Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure es, daß in der Reihenfolge der Rednerliste mir erst jetzt die Gelegenheit gegeben ist, auf die Ausführungen zurückzukommen, die Herr Professor Gülich und anschließend der Herr Bundesfinanzminister hier gemacht haben. Ich erkläre im voraus, daß ich aus meiner inneren Überzeugung heraus der Meinung bin, daß wir uns an der Verteidigung der freien Welt unter allen Umständen beteiligen müssen. Wenn ich diese Erklärung vorausschicke, so muß ich aber doch wenigstens wünschen, daß alle, die mit mir gleicher Meinung sind, sich sehr eingehend mit den Ausführungen beschäftigt hätten, die Herr Professor Gülich hier gemacht hat. Sie sind notwendig, und es ist doch eigentlich unsere dringende Pflicht, uns mit diesen Dingen besonders ernst zu beschäftigen, denn diese Ausführungen waren von einem großen Grad von Sachlichkeit getragen, und ich erkläre Ihnen, Herr Professor Gülich, daß meine
Fraktion gestern den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers keinen Beifall geklatscht hat.
In dem Bulletin, das Sie, Herr Professor Gülich, erwähnt haben, hat ein Beamter des Bundesfinanzministeriums die Gedanken, die ich selber hatte, in die Form gekleidet: Ein ordentlicher Kaufmann, der ein Geschäft eröffnen will, wird vorher sorgfältig kalkulieren, wieviel Mittel er dazu braucht, um nachträglich keine unangenehmen Überraschungen erleben zu müssen. Das steht wörtlich im Bulletin der Bundesregierung, ist also anscheinend auch die Ansicht der Bundesregierung. Wir wollen ordentliche Kaufleute sein und müssen uns die Frage vorlegen: Hat uns die Bundesregierung die Unterlagen gegeben, die wir brauchen, um dieser Pflicht, die uns vom deutschen Volk auferlegt worden ist, zu genügen? Diese Frage muß ich leider mit einem glatten Nein beantworten.
Wir haben in den Ausschußberatungen immer wieder die Forderung gestellt, daß wir darüber in dem Rahmen und in dem Umfang Auskünfte erhalten, die wir benötigen, um uns das erforderliche klare Bild machen zu können. Man hat uns zunächst entgegengehalten, daß es noch nicht möglich gewesen sei, darüber genügend Unterlagen zu schaffen. Herr Professor Gülich hat ja schon einige Anmerkungen dazu gemacht. Auch ich muß außerordentlich bezweifeln, daß das Amt Blank es in dieser langen Zeit, in der es tätig geworden ist, nicht hätte fertigbringen können, darüber wenigstens eine globale Zusammenstellung zu machen.
In der deutschen Wehrmacht waren ja die Stärkenachweisungen beinahe berüchtigt, denn sie gingen bis in die kleinsten Einzelheiten. Das hätten wir hier in diesem Fall gar nicht gefordert, sondern wir hätten nur eine Endsumme hören mögen.
Als zweiter Einwand ist der gebracht worden, daß man eine solche Zahl aus Gründen der Geheimhaltungspflicht, aus Gründen der Vertraulichkeit nicht nennen könne. Auch diesen Einwand kann ich nicht gelten lassen. Wir fordern ja nichts als die eine globale Zahl. Es handelt sich dabei dann nicht um den Verrat irgendeines Geheimnisses. Die Sachverständigen in den andern Ländern, insbesondere in dem Land, gegen das wir uns ja gegen Verrat schützen müßten, nämlich der Sowjetunion, werden diese Rechnungen für sich selber aufgemacht haben. Sie werden es ihren Völkern sicherlich nicht sagen; aber die Sachverständigen kennen sie. Und wenn wir hier eine Zahl als geschätzte, ungefähre Globalzahl genannt bekämen, dann wäre damit keine Gefahr für unser Verteidigungssystem entstanden, das wir gegen den Osten aufbauen wollen.
Wir müssen uns leider mit der Tatsache begnügen, daß wir diese Zahl nicht erfahren. Die größte Fraktion dieses Hauses hat durch den Beifall, den sie, gestern dem Herrn Bundesfinanzminister so — wie hatten Sie gesagt? aber das Wort ist ja beanstandet worden — gezollt hat, sich also damit abgefunden, daß wir ohne diese amtliche Zahl bleiben.
Im Gegensatz zu den Beratungen in den Ausschüssen ist nun heute — und deswegen sind die Ausführungen von Herrn Professor Gülich so bedeutungsvoll gewesen — zum erstenmal eine Zahl genannt worden.
Es ist eine geschätzte Zahl, aber ich muß mit ihm doch der Ansicht sein: Wer ist denn zuständig für die Nennung einer Zahl? Derjenige, der unterrichtet sein will und muß, oder derjenige, der unterrichten muß?
Auch der Herr Bundesfinanzminister gibt zu, daß wir mit den Mitteln, die wir in den Bundeshaushalt eingesetzt haben und, wie er vorschlägt, künftig einsetzen werden, die Rüstungsaufgaben nicht erfüllen können, wenigstens nicht kurzfristig erfüllen können, die wir uns gestellt haben. Er sagt, und die Bundesregierung im allgemeinen sagt, daß das Fehlende von den Amerikanern geleistet werden wird. Auch darüber erhalten wir keine klaren und eindeutigen Angaben. Es scheint festzustehen, daß man uns von seiten der Amerikaner die Erstausstattung mit schweren Waffen für einige Divisionen geben wird, vielleicht leihen, vielleicht schenken, ich weiß es nicht. Das sind wieder unklare Dinge. Dabei müssen wir die Forderung erheben, daß das, was uns von den Amerikanern dann gegeben wird, Waffen in der gleichen Art und Güte sind wie die, mit denen die Truppen ausgerüstet sind, die sich augenblicklich in Deutschland befinden. Ich hoffe, daß diese Forderung, die selbstverständlich ist, von der Bundesregierung auch durchgesetzt wird.
— Der Einwand mit dem geschenkten Gaul, Herr Kollege Hansen, ist nicht ganz richtig. Denn hier bleibt es nicht beim Schenken allein, sondern in dem Schenken liegt auch eine Absicht und ein Ziel. Wenn die Amerikaner uns etwas schenken, dann schenken sie sich das gewissermaßen auch selber wieder; denn uns mit schlechten Waffen auszurüsten, läge auch nicht in ihrem Interesse. Insofern trifft dieses Sprichwort nicht zu.
Wir bedauern ebenso wie die Opposition diesen Mangel an Auskunftserteilung. Wir ziehen allerdings nicht dieselben Konsequenzen.
Der Herr Finanzminister hat gestern gesagt, daß die Entscheidung über die Höhe der jährlichen Aufwendungen bei dem deutschen Parlament liegt. Herr Professor Gülich hat das bestritten. Ich bin da nicht der gleichen Ansicht wie er.
— Sie liegt formal bei uns; das haben Sie noch nicht einmal bestritten. Ich spreche auch nicht über das Formale, ich spreche über das Tatsächliche. Sie liegt tatsächlich bei dem deutschen Parlament, vorausgesetzt, daß dieses deutsche Parlament — und ich wende mich an den Teil des Parlaments, der die Entscheidung zu treffen hat — auch fest gewillt ist, diese Entscheidung in dem Sinne zu treffen, in dem hier von der deutschen Bundesregierung der Ablauf der Dinge dargestellt wird. Insofern liegt die Entscheidung bei dem deutschen Parlament. Es wurde darauf hingewiesen, daß für den Beschluß über die Höhe des Verteidigungsbeitrages innerhalb der NATO Einstimmigkeit notwendig ist. Sie haben gesagt, daß der Vertreter, den wir dorthin schicken, vielleicht nicht der geeignete sein könnte. Gut, aber das wird vielleicht von der Bundesregierung anders gehandhabt werden können.
Ich möchte einen Einwand hinzufügen. In diesem Gremium sitzen Länder, die sich in schwierigerer Wirtschaftslage befinden als wir und die mit uns immer bestrebt sein werden, den Beitrag niedrig zu halten. Darin sehe ich die Gefahr nicht. Ich behaupte also mit der Bundesregierung, mit dem Herrn Bundesfinanzminister, daß die Entscheidung bei uns, bei dem Parlament liegt. Und das ist der Sinn meiner Ausführungen: uns völlig klarzumachen, vor welche Verantwortung wir gestellt sind.
Wir müssen uns bei dieser Entscheidung darüber klar sein, daß wir an der inneren Stärke unserer Bundesrepublik nicht rühren und rütteln dürfen. Wir dürfen das, was wir wirtschaftlich und sozial erreicht haben, nicht schmälern. Denn wenn wir dazu kämen, dann würden auch die zwölf Divisionen keine entsprechende Gegenleistung darstellen.