Ich glaube aber, daß man die Einstellung zur sozialen Marktwirtschaft nicht mit den Diskussionsbeiträgen zu einem Gesetz motivieren kann, das im 1. Bundestag hier besprochen worden ist. Ich glaube, daß in der Öffentlichkeit über die Auffassungen der SPD-Fraktion zu unserer wirtschaftlichen Organisationsform hinreichend Einhelligkeit besteht; und darauf zielte ich ab.
Nun, meine Damen und Herren, in diesen Verträgen, die wir zu beschließen haben, ist das Beschaffungswesen in seinem ganzen Umfang im Gegensatz zu der alten Form heute eine nationale Angelegenheit; und es ist unsere Verantwortung - ich glaube, das darf man doch, die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers erhärtend, sagen —, unsere Verantwortung in diesem Parlament, auch die haushaltsrechtliche Seite, die sich für uns hier stellt, zu beschließen; daran ist wohl nicht zu zweifein.
Es gibt auch, das ist hier erwähnt worden, keinen Zwang, uns an die Empfehlungen der NATO zu halten. Das ist unsere eigene Verantwortung. Diese bindende Empfehlung der NATO bindet in der Tat zunächst nur die Regierung.
Über die Beschaffungstechnik ist in den letzten Monaten vom Bundeswirtschaftsminister eine Erklärung abgegeben worden, die der Öffentlichkeit bekanntgeworden ist und die, so glaube ich, eine gewisse Beruhigung ausgelöst hat; nämlich das sind seine Leitsätze, die er gemeinsam mit der Dienststelle Blank ausgearbeitet hat und die erkennen lassen, daß die Bundesregierung beabsichtigt, auf dem gesamten Gebiete der Beschaffung die Grundsätze unserer Wirtschaftsordnung nicht anzutasten. Meine Damen und Herren, das ist selbstverständlich so. Ich habe das von der Bundesregierung nie anders erwartet, da wir Gesetzgebungswerke ausschließlich für den Frieden abzuschließen gedenken.
Nun, meine Damen und Herren, es sind Größenordnungen genannt worden, die auf uns zukommen, die von der einen Seite bestritten, von der andern wieder verteidigt werden. Sie sind in Relation zu der Entwicklung des Volkseinkommens gesetzt worden. Ich will hier auf Einzelheiten nicht eingehen, weil das mein Kollege Dr. Atzenroth in ausführlicher Form tun wird. Wir dürfen aber ganz allgemein hier dem Bundeswirtschaftsminister ein gewisses Maß an Vertrauen schenken, und nicht nur ein gewisses Maß an Vertrauen schenken, sondern auch eine Hoffnung in seinen Optimismus setzen; denn dieser Optimismus, sein optimistisches Lächeln — er ist leider jetzt nicht da, sonst würden Sie es noch einmal sehen können — ist in der Entwicklung der Volkswirtschaft natürlich ein nicht wegzudiskutierender Tatbestand. Auch solche psychologischen Momente haben ganz erhebliche Bedeutung, und ich glaube, daß die Vergangenheit es doch bewiesen hat.
— Nein, nein, natürlich nicht! Das ist so scharmant, heute noch, das Lächeln, daß keine Abnutzung festzustellen ist. Ich glaube auch, daß vor allem die Vergangenheit bewiesen hat, daß der Optimismus des Wirtschaftsministers doch berechtigt gewesen ist und daß die viel pessimistischeren Ausführun-
gen, die von Ihnen hier, meine Herren, gekommen sind, die Dinge meist nicht ganz getroffen haben. Das gilt z. B. auch für das Ansteigen des Sozialprodukts, das in der EVG-Debatte von meinem Freund Dr. Schöne noch etwas skeptisch beurteilt wurde. Die damals hier genannten Prozentzahlen von etwa 4 % im Jahre sind sehr kritisch betrachtet worden, wohingegen wir heute feststellen, daß in der Tat im letzten Jahre das Anwachsen zwischen 8 und 9 % betragen hat. Natürlich war damals die Situation auch in der Vorausschau eine ganz andere als heute, ganz ohne Zweifel.
— Richtig, Sie haben damals auch dazu gesagt: Bei der Regierung hat sich inzwischen der Optimismus vielleicht nach diesen Zahlen etwas gelegt.
In diesem Zusammenhang ist es doch wichtig, ein Thema nur ganz kurz anzusprechen, das uns in der Diskussion der letzten Wochen schon etwas beunruhigt hat, nämlich das Preisgefüge, die Sorge, daß eine Überhitzung in der Konjunktur auf uns zukommen könnte, und die Vorstellung des Bundeswirtschaftsministers, sich etwas mehr Mittel der Wirtschaftspolitik an die Hand geben zu lassen, als er sie bisher hat. Ich glaube, wir können seinen Vorschlägen, sich gewisse Ermächtigungen geben zu lassen, durchaus positiv gegenüberstehen; denn schon die Gespräche um die Schaffung einer Wehrmacht haben gewisse psychologische Auswirkungen, denen man in der Tat begegnen muß, und wir freuen uns, daß beim Wirtschaftsminister der feste Wille besteht, das zu tun. Denn eins ist doch wohl sicher: Den Typus eines Rüstungsgewinnlers darf es bei uns auf keinen Fall geben.
Dafür, daß es den nicht gibt, bietet, glaube ich, auch die Einstellung unseres Bundeswirtschaftsministers eine Garantie. Aber wir müssen ihm in der Tat die Mittel dazu an die Hand geben. Ich weiß mich in diesem Wunsch des Wirtschaftsministers auch, so glaube ich, mit den Herren aus der Oppositionspartei einig.
Ich darf in dem Zusammenhang vielleicht — mein Kollege Dr. Gülich hat es eben schon einmal getan — einen Mann unseres Hauses zitieren, dessen Sachverstand auf diesen Gebieten jeder von uns anerkennt: es ist unser Kollege Dr. Pferdmenges. Ich glaube, das, was er zu dem Problem gesagt hat, drückt treffend aus, was wir meinen. Er hat am 22. Dezember gesagt — ich hoffe, daß ich Ihr Einverständnis habe, Herr Kollege Dr. Pferdmenges —:
Auch ich bin davon überzeugt, 'daß wir bei allseitig gutem Willen, bei rechtzeitiger Vorbereitung und überlegter Durchführung auch diese Aufgaben ohne Beeinträchtigung unserer übrigen wirtschaftspolitischen Zielsetzung, der weiteren Hebung des Lebensstandards, der zunehmenden Beseitigung des Wohnungsmangels usw. bewältigen können. Ich weiß
— so sagt er weiter —
als praktischer Wirtschaftler, daß das Endziel sinnvollen Wirtschaftens die Erhöhung des Verbrauchs sein muß.
Sie sehen, wie einig Sie hier im Hause sind, meine Herren!
Legen wir die Entscheidung über das Gesamtmaß der zusätzlichen Verteidigungsausgaben und die Abstimmung der Aufträge mit den Bedürfnissen unseres zivilen Lebens in die Hand von einsichtigen Wirtschaftlern und nicht von Militärs, dann erledigen sich gefährliche Vorstellungen oder gar Psychosen über das Ausmaß der auf uns zukommenden Rüstungsaufgaben und ihrer gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen ganz von selbst.
Meine Damen und Herren, das ist genau die Auffassung, die meine Fraktion in diesen Fragen vertritt.
In den neuen Verträgen ist die Frage der Rüstungskontrolle anders geregelt als bisher; ich will mal sagen: sie ist auch ehrlicher geregelt als bisher. Im alten Vertrag z. B. ist doch unsere Beschränkung ,auf gewissen Gebieten der Rüstungsproduktion auf einem Umweg erzielt worden: durch die sogenannte Pulverlinie; Sie wissen das: dadurch, daß man ganz allgemein sagte: es dürfen diese und jene Dinge nicht hergestellt werden, dadurch, daß man überhaupt die Produktion gewisser Güter von vielen Bedingungen abhängig machte. Heute ist das klar, offen und ehrlich ausgesprochen. Jeder weiß, wir verzichten von uns aus auf die Herstellung gewisser Waffen, nämlich der ABC-Waffen. Dieser Verzicht in Verbindung mit der Rüstungskontrolle birgt allerdings gewisse Gefahren in sich, auf die aufmerksam gemacht werden sollte. Die Einhaltung dieses Verzichtes muß nämlich kontrolliert werden. Das kann notwendigerweise nicht, wie bei den übrigen Waffen, im Depot — denn da liegt nichts —, sondern nur an der Produktionsstätte geschehen. Hier ergibt sich naturgemäß die Gefahr, daß über die Kontrolle des Verzichts auf die Herstellung gewisser Waffen, der sogenannten ABC-Waffen — atomarischer Waffen, bakteriologischer Waffen und chemischer Waffen —, für die Industrien, die bei uns ausschließlich auf dem Gebiet des zivilen Bedarfs tätig sind, sich also möglicherweise gewisse Gefahren einer milden Form — wenn ich das einmal so ausdrücken darf — der Wirtschaftsspionage auftun.
— Wirtschaftsspionage wird auch unter Freunden betrieben, Herr Kollege, das ist vollkommen klar. Ich möchte davor warnen und darum bitten, daß man bei der Schaffung des Statuts, das sich diese Rüstungskontrollbehörde ja geben muß, auf eine solche Gefahr hinweist und sie auf alle Fälle verhindert.
In dem gleichen Zusammenhang ist es notwendig, auf das Sicherheitsamt in Koblenz zu sprechen zu kommen, das wegen der Kopplung der Verträge, wie sie durch die französische Nationalversammlung beschlossen worden ist, noch immer besteht und so lange bestehen bleiben wird, bis die Verträge gemeinsam in Kraft treten. Es war ursprünglich einmal vorgesehen, für ein Übergangsstadium einen Viermächteausschuß zu schaffen, und wir hatten gehofft — durch einen Brief des Herrn Bundeskanzlers war auch in dieser Richtung vorgearbeitet worden —, daß dieser Viermächteausschuß die bisher unverändert gebliebenen Kontrollen des Sicherheitsamtes mildern werde. Nun, wir bekommen diesen Viermächteausschuß nicht, weil wir eben dieses Übergangsstadium nicht haben werden und die Verträge gemeinsam in Kraft treten, also das Besatzungsstatut nicht vorher aufgehoben wird. Daher halten wir es für dringend notwendig, daß jetzt schon von der Bundesregierung Verhandlungen aufgenommen werden mit dem Ziel, daß der praktische Effekt, der durch die Schaffung eines
Viermächteausschusses entstanden wäre, auch in der Praxis des noch bestehenden Sicherheitsamtes in Koblenz seinen Niederschlag findet. Wir müssen mit allen Mitteln darauf hinwirken, daß die Praxis dieses Sicherheitsamtes heute schon geändert wird.
Dabei darf, glaube ich, nicht unerwähnt bleiben, daß bei den sicher wieder aufzunehmenden Besprechungen über die Schaffung eines europäischen Rüstungspools nach den Vorschlägen des früheren französischen Ministerpräsidenten Mendès-France sorgsam darauf geachtet werden muß, daß Aufgaben, die früher bei diesem Sicherheitsamt in Koblenz gelegen haben und die wir weiß Gott nicht mehr sehen möchten, nicht auf dem Umweg über diesen Rüstungspool uns wieder vorgesetzt werden.
Ich habe aber nach den Unterhaltungen, die wir gemeinsam im Wirtschaftsausschuß mit dem Herrn Wirtschaftsminister hatten, den bestimmten Eindruck, daß solche Gefahren wohl durch die Verhandlungsführung des Wirtschaftsministers ausgeschlossen sind.
Meine Damen und Herren, ein weiteres Problem, das in diesen Verträgen auftaucht, sind die Fragen der Dekartellisierung, der Entflechtung und der Reparationen, wahrlich entscheidende Fragen, auch in der Größenordnung ihres Einflusses auf die Wirtschaftspolitik. Der Zweite Teil des sogenannten Übergangsvertrages, in dem diese Dinge enthalten sind, ist ja völlig weggefallen, d. h. der Teil, der sich mit Dekartellisierungsfragen befaßt. Theoretisch könnten wir also die alliierten Kartellgesetze, die noch bestehen, jetzt aufheben, d. h. nach Inkrafttreten der Verträge. Aber der Herr Bundeskanzler hat sich in einem Brief von sich aus bereit erklärt, das erst zu tun, wenn wir unser eigenes Kartellgesetz hier beschlossen haben. Wir werden also im Verfolg dieser Entwicklung an das Kartellgesetz herangehen müssen, und ich hoffe, daß mein Kollege Schöne sich dann daran erinnert, daß er die alliierten Kartellvorschriften, die im EVG-Vertrag noch drinwaren, wegen ihrer Schärfe erheblich bemängelt hat. Ich bin sicher, daß er so in der Diskussion über das zukünftige Kartellgesetz, das von unserem Hause geschaffen wird, zu einer vernünftigen Lösung wesentlich beitragen wird.
Art. 4 des Zweiten Teils, der die Entflechtung behandelt, ist abgeändert in der Liste IV des Protokolls wieder aufgetaucht. Er behandelt eine Frage, die von erheblicher Bedeutung für unseren Kapitalmarkt ist, nämlich die Frage der Verkaufsauflagen, die sich noch aus den Entflechtungsgesetzen ergeben und die nach dem Text der Liste IV als Restverpflichtungen aus den alliierten Gesetzen bestehenbleiben. Diese Verkaufsauflagen, die gewisse Eigentümer von Montanwerten in Deutschland verpflichten, ihr Eigentum zu verkaufen, haben schon seit Jahren erhebliche Verwirrung gestiftet. Sie bringen für den Kapitalmarkt sicherlich eine Schwierigkeit mit sich; denn die Größenordnung ist von einer solchen Bedeutung, daß es unmöglich ist, diesen Auflagen nachzukommen, ohne das Gefüge des Kapitalmarktes in empfindlicher Weise zu stören. Es sind Größenordnungen in Nominalwerten von 400 Millionen DM, und wenn Sie die augenblicklichen Kurswerte nehmen, kommen Sie an die Milliardengrenze heran. Sie können sich vorstellen, wie schwierig solche Pflichterfüllung nicht nur für diejenigen sein muß, die die Pflicht erfüllen wollen, sondern auf Grund der Störung des Kapitalmarks für uns alle.
Diese Forderung bringt ein weiteres Problem mit sich, nämlich das Problem der Überfremdung unserer Grundstoffindustrie, auf das in der Öffentlichkeit schon intensiv hingewiesen worden ist. Im Zusammenhang mit diesem Tatbestand haben wir die Erklärung, die der Herr Bundeskanzler am 20. Oktober 1954 abgegeben hat, die protokolliert worden ist und die auch unwidersprochen geblieben ist, begrüßt, wonach eine weitere Unterhaltung mit unseren Vertragspartnern über diesen Komplex in absehbarer Zeit in Aussicht gestellt worden ist, die solche unhaltbaren Entwicklungen vermeiden soll.
In dem Überleitungsvertrag spielt der Sechste Teil eine sehr, sehr dunkle Rolle, nämlich der Teil, der etwas aussagt über die Behandlung unseres Auslandsvermögens und über das Reparationsproblem. Ich will über den ersten Teil, über das Auslandsvermögen, hier nicht sprechen. Das wird mein Kollege Dr. Pfleiderer tun im Zusammenhang mit einer Entschließung, die er, ich glaube, im Einverständnis mit Mitgliedern aller Fraktionen hier vortragen und begründen wird. Ich meine aber, wir können den Vorwurf an die Regierung, den Sechsten Teil in der unveränderten Form übernommen zu haben, nicht von der Hand weisen. Dieser Teil ist von einer solchen Bedeutung, daß es der Regierung hätte möglich sein müssen, in immerhin zweieinhalb Jahren eine Änderung dieser Bestimmungen zu erreichen; denn so lange Zeit ist ja seit der EVG-Debatte verstrichen. Das Problem ist bereits einmal im Zusammenhang mit der Diskussion um das Londoner Schuldenabkommen hochgekommen. Damals hat Herr Kollege Dr. Pfleiderer eine Entschließung vorgebracht und im Zusammenhang damit darauf hingewiesen, daß es nun nach dem Abschluß-Schuldenabkommen möglich sein müsse, zu bilateralen Verhandlungen über unser Auslandsvermögen zu kommen.
Meine Damen und Herren, es ist von der Bundesregierung in dieser Frage — na, vorsichtig ausgedrückt: nicht viel geschehen. Ich glaube, aus gegebener Veranlassung sagen zu müssen: Einen Zusammenhang zwischen Auslandsvermögen und Reparationsproblem im allgemeinen zu konstruieren, ist doch wohl völlig abwegig, und ich glaube, von solchen Zwangsvorstellungen dürfen wir uns in unserer Haltung nach außen hin auf gar keinen Fall beeinflussen lassen.
— Natürlich, das ist klar.
Nun, in Art. 3 dieses Sechsten Teiles hat ja die Bundesregierung ihrerseits Zusagen an unsere Vertragspartner gemacht. Diese Zusagen legen uns die Pflicht auf — das ist in Art. 5 ausgedrückt —, diejenigen Bürger unserer Bundesrepublik, die für uns durch Demontagen und andere Reparationsleistungen eine Vorleistung gegeben haben, durch eine Entschädigung zu befriedigen.
Ich glaube, es ist nötig, in diesem Zusammenhang doch einmal ganz deutlich zum Ausdruck zu bringen, daß dieses Problem ein Rechtsproblem ist und daß man es auch als Rechtsfrage sehen muß. Es ist das gleiche Problem, wie es auch bei den 131ern im Zusammenhang mit der Schaffung einer neuen Wehrmacht auftaucht. Wie will ich denn hier in diesem Bundestag in der Zukunft Wirtschaftssicherungsgesetze, Leistungsgesetze und ähnliches disku-
tieren, wenn ich die offenen Rechtsprobleme der Vergangenheit nicht bereinigt habe, und zwar bereinigt habe auf dem Boden des Rechts! Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß z. B. das italienische Parlament vor einiger Zeit ein Gesetz beschlossen hat, das diese Fragen in vollem Umfange regelt, und ich darf Ihnen vielleicht einiges aus den Debatten um das Gesetz im italienischen Parlament vortragen. Die Grundlage war genau die gleiche wie bei und Im Friedensvertrag der Italiener mit den gleichen Partnern steht in Art. 74 Abs. E:
Die italienische Regierung verpflichtet sich, jede natürliche oder juristische Person, deren Vermögenswerte in Anwendung der Bestimmungen dieses Artikels über Reparationen beschlagnahmt wurden, zu entschädigen.
Der parallele Passus unseres eigenen Gesetzes, das wir jetzt besprechen, ist der Art. 5 des Sechsten Teils des Überleitungsvertrages, der heißt:
Die Bundesrepublik wird Vorsorge treffen, daß die früheren Eigentümer der Werte, die auf Grund der in Artikel 2 und 3 dieses Teiles bezeichneten Maßnahmen beschlagnahmt worden sind, entschädigt werden.
Das ist genau das gleiche. Auf Grund dieses Anspruchs ist in der italienischen gesetzgebenden Körperschaft ein Gesetz beschlossen worden, nach welchem diesen Personen — natürlichen und juristischen Personen, das ist sehr wichtig — auf Grund von Einzelschätzungen, denen der Tageswert im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Friedensvertrages zugrunde liegt, eine Entschädigung gewährt wird. Diese Entschädigung erfolgt in bar — ich darf Ihnen auch diese Zahl nennen — bis zur Höhe von 5 Millionen Lire; für den Restbetrag werden Staatsschuldverschreibungen einer 5%igen, im Zeitraum von 20 Jahren tilgbaren Sonderanleihe ausgegeben.
Meine Damen und Herren, ich trage Ihnen das vor, weil ich mit allem Nachdruck darauf hinweisen möchte, daß diese Fragen, die uns durch den Überleitungsvertrag aufgegeben sind, Rechtsfragen sind und daß wir uns hüten sollten, sie mit „sozialer Indikation" anzugehen; das ist hier fehl am Platze.
Nun komme ich schließlich zu einem Problem, das durch ein südlich wohnendes befreundetes Volk und seine Fremdarbeiter hier eine gewisse Rolle gespielt hat, nämlich zu dem Problem des Arbeitsmarktes. Ich muß Ihnen gestehen: ich persönlich habe bei der Wertung aller wirtschaftlichen Folgen dieser Vertragswerke am allergeringsten Sorge, was den Arbeitsmarkt angeht, und zwar nicht etwa aus einem Gefühl heraus, sondern aus der Erwägung nüchterner Tatsachen und Zahlen heraus. Die Anforderungen, die auf uns zukommen, sind 500 000 Soldaten, die permanent im Dienst sein und unserm Arbeitsmarkt entzogen sein werden, und eine nicht näher zu fixierende Zahl von Kräften, die für diese neue Wehrmacht irgendwie tätig sein müssen. Aber daß diese Zahl nicht unbegrenzt ist, sondern in einer gewissen Relation zur Größe unserer Wehrmacht steht, ist wohl klar.
Was steht dem gegenüber, wenn man erschwerend bedenkt, daß unsere geburtenschwachen Jahrgänge in der nächsten Zeit das Problem vielleicht zunächst noch gravierender erscheinen lassen? Es stehen gegenüber Reserven zunächst einmal von über einer Million Arbeitslosen.
Es ist merkwürdig — ich darf diese Vorbemerkung machen, nachdem ich gerade einen Zwischenruf höre —, daß gerade von der Seite der SPD, die die Arbeitsmarktpolitik der Vergangenheit so scharf angegriffen hat, heute so übergroße Besorgnisse an uns herangetragen werden, wir könnten in der Zukunft möglicherweise zuwenig Arbeitskräfte haben. Meine Damen und Herren, es ist uns in jedem Falle lieber, zuwenig als zuviel zu haben; aber ich bin absolut sicher, daß wir in diese Situation gar nicht kommen können. Diese Reserve von über einer Million Arbeitslosen wird in der Zukunft im Zuge der Aufstellung einer Wehrmacht viel besser an den Arbeitsmarkt herangezogen werden können, als das bisher der Fall war, weil ja die Wirkungsstätten dieser Wehrmacht vermutlich nicht in den Industrieballungsgebieten, sondern vor allem in den Gebieten liegen werden, in denen wir heute noch eine strukturelle Arbeitslosigkeit haben.
Darüber hinaus haben wir weitere Reserven, unsichtbare Reserven im Angebot an den Arbeitsmarkt. Wir haben z. B. gegenüber 1939 noch ein um 2,4 % geringeres Angebot an den Arbeitsmarkt, und zwar im Verhältnis der arbeitenden Bevölkerung zur Gesamtbevölkerung. Das macht allein 600 000 Arbeitskräfte aus. Außerdem möchte ich nur noch die Möglichkeiten der Produktivitätssteigerung nennen. Wenn wir einmal unterstellen, daß durch Kapitaleinsatz eine Produktivitätssteigerung von nur 5 % zur Einsparung von Arbeitskräften dienen würde, dann bedeutet das noch einmal 850 000 Arbeitskräfte. Selbst dann ist das Angebot von Arbeitskräften im Verhältnis zur Bevölkerungszahl noch weit unter dem anderer Nationen. Die Engländer z. B. haben ein um 28 % höheres Angebot als wir. Hier ergeben sich also noch Möglichkeiten, aber auch Verpflichtungen; die Steuerpolitik ist ein Schlüssel zur Lösung dieses Problems.
Ich darf vielleicht abschließend auch dazu ein
Zitat unseres Kollegen Dr. Pferdmenges anführen,
der in diesem Zusammenhang gesagt hat:
Wir müssen auf der einen Seite durch Rationalisierung jeglicher Art die menschlichen Arbeitskräfte einsparen, die einmal durch die Aufstellung der neuen Streitkräfte der Wirtschaft entzogen werden und die zum anderen für die zusätzlichen Investitions- und Konsumaufgaben benötigt werden, und wir müssen teilweise sogar umfassende Erweiterungsinvestitionen auf denjenigen Gebieten vornehmen, auf denen wir nach den schon mehrfach gemachten Erfahrungen bei weiterer Produktionsausdehnung jeweils zuerst auf Engpässe stoßen. Unter diesen Umständen
— so sagt er abschließend —
ist es zu begreifen, warum wir Politiker, die wir die großen wirtschaftlichen Zusammenhänge vor Augen haben, mit dem Bundesfinanzminister um eine vernünftige Steuerreform so hartnäckig gerungen haben.