Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Ich rufe Punkt 19 der gestrigen Tagesordnung auf:
Beratung des Entwurfs einer Einunddreißigsten Verordnung über Zollsatzänderungen .
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen vor. — Das Haus ist damit einverstanden. Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe Punkt 20 auf:
Beratung des Entwurfs einer Zweiunddreißigsten Verordnung über Zollsatzänderungen .
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schlage dem Hause Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen vor. Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 21:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Maxsein, Dr. Krone und Genossen betreffend Ausgelagerte Buchbestände der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek . •
Zur Begründung des Antrags erteile ich der Frau Abgeordneten Dr. Maxsein das Wort.
Frau Dr. Maxsein , Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine kurze Begründung zu diesem Antrag. Die Frage der Rückführung der ausgelagerten Buchbestände der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek nach Berlin gehört in den großen Komplex der Rückführung der Kulturgüter des ehemaligen preußischen Staates nach Berlin überhaupt. An dieser Stelle haben wir vor einigen Wochen einmütig den Antrag angenommen, der die Bundesregierung ersucht, ein Gesetz vorzulegen, in dem die grundsätzliche Rückführung der Kulturgüter nach Berlin festgelegt wird. Der Herr Bundesfinanzminister hat an dieser Stelle eine Erklärung abgegeben, daß ein solcher Gesetzentwurf vorliegt, in dem die Forderungen, die der Antrag enthält, berücksichtigt werden würden. Dieser Gesetzentwurf befindet sich augenblicklich im Bundesrat, und wir hoffen zu Gott, daß den Forderungen Gerechtigkeit zuteil wird.
Die historische Situation liegt bei der Preußischen Staatsbibliothek ähnlich wie bei den Museumsgütern. Auch ihre Bestände wurden im Krieg
aus der Not heraus verlagert, um sie vor der Zerstörung zu bewahren. Ein großer Teil wanderte.
nach dem Osten; davon ist hier nicht die Rede. Es
geht hier um den kleinen, aber sehr wertvollen
Bestand, der sich in Tübingen, und um den großen,
umfassenden Bestand, der sich in Marburg befindet. Es handelt sich hierbei nicht, wie gestern an
dieser Stelle von maßgeblicher Seite geäußert
wurde, um 250 000, sondern um zirka 1 700 000
Bände, unter denen ,allerdings ,die 250 000 eine besondere Rolle spielen; das sind die Bücher, die
noch nicht inventarisiert in Kisten gestapelt sind.
Was den Zustand dieser Bibliothek in Marburg
betrifft, so möchte ich nicht anführen, was meinetwegen tendenziöse Besucher darüber aussagen, sondern mit der Erlaubnis des Herrn Präsidenten aus
dem Jahresbericht der Westdeutschen Bibliothek
der Sammlungen der ehemaligen Preußischen
Staatsbibliothek in Marburg zitieren. Da heißt es: Abgesehen davon, daß die Nichtbenutzbarkeit eines so großen Bestandes bei den großen Bücherverlusten der Kriegs- und Nachkriegszeit einen empfindlichen Schaden bedeutet, muß der Zustand der Bücher, die lange in Kalischächten lagerten und nun schon jahrelang unter ungeheurem Druck und unter Abschluß von jeder Luftzufuhr gestapelt sind, als sehr bedenklich bezeichnet werden. Daß an diesen Beständen schwere Schäden eintreten, ist leider gewiß. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die Berliner Bestände allgemein durch Verlagerung, Transporte so gelitten haben, daß heute schon schätzungsweise 110 000 Bände ,einer größeren oder kleineren Reparatur bedürfen, um vor weiteren Schäden oder gar der Vernichtung bewahrt zu werden.
Besonders empfindlich betroffen ist die Kartenabteilung . . . Für rund 30 000 Karten ist eine Entsalzung erforderlich. Die ganze Abteilung müßte noch lufttrockener untergebracht werden, als das vorläufig der Fall sein kann.
Weiter heißt es:
Bei einer Begehung der Magazine wurden bei dem Berliner Altbestand Schäden festgestellt an etwa 40 000 Bänden im Magazin des Hauptgebäudes, an etwa 70 000 Bänden im Magazin im Wilhelmsbau des Schlosses, an etwa 30 Karten ebenda. Es handelt sich hierbei um Schäden auf Grund der Verlagerung . . . Besorgniserregend sind die Schäden, da sie, wenn ihre Behebung nicht bald erfolgt, unheilbar werden und auf weitere Nachbarbestände übergreifen müssen.
Die soeben ,genannten Zahlen beziehen sich
auf die bereits aufgestellten Berliner Bestände.
Bei den auf dem Schloß in einem Haufen übereinandergeschichteten Bänden ist, worauf im
vorigen Jahresbericht bereits hingewiesen
wurde, mit weiteren Schädigungen zu rechnen.
Ich zitiere das nicht, um daraus einen Vorwurf abzuleiten. Ich möchte damit nur die Dringlichkeit und die Sorge rechtfertigen, die in dem Antrag zum Ausdruck kommt. Sicherlich sind die Bücher nicht so behandelt, wie wir das wünschen und wie sich das eigentlich gehört. Ich führe das auf die unzulänglichen Mittel, also auf eine Nachkriegserscheinung zurück.
Was die rechtliche Seite betrifft, so liegen die Dinge genau so wie bei den Museumsgütern. Auch die Bücher der Staatsbibliothek wurden dem hessíschen Staat zur treuhänderischen Verwaltung übergeben. Was zu dieser Treuhänderschaft gesagt werden konnte, ist bereits anläßlich der Rückführung der Museumsgüter an dieser Stelle gesagt worden. Ich möchte nicht auf die rechtliche Seite eingehen; sie ist eine Angelegenheit, die sehr intensiv im Ausschuß erörtert werden muß.
Auch die Raumfrage! Man sagt: Berlin hat keinen Raum, um die Bestände aufzunehmen. Meine Damen und Herren, mir scheint, auch Westdeutschland und insbesondere auch Hessen hat diesen Raum nicht, —andernfalls wäre es allerdings unverantwortlich, daß 250 000 Bände heute noch in Kisten stapeln.
Wenn vor Jahren, 1950/51, an hervorragender hessischer Stelle einem Vertreter des Berliner Senats in der Angelegenheit der Rückführung der Staatsbibliothek geantwortet wurde: Preußen ist tot, die Ansprüche sind erloschen!, so berührt das nicht das eigentliche Thema. Berlin, das muß erklärt werden, war niemals Eigentümerin der Preußischen Staatsbibliothek. Berlin will und wird es auch in Zukunft nicht sein. Aber hier geht es um den Besitz. Die Gründung der Staatsbibliothek geht ,auf den Großen Kurfürsten zurück, und jahrhundertelang war diese Bibliothek im Besitze Berlins. Darüber kann eine .achtjährige treuhänderische Funktion .des hessischen Staates nicht hinwegtäuschen.
Meine Damen und Herren, die Staatsbibliothek gehört nach Berlin! Das ist eine Frage der natürlichen Ordnung der Dinge, und es ist nur erstaunlich oder bedauerlich, wie man es nennen will, daß so lange Zeit, nachdem ,die Normalisierung der Verhältnisse doch tatsächlich festzustellen ist — und auch eine wachsende politische Freiheit —, man nicht ,den Sinn entwickelt für ,die, ich möchte sagen, Wiederherstellung der natürlichen Ordnung. Das heißt: die Bibliothek gehört grundsätzlich nach Berlin, und das ist das Anliegen, das sehr vordringlich in diesem Antrag zum Ausdruck kommt. Die Raumfragen, die Rechtsfragen, die finanziellen Fragen, die wesentlich damit verbunden sind, müssen selbstverständlich eingehend diskutiert werden. Ich beantrage deswegen die Oberweisung dieses Antrags an den Ausschuß für Kulturpolitik, und ich bitte das Hohe Haus, dieser Überweisung zuzustimmen.