Rede von
Fritz
Erler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Gerade bei einem Juristen — der Herr Innenminister ist ein Jurist — habe ich vorausgesetzt, daß er an dem Begriff „Erfüllungsgehilfe" im Rechtssinne keinen sittlichen Anstand nimmt.
Meine Damen und Herren, Sie haben keinen Einfluß auf die Auswahl der Minister. Sie kennen den Ministern nicht einmal ein Mißtrauensvotum aussprechen. Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik. Das ist unsere Verfassungswirklichkeit.
— Darum geht es doch gar nicht, wer das Grundgesetz beschlossen hat. Ich schildere, wie es aussieht. Ich klage auch das Grundgesetz gar nicht an, sondern ich meine, daß ,angesichts dieser Gestaltung des Grundgesetzes, wenn Sie das so lassen, wie es jetzt dasteht, der tatsächliche Oberbefehlshaber — so wollen Sie es ja auch, und deshalb regen Sie sich so auf — nicht der Verteidigungsminister, sondern der Bundeskanzler selber ist. Das ist doch der Sachverhalt.
— Na, meine Damen und Herren, ich habe im Vergleich zu manchen heißen Redeschlachten hier ziemlich milde gesprochen, und ich glaubte dem Hohen Hause einen Dienst erwiesen zu haben, indem ich dafür sorgte, daß es bei den Haushaltsberatungen nicht immer ganz so müde zugeht.
Haben Sie doch Verständnis dafür! Schließlich sind ja dann auch Zwischenrufe gekommen, auf die einzugehen doch wohl das Privileg eines jeden Redners ist. Das gehört nun einmal als Salz zu den Debatten im parlamentarischen Leben. Darüber wollen wir uns nicht gleich empören.
Doch nun zurück zum Oberbefehl! Wenn Sie es ernst meinen mit der Idee, die der Herr Bundeskanzler dort niedergeschrieben hat, daß tatsächlich der Verteidigungsminister den Oberbefehl ausüben soll, dann müssen Sie dafür sorgen, daß dem Herrn Verteidigungsminister auch etwas mehr an Macht und Rückgrat gegenüber dem jeweiligen Bundeskanzler zuwächst — gerade die Geschichte dieses verunglückten Gesetzentwurfs zeigt es nämlich, wie bitter nötig er das hat —,
so ähnlich, wie wir im Grundgesetz ganz bewußt einem anderen Minister auch etwas das Rückgrat gestärkt haben — und er nützt das auch in Ihrem Interesse erfolgreich aus —, das ist der Herr Bundesminister der Finanzen, der im Kabinett auch eine andere Stellung hat als die übrigen Minister. Da meinen wir, daß es die logische Konsequenz wäre — und das muß man eben regeln, bevor es Verbände bewaffneter Art gibt —, die Stellung des Verteidigungsministers so auszugestalten, daß er das Vertrauen des Parlaments genau so hat wie der Bundeskanzler.
Meine Damen und Herren, wir haben uns nun heute nicht mit der gesamten künftigen Wehrverfassung zu befassen — ich habe nur die Lücken aufgezählt, die dieses Gesetz jetzt zwangsläufig sichtbar werden läßt —,
sondern wir wollen uns jetzt einmal dem Haushaltsplan im engeren Sinne zuwenden. Da gibt es einen interessanten nachrichtlichen Vermerk zu Kap. 04 04, der besagt, daß bei diesem Kapitel die Ansätze von 1954 ohne Erläuterungen unverändert aufgenommen worden sind. Das hat auch der Herr Berichterstatter ausgeführt. Ein Voranschlag, so heißt es in dem Vermerk, wird nachgereicht werden, sobald die politische Entwicklung das rechtfertigt.
Meine Damen und Herren, das Blitzgesetz, die Blitzvorlage des Herrn Bundesfinanzministers lassen uns fragen: Wo ist eigentlich dieser richtige Voranschlag? Ist denn eigentlich in dem Ministerium, in der früheren Dienststelle, auf gar keinem Gebiete irgend etwas so ordentlich vorbereitet worden, daß sich an dem Tag, den Sie sich nach Ihrer eigenen Politik doch ungefähr ausrechnen konnten, an dem Tag, an dem die politische Entwicklung das rechtfertigt, das Parlament mit ordentlichen und nicht mit provisorischen Vorlagen hätte befassen können?
Der Haushalt enthält eine Reihe von sehr globalen Summen, und dann soll eine Ermächtigung erteilt werden. Davor möchten wir Sie warnen. Es heißt nämlich, daß dieser einen Summe von 5,2 Milliarden DM, die also nach Abzug der Stationie-
rungskosten, für die eigentlichen Aufwendungen in deutscher Zuständigkeit übrigbleibt, entnommen werden
a) die Kosten für den Aufbau und die Unterhaltung der deutschen Streitkräfte und
b) die Kasten für die Verteidigungsverwaltung mit ihren nachgeordneten Dienststellen. Die Mittel sind in Nachträgen zum Haushaltsplan 1955 im Rahmen eines neuen Einzelplanes 14 einzeln zu veranschlagen.
Das war ein lobenswerter Grundsatz. Wenn man sich an diesen Grundsatz hält, dann könnte das Parlament in jeder Einzelheit mit Hilfe seiner Haushaltsrechte verfolgen und auch beeinflussen, was nun mit den Männern geschieht, wie sie ausgerüstet werden, welche Organisation das Ganze hat. Sie wissen, ,die Beschlußfassung über ,den Haushaltsplan und die Überwachung der Einhaltung dieser Beschlüsse bilden eine der wesentlichsten Grundlagen der parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten überhaupt.
Aber es geht jetzt weiter. Ihnen schlägt der Haushaltsausschuß weiter vor, zu beschließen:
Mit Zustimmung des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit des Deutschen Bundestages dürfen Mittel für besonders dringliche Maßnahmen vor der Verkündung der Haushaltsnachträge bereitgestellt werden.
Meine Damen und Herren, vor dieser Ermächtigung an Ausschüsse des Hauses möchte ich warnen. Das ist gar kein Mißtrauen gegen diese Ausschüsse; das ist einfach keine ordentliche Gesetzgebung. Beschlüsse über den Haushaltsplan, über die Kapitel und Titel des Haushaltsplans sind Gesetze, die wir alle mit unserer Verantwortung dekken müssen. Da sollten wir keine Blankoschecks ausstellen.
Daher beantragen wir mit Umdruck 413 — das ist der Antrag, den zu vertreten ich hier die Ehre habe —, daß wir diesen Satz über die Ermächtigung der Ausschüsse streichen und ihn ersetzen durch den Satz:
Vor der Verabschiedung der Haushaltsnachträge dürfen Mittel nicht verwendet werden. Nur so kann sich das Parlament dagegen sichern, vor Tatsachen gestellt zu werden, von denen es nichts weiß.
Wir haben die Aufgabe doch auch sonst gelöst, bei jeder neuen Behörde zunächst einmal das Organisationsgesetz zu beschließen und die Mittel bereitzustellen, selbst in Zeiten, in denen die Haushaltsberatungen nicht so relativ weit gediehen waren wie in diesem Jahre, wenn wir von der allerersten Aufbauzeit des Haushaltsjahres 1949/1950 absehen. Ich glaube, daß gerade hier auf diesem lebenswichtigen und für unser innerpolitisches Leben entscheidenden Gebiet das Parlament sich gar nichts aus der Hand nehmen lassen darf.
Wie solche Ermächtigungen mißbraucht werden können, was damit unter Umständen beabsichtigt ist, an weitgehenden Regelungen durchzuführen, ohne es überhaupt zu fragen, dafür bietet ja die Vorlage des Herrn Bundesfinanzministers vom 6. Juni, von der ich vorhin sprach, einen einleuchtenden Beweis.
Wir meinen, daß alle Einzelpläne vom Parlament ordentlich, mit Stellenplan und Organisationsübersicht, verabschiedet werden müssen. Seien Sie doch nicht so ängstlich! Nirgendwo in der Welt gibt es so viele „Geheime .Kommandosachen" wie bei uns.
Nirgendwo wird ein solcher Unfug mit der Geheimniskrämerei getrieben wie in Deutschland.
Das hat überhaupt nichts mit der Sicherheit der Nation, sondern fast alles mit der Bequemlichkeit der Behörden und der Scheu vor öffentlicher Kritik zu tun.
Diese Dinge gehören in die öffentliche Beratung. Auch die Wehrhaushalte .anderer Länder — ich habe schon zu Weihnachten als Weihnachtsglückwunsch dem Herrn Bundeskanzler einen Ausschnitt aus Verhandlungen im Schweizer Parlament geschickt, wo sie beraten haben, wieviel und welche Sorte Panzer sie anschaffen wollen für die Schweizer Armee — werden weitgehend in den Einzelheiten öffentlich beraten. Dort, wo wirklich einmal ein Problem der nationalen Sicherheit und eines echten Geheimnisschutzes auf dem Spiele steht, da würde auch der Bundestag wie bisher jedes Parlament Mittel und Wege finden, um das zu sichern.
Das ist doch gar keine Frage. Aber wir müssen den Grundsatz verlassen, daß alles, was auch nur von fern an dieses Thema rührt, geheim wird. Meine Damen und Herren, die Gestellungsbefehle, die unter Umständen auf Grund eines Wehrpflichtgesetzes verschickt werden, bleiben .den Betroffenen doch auch nicht geheim!
— Na ja, bitte; ich will Sie nur ermuntern, ermutigen, im guten Sinne ermutigen, von Ihren Rechten auch als Parlamentsmehrheit sich nichts nehmen zu lassen.
Meine Damen und Herren, ohne Rücksicht auf die Parteizugehörigkeit gehört auch in einem Staate mit strenger Gewaltenteilung, jawohl, eine Portion Wachsamkeit, wenn Sie so sagen wollen, von mir aus auch Mißtrauen,
der staatlichen Apparatur, der Exekutive gegenüber zu den Tugenden und nicht zu den Lastern der Demokratie.
Was jedenfalls nicht angängig ist, ist, daß man uns immer damit abspeist, die Sowjetunion würde sich dafür interessieren. Meine Damen und Herren, Hand aufs Herz: Die Einzelheiten über 6- oder 10 000 Freiwillige, die jetzt aufgestellt werden, interessieren die Sowjetunion vermutlich erheblich weniger als die ganz offen diskutierten Zahlen über die veränderte Stärke der amerikanischen Streitkräfte, die Sie — bis auf den letzten Mann — in den Veröffentlichungen des amerikanischen Parlaments nachlesen können. Das ist für die Russen viel wichtiger. Hier sollen wir also nicht so kleinlich sein und sollen den Mut zu öffentlicher Aus-
sprache haben, und zwar vom ganzen Parlament her. Das ist wirklich eine gemeinsame Aufgabe.
Damit lassen Sie mich auch noch die Frage des Verhältnisses dieses Hauses zu seinen Ausschüssen anschneiden. Wir haben uns ja schon öfter einmal in den Ausschüssen selbst, und zwar in den theoretisch durch die Vertraulichkeit geschützten Ausschüssen, die sich in dieser Rolle gar nicht wohlfühlen, darüber unterhalten. Ich glaube, wir müßten die Regel umdrehen. Nicht: alles ist vertraulich, und man darf gelegentlich einmal einen Seufzer tun, wenn es ausdrücklich beschlossen wird, sondern: im Prinzip sind die Ausschüsse normale Ausschüsse des Bundestages, und wenn es wirklich einmal an vertraulich zu haltende Materien herangeht, dann muß das im Einzelfall beschlossen werden. So sollten wir die Regel umdrehen.
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Die geheime Kommandosache war noch nie ein Symbol der Demokratie, sondern immer nur das Symbol undemokratischer Staaten, und deshalb sollten wir sie so schnell wie möglich abschaffen. Oder sind Sie wirklich der Meinung — wenn ich mal so einiges aus den streng vertraulichen Tagesordnungen des Sicherheitsausschusses hier sage; das nehme ich mir heraus, Herr Kollege Jaeger —, daß die Fragen der Wehrverfassung, die Fragen der Rechtsstellung der Soldaten, möglicherweise ihres Wahlrechts, die Frage, ob es Vertrauensmänner gibt oder nicht, die Fragen ihrer Besoldung einer Geheimhaltung bedürfen?
Wir wollen uns gar nicht über die Gründe unterhalten, weshalb in der, Vergangenheit, und zwar schon im 1. Deutschen Bundestag, bei manchen Ausschüssen Geheimhaltung beschlossen worden ist. Sie wissen genau wie ich, diese Gründe sind weitgehend weggefallen. Ich meine, daß das Haus denen, die die Gestaltung dieser Arbeiten für uns alle mit verantworten, auf den Weg geben sollte, so schnell wie möglich nach den Prinzipien zu verfahren, von denen ich hier eben sprach.
Aber es gibt nicht nur die Frage: Geheimnisschutz oder nicht, hier im Hause. Wie geradezu kindlich wir nach wie vor Geheimniskrämerei betreiben, dafür ein entzückendes Beispiel. Neulich wurden ganz streng vertraulich und streng geheim auf einem Flugplatz in der Nähe von Düren Schulflugzeuge vorgeführt, und ein paar Journalisten wurden festgehalten, weil sie es gewagt hatten, sich den Flugzeugen zu nähern. Das war Mitte Mai. Alle Flugzeuge, die dort vorgeführt wurden, können Sie 'dadurch genau kennenlernen, daß die Firmen, die sie zu verkaufen haben, Ihnen den Prospekt per Drucksache frei ins Haus schicken, wenn Sie ihn bestellen.
Die Flugzeuge waren so wenig aufregend, daß einige der deutschen Sachverständigen, die dabei gewesen sind, sich über diese „müden Vögel" erbittert beklagt haben.
Meine Damen und Herren! Wenn man schon im Bundestag Beschlüsse faßt, die zu bestimmten politischen und organisatorisch en Konsequenzen beim Aufbau von Streitkräften führen, — dann stehen Sie doch auch zu Ihren Taten; das gehört dann doch mit dazu!
Dann dürfen Sie diese Dinge nicht geheimhalten; das ist einfach lächerlich. Ich mache weiß Gott nicht die Bundestagsmehrheit dafür verantwortlich — Sie haben gar nichts damit zu tun —, sondern ich hoffe nur, daß Sie mit uns zusammen dafür sorgen werden, daß dieser Unfug, der von den beteiligten Dienststellen getrieben worden ist, so schnell wie möglich abgestellt wird. Denn wie wollen Sie sonst auch in diesem Fragenkomplex die Mitarbeit eines Faktors gewinnen, der in allen Demokratien von viel größerer Bedeutung ist, als man gerade in Deutschland mitunter glaubt, die kritische, wache und schöpferische Mitarbeit der öffentlichen Meinung, die eine entscheidende Aufgabe bei der Sicherung der Demokratie in allen Ländern hat, in denen es Streitkräfte gibt,
weil gerade mit Hilfe der öffentlichen Meinung vermieden werden kann, daß sich Fehlentwicklungen erst anbahnen?! Gerade die Kollegen, die in den Vereinigten Staaten gewesen sind, haben mit Befriedigung festgestellt, in welch großem Umfang die in diesen gewachsenen Demokratien mit ihren alten Traditionen wachsame öffentliche Meinung beobachtet, welche Veränderungen sich in ihrer eigenen Gesellschaft durch die Aufrechterhaltung großer Streitkräfte auch in Friedenszeiten — ein Novum in der amerikanischen Geschichte — vollziehen.
Diese Probleme diskutieren, diese Probleme überwachen, das ist schon ein Stück positiver Abwehr möglicher Gefahren. Daher heraus aus der Dunkelkammer und hinein in das volle Rampenlicht der Öffentlichkeit!
Mit diesem Prinzip verträgt es sich schlecht, wenn der Minister ein so erstaunlich getrübtes Verhältnis zur Presse hat.
Seit Wochen wird ja hier in Bonn überall davon berichtet, wie sich die Dienststelle irgendwelchen Nachfragen der dazu berufenen Bundespressekonferenz verschließt. Aber der wohl schmerzlichste Zwischenfall war doch der, daß eine seit langem angesetzte Pressekonferenz abgesagt werden mußte, weil der Herr Minister nach Paris reise. In Wirklichkeit fand die Pressekonferenz zu einer Zeit statt, als der Minister noch gar nicht abgereist war.
Meine Damen und Herren, ich weiß, daß Minister nicht nur Pressekonferenzen abzuhalten haben. Mir ist völlig klar, daß es eine Fülle von dringenden Verpflichtungen, die mit der Leitung einer jeden Behörde verbunden sind, gibt. Aber dann soll man eben eine solche Konferenz nicht erst ansetzen. Das weiß man ungefähr vorher. In dieser Situation — und das ist beklagenswert — wird damit der öffentlichen Meinung einfach ein Schock versetzt, noch dazu von derselben Stelle, die in ihren eigenen publizistischen Verlautbarungen mitunter gar nicht so geschickt ist. Wenn ich nur an die strategischen Überlegungen des Herrn Zenker im Bulletin der Bundesregierung über die mögliche Seekriegführung in der Ostsee denke: das war kein politisches Meisterstück. Aber die Akten darüber sind geschlossen; da wollen wir heute nicht wieder darauf zurückkommen. Das ist eine Weile her. Wir
hoffen also, daß die Lehre von damals genügt hat. Aber umgekehrt sind einige sehr wesentliche, wenn auch bittere Wahrheiten von der Dienststelle trotz aller Zahlen, die sie gelegentlich zum besten gibt, bisher immer noch nicht mit Nachdruck in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gebracht worden, schon um vielerorten gehegte Illusionen zu zerstören, z. B. die Wahrheit, wie wenig Aussichten auf Wiederverwendung das Gros der früheren Offiziere und Unteroffiziere hat, einfach schon aus Altersgründen. Das muß man doch einmal sagen, und zwar ganz offen, damit man nicht glaubt, hier Propagandisten für die eigene Sache zu haben, die man nachher bitter enttäuschen muß, wenn die Wirkung, die sie sich von ihrem Eintreten für die Sache erhofft haben, nämlich die eigene Wiederverwendung, ausbleibt. Hier muß tatsächlich um der Betroffenen willen, um sie nicht davon abzuhalten, sich andere Wirkungsmöglichkeiten zu erschließen, dafür gesorgt werden, daß Klarheit über die Zahlen auch auf diesem Gebiet geschaffen wird.
Das hängt mit der Frage zusammen, über die sich Herr von Manteuffel in der Pressekonferenz schon einmal geäußert hat, nämlich mit der Frage der Altersgrenzen. Sobald da einmal Klarheit geschaffen wird, sehen sie, was los ist.
Es gibt eine andere Nachricht, die uns und wahrscheinlich auch die meisten unter Ihnen im Zusammenhang mit dem Aufbau dieses Ministeriums mit großer Sorge erfüllt. Am 8. Juni lasen wir in der „Deutschen Zeitung":
Wann der geplante Verteidigungsrat gebildet wird, ist noch offen. Die Frage ist in erster Linie deshalb aktuell, weil am 1. Juli die Abwehrorganisation Gehlen in München aus amerikanischer Regie vom Bund übernommen werden wird. Sie soll zunächst dem Bundeskanzleramt unmittelbar unterstellt werden, dem damit neue, parlamentarisch unkontrollierte Macht zuwächst. Die alten Pläne eines über die Nachrichtendienste die Ressorts und Politiker kontrollierenden Überministeriums scheinen neue Aktualität zu gewinnen. In diesem Zusammenhang ist es nicht ganz unwichtig, daß der zweite Mann des Kölner Verfassungsschutzamtes, Oberst a. D. Radtke, aus der Organisation Gehlen hervorgegangen ist.
Soweit diese Zeitungsmeldung. Ich hätte sie nicht zitiert, wenn sie nicht fast wörtlich, nur ohne die Organisation zu nennen, am 13. Juni von einem Sprecher der Bundesregierung bestätigt worden wäre.
Hierzu muß der Bundestag einige Fragen stellen. Hier ist ein Termin genannt. Selbst wenn er um ein paar Monate verschoben würde, würde das im Prinzip nichts ändern. Glaubt man wirklich einen solchen Schritt tun zu können, ohne das Parlament zu fragen? Wo ist die Ermächtigung durch Gesetz und Haushaltsplan für die Übernahme oder Schaffung einer solchen Organisation? Wo befinden sich die Mittel dafür? Wie soll diese Organisation arbeiten? Welchem Minister soll sie verantwortlich sein? Denn worauf wir alle achten müssen, auch und gerade nach den schmerzlichen Erfahrungen einer sehr jungen deutschen Vergangenheit, das ist die Gefahr des innenpolitischen Mißbrauchs. Was wir beim Verfassungsschutz — damit meine ich nicht die Desertion von Herrn John, sondern damit meine ich die Vulkan-Debatte — erlebt haben, das sollte uns allen ein mahnendes Beispiel sein.
Ich glaube nicht, daß es angängig ist, Gedanken zu verfolgen, die darauf hinauslaufen, im ganzen eine Einrichtung, die unter fremder Hoheit entstanden, nach fremden Richtlinien gebildet worden ist, einfach als einen Bestandteil der Bundesorganisation zu übernehmen. Meine Damen und Herren, wo kommen wir da hin? Diese Frage will ich hier ganz nüchtern stellen, ohne mich über den Aufgabenbereich zu äußern. Aber Sie werden verstehen, daß diese Fragen beantwortet werden müssen, bevor die Regierung irgendwelche Entschlüsse auf diesem Gebiete faßt und an die Verwirklichung herangeht.
Damit bin ich, da hier auch von der Übernahme von Personen die Rede ist, bei einem weiteren Kapitel, das bei allen Haushaltsberatungen eine Rolle spielt und hier keine Ausnahme machen soll, nämlich bei den Personalfragen. Wir werden bei der Großen Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion demnächst Gelegenheit haben, uns über die Grundsätze der Personalauslese ausführlich zu unterhalten. Aber es wäre doch für den ganzen Bundestag eigentlich heute schon interessant, einmal von der Regierung zu hören: Was ist denn mit den vielen Namen, die ununterbrochen in der Öffentlichkeit genannt werden und bei denen niemand Klarheit gewinnen kann? Handelt es sich um Vorschläge, um Berufungen, um Ernennungen? Was ist da bisher geschehen oder beabsichtigt? Wie steht die Bundesregierung zu der Aufgabe, Sicherheit für eine gute Personalauslese dadurch zu schaffen, daß man den dafür zu berufenden Ausschuß mit einer klaren Rechtsgrundlage ausstattet, die sowohl sein Zustandekommen als auch seine Befugnisse eindeutig regelt? Warum sagen wir das? Ich glaube, wir müssen alle begreifen, daß es von der Auslese der ersten Männer abhängt, welchen Geist die Einrichtung im ganzen einmal haben wird.
Wir können uns noch so viel an Institutionen und verfassungspolitischen Sicherungen einfallen lassen — wir werden auch da das Unsere zu tun haben —, von den Männern hängt das Wichtigste ab. Da müssen wir sicher sein, daß diese Männer nicht nur nach dem Prinzip der gegenseitigen Beziehungen zu den schon Vorhandenen und Tätigen ausgelesen werden.
Da müssen wir sicher sein, daß die gewissermaßen als Filter eingeschalteten Körperschaften unabhängig sind von dem Willen des Ministeriums und von dem Willen der neu geschaffenen Militärapparatur. Sie müssen ein eigenes Urteil haben und dürfen sich nicht auf fremdes Urteil verlassen.
Vor allem aber müssen wir sicher sein, daß dieser Ausschuß nicht kurzerhand grundsätzlich verändert oder abgeschafft werden kann, wenn er unbequem wird.
Dazu brauchen wir ein Gesetz, im wesentlichen nur deshalb. weil die Vorfälle auch der letzten Monate uns und wahrscheinlich auch Ihnen einfach kein Vertrauen mehr einflößen, daß das gegebene Wort auch gehalten wird.
Deshalb müssen wir uns das erzwingen, daß es gehalten wird' Wenn die Regierung durch die Zustimmung zu einem solchen Gesetz und dadurch, daß sie es selber vorlegt, beweist, daß es ihr mit diesem Anliegen ernst ist, dann hat sie einen sehr wichtigen Schritt getan, um verlorengegangenes Vertrauen wenigstens teilweise wiederherzustellen.
Zu diesen Fragen gehört natürlich auch, daß man sich frei macht von dem schweren Gewicht etwa der einseitigen Verwendung früherer Generalstabsoffiziere in der künftigen Apparatur,
daß man auch einmal daran denkt, daß das, was man da schafft, auf die Erfahrungen auch derer zurückgreifen muß, die im wesentlichen ihre Haut zu Markte getragen haben dort, wo es bitter war.
Noch ein Punkt, meine Damen und Herren. Es hat ein paar Diskussionen über das Personal der Dienststelle gegeben. Sicher werden wir jetzt nicht eine Personalakten-Diskussion anfangen. Aber ich finde, das sollte uns Anlaß sein zu der Forderung — und ich glaube, daß der Minister selbst dieser Forderung gar nicht so ablehnend gegenübersteht; es wäre aber gut, wenn das ausdrücklich versichert würde —, auch das Personal der Dienststelle selbst nach den gleichen Richtlinien wie etwa neu zu Berufende zu überprüfen.
— Sie sagen, das ist selbstverständlich. Um so besser, wenn wir das schwarz auf weiß kriegen!
In diesem Zusammenhang ein paar Worte über das Betriebsklima — um einmal einen Ausdruck aus dem Wirtschaftsleben zu gebrauchen. Für mich ist da symbolisch die Behandlung_ des Falles Bonin. Wir wollen hier gar nicht erörtern, welche strategische Konzeption die bessere oder die schlechtere gewesen ist. Das steht hier überhaupt nicht zur Debatte. Aber was zur Debatte steht, ist die Frage, ob es in einem solchen Ministerium nicht um der Sache willen möglich sein muß, mit dem verantwortlichen Chef selbst, nicht auf dem Wege von Denkschriften, sondern auf dem Wege einer Aussprache die verschiedensten Meinungen miteinander abzustimmen, ohne daß das Abweichen einer Meinung sich nun in der Sache gleich so zugespitzt äußern muß, daß es zu einem Bruch kommt. Das muß doch möglich gemacht werden können, wobei es eine offene Frage ist, bei wem das Verschulden liegt. Fragen des Betriebsklimas hängen nicht immer nur mit dem Chef zusammen. Aber für uns ist es wichtig, zu wissen, daß das Klima im ganzen dort offenbar nicht so ist, wie es sein müßte. Wir sollten also die Verantwortlichen ermahnen, dafür zu sorgen, daß es anders wird. Es geht doch nicht an, daß Leute, die ganz verwandte Fragen bearbeiten, sich nicht in der Dienststelle über ihre Probleme unterhalten, sondern sich vor dem Sicherheitsausschuß des Bundestages gewissermaßen erst kennenlernen und dort merken, daß sie auf den gleichen Gebieten Überlegungen anstellen.
Auch das gehört in diese Debatte hinein. Ich schätze, Herr Kollege Dr. Jaeger, das war kein militärisches Geheimnis, sondern eine Frage der politischen Organisation.
Noch ein weiterer Punkt muß hier warnend ausgesprochen werden. Wir haben uns vor längerer Zeit einmal über die Fragebogen unterhalten, die die Dienststelle verschickt. In zunehmendem Umfang treten jetzt Wünsche bestimmter Gruppen, konfessioneller Gruppen, verschiedener Organisationen auf, auch personell gestaltend recht massiv eingeschaltet zu werden. Ich möchte vor einem solchen Schritte warnen. Wir dürfen auf keinen Fall zulassen, daß das unglückselige Wort von der Konfessionalisierung des öffentlichen Lebens Nahrung findet durch ein falsches Verhalten bei den Streitkräften. Deswegen hat die Frage nach der Konfessionszugehörigkeit im Fragebogen nicht nur so dazustehen, daß man es dem Beteiligten freistellt, ob er sie zu beantworten gedenkt, sondern deshalb hat sie aus den Fragebogen einfach zu verschwinden; sie ist grundgesetzwidrig.
Man komme uns nicht mit der kümmerlichen Ausrede, daß man doch wissen müsse, wieviel Gesangbücher man für die künftigen Kontingente rechtzeitig zu drucken habe.
Das richtet sich nämlich nicht nach der Zahl.
— Entschuldigen Sie! Ich stelle mit Befriedigung fest, daß Sie das als kümmerliche Ausrede empfinden. Diese Ausrede ist uns im Sicherheitsausschuß gegeben worden.
— Meine Damen und Herren, ich bin bereit, gelegentlich das Protokoll vorzulesen. Es ist ganz nützlich, daß wir hier einmal sehen, wohin die übertriebene Geheimniskrämerei führt; sonst hätten wir vielleicht mit diesem Unfug schon längst aufgeräumt. Jetzt merken Sie erst, was da so vor sich gegangen ist!
Meine Damen und Herren, zusammenfassend: Wir sind der Meinung, die Neubildung dieses Ministeriums stand unter einem schlechten Stern. Was wir wünschen müssen, ist. daß das Ministerium sich von Beginn seiner Tätigkeit an darum bemüht, auf das Parlament als die gewählte Volksvertretung zu hören. Das beste und am meisten in die Augen fallende Beispiel wäre, wenn der Minister dafür sorgen würde, daß der Entwurf des Freiwilligengesetzes zurückgezogen wird. Dadurch hätte er die Chance zu einem neuen Start, und die sollte er sich nicht entgehen lassen.
Meine Damen und Herren, gerade nach den Zwischenrufen, die gegen Schluß dieser Rede etwas bekümmert schienen, möchte ich Ihnen hier noch einen Satz sagen, den ein Mann, der sehr verschie-
denartige Verehrung in diesem Hause genießt, gesprochen hat. Es mag die Bayern trösten, daß ich Bismarck zitiere, denn er sprach den Satz in Kissingen im Jahre 1892 in einer Ansprache an eine Anzahl gelehrter Herren aus Schwaben. Es heißt dort:
Wir brauchen die frische Luft der öffentlichen Kritik. Unser ganzes Verfassungsleben beruht darauf. Wenn die Volksvertretung kraftlos wird und nur zum Organ des höheren Willens, so kommen wir, wenn das so weitergeht, zum aufgeklärten Absolutismus zurück.
Meine Damen und Herren, ich freue mich über diesen Satz von Bismarck. Aber wer weiß, daß es im Kaiserreich nicht einmal eine parlamentarisch verantwortliche Regierung gegeben hat, der sieht auch, wie gefährlich der Zeitpunkt ist, in dem wir jetzt leben. Und ich bitte Sie alle sehr eindringlich: Auf diesem Gebiet wollen wir doch wenigstens nicht hinter Bismarck zurück!