Herr Kollege Schmid, ich hatte nicht den Eindruck, daß Sie den Herrn Bundeskanzler zitierten, als Sie in Ihren Schlußworten unter Verwendung einiger Zusammensetzungen mit „Joch" hier Worte sprachen, von denen Sie eine größere Wirkung erwarteten. Denn es waren harte Worte, die Sie sagten, und der Bundeskanzler pflegt sich manchmal vorsichtiger auszudrücken.
— Herr Kollege Schmid, ich glaube,
wir können das hier nicht entscheiden. Ich bin gern bereit, mich nachher mit Ihnen auseinanderzusetzen. Ich kann Ihnen nur erklären, ich habe es anders verstanden, und ein Teil der Kollegen ebenfalls. — Ich habe doch niemanden damit gekränkt, meine Herren, und brauche auch nichts zurückzunehmen.
— Das müssen Sie dem Herrn Bundeskanzler überlassen, ob er mich deshalb zur Rechenschaft zieht, und mir das, was ich dazu zu sagen habe.
Ich erwähnte: Das Verbleiben der Truppen geschieht ausschließlich zum Zwecke der gemeinsamen Verteidigung. Man kann daraus herleiten, daß darin nun doch faktisch eine gewisse Einengung der souveränen politischen Handlungsfreiheit liege. Das mag bis zu einem gewissen Grade auch sein. Diese Einengung stellt aber den Preis dar, den die Bundesrepublik für die Sicherung der Freiheit des deutschen Volkes zahlen muß; und es ist nach den gegenwärtigen Umständen auch kein Weg ersichtlich, wie Sie die deutsche Freiheit anders ähnlich wirksam sichern könnten. Eine Besonderheit dürfte darin bei der heutigen politischen Weltlage nicht zu sehen sein. Denn auch andere Staaten sind gezwungen, und weitere könnten durch die Entwicklung der strategischen Lage in Zukunft noch gezwungen werden, fremde Truppen zum Schutze ihrer Sicherheit aufzunehmen oder mindestens fremden Truppen Durchzugs- und Aufenthaltsrechte zuzugestehen. Etwas Diskriminierendes, etwas die Souveränität wesentlich Einengendes oder Aushöhlendes ist darin nach der Ansicht meiner Freunde nicht zu sehen.
Nun, meine Damen und Herren, aus der Fülle der mit den Verträgen zusammenhängenden Rechtsfragen und den Problemen der Souveränität ist ja erst ein Teil angesprochen worden. Eine erschöpfende Behandlung scheint mir hier nicht tunlich. Sie ist vielleicht auch gar nicht möglich, selbst im Rahmen unserer gewiß nicht knapp gehaltenen Erörterungen. Das ist nicht verwunderlich; denn diese Verträge regeln doch die Beendigung eines in den letzten Jahren allerdings schon abgemilderten Zustandes weitgehender staatlicher Rechtlosigkeit, eines Zustandes, bei dem die Willkür der Sieger von 1945 ursprünglich nur eingeschränkt war durch deren im übrigen keineswegs gleichmäßig gehandhabte Verantwortung gegenüber gewissen Völkerrechtsregeln und Grundsätzen der Menschlichkeit, in den letzten Jahren bei den Westalliierten zunehmend auch durch das Bestreben, bei uns Freunde zu gewinnen.
Es ist nötig, das einmal zu sagen. Denn vielen von uns ist es nicht mehr bewußt, welch weiter Weg hier zurückzulegen war und welch gutes Stück Weges durch diese Verträge dann eben zu guter Letzt noch zu schaffen blieb. Wir können die Wandlung vom System der Besatzungsgewalt zum Status eines souveränen Partners nicht gerade als kleinen Schritt empfinden. Er ist bedeutungsvoll, er ist einschneidend auf allen Gebieten. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß er eine Fülle von Problemen offenläßt, von Problemen, die wir im Geiste einer Zusammenarbeit werden auszufüllen haben, an deren Ausfüllung wir aber nicht in der Weise gehen könnnen, daß wir Bestimmung um Bestimmung in der ungünstigsten Weise interpretieren und hinter
jedem einzelnen Satz eine Falltür suchen und einen Strick, an dem das deutsche Volk eines Tages wieder ans Gängelband genommen oder vielleicht sogar aufgeknüpft werden soll.
Wir können und wir wollen diese Verträge nicht als Geschenk betrachten. Ganz im Gegenteil; sie begründen für uns genau so Pflichten wie für die anderen, aber sie begründen, meine Damen und Herren, auch eben Pflichten für die anderen! In einer Atmosphäre der Gegenseitigkeit und Annäherung — und die Verträge atmen trotz der ungleichen Ausgangsbasis Deutschlands den Grundsatz der Gegenseitigkeit - wird sich durch Auslegung, durch Zusammenarbeit sehr vieles von dem beseitigen lassen, was uns heute noch als Hindernis, als Bedenken entgegentritt.
Es ist am heutigen Nachmittag viel darüber gesagt worden, daß auf dem Gebiet des zwischenstaatlichen Rechts, daß auf dem Gebiete insbesondere der deutschen Auslandsvermögen die Verträge sehr viel zu wünschen übriglassen. Es ist nicht Aufgabe meines Referats, das zu vertiefen; es geht jetzt um Fragen des Verfassungsrechts. Aber lassen Sie mich noch einmal wiederholen, und das kann vielleicht nicht oft genug gesagt werden, daß der Rest von Ungleichheit, der leider noch immer in diesen Verträgen liegt, gerade auf dem Gebiet des deutschen Privateigentums im Ausland, weit über seine eigentliche Bedeutung den Verträgen und dem Geist der Verträge schadet. Hier wird es Aufgabe der Bundesregierung sein, dem Geist einer wirklichen Zusammenarbeit und eines Verständnisses zum Durchbruch zu verhelfen, nicht locker zu lassen und darauf hinzuweisen, daß eine Fülle guter Bestimmungen durch wenige schlechte verdorben werden kann; denn an die wenigen schlechten hängen sich die Animositäten, hängt sich der letzte Rest des Gefühls mangelnder Gleichberechtigung und einer Diskriminierung.
Es scheint mir gut, meine Damen und Herren — und nun komme ich annähernd zum Schluß —,
an dieser Stelle etwas zu wiederholen, was ich anläßlich der Bundestagsdebatte über die Berliner Konferenz schon einmal gesagt habe. Wir sind nicht nur gewillt, in ehrlicher Zusammenarbeit mit allen freien Völkern unser Teil zur Erhaltung der Freiheit zu tun. Das deutsche Volk hat in den letzten Jahren bereits bewiesen, daß es für diese Freiheit Opfer und Gefahren auf sich nimmt.
Wäre diese vorbehaltlose Bereitschaft im deutschen Volke nicht vorhanden gewesen, wäre auch nur ein Teil unseres Volkes den Verlockungen oder dem Zwang eines uns fremden Systems erlegen, dann brauchte sich insbesondere Westeuropa die Sorge um die Erhaltung der Freiheit wahrscheinlich nicht mehr zu machen.
Europa wäre dann längst ein Teil des Satellitensystems östlicher Art geworden.
Die Beharrlichkeit und das sichere Festhalten unseres ganzen Volkes an den Ideen der Freiheit und der Demokratie westlicher Prägung trotz äußerster
materieller Not und — auch das muß gesagt werden — trotz einer anfänglich demütigenden Behandlung selbst durch den Westen haben Europa erst die Plattform erhalten, auf der es sich heute zu finden vermag. Dies sollte man, wenn man an die Ausgestaltung der Verträge geht, dem Westen und sich selbst stets vor Augen halten.
Die Illusion, daß die Zeiten rivalisierender Nationalstaaten in der freien Welt nun vorüber seien, ist mir durchaus nicht eigen. Ich stehe jedoch nicht auf dem Standpunkt, daß innerhalb der freien Welt der Begriff der moralischen Verpflichtung keine Gültigkeit habe.
Herr Kollege Arndt hat mir, wenn ich ihn gestern recht verstanden habe, auf eine Zwischenfrage geantwortet, er vermute hinter gewissen Erklärungen der angelsächsischen Mächte — es handelte sich um die Zusage an Frankreich bezüglich der Saar — eine sehr handfeste Politik im eigenen Interesse, eine Art Machtpolitik und keine Moral. Ich möchte nicht darüber rechten, ob das in jenem besonderen Fall stimmte. Allgemein stimmt das bezüglich der Politik der freien Völker hoffentlich nicht, sonst wäre Anlaß zu einer viel skeptischeren Beurteilung der europäischen Zukunft vorhanden. Ich bin vielmehr der Überzeugung und ich glaube, meine Damen und Herren, wir alle, die wir an ein Europa glauben, sind es —, daß die Staatsform der Demokratie, soweit das überhaupt möglich ist, Sicherungen dagegen enthält, daß alle Dinge nur aus dem Gesichtspunkt reiner Machtpolitik gesehen werden. Unsere jüngere Geschichte gibt genug Beispiele dafür, daß Völker auch bereit waren, für ihre Ideen, ja auch für Ideale, die schwersten Opfer auf sich zu nehmen. Gerade dort war die Opferbereitschaft am größten, wo die Völker sich wirklich frei fühlten und ihr Ideal als Bestandteil ihrer Freiheit betrachteten. Ich bin deshalb nicht pessimistisch bezüglich der Entwicklung, die durch diese Verträge eingeleitet wird. Ich würde nur wünschen, daß sich jenes Band, das die Erhaltung der Freiheit zwischen allen Völkern des Westens zu knüpfen beginnnt, verstärkt und daß im Schutze des gemeinsamen Bemühens um die Durchsetzung der Menschenrechte auch unsere heute noch außerhalb der Bundesrepublik lebenden Brüder und Schwestern in einer nicht fernen Zukunft zu uns gelangen.