Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will, so gut ich kann, der doppelten Mahnung oder dem doppelten Wunsche des Herrn Präsidenten folgen: mich möglichst der Kürze befleißigen und auch den Hinweis auf die Geschäftsordnung befolgen. Aber die Grundsätze lassen sich natürlich nicht erörtern, ohne auch den einen oder anderen konkreten Punkt der Vorlage dabei herauszuheben.
Nun darf ich vielleicht nach dem Verlauf der bisherigen Debatte als Nachtrag oder Ergänzung zu den Ausführungen meines Fraktionsfreundes Dr. Franz noch folgendes sagen: Am 20. März 1953 haben wir — es ist schon einige Male in der Debatte daran erinnert worden — der Bundesregierung den Auftrag gegeben, eine Gesetzessvorlage zur Neuordnung der Rentnerkrankenversicherung vorzulegen. Bei den damaligen, ziemlich langwährenden Ausschußberatungen ist im Grunde genommen sehr vieles von dem, was auch heute hier erörtert worden ist, diskutiert worden. Aber es ist zuzugeben, daß damals — und das hat sich ja auch in der Vorlage ausgedrückt — eigentlich kaum oder nicht die Rede davon war, daß man bei der Neuordnung die Übertragung in das Zweite Buch der Reichsversicherungsordnung, also in die gesetzliche Krankenversicherung, vornehmen solle. Die sehr eingehenden und langen Prüfungen, die die Bundesregierung benötigt hat, bis es zu einer Vorlage kam, haben dann zunächst auch zu einer gewissen Überraschung bei uns geführt, daß nun die Regelung so getroffen werden sollte. Aber, meine Damen und Herren, wir haben uns in sehr eingehenden Vorbesprechungen in unserem zuständigen Arbeitskreis mit der Materie beschäftigt und sind nach reiflicher Diskussion zu der Überzeugung gekommen, daß man den hier vorgeschlagenen neuen Weg gehen solle und daß man, wenn es sich schon hier um die Krankenversicherung, also um die Gewährung von ärztlicher Versorgung, von Heilmitteln, von Arzneien usw. handelt, die Dinge auch so behandeln solle, daß sie in die gesetzliche Krankenversicherung eingebaut werden.
Wir halten auch trotz der Bedenken, die der Bundesrat vorgetragen hat und die auch hier geäußert worden sind, an dieser grundsätzlichen Änderung fest. Wir waren uns aber bei unseren Vorbesprechungen auch durchaus darüber klar, daß der Sozialpolitische Ausschuß bei der konkreten Beratung der Vorlage in mehr als einem Punkte vor einer recht schwierigen Aufgabe stehen würde, um die Einzelheiten auch in die rechte Ordnung auf dieser Grundlage zu bringen. Wir werden uns deshalb im Ausschuß über ¡einzelne Punkte der Vorlage, wie sie etwa auch vom Herrn Kollegen Schellenberg oder vom Herrn Kollegen Hammer angesprochen worden sind, ernst und eingehend zu unterhalten haben.
Ich darf dazu einige Fragen herausheben: Die Vorlage läßt, wie wir es in der Debatte schon gehört haben, einen Teil der Rentner, eben diejenigen, die die Voraussetzungen nicht erfüllen, außerhalb dieser Krankenversicherung. Wenn man auch dem Herrn Minister und der Bundesregierung durchaus darin folgen kann — damit würden wir auch dem damaligen Beschluß in etwa nachkommen —, daß es sicherlich Kategorien von Rentnern gibt, die einer derartigen Versorgung nicht bedürftig sind, so muß man aber doch auch die Kategorien sehen, die dabei sehr erheblich benachteiligt würden: etwa Angestellte, die nach der Überschreitung der Krankenversicherungspflichtgrenze in eine private Krankenversicherung hineingegangen sind, also die Zugehörigkeit zu ihrer bisherigen Kasse nicht fortgesetzt haben, die aber, nachdem sie Rentner geworden sind, in ihrer sozialen Lage von dem Niveau, das sie hatten, solange sie in Beschäftigung standen, doch sehr erheblich zurückfallen. Ich glaube, es l eine kaum mögliche Lösung, diese Personengruppe einfach völlig auszuschließen.
Herr Dr. Hammer hat .bei der Beitragsfrage den Punkt berührt, den wir damals auch im Ausschuß sehr eingehend erörtert hatten. Ich will Ihnen hier einmal für solche Leute, wie ich sie jetzt angesprochen habe, eine Möglichkeit aufzeigen. Wir —jedenfalls auf seiten der Regierungsparteien — haben damals gemeint, es sei, wenn die Dinge im Rahmen der Rentenversicherung blieben, eine durchaus mögliche Lösung, den Rentnern beim Rentenempfang einen Zahlungsscheck, oder wie Sie es nennen wollen, einen Bond über den festgesetzten Beitrag in die Hand zu geben; damit könnten sie dann bei ihrer Krankenkasse, gleichviel wo, ob gesetzlich oder privat, ihre Beiträge regulieren. Es war also auf diese Kategorien Rücksicht genommen.
Nun die weitere Frage der Beitragsbemessung, wie sie jetzt in der Vorlage vorgesehen ist. Bisher ist es ja in der gesetzlichen Krankenversicherung in der Tat so, daß über Beiträge und Leistungen die ,Selbstverwaltungsorgane beschließen. Das wird jetzt, obschon man die Rentner in den § 165 einbaut, insofern ausgeschaltet, als die Grundlagen für die ,Beitragsbemessung im Gesetz bestimmt werden. Ich glaube, man darf aussprechen, daß bei dieser Beitragsfestsetzung wahrscheinlich kaum eine Krankenversicherung in der Lage sein wird, die Leistungen in dem hier gesetzten Umfang zu erbringen.
Dann wird man natürlich auch zu einer Diskussion über die Frage kommen müssen, ob bzw. inwieweit es richtig und möglich ist, daß man die übrigen Versicherten in die Beitragslast für die Rentner einbezieht. Das sind alles Fragen nicht nur technischer Art, sondern von sicherlich sehr erheblicher Bedeutung.
Ich sehe auch eine Unterschiedlichkeit in der Frage, die in Art. 1 Ziffer 1 Buchstabe c angesprochen ist, wonach der gesetzliche Anspruch an die Rentnerkrankenversicherung in den Fällen ausgeschlossen wird, wo Anspruch auf Familienhilfe
besteht. Wir haben also dann in der Folge in der RVO zweierlei Recht; denn bisher gilt, daß da, wo ein anderweitiger gesetzlicher Anspruch besteht, keine Familienhilfe gewährt wird. Ich wollte auch das nur andeuten.
Nun ein paar Bemerkungen zur Frage der Kostenbeteiligung. Die Ausführungen der Damen und Herren, die sich eben dazu geäußert haben, waren in ihrer Art zum Teil erheblich überspitzt. Ich bin der Meinung, daß die Gefahren, die sie für Früherkrankte, Frühdiagnosen usw. sehen, in dem Ausmaß gar nicht bestehen. Sie verschweigen ja, meine Damen und Herren, daß die Kostenbeteiligung heute weithin für die allgemeine Krankenversicherung in Geltung ist. Wir bekennen uns, was die Krankenscheingebühr und die Arzneikostenanteile angeht, im Grundsatz durchaus zur Regierungsvorlage. Wir sind der Ansicht, daß es auch mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage und die finanziellen Verhältnisse der Krankenversicherung, die ja nun einmal die solidarische Zusammenfassung der Versicherten ist, einfach gar nicht anders geht, als daß wir bei einer Neuordnung die Selbstkostenbeteiligung anders regeln als bisher. Wir stehen also positiv dazu. Ich möchte also das unterstreichen, was vorhin mein Kollege gesagt hat.
Was die Kostenbeteiligung der Rentner vor allen Dingen angeht, so haben wir politisch nicht unerhebliche Bedenken dagegen, die Beteiligung der Rentner an den Krankenhauskosten zu akzeptieren. Darüber, zu welchem Bruchteil sie bei Krankenscheinen und Arzneikosten beteiligt werden sollen, wird man reden können. Wir werden uns also bei aller grundsätzlichen Würdigung der Argumente, die die Regierung in der Frage vorträgt, doch mit diesem Punkt sehr kritisch befassen müssen.
Mit diesem Gesetzentwurf — und das ist eine positive Bestimmung — soll aber vor allen Dingen die finanzielle Seite sichergestellt werden. Der Zustand, daß die Rentenversicherungsträger immer mit, was weiß ich, wieviel Verspätung nachträglich zu weiteren Zuschüssen für die Leistungen der Rentnerkrankenversicherung herangezogen werden müssen, kann nicht weiter so bleiben. Die Zuschüsse sind ohnehin sehr beträchtlich, und die Rentenversicherung muß ja schließlich auch in ihren Etats mit bestimmten festen Summen rechnen können. Wo soll sie sonst bleiben? Sie kommt ins Schwimmen. Das ist unmöglich, nachdem der durch eine damalige Verordnung eingeführte Lastenausgleich innerhalb der Ortskrankenkassen auch nicht zum Erfolg geführt hat, höchstens zu dem Ergebnis, daß nunmehr auch diejenigen Ortskrankenkassen, die früher Überschüsse aus diesen Zuschüssen gemacht hatten, auf einmal auch Fehlbeträge hatten und also zum Lastenausgleich nichts abführen konnten und können. Das bedarf dringend der Korrektur. Im Grundsatz ist deshalb das, was die Vorlage vorsieht, richtig.
Damit, meine Damen und Herren, lassen Sie mich die Bemerkungen, die ich machen wollte, abschließen. Ich darf wiederholen, daß wir der Regierung in der grundsätzlichen Umstellung, also Einbau in die Krankenversicherung, folgen, daß wir uns aber mit Ihnen allen gemeinsam im Ausschuß redlich darum bemühen wollen, die Vorlage nun trotz der Schwierigkeiten, die in ihr stecken, zu einem guten und brauchbaren Ergebnis zu führen.