Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Wienand hat hier ein Bild von der deutschen Jugend entwickelt, das meiner Meinung nach nicht der Wirklichkeit entspricht
und das deshalb dringend korrigiert und mit der Wirklichkeit in Übereinstimmung gebracht werden muß. Sicherlich, wir sind uns alle darüber im klaren, daß im Falle eines Krieges das gesamte deutsche Volk die Opfer zu tragen haben würde. Aber die Verträge, die wir heute hier beraten, sollen ja gerade dazu dienen, den Frieden zu erhalten. Im Frieden hat nun einmal die Jugend die größten Opfer zu bringen. Im Frieden hat nun einmal die deutsche Jugend für den Frieden eine eineinhalbjährige Dienstzeit zu leisten. Wir verstehen sehr wohl und sehr gut, daß dann, wenn die Bindungen der Schule, daß dann, wenn die Bindungen des Elternhauses, daß dann, wenn die Bindungen der Berufsausbildung endlich weichen und der Weg in eine persönliche Freiheit offen wird, die neue, sehr strenge Bindung durch den Militärdienst nicht gerade mit Begeisterung aufgenommen wird.
Wirr haben Verständnis dafür, denn wir haben alle einmal vor derselben Situation gestanden. Ich kann nicht sagen, daß es dier glücklichste Tag meines Lebens gewesen ist, an idem ich meinen Gestellungsbefehl erhalten habe. Aber wir wollen ja auch gar keine lodernde Begeisterung. Im Gegenteil, lodernde Begeisterung würde uns suspekt, würde uns gefährlich erscheinen.
Wir wollen nichts weiter als die klare Erkenntnis. der bitteren und nicht gewünschten Notwendigkeit, die uns zu diesem Schritt zwingt, den wir durch diese Verträge hier tun wollen. Nichts weiter erwarten wir von der deutschen Jugend.
Nach meiner persönlichen Erfahrung — ich spreche nicht nur über die deutsche Jugend, sondern ich stehe mit meinen jüngeren Freunden in der CDU/ CSU-Fraktion noch in der aktiven Jugendarbeit selbst —
in dier Diskussion mit der deutschen Jugend wird diese Notwendigkeit auch erkannt.
Ich brauche in diesem Zusammenhang auch nur auf gewisse Testversuche hinzuweisen — Herr Kollege Brandt hait ja selbst auf diese Testversuche hingewiesen —, um dieses Bild wirklich aufzuzeigen und abzurunden. Nur etwa ein knappes Drittel der deutschen Jugend lehnt den Verteidigungsbeitrag tab. Aber eine nicht ungeschickte Propaganda hat es so hinzustellen gewußt, dieses knappe Drittel der deutschen Jugend stehe stellvertretend für die gesamte deutsche Jugend. Das stimmt einfach nicht, meine Damen und Herren!
Welche Motive mögen es sein, die dieses knappe Drittel der grundsätzlichen Verneiner zu ihrem
Nein bringen? Sicherlich nicht die Frage, die hier das Hohe Haus die zwei Tage bewegt hat: erst verhandeln oder erst ratifizieren?!
Das ist meines Erachtens nichts weiter als eine Frage nach der besseren diplomatischen Methode, aber nicht eine Frage, Idle gerade auf die Problemstellung, auf die Fragestellung der deutschen Jugend zugeschnitten ist. Denn beide, Opposition und Regierung, wollen die Verhandlungen. Beide lehnen entgegen alledem, was hier gesagt warden ist, die Politik der Stärke als die Politik des Drukkes und der erhöhten Kriegsgefahr ab. Beide wollen die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit. Ich glaube also nicht, daß dieses Nein an diplomatischen Methoden, diplomatischen Gegebenheiten aufgehängt werden kann.
Zum zweiten darf ich dazu sagen — das ist von Herrn Kollegen Wienand Gott sei Dank mit der nötigen Klarheit hier gesagt worden —, daß die Alternative, ob erst verhandeln oder erst ratifizieren, auch für die sozialdemokratische Opposition nicht die Alternative in sich schließt: Soldat sein oder nicht?
Alle Lösungen, die Sie vorgeschlagen haben, ob es das bündnisfreie Gesamtdeutschland ist oder nach einem Scheitern der Verhandlungen über dieses bündnisfreie Deutschland die Integration auch militärischer Art in den Westen, — beide Lösungen, die Sie vorschlagen, sehen Soldaten vor. Das muß einmal ganz deutlich festgestellt werden,
auch wenn Sie in der Propaganda oft versuchen, diese Dinge sehr stark zu vernebeln. Sie haben es sich bei manchen Wahlkämpfen sehr billig gemacht,
indem Sie an diese Möglichkeiten sozialdemokratischer Politik nie erinnert haben. Ich darf Sie daran erinnern, daß der Landtagsabgeordnete der SPD Klaus Peter Schulze, der Ihnen wegen seines Buches „Sorge um die deutsche Linke" sehr wohl bekannt ist, selbst gesagt hat: „Wäre den Zustimmern zu dem ,Deutschen Manifest' in der Paulskirche die Tatsache, daß auch die sozialdemokratische Politik bei allen ihren Lösungsversuchen Soldaten vorsieht, bekanntgewesen, die Zustimmung wäre vielleicht erheblich gedämpfter ausgefallen."
Wenn Ihre Lösungsmöglichkeiten auch immer Soldaten vorsehen, dann fallen die Propagandaelemente, die Sie in der öffentlichen Diskussion immer gebraucht haben, völlig flach, die Propaganda, Verteidigungsbeitrag bedeute Krieg. Sie werden nicht sagen können, CDU-Verteidigungsbeitrag bedeute Krieg, SPD-Aufrüstung aber bedeute Frieden. So kann man es wirklich nicht machen.
Damit fallen auch eine ganze Reihe Argumente auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet weg; mein Kollege Vogel wird wahrscheinlich noch darüber sprechen. Ich darf Sie aber darauf aufmerksam machen, daß die Nationalarmee eines bündnisfreien Deutschland wahrscheinlich erheblich höhere Beträge des deutschen Sozialprodukts verschlingen würde als 12 Divisionen im Rahmen der freien westlichen Welt.
Nun, ein Teil der deutschen Jugend lehnt den Verteidigungsbeitrag aus Gewissensgründen ab. Ich möchte hier ganz klar und deutlich sagen, daß wir uns zu diesen Gewissengründen, daß wir uns zu Art. 4 Abs. 3 des Bonner Grundgesetzes bekennen. Ich habe aber oft auch den Eindruck erhalten, als wenn die Gewissensgründe nichts weiter wären als ein Schutzschild für die Parole „Alles für mich, alles ohne mich! Alles vom Staat, nichts für den Staat!"
— Ich weiß, daß Sie von der Sozialdemokratischen Partei das nicht wollen. Sie haben aber durch Ihre Propaganda diesen Menschen sehr oft die Möglichkeit gegeben, sich ein nationales Mäntelchen umzuhängen, womit sie sich nationaler dünken als jene, die bereit waren, den bitteren Weg eines deutschen Verteidigungsbeitrages zu gehen.
Ich glaube, auch das sollte in diesem Zusammenhang einmal festgestellt werden.
Aber der größere Teil der deutschen Jugend bekennt sich ja zu dieser Notwendigkeit. Das beweisen uns — sogar mein Kollege Wienand war so freundlich, das festzustellen — auch die großen Jugendverbände, die sich in der Bundesrepublik zur Wehrbereitschaft bekannt haben. Ich brauche nur an den Bund der Deutschen Katholischen Jugend zu erinnern. Ich brauche nur an die Jugend des deutschen Ostens zu erinnern, um zwei besonders repräsentative Organisationen hier herauszuheben, um zu zeigen, wo die deutsche Jugend steht.
— Entschuldigen Sie mal, es gibt eine ganze Reihe weiterer Jugend, die, vor allen Dingen durch ihre praktische Zusammenarbeit mit der Dienststelle Blank, unter Beweis stellt, daß sie bereit ist, bei der Ausführung des Wehrbeitrags mitzuarbeiten. Ich brauche nur an die Jugendorganisation der Deutschen Angestelltengewerkschaft zu erinnern. Aber ich darf Sie daran erinnern, daß immerhin die Katholische Jugend Deutschlands die größte Jugendorganisation in der Bundesrepublik ist, und ich glaube, deren Wort sollte doch einmal gehört werden.
Sie machen aber beide, das will ich ganz kurz zum Schluß noch sagen — die Jugendorganisationen und die nichtorganisierte Jugend —, ihr Ja von zwei Argumenten abhängig: einmal davon, daß der Verteidigungsbeitrag auch wirklich ein Beitrag zur Verteidigung ist, und zum zweiten davon, wie das „Wie" geregelt wird. Nun, daß dieser Beitrag, den wir hier beschließen, nur ein Beitrag zur Verteidigung sein kann, geht ja wohl zur Genüge aus der Organisation der Westeuropäischen Union
selbst hervor. Eine Armee, die sich auf kriegerische Abenteuer vorbereitet, wird keine Rüstungskontrolle und wird keine Begrenzung ihrer Stärken haben; das scheint mir eine Selbstverständlichkeit zu sein.
Zum zweiten macht die Jugend ihr Ja abhängig von dem „Wie", wobei wir unser Leitbild vom Staatsbürger in Uniform zu verwirklichen haben werden. Da liegt noch eine große Aufgabe des gesamten Hauses vor, diese Gesetze in naher Zukunft zu verabschieden, damit die deutsche Jugend weiß, wie sie dran ist, welche Gesetze sie erwarten. Aber - das hat mein Kollege Rasner schon in der ersten Debatte ausführlich erörtert — die Gesetze mögen wichtig sein, wichtiger sind die Menschen, die sie ausführen, und eine der wesentlichsten Aufgaben, auch die Aufgabe dieses Hohen Hauses, wird es sein, darüber zu wachen, daß die richtigen Menschen an den richtigen Platz kommen.
Alle diese Aufgaben, die mit dem „Wie" zusammenhängen, können nur gelöst werden in einem ständigen Kontakt mit der deutschen Jugend, nicht in einem Reden über die Jugend, sondern in einem Sprechen mit der Jugend.
Bundestag, Sicherheitsausschuß und Dienststelle Blank müßten den größten Wert darauf legen, im dauernden Gespräch mit dieser Jugend zu sein. Ich darf hier mit Dank feststellen, daß die Dienststelle Blank dieses Gespräch bisher geführt hat. Aber. meine lieben Freunde — auch das möchte ich der linken Seite des Hauses sagen —, mancher scheint noch nicht begriffen zu haben, welche hohe staatspolitische Aufgabe diese Jugendverbände in freiwilligem Dienst an der Gemeinschaft, an ihrem Staate übernommen haben,
auch wenn sie zu der Frage des Wehrbeitrags negativ stehen. Das möchte ich für die gesamten deutschen Jugendorganisationen feststellen und gerade auch an dieser Stelle ihnen einmal für diese staatsbürgerliche Bereitschaft danken.
Nun zum Schluß, meine Damen und Herren: Die deutsche Jugend ist nicht in ihrer Gesamtheit gegen Opferbereitschaft, ist nicht in ihrer Gesamtheit dagegen, daß diese Verträge, die einen Auftrag des deutschen Wählers verwirklichen, den wir am 6. September 1953 erhalten haben,
abgeschlossen und durchgeführt werden. Sie will nur den Sinn erkennen, sie will sich nur sinnvoll eingegliedert wissen in unser Volk, in ein freies Europa. Sie will erkennen, daß diese Opfer nicht zuletzt für sie selbst gebracht werden. Ihre Zukunft, ihr sozialer und wirtschaftlicher Fortschritt soll vor den Gefahren aus dem Osten gesichert werden. Sie soll endgültig durch dieses Bündnis mit der freien Welt herausgelöst werden aus der Isolation, in die Hitler sie hineingestoßen hat und die wir für unser deutsches Volk nie wieder haben wollen.
Ich habe die Schrift bekommen, die Herr Heine zur psychologischen Vorbereitung dieser Sitzung an uns verschickt hat und die die Streitschrift eines angeblich jungen Deutschen sein soll, mit der Alternative: „Wiederaufrüstung oder Wiedervereinigung?", einer meines Erachtens völlig falschen Alternative!
Wenn in dieser Schrift dann steht: Wir stehen ganz allein, wir stehen Rußland allein gegenüber, so ist dazu zu sagen, daß es gerade die wesentlichste Aufgabe der Verträge sein soll, uns nicht in diese Isolation hineinzuführen; denn wir können alle Fragen, alle Probleme, die wir haben, nicht lösen, wenn wir in dieser furchtbaren Isolation stehen, und ich fürchte, daß die Folge Ihrer Politik gerade das sein wird, was dieser junge Deutsche in Ihrer Streitschrift geschrieben hat: Deutschland steht allein. Deutschland steht nicht mehr allein, wenn diese Verträge ratifiziert worden sind! Aus unserer großen und schweren Verantwortung der deutschen Jugend gegenüber sagen meine jungen Freunde aus der CDU/CSU-Fraktion und ich — und ich hebe sie deshalb besonders hervor, weil wir noch in einem Alter sind, in dem diese Verträge auch unser eigenes persönliches Schicksal bedeuten — ein deutliches und klares Ja zur Ratifikation der Pariser Verträge.