Rede von
Horst
Haasler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das vorhin von meinem sehr verehrten Herrn Kollegen Schneider gegebene Wort, sich kurz zu fassen, möchte ich für meine Person wenigstens zu halten versprechen,
sonst hat der nach mir kommende Redner, Herr Kollege Greve aus Hannover, wahrscheinlich gar keine Zuhörer mehr.
Es wäre weiter sehr reizvoll, sich mit den zweifelsfrei recht geistvollen Ausführungen auseinanderzusetzen, die Herr Kollege Schmid Ihnen vor einer Stunde hier machte, Ausführungen, die nicht nur Elemente einer staats- und völkerrechtlichen Vorlesung in sich trugen, sondern darüber hinaus sich leider auch darauf erstreckten, eine uns bekannte politische Haltung seiner Freunde mit einer reichlich frei anmutenden Auslegung der Verträge in Einklang zu bringen. Öfter vielleicht, Herr Kollege Schmid, könnte man sagen, haben Sie den Verträgen eine Auslegung gegeben, die beweisen sollte, daß Ihre politische Einstellung zu den Dingen richtig wäre. Nun, uns fehlt die Zeit, Herr Kollege Schmid, — —
— Vielleicht, Herr Kollege Schmid, mögen Sie meinen, ich spielte — um in der Fußballsprache zu bleiben — noch eine Klasse tiefer als Sie. Aber Sie wissen, es gibt auch Aufstiegsmannschaften, und ich würde mich herzlich darum bemühen.
— Aber, Herr Kollege Schmid, es fehlt uns wirklich an der Zeit; wir sollten uns jetzt kurz fassen und einmal versuchen, die Dinge etwas zu entwirren. Denn an die Aufgabe, sie zu komplizieren, haben sich andere hier gemacht, und das war im Interesse der Sache nicht gut.
Es ist ein gutes Recht der Opposition, Bedenken aufzuzeigen; das ist sogar ihre Pflicht. Dieses Recht haben Sie — und das muß Ihnen der Neid lassen — in jeder Beziehung ausgenutzt. Sie haben vielleicht da sogar etwas zuviel des Guten getan, und die vernünftigen Grenzen, die darin liegen, daß man Bedenken nur dann mit Erfolg aufzeigen kann, wenn man sich auch eine gewisse Mäßigung auferlegt — ein Zuviel wird nämlich oft ein Weniger —, scheinen mir in den letzten drei Tagen doch wesentlich überschritten worden zu sein. Ich sagte, wir sollten versuchen, die Dinge zu entflechten, und ich glaube, damit komme ich vielen Wünschen nach.
— Ich bedaure, daß ich im Augenblick dazu nichts sagen kann, weil ich nicht genau weiß, was Sie mit diesem Zwischenruf beabsichtigen; deshalb sage ich nach hiesiger Gewohnheit: Ich komme später darauf zurück!
Nun, das, worum es hier geht, ist am besten in drei Sachgebieten umschrieben. Es geht hier erstens um die Souveränität oder — nach Meinung eines Teiles des Hauses — um die sogenannte Souveränität, die der Bundesrepublik nunmehr zuteil wird. Die Verträge sprechen von der Anerkennung der Souveränität der Bundesrepublik. Dazu wäre zu sagen, daß es sich hier nicht um eine Übertragung oder Verleihung handelt. Es handelt sich vielmehr um eigene, ursprüngliche deutsche Souveränität, die durch Besatzungsgewalt überlagert war und jetzt voll in Erscheinung treten kann. Der Wert der Anerkennung ist angesichts der Tatsachen, daß gewisse Vorbehaltsrechte bestehenbleiben, umstritten. Es wird weiter aus der Tatsache, daß Truppen der drei Westmächte in Deutschland verbleiben, das Argument hergeleitet, die Souveränität sei nicht echt, sie sei ausgehöhlt.
Zwar ist es richtig, daß zwei echte Vorbehaltsrechte bestehenbleiben. Sie beziehen sich aber — und das hätte man doch hier auch ganz deutlich sagen sollen — auf Berlin, und sie beziehen sich weiter auf Deutschland als Ganzes. Der Vorbehalt der Souveränitätsrechte auf den beiden genannten Gebieten Berlin und Deutschland als Ganzes geht doch auf einen einheitlichen Willen des ganzen Hauses, ich möchte sagen, von links bis rechts, also auf eine sehr einheitliche Billigung zurück.
Denn die Aufrechterhaltung dieser Vorbehaltsrechte liegt in unserem ureigensten deutschen Interesse. Man kann vermuten, daß man damit den sogenannten Drei Mächten gar keinen Gefallen tut, wenn man sie weiter mit der Verantwortung belastet. Diese Vorbehaltsrechte dienen der Sicherung WestBerlins und der Wahrnehmung bestimmter Befugnisse gegenüber der Sowjetunion. Sie beschränken aber die Bundesrepublik in späteren Zeiten nicht, denn soweit wir eines Tages auch dort, also ostwärts des Eisernen Vorhangs, tätig sein können — und die Möglichkeiten dürften sich nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit den Ostblockstaaten ergeben, auch eine Folge der uns zuerkannten Souveränität —, wird einer direkten Einwirkung der Bundesrepublik auch auf diese Sektoren nichts im Wege stehen.
Durch die Verträge gewinnen wir volle, uneingeschränkte Handlungsfreiheit gegenüber allen ausländischen Staaten mit Einschluß der Staaten des Ostblocks.
Wir haben in Zukunft das Recht, eigene Initiativen auch in der Frage der Wiedervereinigung gegenüber dem Ausland zu entfalten. Wir sind in Zukunft nicht mehr auf die Vermittlung anderer angewiesen. Schließlich bleibt noch zu erwähnen — und das ist sicherlich ebenfalls wichtig —, daß in allen Zweifelsfällen eine Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Bundesrepublik durch die Souveränitätserklärung begründet wird. Das Ziel des ganzen Vertragswerkes läuft laut ausdrücklicher Bezeichnung auf die Herstellung der vollen, uneingeschränkten Souveränität der Bundesrepublik hinaus.
Nun, Herr Kollege Schmid, es scheint mir müßig, mich an dieser Stelle mit Ihrer Ansicht auseinanderzusetzen, nach der wirkliche Souveränität unter den gegenwärtigen weltpolitischen Machtverhältnissen bei einem Staat in der Lage Westdeutschlands oder selbst Gesamtdeutschlands gar nicht echt vorhanden sein könne, einer Ansicht, nach welcher nur zwei große Weltmächte, eventuell noch das Vereinigte Königreich Großbritannien, in der Lage sein sollten, wirkliche Souveränität auszuüben.
— Ich weiß, das haben Sie nicht gesagt; aber manches davon klang doch hier an.
— Schön, dann nehme ich das zur Kenntnis.
Ich muß aber, da ich nun einmal dieses Thema angerührt habe und da es ja zu der Erörterung des Souveränitätsbegriffs und unserer Rechte, die aus der Souveränität fließen, gehört, es auch zu Ende führen. Sicherlich ist richtig, daß bei der Verflechtung der weltpolitischen Interessen, wie sie nun einmal bestehen, und bei den durch die Machtzusammenballungen bedingten Abhängigkeiten kaum ein Staat dieser Erde in seinen Entschlüssen vollkommen frei sein dürfte. Bei konsequenter Anwendung dieses Maßstabes gäbe es in einer so verflochtenen Welt wie in der unsrigen wahrscheinlich überhaupt keinen Staat, der in dem Sinne souverän wäre, daß er tun könnte, was er wollte.
Souveränität in dem hier zu diskutierenden Sinn der deutschen Souveränität bedeutet nicht das Recht - und soll es auch nicht bedeuten — zur absolut eigenmächtigen politischen Gestaltung, sondern lediglich die Freiheit, im Rahmen des staatlichen Zusammenlebens die Politik durch eigene Verträge zu gestalten. Ich glaube, diese Möglichkeiten geben uns die abgeschlossenen Verträge in vollgültigem Maße.
Nimmt man das hinzu, was ich vorhin über das Anwachsen durch die Zuständigkeitsvermutung erwähnte, so müßten wir wohl zu dem Ergebnis kommen, daß in dieser Souveränitätserklärung in etwa das liegen könnte, was wir als politische Entwicklung anzustreben vermögen und auch jeder andere Staat, jedes andere Staatsgebilde in unserer Lage nur anzustreben vermöchte.
Was das Verbleiben der Truppen der Drei Mächte im Gebiet der Bundesrepublik anbelangt, so ist bereits darauf hingewiesen worden, daß die Truppen in Zukunft nur noch auf der Grundlage unserer vertraglichen Zustimmung hier anwesend sein werden. Diese geschieht ausschließlich zum Zwecke der gemeinsamen Verteidigung. Ich habe es bedauert, daß hier der Ausdruck „Joch der Besatzung" gefallen ist.
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Das mochte für Westdeutschland in den ersten Jahren nach 1945 hier und da zutreffen. Es trifft in einem anderen Teile Deutschlands auch heute noch zu.