Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen D r. Schmid t können nicht unwidersprochen bleiben, weil seine Behauptungen in Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen stehen und in einigen Punkten auch unrichtig sind. Als wir im Jahre 1952 das Landpachtgesetz hier im Bundestag verabschiedet haben, waren monatelange, sehr eingehende Beratungen voraufgegangen, und in diesen Beratungen sind dieselben Punkte behandelt worden, die Herr Kollege Schmidt in dem Antrag ,angesprochen und die er noch einmal wieder vortragen zu müssen geglaubt hat. Der Ernährungsausschuß hat keine Veranlassung gesehen, sachlich nochmals eingehend zu dem Antrag Stellung zu nehmen, da nach Auffassung des Ausschusses, und zwar nach Auffassung der Mehrheit, im Gegensatz zur Auffassung von Herrn Dr. Schmidt keine Erstarrung des Pachtmarktes eingetreten ist, sondern — das wird mir jeder bestätigen können, der draußen die Augen einigermaßen aufgehabt hat — in den letzten Jahren eine wesentliche Lockerung stattgefunden hat. Wir wollten damals, 1952, daß das im Jahre 1940 geschaffene Pachtrecht abgeändert würde. Im Jahre 1940 wurde eine Reichspachtschutzordnung erlassen, zu einer Zeit, als es sich darum handelte, in Anbetracht der damaligen Kriegsverhältnisse die Ernährung des deutschen Volkes sicherzustellen. Es war damals ganz klar, daß bei ,der sehr angespannten Situation der Wechsel in der Betriebsleitung zumindest in sehr vielen Fällen zwangsläufig zu einer Ertragseinbuße führen mußte. Aus diesem Grunde wurde auch in der Pachtschutzordnung, die sogar die Bezeichnung Pachtnotrecht bekommen hat, festgelegt, daß automatisch — so darf ich wohl sagen — Pachtschutzverlängerungen ausgesprochen wurden.
Nach idem Zusammenbruch 1945 änderte sich daran nichts. Wir mußten feststellen, daß eine ganze Reihe von alten Frauen, von Witwen und von alten Bauern nicht mehr bereit waren, ihren Hof oder Teile des Hofes zu verpachten, weil sie befürchteten, daß sie das Land niemals oder jedenfalls nicht in absehbarer Zeit, weder für sich noch für ihre Enkelkinder oder für irgendein Familienmitglied, zurückbekommen würden. Aus diesem Grunde haben wir es für richtig gehalten, hier eine Bestimmung zu treffen, wonach der Besitzer in all den Fällen, in denen er das Land benötigt, weil sein Sohn in-
zwischen herangewachsen ist oder aus irgendwelchen anderen Gründen zur Sicherstellung seiner eigenen Existenz, zum mindesten die Möglichkeit hat, das Land wieder zurückzubekommen. Wir haben aber besonders deswegen eine Änderung für notwendig erachtet, weil wir zusätzliches Land für die große Zahl der inzwischen vertriebenen Bauern und ,die herangewachsenen Heuerleute, Landarbeiter und nachgeborenen Bauernsöhne benötigen. Die Ziffern, die inzwischen in den einzelnen Kammerbezirken leicht festzustellen sind, sprechen hier eine sehr deutliche Sprache. Sie brauchen nur einen Blick in die Zeitungen zu werfen. Da werden Sie jeden Tag feststellen, daß eine große Zahl von Pachtbetrieben seit diesem Augenblick zusätzlich in andere Hände übergegangen ist.
Herr Dr. Schmidt, Sie haben absolut recht, wenn Sie betonen, daß ich bei meiner ersten Berichterstattung zum Ausdruck gebracht hätte, ,daß Treu und Glauben die Richtschnur für die zukünftige Bearbeitung aller Pachtverträge sein sollte. Wir wollten aber nicht — und ,das war die Absicht des Gesetzgebers —, daß die Entscheidung über die etwa in Frage kommende Pachtverlängerung dem Gericht überlassen bleiben sollte sondern wir wollten — und zwar seitens des Gesetzgebers — ganz klar formulieren, in welchen Fällen auch ein Pachtschutz noch nötig sein sollte. Die Gesetzgebung sollte durch die Einführung des Wortes „dringend" ganz klar zum Ausdruck bringen: Grundsätzlich ist eine Pachtlockerung erwünscht; nur in ganz dringenden Fällen, und zwar bei Abwägung der einzelnen Interessen, soll dem Richter die Möglichkeit gegeben sein, hier und da eine Pachtverlängerung auszusprechen.
Dann haben Sie Zahlen über Pachterhöhungen genannt. Auch das ist ganz selbstverständlich. Wir waren uns bei ,der ersten Beratung absolut darüber im klaren, daß, wenn wir die Pachtlockerung eintreten ließen, in einer frei aufgelockerten Wirtschaft zunächst eine gewisse Preisangleichung an die inzwischen anders gewordenen tatsächlichen Verhältnisse eintreten würde. Das ist uns nicht überraschend gekommen. Wir wußten es damals, aber wir haben dies in Kauf genommen, weil wir einmal der Auffassung waren, daß 'inzwischen auch eine gewisse Pachtangleichung notwendig war, und weil wir auf diese Weise einen gewissen Anreiz bieten wollten, zusätzliches Land zur Verfügung zu stellen. Wenn Sie da zum Ausdruck bringen, daß dabei Pachtsätze von 60 bis 70 DM je Morgen gezahlt werden, so will ich das nicht bestreiten. Auch mir sind derartige Fälle bekannt. Aber im großen und ganzen hat sich die Preisstetigerung absolut in erträglichen Grenzen gehalten und ist keineswegs abweichend von den sonst eingetretenen Preisaufbesserungen gewesen.
Aber nun haben Sie, Herr Kollege Dr. Schmidt, von Ihrem Kreis gesprochen und Zahlen von Hunderten von Bauern und von kleinen Besitzern genannt, die alle von Haus und Hof vertrieben worden seien und nun nach Ihrer Auffassung ihre Existenz verloren hätten. Sie haben es in diesem Zusammenhang dann auch für richtig gehalten, mir vorzuwerfen, daß ich in meiner bisherigen Funktion als Direktor der Landwirtschaftskammer nur für die Interessen der Großbetriebe eingetreten sei und wenig Rücksicht auf den Kleinbesitz genommen hätte. Herr Dr. Schmidt, Sie wissen, daß in dem Kammerbezirk Weser-Ems 85 % aller Betriebe unter 20 ha groß sind. Ich wäre sicher ein sehr
schlechter Sachwalter gewesen, wenn ich ausgerechnet in meiner bisherigen Funktion nur für die 15 % der Betriebe über 20 ha Partei ergriffen hätte. Ich halte diese Behauptung nicht für ernst, weil Sie sie auch in keiner Weise beweisen können.
Darüber hinaus möchte ich zu Ihren Zahlen Stellung nehmen. Zunächst, Herr Dr. Schmidt, wissen Sie: als wir damals die Beratung des Pachtgesetzes hatten, ist die Heuerlingsfrage Gegenstand eingehender Beratung gewesen. Sie entsinnen sich, daß wir uns lange darüber unterhalten haben. Es besteht im nordwestdeutschen Raum eine Arbeitsverfassung, die wir sozial als sehr günstig bezeichnet haben, wo gewisse Arbeitnehmer den Bauern Hilfe leisten und dafür Geld und einen gewissen Anteil von Land kriegen; das sind die sogenannten Heuerleute. Wir waren im Ausschuß der Meinung, daß diese Heuerlingsverträge unbedingt beibehalten werden sollten, während gerade von Ihrer Seite aus damals doch mit allen Mitteln versucht worden ist, diese Heuerlingsverträge aus dem Gesetz herauszubringen. Das ist damals nicht geschehen.
Nun will ich Ihnen auch sagen, wie diese Zahl von Hunderten von Betrieben zustande kommt, die Sie glaubten hier vortragen zu müssen. Inzwischen ist die Arbeitslage selbstverständlich wesentlich besser geworden, und viele Heuerleute, die früher, weil sie keine Arbeitsmöglichkeit an anderer Stelle hatten, gern zu den Bauernbetrieben gegangen sind, haben inzwischen feststellen können, daß sie selbstverständlich in einer benachbarten Industrie viel besser und leichter Arbeit finden, und sie haben von sich aus gar keinen Wert darauf gelegt, die alten Heuerlingsverträge weiter aufrechtzuerhalten, sondern der größte Teil der von Ihnen genannten Stellen ist von den Heuerlingen aus freiwilligen Entschlüssen aufgegeben worden, weil auf der anderen Seite eine bessere Lohnbeschäftigung gegeben war. Ich habe hier die Zahlen aus Ihrem eigenen Kreis zur Verfügung, Herr Dr. Schmidt. Ich darf Ihnen sagen, daß im Kreise Bersenbrück an Anträgen bisher bei den vier Amtsgerichten anhängig gemacht worden sind: beim Amtsgericht Bersenbrück sind von den Anträgen 50 verglichen worden, entschieden sind 21, Pachtschutz wurde gewährt auf 15 und der Pachtschutz versagt auf 6 Anträge. Im Amtsgerichtsbezirk Bramsche sind 12 Anträge entschieden, Pachtschutz gewährt wurde auf 11 und Pachtschutz abgelehnt auf einen Antrag. In Fürstenau: Pachtschutz gewährt: 4, Pachtschutz abgelehnt: 3. In Quakenbrück Pachtschutz gewährt: 6, abgelehnt 3. Ich darf Ihnen auch sagen, weswegen die Anträge zum großen Teil abgelehnt worden sind. In drei Fällen handelte es sich darum, daß die Pächter jahrelang den Pachtzins nicht gezahlt haben, und das Gericht sah wirklich keine Veranlassung, hier zu Lasten des Verpächters automatisch den Pachtvertrag zu verlängern. In einem andern Fall war es so, daß der Pächter außer dem Pachtgrundstück noch anderes Land zu bewirtschaften hatte. In zwei anderen Fällen hatte der Pächter, der Heuer-ling, die Arbeit aufgegeben. In einem andern Fall hatte er inzwischen Ersatzland bekommen. In einem dritten Fall, der abgelehnt werden mußte, war offensichtliche Mißwirtschaft festzustellen, so daß auch das Gericht nicht verantworten zu können glaubte, den Vertrag zu verlängern. Sie sehen, daß diese Zahlen in einem direkten Widerspruch zu den Behauptungen stehen, die Sie hier vorgebracht haben.
Im übrigen, Herr Dr. Schmidt, wissen Sie ja selbst aus Ihrem eigenen Kreise und aus ganz Nordwestdeutschland, daß wir inzwischen schon soviel freie Pachtstellen haben, daß es wirklich etwas anmaßend von Ihnen ist, hier die Behauptung aufzustellen, das Pachtschutzgesetz habe sich derart katastrophal ausgewirkt. Gerade das Gegenteil ist nach 1952 eingetreten. Wenn ich im Bericht gesagt habe, daß wir uns in mehreren Sitzungen mit dieser Materie befaßt haben, dann haben Sie recht, wenn Sie demgegenüber betonen, daß der Ernährungsausschuß das ganze Material nur in einer Sitzung noch einmal durchgearbeitet hat. Aber der Rechtsausschuß hat sich in mehreren Sitzungen — ich habe die Protokolle hier vorliegen — sehr eingehend mit dieser Materie befaßt. Der Ernährungsausschuß brauchte das nicht zu tun, da seit 1952 keine anderen Tatbestände eingetreten sind, die eine Änderung erforderlich machten, und da die Meinung der Mehrheit gegenüber damals sich keineswegs geändert hatte. Es ist aber bezeichnend, daß der Rechtsausschuß, der die Dinge weniger von der rein fachlichen Seite behandelt hat, zu demselben Ergebnis kommt wie wir und auch auf dem Standpunkt steht, daß es unmöglich ist, bereits nach zwei Jahren ein wirklich gut angelaufenes Gesetz abzuändern und Gefahr zu laufen, daß das, was sich gut entwickelt hat, nun wieder ins Gegenteil umgekehrt wird.
Ich darf zum Schluß bitten, die Dinge nüchtern so zu sehen, wie sie sind. Es hat gar keinen Zweck, polemisch herausstellen zu wollen, daß wir im Ernährungsausschuß nur für die größeren Besitzer Partei ergriffen und daß wir kein genügendes soziales Verständnis für die kleineren Besitzer hätten. Wir haben es gerade mit Rücksicht auf die kleinen Besitzer für notwendig gehalten, daß endlich einmal Änderungen des Landpachtgesetzes Platz greifen, damit der großen Zahl nachgeborener Bauernsöhne, Vertriebener, Flüchtlinge und sonstiger Personen, die kein Land haben, endlich einmal eine Existenz gegeben werden kann. Ich darf Sie also nochmals bitten, den Antrag der SPD abzulehnen.