Rede von
Dr.
Ludwig
Erhard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Nein, am Schluß!
Das mag stimmen. Die Sowjetrussen verwenden ihre ganzen Energien dazu, um in der Versklavung ihrer Arbeitskräfte das Rüstungspotential mit allen Mitteln zu steigern. Aber Herr Agartz verwechselt wirklich Kanonen mit Butter, wenn er das ,als eine Steigerung des Lebensstandards hinstellt.
Wenn Herr Kreyssig wieder sagte, wir verstünden uns nicht zu einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, weil die Lage so gefährlich sei, daß die Regierung keinen Mut habe, die Ziffern sozusagen auf den Tisch zu legen, dann brauche ich, glaube ich, dazu nicht ein Wort zu sagen. Die Regierung hat wirklich allen Anlaß, ihre Ziffern — Ziffern des Erfolgs - auf den Tisch zu legen; denn diese sind
durchaus geeignet, von dem deutschen Volk anerkannt und positiv gewürdigt zu werden.
Jetzt möchte ich aber einmal ein anderes, aber sehr wichtiges Thema anschlagen: da kommt wieder ein politischer Akzent hinein. Ich stelle mich jetzt einmal auf den Standpunkt, daß die sozialdemokratische Konzeption von einem wiedervereinigten Gesamtdeutschland Wirklichkeit werden könnte auf der Grundlage eines irgendwie gearteten — nennen Sie es, wie Sie es wollen — isolierten, neutralisierten, bündnislosen Deutschlands,
auf alle Fälle eines Deutschlands, das seine Beziehungen zum Westen wesentlich lockern müßte — ich drücke mich jetzt ganz vorsichtig aus —,
ohne daß man weiß, wie die Beziehungen zum Osten sich gestalten würden. Was wäre, abgesehen von der Möglichkeit der Infiltration und der Unterlaufung eines solchen Landes die Konsequenz, wenn es dann nicht mehr in dem festen und gemeinsamen Bündnis mit der freien Welt stünde, wenn diese freie Welt nicht mehr gemeisam mit uns unser ursprünglichstes Anliegen verfolgte, die Wiedervereinigung zu betreiben? Wir wissen ja, wie man das macht. Da braucht man noch gar keine militärischen Aggressionen durchzuführen, nein, da beschließt man Volkserhebungen, und auf einmal sieht's so aus, als ob es die Sehnsucht, das Verlangen des ganzen deutschen Volkes wäre, endlich vom Kapitalismus befreit zu werden und zu den „friedliebenden demokratischen Völkern" zu kommen.
Das ist aber doch die Wahrheit, das ist doch die Geschichte, so wie sie sich in den letzten zehn Jahren bei allen Satellitenstaaten dargestellt hat.
Wenn das nicht Geschichte, wenn das nicht reale Wirklichkeit ist,
dann möchte ich fragen, was in Deutschland noch alles passieren muß, bis Sie das endlich glauben!
Dieses Deutschland wäre zugleich ein wirtschaftliches Niemandsland.
Ich will jetzt einmal unsere Außenhandelsbeziehungen aufdecken. Ich möchte daran erinnern, daß es die viel kritisierten Amerikaner gewesen sind, die uns mit ihrer Marshallplan-Hilfe im Jahre 1948 erstmals die Möglichkeit gegeben haben, zu den Rohstoffen der Welt zu kommen,
und wir brauchen diese Rohstoffe, um überhaupt deutsche Menschen beschäftigen und ihnen Einkommen geben zu können.
In der Folgezeit haben wir es erreicht, aus eigener
Kraft einen Außenhandel mit einem Gesamtvolumen von rund 41 Milliarden DM — 19 Milliarden
Import und 22 Milliarden Export — aufzubauen.
Wir exportieren nicht, weil das eine noble Geste ist, sondern wir exportieren, weil es die einzige Form darstellt, um unsere Importe bezahlen zu können. Und unsere Importe brauchen wir, außer zur Sicherung unserer Ernährung, um Wolle und Baumwolle, Kupfer, Zink und Nickel, Kautschuk, Öle und Fette und Häute und Leder und was auch immer einkaufen zu können. Denn es gibt in Deutschland, in diesem rohstoffarmen Land, kaum einen Arbeitsplatz, der nicht der Untermauerung mit ausländischen Rohstoffen bedürfte.
Von diesem unserem Außenhandelsvolumen, der Lebensgrundlage unseres Volkes, kommen 97 % auf die freie Welt, während die sowjetischen Ostblockstaaten insgesamt in Import und Export nur mit je 3 % beteiligt sind.
Man mag sagen, in einer veränderten politischen Konstellation ließe sich der Satz erhöhen. Das ist zweifellos richtig. Aber unter gar keinen Umständen höher als auf 10 %, und das ist schon mehr als optimistisch; denn in diesen Satellitenstaaten gibt es ja nicht mehr Konsumenten im westlichen Sinne — die verkommen ja —; das einzige, was die von uns kaufen wollten, wären Produktionsmittel und Rüstungsgüter, und es kann ganz bestimmt kein Ziel der deutschen Handelspolitik sein, das militärische Potential dieser Länder zu verstärken.