Rede von
Dr.
Otto Heinrich
Greve
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Die Ausführungen aller meiner Vorredner, die zu diesem Kapitel sprachen, haben gezeigt, daß es auch für Juristen schwierig, vielleicht nicht möglich ist, die Politik von der Jurisprudenz zu trennen.
— Einschließlich des Herrn Abgeordneten Carlo Schmid, Herr Kollege Strauß.
Auch mir wird das nicht gelingen, und ich will es auch gar nicht versuchen. Ich will mich aber bemühen, jedenfalls zu den Rechtsfragen in einigem etwas anderes zu sagen, als es bisher von den Diskussionsrednern geschehen ist. Aber zunächst muß ich einige Ausführungen zu dem machen, was Herr Kollege Dr. Schneider hier gesagt hat.
Herr Kollege Dr. Schneider hat geglaubt, darauf hinweisen zu sollen, daß die Ausführungen, die mein Freund Carlo Schmid zur Frage der Kündigungsklausel gemacht hat, deswegen unrealistisch seien, weil die Anwendung einer Kündigungsklausel nichts anderes bedeuten würde als die Wiederherstellung des früheren Zustandes, d. h. in unserem Falle des jetzigen Besatzungsregimes. Das sind doch ausgesprochene Mätzchen, meine Damen und Herren!
Wenn einer im Jahre 1950 einen Vertrag geschlossen hat und er kündigt ihn heute, dann weiß Herr Kollege Schneider ganz genau, daß damit noch nicht einmal die Rechtsverhältnisse des Jahres 1950 wiederhergestellt werden, geschweige denn auf politischem Gebiet die Zustände, die im Jahre 1950 bestanden haben. Mit diesen Argumenten kommt man doch der von meinem Freunde Carlo Schmid für notwendig gehaltenen Kündigungsklausel nicht bei. Daß es Kündigungsklauseln gibt, ist doch in der Geschichte der internationalen Verträge nichts Unbekanntes.
Herr Kollege Dr. Schneider hat weiter geglaubt, die Vertreter der Sozialdemokratischen Partei als Verräter an der repräsentativen Demokratie hinstellen zu müssen, die wir im Parlamentarischen Rat selbst mitbeschlossen haben. Er hat geglaubt, darauf hinweisen zu müssen, daß der Appell, den die Sozialdemokratische Partei im Augenblick, in dieser Stunde der Verabschiedung der Pariser Verträge, an die deutsche Bevölkerung richtet, nichts anderes sei als die Anwendung von sogenannten volksdemokratischen Methoden. Dabei weiß Herr Kollege Dr. Schneider ganz genau, daß es nicht so ist und das ist es eben, was ich verurteile! Was die
Sozialdemokratische Partei in den letzten Wochen draußen getan hat, ist doch nichts anderes als das, was die Bundesregierung und die Parteien, die hinter ihr stehen, auch getan haben: sie hat versucht, das deutsche Volk über die Folgen der Pariser Verträge aufzuklären.
Wenn uns dieses Recht bestritten wird, die deutsche Bevölkerung aufzuklären — natürlich nicht wie Sie, sondern wie wir diese Verträge sehen —, dann beschneiden Sie uns das Recht der freien Meinungsäußerung, und das wollen Sie doch selbst nicht! Es sind politische Mittel, die wir anwenden!
— Was heißt „Zwangsabstimmungen"? Es werden überhaupt keine Zwangsabstimmungen vorgenommen. Kein Mensch ist von meinen Freunden gezwungen worden, abzustimmen.
— Nein, kein Mensch ist gezwungen worden, abzustimmen,
sondern es sind Menschen draußen gefragt worden, ob sie eine Antwort geben wollten, und das haben sie getan.
Wenn Sie das irgendwie „Zwang" nennen, dann
dürfen Sie auch nicht die Methoden durchführen,
die die Bundesregierung jeden Tag draußen in der
Bundesrepublik zur Anwendung bringt. Wenn Sie das „volksdemokratisch" nennen, dann nennen Sie Mittel „volksdemokratisch", die anzuwenden wir nach dem Grundgesetz berechtigt sind; und auf diese Mittel können und wollen wir auch in der Zukunft nicht verzichten.
Wie weit das geht, meine Damen und Herren — und damit komme ich zum letzten Punkt, den ich in den Ausführungen des Kollegen Dr. Schneider höchst bedenklich gefunden habe —, das ersehen Sie doch daran, daß Herr Dr. Schneider glaubte uns fragen zu müssen, warum wir so empfindlich seien, wenn es sich um die Ablehnung des totalitären Systems auf der Rechten, des früheren Nationalsozialismus, handle, und warum wir weniger empfindlich seien, wenn es sich um das kommunistische totalitäre System handle. Ja, meine Damen und Herren, daran ist doch kein wahres Wort, wenn Sie die Wirklichkeit sehen!
Können Sie einem Sozialdemokraten nachsagen, daß er nicht in gleicher Weise die kommunistischen Konzentrationslager verurteilt, wie er die nationalsozialistischen verurteilt hat? Kein Sozialdemokrat ist je auf den Gedanken gekommen, etwa das totalitäre System des Ostens anzuerkennen, während er das totalitäre System, das der Nationalsozialismus in Deutschland aufgerichtet hatte, ablehnte. Wer sitzt denn in den Konzentrationslagern der Sowjetzone, meine Damen und Herren?
Wer sind denn die von der Sozialistischen Einheitspartei am meisten bekämpften Politiker in jenem Gebiete Deutschlands? Ich glaube, nur die Frage stellen zu müssen, und die Antwort zu geben scheuen Sie sich jetzt,
weil Sie wissen, Sie müssen dann sagen, daß es meine Parteifreunde sind!
— Herr Kollege Pelster, ich greife Sie doch gar nicht an. Von Ihnen weiß ich, daß Sie uns solche Vorwürfe nicht machen. Von Ihnen weiß ich auch, daß Sie in der Vergangenheit auf diesem Gebiet mit uns politisch auf gleicher Ebene gekämpft haben und daß Sie das auch heute tun. Oder stehen Sie etwa auch zu den Ausführungen, die Herr Kollege Schneider uns gegenüber gemacht hat, daß er warnend und mahnend uns sagen zu müssen glaubte, wir sollten auf dem Wege nicht weitergehen, den wir beschritten haben? Meine Damen und Herren, auf dem Wege, den wir beschritten haben, werden wir weitergehen, weil wir zu politischem Erfolg kommen wollen,
und wir werden diesen Erfolg haben, darauf können Sie sich verlassen!
Das zu den Ausführungen von Herrn Kollegen Dr. Schneider.
Lassen Sie mich nun einiges zu den Rechtsfragen sagen! Ich erwähnte bereits: es ist schwierig, in der Frage der Wiederbewaffnung und in der Frage der Wiederaufrüstung die politischen Probleme streng von den juristischen zu trennen. Das hat auch der Herr Bundeskanzler in den Ausführungen, die er während dieser Debatte gemacht hat, zum Ausdruck gebracht. Im Gegensatz allerdings zu den Abmachungen, die der Herr Bundeskanzler ja weithin mündlich trifft, handelt es sich hier um ein umfangreiches Vertragswerk, das im einzelnen auf seinen Rechtsgehalt hin zu untersuchen im Rahmen dieser Debatte nicht möglich ist. Es gibt eine Fülle von Rechts- und rechtspolitischen Problemen, die zum Teil angeschnitten, zum Teil nur erwähnt sind. Ich will mich hier auf einige wenige Beispiele beschränken. Die Beispiele, die ich gewählt habe, beziehen sich ausschließlich auf solche Bestimmungen, die nach meiner Auffassung nicht mit dem Grundgesetz in Übereinstimmung zu bringen sind.
Nun ist der Herr Bundeskanzler zwar selbst Jurist, aber kein Völkerrechtler. Ich bin es auch nicht. Ich bin „nur" Rechtsanwalt und Notar wie der Herr Kollege Dr. Becker, der auf diesem Gebiete schon von Berufs wegen — nach der Auffassung des Herrn Bundeskanzlers — von Völkerrecht nichts verstehen kann. Aber während der Herr Kollege Becker auf seinen eigenen und allein auf seinen politischen Verstand angewiesen ist, hat der Herr Bundeskanzler — das Recht bestreite ich ihm auch gar nicht — in seinem Gefolge eine ganze Reihe von juristischen Flügeladjutanten, die ihm das Material für das liefern, was er auf dem Gebiet völkerrechtlicher Vereinbarungen tun muß. Ich kann mich nach parlamentarischer Gepflogenheit leider nur mit einem dieser Flügeladjutanten beschäftigen, nämlich mit Herrn Staatssekretär Professor Dr. Hallstein, der als der Vertreter des Herrn Bundeskanzlers in außenpolitischen Angelegenheiten hier selbst das Wort nehmen kann, während die Beamten, die noch im Stabe des Herrn Bundeskanzlers vorhanden sind, das nicht tun können.
Nun leidet der gegenwärtige Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Herr Professor Dr. Hallstein, auch an einem Mangel; er ist nämlich von Hause aus Ziviljurist und kein Völkerrechtler wie mein Kollege Professor Dr. Carlo Schmid, womit ich gar kein Werturteil über Völkerrechtler und Ziviljuristen abgeben will. Ich weiß sogar aus eigener Erfahrung, daß Herr Dr. Hallstein ein glänzender Ziviljurist ist; ich weiß es aus der Zeit, als ich selbst noch zu seinen Füßen an der Universität Rostock Handelsrecht hörte. Aber inzwischen sind die Dinge bei Professor Hallstein anders geworden. Er ist mitverantwortlich für das, was in diesen Verträgen vereinbart worden ist.
Es sind nun, wie gesagt, noch eine ganze Reihe von Herren in der Umgebung des Herrn Bundeskanzlers, die uns in den Ausschüssen als mitverantwortlich gegenübergetreten sind. Sie sind nach unserer Auffassung zum Teil geradezu Meister auf dem Gebiet der Völkerrechtsakrobatik, und die Spitzennummern dieser Herren bestehen zum Teil in ausgesprochenen völkerrechtlichen Purzelbäumen. Die Dienste, die insoweit dem Herrn Bundeskanzler geleistet worden sind, sind nach unserer Auffassung nicht immer sehr gute Dienste, weil alle diese völkerrechtlichen Flügeladjutanten des Herrn Bundeskanzlers zusammengenommen Vertreter der reinen Zweckjurisprudenz sind.
Das heißt, sie liefern für jede politisch bedeutsame Aktion, auch dann, wenn sie noch so wenig sinnvoll ist, auch dann, wenn sie nicht mit dem Grundgesetz in Übereinstimmung zu bringen ist, die juristischen Waffen, mit denen dann von irgendwelchen Leuten, die mit diesen Waffen gar nicht umzugehen verstehen, wild in der Gegend umhergeschossen wird.
Das Ergebnis dieser Schießereien finden wir dann
zum Teil in den Verträgen, wie sie uns hier vorgelegt worden sind. Diese, ich muß schon sagen, politisch-juristischen Gardeoffiziere im Generalstabsrang haben offenbar auch gar nichts dabei gefunden, daß eine ganze Reihe von Einzelbestimmungen in diesen Verträgen einfach nicht mit dem
Grundgesetz in Übereinstimmung zu bringen sind.
Ich will jetzt auf drei Punkte insbesondere eingehen, die mir in gar keiner Weise dem Grundgesetz zu entsprechen scheinen.
Da haben wir zunächst in Art. 6 des Zweiten Teiles, Gerichtsbarkeit und Verfahren, die Bestimmung, daß die Behörden der Streitkräfte im Bundesgebiet kein Todesurteil vollstrecken, solange das deutsche Recht die Todesstrafe nicht vorsieht. — Was heißt, daß die Behörden der Streitkräfte kein Todesurteil vollstrecken? Das heißt nichts anderes, als daß auf das Todesurteil erkannt werden kann, und zwar auch gegen deutsche Staatsangehörige, die Mitglieder der Streitkräfte sind. Es gibt Deutsche als Mitglieder der Streitkräfte, denn in Art. 1 Ziffer 7 b heißt es:
Der Begriff „Mitglieder der Streitkräfte" umfaßt Deutsche nur dann,
— aber Deutsche immerhin —
wenn sie im Staatsgebiet der beteiligten Macht in deren Truppen eingetreten oder von ihnen eingezogen oder angestellt worden sind und dort zu diesem Zeitpunkt entweder ihren ständigen Wohnsitz gehabt oder sich dort seit mindestens einem Jahr aufgehalten haben.
Meine Damen und Herren, es läßt sich doch nicht bestreiten, daß es sich insoweit nicht nur darum handelt, daß die Vollstreckung von Todesurteilen gegen Deutsche nicht möglich ist. Vielmehr ist die Vollstreckung außerhalb der Bundesrepublik möglich, wenn diese Deutschen zum Tode verurteilt worden sind. Diese Möglichkeit besteht nach den von mir eben erwähnten Bestimmungen des Vertrages, und dem steht meines Erachtens die Bestimmung des Art. 102 des Grundgesetzes mit seinem absolut klaren Wortlaut eindeutig entgegen, in dem es heißt: „Die Todesstrafe ist abgeschafft". Das, meine Herren vom Auswärtigen Amt und vom Bundesjustizministerium, heißt nicht nur, daß die Vollstreckung der Todesstrafe abgeschafft ist, sondern auch, daß für kein Gericht in der Bundesrepublik die Möglichkeit besteht, auf die Todesstrafe zu erkennen. Die Alliierten haben sich hier also ausdrücklich das Recht vorbehalten, auch auf die Todesstrafe zu erkennen. Sie wollen sie nur insoweit nicht vollstrecken, als es sich darum handelt, dies im Bundesgebiet zu tun.
Ich habe die Frage an das Auswärtige Amt und an das Bundesjustizministerium zu richten, wie diese Bestimmungen in den Verträgen mit dem Grundgesetz in Übereinstimmung zu bringen sind. Ich will hier keine grundsätzlichen Ausführungen über die Todesstrafe, über ihre Bejahung und ihre Verneinung, machen. Ich frage mich nur, ob auf
diese Weise etwa über eine Art verfassungsmäßige Hintertreppe die Todesstrafe wieder eingeführt werden soll
und ob nicht auf diese Weise etwas getan werden soll, was man heute nach außen zu tun sich noch scheut.
Ich komme zu einem anderen Punkt, und zwar zum Art. 2, in dem von der Beachtung des deutschen Rechts und von der politischen Betätigung die Rede ist. Da heißt es:
Soweit in diesem Vertrage oder in anderen einschlägigen Verträgen oder Abkommen nichts anderes bestimmt ist, beachten die Mitglieder der Streitkräfte das deutsche Recht, . . .
In Abs. 2 heißt es:
Die Mitglieder der Streitkräfte enthalten sich jeder Betätigung, die mit dem Geist des Vertrages unvereinbar ist, insbesondere jeder politischen Betätigung.
Entweder hat man nicht gewußt, was man mit dieser Bestimmung in die Verträge hineinschrieb — dann ist es leichtfertig gewesen —, oder man ist sich der Bedeutung bewußt gewesen, und dann verstehe ich nicht, wieso man sich zu derartigen vertraglichen Verpflichtungen hingeben konnte; denn das heißt nichts anderes, als daß auch deutsche Staatsangehörige, soweit sie Mitglieder der Streitkräfte sind, sich jeder Betätigung, die mit dem Geist dieses Vertrages unvereinbar ist, insbesondere jeder politischen Betätigung, enthalten müssen. Das bezieht sich nach Art. 1 Ziffer 7 b nicht nur auf die Angehörigen der Streitkräfte selbst, sondern auch auf die Ehegatten und Kinder, wenn ihre Ehegatten und I Väter — in diesem Falle — Angehörige der Streitkräfte sind. Denn es heißt ausdrücklich:
Als „Mitglieder der Streitkräfte" gelten: Angehörige, worunter Ehegatten und Kinder von Personen im Sinne der Unterabsätze und (b) oder nahe Verwandte, die von solchen Personen unterhalten werden . . . zu verstehen sind.
Das sind doch Dinge, die einfach mit dem Grundgesetz nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Die Fragen, die hier auftauchen, sind doch nicht einfach dadurch zu lösen, daß gesagt wird, wie es in einigen Ausführungen hier bereits angeklungen ist: das müsse einer späteren Regelung vorbehalten bleiben. Wenn all das, was auf diese Weise unerklärlich und unerfindlich ist, einer späteren Lösung vorbehalten bleiben muß, dann wäre es besser gewesen, man hätte noch einige Zeit mit dem Vertragsabschluß gewartet, um alles das, was klargemacht werden muß und kann, noch klarzumachen,
wie ich überhaupt der Auffassung bin, daß unter dem Druck, unter dem diese Verträge abgeschlossen worden sind, in Zeitnot manches einfach hingenommen worden ist, und keiner weiß, was später daraus wird. Ich glaube, wir sollten besondere Obacht darauf haben, weil wir wissen, welche Meister auf dem Gebiete der Vertragsauslegung die Franzosen sind,
und schließlich sind sie unsere Partner in diesen Pariser Verträgen.
Ich komme auf die Auslieferung zu sprechen. In Art. 27 ist ausgeführt worden, daß über Ersuchen um Auslieferung von Mitgliedern der Streitkräfte die beteiligte Macht entscheidet. Nach Art. 16 Abs. 2 des Grundgesetzes darf kein Deutscher an das Ausland ausgeliefert werden. Das ist eine Bestimmung, die zwingenden Charakters ist. Wenn nun nach Art. 27 allein die beteiligte Macht über die Auslieferung entscheidet — und zwar auch dann, wenn es sich um Deutsche handelt, und es kann sich um Deutsche handeln, wenn sie zu den Streitkräften gehören —, wenn weiter nach Art. 28 die beteiligte Macht das alleinige Recht hat, Mitglieder der Streitkräfte — also auch Deutsche, wenn sie Mitglieder der Streitkräfte sind — aus dem Bundesgebiet zu entfernen, dann frage ich die Herren, die dafür verantwortlich sind, daß diese Verträge vom Herrn Bundeskanzler unterzeichnet worden sind, wie sie diese Bestimmungen in Übereinstimmung mit dem Inhalt des Art. 16 Abs. 2 des Grundgesetzes finden, in dem es heißt, daß kein Deutscher an das Ausland ausgeliefert werden kann.
Aber es kommt noch besser. Es heißt in Art. 28 Abs. 2:
Sind die Behörden der Drei Mächte der Auffassung, daß der Aufenthalt einer Person im Bundesgebiet ihre Sicherheit gefährdet, so können sie den deutschen Behörden die nach dem Grundgesetz zulässigen Maßnahmen hinsichtlich des Aufenthaltes dieser Person empfehlen.
Ja, meine Damen und Herren, was sind das für Bestimmungen? Eine beteiligte Macht braucht nur zu sagen, daß ihr irgendwie eine Person im Bundesgebiet die Sicherheit ihrer eigenen Truppen oder ihrer sonstigen Angehörigen zu gefährden scheint, dann hat die Bundesregierung die nach dem Grundgesetz zulässigen Maßnahmen hinsichtlich des Aufenthaltes dieser Person zu ergreifen. Was sollen das für Maßnahmen sein, die die Bundesregierung hier gegenüber Deutschen zu ergreifen hat, nachdem im Grundgesetz das Recht der Freizügigkeit festgelegt ist? Denn alle Deutschen genießen nach Art. 11 des Grundgesetzes Freizügigkeit im gesamten Bundesgebiet, und dieses Recht jedes Deutschen kann nur durch ein Gesetz und eben nur für ganz bestimmte Fälle, die nicht auf eine einzelne Person gerichtet sind, beschränkt werden.
Das alles sind doch nicht nur Ungereimtheiten, sondern das sind nach meiner Auffassung glatte Rechtsbrüche. Das sind Verletzungen des Grundgesetzes, die weder mit dem Buchstaben noch mit dem Geiste unserer verfassungsmäßigen Ordnung etwas zu tun haben.
Es ist also so, daß der einzelne Deutsche, wenn diese Verträge in Rechtskraft übergehen, nicht mehr die volle Garantie hat, daß die Freizügigkeit, die ihm nach dem Grundgesetz gewährt ist, auch von der Bundesregierung respektiert wird. Es ist so, daß er nicht von Maßnahmen frei ist, die die Bundesregierung unter Umständen gegen ihn ergreifen kann, die sie sogar gegen ihn ergreifen muß, wenn die Besatzungsmächte, wenn die Drei Mächte, wie es in dem Vertrag heißt, es verlangen.
Daß das nicht ohne Absicht geschehen ist, will ich Ihnen an einem weiteren Beispiel illustrieren, und zwar an dem der Indemnität der Bundestagsabgeordneten, an Ihrer eigenen Indemnität, meine Damen und Herren. Denn in dem Anhang A § 2 Abs. 4 heißt es, daß § 100 Abs. 3 des Strafgesetzbuchs auf militärische Geheimnisse keine Anwendung findet. Da Sie sicher nicht alle das Strafgesetzbuch zur
Hand haben, werde ich Ihnen vorlesen, was in Abs. 3 des § 100 des Strafgesetzbuchs enthalten ist.
Da heißt es:
Ein Abgeordneter des Bundestags, der nach gewissenhafter Prüfung der Sach- und Rechtslage und nach sorgfältiger Abwägung der widerstreitenden Interessen sich für verpflichtet hält, einen Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes oder eines Landes im Bundestag oder in einem seiner Ausschüsse zu rügen, und dadurch ein Staatsgeheimnis öffentlich bekanntmacht, handelt nicht rechtswidrig, wenn er mit der Rüge beabsichtigt, einen Bruch des Grundgesetzes oder der Verfassung eines Landes abzuwehren.
Dieser Artikel wird durch die Pariser Verträge außer Kraft gesetzt.
Sie haben in Zukunft weder hier im Bundestag noch in einem seiner Ausschüsse, auch nicht in den als vertraulich geltenden Ausschüssen oder geheimen, wie es genannt wird — im Auswärtigen Ausschuß, im Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen usw. —, das Recht, solche Angelegenheiten zu rügen, die Sie zur Sprache bringen wollen, wenn Sie mit der Rüge beabsichtigen, einen Bruch des Grundgesetzes oder der Verfassung eines Landes abzuwehren. Sie müssen also in Zukunft, wenn Sie von glatten Verfassungsbrüchen Kenntnis erhalten, schweigen, wenn es sich um militärische Angelegenheiten handelt, hier im Bundestag und in den Ausschüssen des Bundestags, weil Sie sonst nach der Aufhebung des § 100 Abs. 3 im § 2 des Anhangs A Gefahr laufen, vom Staatsanwalt verfolgt zu werden. Es handelt sich in § 100 Abs. 3 des Strafgesetzbuches nur um einen Rechtsschutz für Bundestagsabgeordnete, von dem mit Recht in dem Kommentar, der mir hier gerade vorliegt, gesagt wird, daß er über einen persönlichen Strafausschließungsgrund hinausgeht und einen Rechtfertigungsgrund nach Art des übergesetzlichen Notstands darstellt.