Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zuerst Ihnen, Herr Kollege Gülich, sagen, wie sehr ich es bedaure, auf Ihre noblen Ausführungen nicht antworten zu können. Aber Herr Kreyssig hat mich nachträglich zu stark beschäftigt. Nicht daß er mich bewegt hätte! Nein, die zärtlichen Gefühle, die Herr Kreyssig mir gegenüber hegt, sind bekannt genug. Ich brauche von den meinen nicht zu sprechen.
Immerhin ist dazu einiges zu sagen. Herr Kreyssig hat z. B. den Mut gehabt — und, nebenbei bemerkt, die Geschmacklosigkeit —, von dem „Herrn Meier" zu sprechen. Wenn es hier einen Herrn Meier gibt, dann sind Sie's, Herr Kreyssig!
Denn was Sie sich seit 1948 an Prognosen und an düsteren Prophezeiungen und Aussagen geleistet haben, das geht auf keine Kuhhaut.
Wenn Sie sagen: „Es wird etwas schiefgehen" oder „Die Währung ist gefährdet" oder „Die soziale Ordnung gerät in Gefahr", dann kann das für das deutsche Volk fast ein Garantieschein sein, daß alles gutgehen wird.
Ich kann zu Ihnen nur sagen: Jeder blamiert sich, so gut er kann, und ich bewundere nur Ihren Mut, daß Sie überhaupt noch über Wirtschaftspolitik zu sprechen wagen.
Aber da ja hier das deutsche Volk auch mithört, ist es geradezu eine nationale Pflicht, das laut auszusprechen; denn wenn da bloß 10 % von dem geglaubt werden würde, was Sie heute hier ausführten, dann müßte das arme deutsche Volk in Drang-
I sal, Not und Unruhe gestürzt werden; und dazu hat es keine Veranlassung.
Ich will gar nicht eingehen auf all die mehr technischen Fragen der Rüstungskontrolle, der Dekartellisierung, der Verpflichtung, an das Ausland zu verkaufen, die sogenannten Verkaufsauflagen, und die schweren Belastungen, die noch auf der deutschen Volkswirtschaft ruhen. Schauen Sie doch diese deutsche Volkswirtschaft einmal an, wie sie 1945 ausgesehen hat, was darauf gelastet hat und wie sie heute aussieht.
Denken Sie daran, wie wir angefangen haben, zum Beispiel zu den ersten leichten Befreiungen im Schiffsbau kamen. Heute stehen wir hier an zweiter Stelle, heute produzieren wir 18 Millionen t Stahl, und wenn wir die Freiheit zurückgewonnen haben, wenden wir auch noch den Rest auflösen.
Aber das ist nicht das Interessante. Ich komme jetzt zu dem .entscheidenden Thema: Was bedeuten die Aufwendungen für die Verteidigung, unid sind die wirklich so gefährlich, daß damit unsere Wirtschaft gehemmt, unsere soziale Ordnung gestört, der Lebensstandard wie die wirtschaftliche Entwicklung gefährdet wird? Meine Damen und Herren, Sie können sagen, was Sie wollen, und polemisieren, soviel Sie wollen, — die Bundesregierung ist im Recht und kann es beweisen. Sie hat 9 Milliarden für die Rüstung eingesetzt, nicht einen Pfennig mehr und nicht einen Pfennig weniger. Wenn das Verfahren zur Anwendung kommt, von dem auch Herr Kollege Schäffer gesprochen hat, wenn also die deutsche Leistung in Übereinstimmung mit allen anderen Ländern der NATO in einem gewissen Prozentsatz des Sozialprodukts ausgedrückt wird, dann können diese 9 Milliarden, in Mark und Pfennig ausgedrückt, zwar auch mehr werden, und nichts anderes habe ich behauptet. Aber immer werden sie in der richtigen, das heißt tragbaren Entsprechung zu der gesamten volkswirtschaftlichen Leistung, zu der Höhe des Sozialprodukts, zu der Höhe des Volkseinkommens stehen und niemals so weit gehen, daß die von Ihnen ausgestreuten Befürchtungen Wirklichkeit werden können.
Meine Damen und Herren! Wenn im vergangenen Jahr 9 Milliarden für Besatzungskosten eingesetzt waren — wenn davon auch nur 7,2 Milliarden effektiv verausgabt und 1,8 Milliarden auf den außerordentlichen Haushalt übertragen wurden —, dann bedeuteten diese 9 Milliarden zweifellos eine Belastung, ein Opfer für das deutsche Volk. Genau so war es in den zurückliegenden Jahren auch. Ich habe aber noch keinen Menschen in Deutschland getroffen, und ich habe es auch aus Ihrem Lager noch nicht gehört, daß diese Besatzungskostenleistungen uns gehindert hätten, die deutsche Volkswirtschaft aufzubauen, sie immer produktiver und ergiebiger werden zu lassen, unseren Außenhandel zu fördern, in der Welt immer wettbewerbsfähiger zu werden, im Wohnungsbau unsere Pflicht zu erfüllen, das deutsche Volkseinkommen zu verbessern und den Lebensstandard zu erhöhen. Das hat niemand behaupten können, weil wir das Gegenteil praktisch demonstriert haben.
Ich weiß nicht, was diese Umschaltung, diese Umgruppierung von Besatzungskosten zu Verteidigungskosten an andersartigen Wirkungen auslösen könnte. Das ist praktisch Jacke wie Hose, mindestens was die Belastung für den einzelnen Staatsbürger ausmacht.
Meine Damen und Herren! Wer bezahlt nun das andere, den Rest? Hier ist wiederholt erklärt worden, daß von seiten der amerikanischen Regierung feierliche Zusicherungen in bezug auf eine amerikanische Hilfe vorliegen, und wenn Sie die Größenordnung der amerikanischen Hilfe im ganzen kennen, so wie sie in dem dortigen Haushalt schon seit Jahren ausgewiesen wird — denn das zieht sich wie ein roter Faden durch die Politik der Vereinigten Staaten —, dann kann niemand mit einiger Berechtigung behaupten, daß Amerika vielleicht gar nicht in der Lage wäre, uns diese Hilfe angedeihen zu lassen. Ich glaube, daß angesichts der Notwendigkeit, dieses freie Europa zu verteidigen, und des Anteils, den wir daran nehmen sollen, weil eben Europa zusammengefaßt werden muß, um wirksamen Schutz zu finden, man die deutschen Divisionen nicht verkümmern lassen, sondern gerade auch aus amerikanischer Seite besorgt sein wird, diese europäische Bastion so stark wie möglich werden zu lassen.
Herr Ollenhauer hat in Dortmund behauptet, und hier ist etwas Ähnliches angeklungen, als Herr Kreyssig von „wissentlich" oder „geflissentlich" gesprochen hat, daß die Bundesregierung dem deutschen Volke sozusagen vorgaukeln möchte, in den nächsten drei Jahren würden nur insgesamt rund 30 Milliarden DM Aufwendungen für die Verteidigung erforderlich werden, in Wirklichkeit aber — so sagte Herr Ollenhauer — würde das deutsche Volk mit 90 Milliarden belastet werden. Jetzt möchte ich fragen, auf Grund welcher konkreten Unterlagen und welchen Beweismaterials Herr Ollenhauer zu einer solchen Aussage berechtigt war.
— Der Bundeskanzler, der Finanzminister und ich sagten Ihnen hier wiederholt: Wir werden keine größeren Verpflichtungen auf uns nehmen, und wir können von keiner Seite zu einer größeren Verpflichtung gezwungen werden, als wir freiwillig übernehmen und als Sie vor allen Dingen durch Ihre Zustimmung bewilligen wollen.
— Dann lassen Sie das doch die Amerikaner bezahlen!
Meine Damen und Herren, ich habe behauptet, und ich stehe dazu, daß die Belastungen, die wir auf uns nehmen, preis- und währungspolitisch völlig neutral sind und keine gefährlichen Wirkungen auslösen können, und ich will Ihnen auch sagen, warum das so ist. Sicher, Herr Kollege Gülich, — wenn man Methoden der Vergangenheit zur Anwendung bringen wollte, wie Mefo-Wechsel und ähnliche Scherze mehr, dann wären Ihre Bedenken zweifellos am Platze. Aber ich glaube, niemand kann gerade die Bundesregierung auf Grund ihrer bewährten Po-
litik etwa verdächtigen, nun etwa eine Politik einleiten zu wollen, die unsere Währung gefährden könnte; denn das Gegenteil haben wir getan. Die Deutsche Mark ist immer härter geworden, sie genießt immer mehr Ansehen und Geltung in der Welt. Deshalb möchte ich auch gleich am Anfang Ihre verdächtigenden Äußerungen hinsichtlich der Stabilität der Deutschen Mark hier vor der deutschen Öffentlichkeit ins rechte Licht rücken.
Warum müssen die Rüstungsaufwendungen preis- und währungspolitisch neutral bleiben? Weil sie im ordentlichen Haushalt eingesetzt sind, weil sie volkswirtschaftlich eine völlig neutrale Kaufkraftübertragung von privater Hand in die Hand des Staates bedeuten, weil hier keine zusätzliche Geld- und Kreditschöpfung vorliegt, sondern nur ein neutraler Wechsel von Kaufkraftbesitz.
Aus diesem Grunde ist es völlig ausgeschlossen, daß solche gefährliche Wirkungen eintreten. Es ist um so mehr ausgeschlossen, als uns heute die Märkte der Welt offenstehen und wir, selbst wenn sich im Innern aus spekulativen Erwägungen gefährliche Tendenzen zeigen sollten, wir sofort die Ventile ziehen können, um Störungen zu beseitigen.