Rede von
Dr.
Ludwig
Erhard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Am Schluß!
Das, was wir brauchen, ist die Fortdauer der gesamtwirtschaftlichen Expansion. Wir wissen doch ganz genau, das Schicksal der Bundesrepublik, auch das politische und soziale Schicksal des deutschen Volkes ist davon abhängig, daß wir in einer guten Entwicklung bleiben. Es ist doch nicht so, daß wir
wegen der sogenannten Rüstungskonjunktur zuversichtlich sind, daß durch sie die gute wirtschaftliche und soziale Lage unseres Volkes gesichert bleibt; nein: trotz der Rüstungsaufwendungen sind wir der Meinung, es schaffen zu können.
Wenn Sie bedenken, was von dieser deutschen Volkswirtschaft seit dem Jahre 1945 oder, noch deutlicher, seit dem Jahre 1948 an Belastungen verkraftet worden ist, dann, glaube ich, könnten wir auch den Mut und die Zuversicht hegen, auch mit dieser neuen Aufgabe fertig zu werden. Wenn Sie bedenken, wie es noch im Jahre 1948 in Deutschland ausgesehen hat, wie da alles noch darniederlag — denken Sie an die Anfänge im Frankfurter Wirtschaftsrat, wie seinerzeit das deutsche Volk fast hoffnungslos verhungert, verkommen und verelendet war —, und bedenken Sie dann, was alles wir in der Zwischenzeit neben dem Aufbau der Wirtschaft, an Mehrung der sozialen Leistungen, neben den Fortschritten im Außenhandel zuwege gebracht haben, daß wir 50 Millionen Menschen in freier Konsumwahl wieder ein gutes und würdiges Dasein sichern konnten, dann werden Sie doch zugeben müssen, daß wir auch mit der Aufgabe fertig werden können, in einigen Jahren für einige hunderttausend Soldaten das zu beschaffen, was sie eben brauchen.
Das steht doch überhaupt in gar keiner Größenordnung! Hier kommt es auf die Entsprechungen an. Es gibt selbstverständlich eine Belastung der Volkswirtschaft, die das soziale Gefüge und die wirtschaftliche Entwicklung gefährden müßte, aber die liegt in Deutschland nicht bei 9 Milliarden, die liegt nicht bei Größenordnungen, wie sie bei NATO angewendet werden und auch für uns Geltung erlangen wird.
Glauben Sie denn, daß wir so verrückt sind — und den gleichen guten Verstand setze ich auch bei den andern europäischen Ländern voraus —, daß wir geneigt wären, unsere Aufwendungen für die Rüstung so weit zu steigern, daß ihr eigentlicher Zweck, nämlich Schutz gegen den Kommunismus vom Osten her zu bieten, dadurch gegenstandslos werden würde, daß dann mit dem sozialen Verfall der Kommunismus von innen heraus groß werden würde?!
Dann kritisiert Herr Kreyssig, daß wir keine sozialpolitische Konzeption haben und das, was wir bisher getan haben, kläglich gewesen ist. Nun, meine Damen und Herren, ich 'begreife nicht, wie jemand, der die Verhandlungen hier in diesem Bundestag bewußt miterlebt und somit erfahren hat, wie wir um soziale Verbesserungen gerungen haben,
und zwar auf allen Gebieten, und wie wir in Deutschland auf der Ebene von Bund, Ländern und Gemeinden heute zu Sozialausgaben von rund 20 Milliarden DM gekommen sind, von einem kümmerlichen Erfolg oder von keinem Erfolg sprechen kann.
Daß Herr Kreyssig der Meinung ist, ich hätte keine wirtschaftspolitische Konzeption, das kann mich nicht rühren. Nein, im Gegenteil, ich bin ängstlich bedacht, nur ja nicht zu nahe an eine etwaige wirtschaftspolitische Konzeption von Herrn Kreyssig heranzukommen.
Denn immerhin, diese meine Wirtschaftspolitik brauche ich heute nicht mehr zu verteidigen. Das deutsche Volk weiß ganz genau, was sie wert ist, und mit dem deutschen Volk weiß es auch die ganze freie Welt.
Jedenfalls, wenn wir Ihren Empfehlungen gefolgt wären, Herr Dr. Kreyssig, dann brauchten wir uns heute nicht über Rüstungsaufwendungen zu unterhalten; nicht, weil es nicht notwendig wäre, sondern weil die deutsche Volkswirtschaft dann ganz bestimmt nicht in der Lage wäre, solche zu erbringen.
Im übrigen, meine Damen und Herren, zu welcher Verblendung das führen kann, mag Ihnen — jetzt wird einmal Herr Kreyssig aus der Haftung entlassen —
eine Aussage von Herrn Dr. Agartz zeigen. Herr Dr. Agartz behauptete z. B.: „Die sogenannte russische Gefahr, von der wir sprechen, droht nicht etwa in Form eines Angriffs, nein, die Gefahr liegt auf sozialem Gebiet und ist in dem höheren Lebensstandard dieser östlichen Länder zu suchen."
Und er sagt: „Die Produktion der Grundstoffindustrie — —"
— Sie können es nachlesen: „Die Produktion der Grundstoffindustrie — —"
— Ich lasse es nächstens verteilen. — „Die Produktion der Grundstoffindustrie ist in Sowjetrußland so stark gestiegen, daß sie die 'der westlichen Länder übertrifft."