Ich sagte schon, Herr Präsident, daß ich mich bemühe, nicht mehr zu sagen, als was nach meiner Überzeugung gesagt werden muß,
und ich habe daher bereits Grundsätzliches, was ich ausführlicher sagen wollte, wegen des Samstagnachmittags kürzer gefaßt. Ob ich damit der Sache, um die es uns geht, einen Gefallen getan habe, ist eine andere Frage.
Der Herr Bundesfinanzminister hat gestern wieder gesagt, er sei ein Hüter der Währung und er wolle die Währung sicherhalten. Ich glaube ihm, daß er das will; ich bezweifle seine gute Absicht in keiner Weise. Aber wie kann man denn glauben, angesichts der gewaltigen Leistungen, die vor uns stehen, daß das so gemacht werden könnte, wie die Herren Kollegen Schäffer und Erhard sagen? Ich bin der Meinung: Vorsicht beim deutschen Volk mit den Geldentwertungen, nachdem wir — das haben wir ja alle erlebt — eine offene von 1918 bis 1923 und eine versteckte von 1936 bis 1945 erlebt haben. Die Inflation ist ein zu hoher Preis, in jedem Fall ein zu hoher Preis, sowohl was einfach die Sache als was die Erschütterung des Vertrauens zum Staate betrifft.
In einem Punkte, scheint mir, sind der Bundeswirtschaftsminister, der ja wohl noch sprechen wird, und der Bundesfinanzminister einig. Sie behaupten, daß die Wiederbewaffnung keine Senkung des Lebensstandards mit sich bringe; auch andere Länder hätten in den letzten Jahren aufgerüstet, ohne ihren Lebensstandard zu senken. Das ist ein auf Anhieb zunächst bestechendes Argument. Aber ich habe vorhin in anderem Zusammenhang schon gesagt, was davon zu halten ist. Jede Mehrproduktion in der Aufrüstung führt nicht zu erhöhter Investierung, führt nicht zu höherer Bereitstellung von Konsumgütern. Produktion für die Rüstung ist unproduktiv, wie jede Produktion für den Krieg unproduktiv ist.
Noch eine kurze Bemerkung zum Herrn Bundeswirtschaftsminister. Er hatte in einem Weihnachtsartikel im „Handelsblatt" unter der Überschrift „Rüstung mit Ruhe betrachtet" folgendes gesagt:
Daß die Nationalstaaten auch früher, d. h. seit langem, Rüstungsanstrengungen unternahmen und dafür Kosten aufwendeten, ohne daß, trotz parlamentarischer Diskussion um diesen Haushaltsposten, jemand befürchtete, es könnte damit die wirtschaftliche Ordnung oder das soziale Sein eines Volkes gefährdet werden, scheint völlig in Vergessenheit geraten zu sein. Statt dessen denkt man offenbar mehr in den Kategorien der totalen Kriegswirtschaft. Und so ist dann wirklich zu fragen, ob da irgend jemand im deutschen Volke ernsthaft glaubt, daß in der Bundesrepublik Regierung und Parlament jemals bereit oder geneigt sein könnten, in ihrer Politik an den verbrecherischen Wahnsinn der Vergangenheit anzuknüpfen.
Meine Damen und Herren, auch das hört sich, wenn es mit dem Optimismus des Herrn Bundes-
wirtschaftsministers vorgetragen wird, gut an. Aber wie kann man mit den Rüstungsanstrengungen der Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts kommen, wenn man grandiose Aufrüstungen erlebt hat und wenn die Bundesrepublik sich anschickt, sich dem amerikanischen Machtblock einzuverleiben? Ich bin überzeugt davon, wer in dieser Zeit aufrüstet — und sei es auch nur die sogenannte Aufrüstung des Herrn Bundesfinanzministers —, der braucht gar nicht an die Vorstellungen aus totalitären Staaten anknüpfen zu wollen — woran soll er anknüpfen? —, sondern der begibt sich in die Dynamik der Aufrüstung dieser Zeit.
In den vollmechanisierten Panzerarmeen unserer Zeit liegt ein Dynamismus, der fürchterlich ist. Es kann doch sein, daß durch Entwicklung der Waffen der anderen Seite wesentliche Teile der Erstausstattung, wenn sie da sind, über Nacht überholt sind, so überholt sind, daß es unverantwortlich wäre, Soldaten in unmodernen, also nicht mehr kampffähigen Panzerwagen einem überlegenen Gegner auszuliefern.
In einem technischen Zeitalter, in dem der Geist der Erfinder und die Anstrengungen der modernen Staaten sich vornehmlich auf die Konstruktion von Massenvernichtungswaffen konzentrieren, fällt jede finanzielle Planung hin; jede endgültige finanzielle Planung ist dabei unmöglich.
Diese Welt ist in zwei Machtblöcke aufgeteilt. Wenn die Gefahren nicht eintreten, von denen ich eben sprach — aber ich bin davon überzeugt, sie müssen eintreten, weil sie ganz einfach in der Dynamik dieser Zeit liegen —, dann schickt sich das deutsche Volk an, geteilt, wie es seit Jahren ist, sich beiden Machtblöcken militärisch zur Verfügung zu stellen. Solange aber die Probleme des zweiten Weltkriegs nicht gelöst sind, darauf hat Albert Schweitzer in seiner Friedensrede in Oslo in bewegender und überzeugender Weise hingewiesen: solange die Probleme der Weltkriege nicht gelöst und nicht liquidiert sind, kann es keinen Frieden geben. Kann es keinen Frieden geben, dann muß das deutsche Volk nach dem Ungeheuren, das es erlebt hat, in der geographischen Lage zwischen Ost und West, in der es sich befindet, nach meiner Überzeugung sich vom militärischen Beitrag freihalten.
Ich glaube — ich spreche hier meine persönliche Meinung aus —, daß das deutsche Volk nach dem, was es erlebt hat, auf lange Zeit hinaus moralisch überhaupt nicht in der Lage ist, Waffen zu tragen, und daß der einzige Beitrag, den das deutsche Volk nach diesen Jahren des Nationalsozialismus und des Weltkriegs zum Frieden der Welt leisten könnte, Beiträge zur Erkenntnis und zur Humanität sein müßten.
Meine Damen und Herren, ich war gestern abend sehr betroffen, als nach dieser — ich bedauere es sagen zu müssen —, nach dieser wirren, verworrenen Rede des Herrn Bundesfinanzministers die Koalitionsparteien geradezu frenetischen Beifall klatschten.
Ich sage Ihnen ganz offen — ich weiß ja, daß manche
von Ihnen auch unter Gewissensqualen leiden und
daß Sie die Dinge, die ich vorgetragen habe, auch
ernst nehmen —: mir schien, Sie hatten das Gefühl: Nur nicht nachdenken, der Alte wird es schon richtig machen!
— Ja, das haben wir schon mal gehört!
— Nein, es war nicht billig! Es hat dem deutschen Volk und der Welt Millionen Tote gekostet, daß ein Mann gesagt hat:
„Die Verantwortung trage ich" ! Das war nicht billig!
Lassen Sie mich noch ein letztes Wort sagen, nachdem Sie mir dies zugerufen haben. Der Bundesfinanzminister hat gestern gesagt: „Wenn ich mich trotzdem entschlossen habe, die Verantwortung auch für die Kosten der Sicherheit, d. h. die Kosten für die Verteidigung zu übernehmen, dann . . ." — Nein, das liegt nicht im Entschluß des Herrn Bundesfinanzministers!
Nicht er trägt die Verantwortung. Er tut so, als ob er wie ein Führer sagen könnte, — —
— Ich beende den Satz, den ich soeben begonnen habe. — Er tat so vor dem Deutschen Bundestag — er hat es an zwei Stellen gesagt —, als ob er die Verantwortung trüge. Nein, meine Damen und Herren, der Bundesfinanzminister ist ein Mitglied i der Exekutive, ist das ausführende Organ des Parlaments. Nicht er trägt die Verantwortung, sondern die Verantwortung tragen wir alle.
Lassen Sie es uns ernst nehmen mit dieser Verantwortung, und tun Sie nicht so durch das Geheul, das Sie eben anstimmten, als ob ich es mit meiner Verantwortung nicht ernst nähme. Nachdem ich mich intensiv mit den Verträgen beschäftigt habe, sage ich, daß ich an dieser Verantwortung nicht teilnehmen kann. Die Folgen dessen, für das Sie die Verantwortung zu übernehmen bereit sind, die müssen wir alle tragen, wir und unsere Kinder. Und die Verantwortung, die wir haben, vor uns und vor Gott und vor der Geschichte, die sollten wir nicht leicht nehmen.