärtsentwicklung feststellen können, die nicht zuletzt den Bemühungen des deutschen Aero-Clubs, der Förderung und Würdigung verdient, zu verdanken ist.
Nun lassen Sie mich bitte noch ein Wort zur Industrie sagen. Auf diesem Sektor ist es sehr still. Obgleich die Maschinen der Hansa und auch einiger anderer Gesellschaften schon fliegen, rührt sich in Sachen Luftfahrtindustrie nur wenig. Ich gestehe ehrlich, daß ich über den allerneuesten, d. h. den Stand der Dinge, wie er heute morgen ist, noch nicht unterrichtet bin, weil es zeitlich nicht möglich war. Aber ich habe doch das Gefühl, daß die bisherigen Versuche des Bundesverbandes der deutschen Luftfahrtindustrie nicht die Resonanz gefunden haben, die man ihnen wünschen müßte. Wir verfügen in zweierlei Hinsicht noch über eine erhebliche Kapazität. Das ist einmal eine ideelle Kapazität; das sind die Namen der einzelnen Firmen wie Junkers, Arado, Siebel, Dornier, Heinkel, Messerschmitt usw. Auf der anderen Seite verfügt ein Teil dieser Firmen nach der Demontage, und abgesehen von ihrem Berg von Schulden, den sie zumeist haben — was aber auf besondere Umstände zurückzuführen ist —, noch über eine ausreichende Zahl von Hallen, Gebäuden, Flugflächen usw.
Es war bei der Luftfahrt ein eigen Ding insofern, als der Staat, der im verflossenen Kriege Flugzeuge bestellte, diese über die Luftfahrtbank finanzieren ließ. So stehen wir heute vor der Tatsache, daß die Forderungen der deutschen Luftfahrtindustrie an das Reich etwa 700 bis 800 Millionen DM betragen und daß die Verschuldung der deutschen Luftfahrtindustrie bei den Banken etwa 500 Millionen DM beträgt. Bei dieser Sachlage ist es ein Unding, daß die deutsche Luftfahrtindustrie ohne jede Starthilfe von selbst wieder in Gang kommen kann, da jede Mark, die ihr zuflösse, sofort konfisziert würde. Hier muß endlich ein Ausweg gefunden werden. Die Vorsprachen beim Bundeswirtschaftsministerium und beim Bundesfinanzministerium sind häufig genug erfolgt. Es muß jetzt nach Mitteln und Wegen gesucht werden, damit auch für die Luftfahrtindustrie der Start freigegeben werden kann. Während zahlreiche Zweige der Wirtschaft durch die Abschreibungsmöglichkeiten der letzten Jahre die Gelegenheit erhalten haben, ihre Werke wieder aufzubauen und damit Arbeitsplätze zu schaffen, kann man im Falle der Luftfahrt, wie einmal ein bekannter Mann der Luftfahrt in den letzten Jahren sehr richtig sagte, wirklich vom Spätheimkehrer der Wirtschaft sprechen. Nach unseren und nach meinen Feststellungen scheint es im Augenblick nicht möglich zu sein, der Luftfahrtindustrie eine staatliche Starthilfe zu geben. Aber darüber wird liebenswürdigerweise der Herr Bundeswirtschaftsminister und vielleicht auch der Herr Bundesfinanzminister etwas sagen.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß der Luftfahrtinaustrie in ihrer Gesamtheit eine wirklich gewaltige volkswirtschaftlinche Bedeutung zukommt. Es ist für Sie gewiß von Interesse, zu erfahren, daß — wenn auch zu berücksichtigen ist, daß die Briten und Amerikaner einen erheblichen Teil ihrer Produktion in die Wehrmacht geben—die amerikanische Luftfahrtindustrie mehr Arbeitnehmer beschättigt als z. B. die amerikanische Autoindustrie. Die Luftfahrtindustrie ist darüber hinaus, wenn man auf dem Weltmarkt etwas anzubieten vermag, auch ein gewaltiger Devisenbringer. Ich bin überzeugt, daß diejenigen Konstrukteure, die nicht zu denen gehören, die ins Ausland verschleppt wurden und noch nicht zurückkehren konnten oder die ausgewandert sind, weil sie in Deutschland zehn Jahre lang keine Möglichkeit sahen, wieder zum Zuge zu kommen, uns noch so viel zu geben vermögen, daß auch Deutschland sicherlich wieder seinen Platz im Außenhandel mit Flugzeugen einnehmen kann und wird. Ganz abgesehen davon ist die Luftfahrtindustrie mit derart vielen Zweigen von Zulieferindustrien verbunden, daß hier, selbst wenn man nur ein Volumen von einer Milliarde Mark im Jahre ansetzt, eine erhebliche Produktionssteigerung und eine erhebliche Neuschaffung von Arbeitsplätzen herauskäme. Ich weiß nicht, welche Absprachen der Bundesverband der deutschen Luftfahrtindustrie beispielsweise mit der Dienststelle Blank getroffen hat. Es wird vielleicht auch nicht Sache dieser Stunde sein, hier darüber zu sprechen. Auf der anderen Seite steht fest, daß selbst die Reparatur, Erneuerung und Ergänzung der uns jetzt von ausländischer Seite zur Verfügung zu stellenden Maschinen und ein eventueller Lizenzbau kleinerer Flugzeuge sowie die Ausstattung von Firmen, Sportvereinen usw. mit Privat- und Reiseflugzeugen die deutsche Luftfahrtindustrie zumindest in den Stand versetzen würden, zu starten und sich auch gut am Leben zu erhalten.
Es sollte von vornherein darauf gesehen werden, daß die Militärluftfahrt nicht, wie es in der verflossenen Luftwaffe der Fall war, ihre Reparaturen in eigener Regie ausführt, sondern daß diese Reparaturen der Privatwirtschaft zugute kommen. Ich weiß vom Bundesverband der deutschen Luftfahrtindustrie, daß, obgleich in den zehn Jahren, die ins Land gegangen sind, zahlreiche Fachkräfte und Spezialarbeiter in andere Berufszweige abgewandert sind, doch noch ein solcher Stamm vorhanden ist, daß es möglich wäre, eine Industrie in Gang zu setzen.
Der Bundesverband der deutschen Luftfahrtindustrie ist sich auch darüber im klaren, daß es unmöglich ist, sämtliche klassischen Firmen staatlicherseits zu unterstützen, um sie alle miteinander und nebeneinander wieder in Gang zu setzen. Es ist im Bundesverband der deutschen Luftfahrtindustrie Gott sei Dank die Einsicht vorhanden — und man hat sich auch schon sehr eingehend darüber unterhal-
ten und auch weitgehend darüber geeinigt —, daß ein solcher Start nur im großen Rahmen stattfinden kann, so daß viele dieser Firmen gezwungen sind, zusammenzugehen und gemeinsame Sache zu machen.
Meine Damen und Herren, damit möchte ich meinen Vortrag beenden. Ich hoffe, daß der Herr Bundesverkehrsminister und auch der Herr Bundeswirtschaftsminister uns in ausreichendem Maße über die gestellten Fragen aufzuklären vermögen. Ich möchte es nicht versäumen, Sie zum Schluß noch einmal sehr nachdrücklich gerade auf die volkswirtschaftliche Bedeutung der Luftfahrtindustrie aufmerksam zu machen, auf die Deutschland ebensowenig verzichten kann, wie es irgendein europäisches oder außereuropäisches Land heute kann oder auch nur zu tun gedenkt.