Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, zumindest durch meine Einleitungssätze die Sympathien des schon etwas kärglich besetzten Hauses zu gewinnen, indem ich Ihnen versichere, nicht in die Reihe der Dauerredner einschwenken zu wollen.
Wir wollen einige Dinge — wir vom Gesamtdeutschen Block/BHE kommen zum erstenmal zu diesem Sachgebiet zu Worte — gerade aus dem Blickpunkt und Gesichtsfeld derjenigen Menschen sehen, deren Schicksal die meisten von uns in unserer Partei, aber viele auch über diese Partei hinaus erlebt haben, sowohl der Heimatverjagten des deutschen Ostens und Südostens wie auch der „einfachen, kleinen Leute", wenn Sie wollen, die als Angehörige der Kriegs- und der Frontgeneration alle „Segnungen" des vergangenen Krieges mitzuerleben gezwungen waren. Ich glaube, es ist verständlich, wenn gerade Menschen aus diesem Erlebnisfeld bemüht sind, sich die Beurteilung dieser Fragen nach Sicherheit und Verteidigung besonders klarzumachen, wenn gerade sie schwer um diese Probleme ringen und bestrebt sind, aus ihren Erfahrungen und Erlebnissen die Dinge nicht zu simplifizieren, sondern sie wirklich in ihrer Tiefe und auch tiefschürfend zu beurteilen. Man sollte daher nicht — gestern sind oftmals Zwischenrufe in dieser Richtung gefallen — eine Uneinheitlichkeit in der Bewertung dieser Fragen in dieser oder jener Fraktion gleichsam als eine simple Darstellung gewisser innerer Meinungsverschiedenheiten auswerten, sondern gerade darin ein besonderes Bestreben und Bemühen sehen, mit diesen Dingen individuell und in ihrer Gänze — damit auch politisch! — im tiefsten Herzensgrund fertigzuwerden. Denn gerade auf diesem Gebiet, glaube ich, sollte Politik nicht nur säkularisierte Religion und Dogma sein, sondern immerdar als eine Verpflichtung des einzelnen vor dem Schicksal — der Vergangenheit wie der Zukunft — aufgefaßt werden.
Man wirft oft gerade diesen Kriegsopfern im weitesten Sinne des Wortes, den Heimatverjagten und all denen, die noch an den Wunden des vergangenen Krieges leiden, ein allzu großes Sicherheitsbedürfnis im Rahmen des Staates, im sozialpolitischen Sektor, vor. Man sagt sehr oft, sie riefen immer nach der Hilfe des Staates; sie hätten es verlernt, auf eigenen Füßen zu stehen, und sie strebten eine Sicherheit an, die über die Verpflichtung des Staates, diese Sicherheit zu gewähren, diese Unterstützung und Hilfe darzubieten, weit hinausgehe. Ich glaube, daß auch in den Fragen, zu denen wir heute Stellung nehmen müssen und wallen, ein Sicherheitsbedürfnis gerade dieser Menschen besonders groß ist und daß, wie schon angedeutet, weil es der letzte Krieg mit seinen Folgen diesen Menschen so schwer gemacht hat, sie es sich auch besonders schwer machen mit den Überlegungen, den Gedankengängen, den Folgerungen, die sich aus dem Schritt ergeben werden oder können, den wir heute gemeinsam tun wollen.
Dazu kommt noch die Tatsache, daß gerade die Heimatverjagten aus dem deutschen Osten besondere, in weite geschichtliche Urgründe zurückreichende Erfahrungen sowohl mit dem Osten, mit der Seele der östlichen Völker, als auch mit ihrer jetzigen Ideologie, die nichts anderes als eine säkularisierte Religion ist, Erfahrungen am eigenen Leibe im wahrsten Sinne des Wortes — vor allem unsere Frauen am eigenen Leibe! — gemacht haben, die vielleicht diejenigen, die diesen Gefahren nicht gegenübergestanden haben, nicht in diesem Maße besitzen, und wir machen ihnen daraus keinen Vorwurf. Da wir den Blick nach dem Osten, nach der verlorenen Heimat, die wir in Frieden und Freiheit in einer neuen Rechtsordnung wiedergewinnen möchten, nicht verlieren dürfen, soll dieser Blick auch bei diesen Fragen immerdar auch nach der verlorenen Heimat hingehen. Auch der Sowjetzonenflüchtling — das ist schon mehrmals angedeutet worden — sieht diese Probleme etwas anders, weil er noch in jüngster Vergangenheit und in der Gegenwart unmittelbar in diesem Erfahrungsbereich liegt.
Die Jugend, auch dazu ein kurzes Wort, sieht die Dinge besonders intensiv und vielleicht innerlich beunruhigt und wohl zwiespältig, weil sie diese Vergangenheit zum Teil gar nicht mehr kennt, diese Erfahrungen auch nicht durchlebt hat und in einer neuen Situation natürlich die Dinge, die sie zuerst betreffen, besonders tief beunruhigt und ergriffen betrachtet. Ich begrüße besonders gerade auch diese Auseinandersetzung und diese intensiven Gedankengänge der Jugend um all diese Fragen. Man sollte der Jugend dankbar sein, daß sie nüchterner, schlagwortfreier, kritischer und, ich möchte sagen, auch verantwortungsbewußter geworden ist als vielleicht früher. Man sollte ihr dankbar sein, daß sie, nachdem die Erwachsenen offenkundig so versagt haben und nachdem ihnen eine Welt zusammengebrochen erscheint, die ihnen gerade von den Erwachsenen dargeboten wurde, immerhin so viel aktive Kräfte wachgerufen hat, sich mit diesen Problemen mit Ernst und Ausdauer zu beschäftigen.
Meine sehr verehrten Damen 'und Herren, die besondere Sehnsucht nach dem Frieden wird man gerade den Menschen, die aus dem Erfahrungsbereich kommen, von diem ich sprach, glauben müssen. Wer Heimat und sein ganzes Lebensniveau von einst, wer alles verloren hat und durch fünf Jahre eines furchtbaren Krieges hindurchgegangen ist, in idem muß die Sehnsucht nach dem Frieden nach innen und außen hin besonders lebendig sein. Wenn Sie, um ein besonderes Beispiel zu nennen, etwa an einen Spätheimkehrer von heute denken, der noch dazu seine Heimat verloren hat, dann werden Sie nicht leugnen können, daß Kriegs- und Kriegsgefangenschaftserlebnis ihn auch heute bei der Betrachtung all dieser Fragen besonders bestimmen und daß er die Dinge letztlich aus gerade diesen Erlebnissen heraus sieht.
Wir haben dabei als Soldaten doch erlebt, daß der letzte Krieg schon kein Krieg im alten Sinne mehr gewesen ist, daß das, was man unter Krieg und damit auch unter Soldatentum und Ritterlichkeit und somit Anerkennung von ritterlichen Gesetzen früher verstanden hat, in diesem Krieg, leider, in die Brüche gegangen ist. Wir haben erlebt, daß die Technik nicht nur der Politik davongelaufen ist — und ich glaube, das ist ein Vorgang, den wir heute und überhaupt einmal gründlich unter die Lupe nehmen sollten: inwieweit nicht die Technik unseren politischen Methoden und Systemen des Denkens schon davongelaufen ist —, daß nicht nur die Technik die Politik sozusagen überrundet hat, sondern daß vor allen Dingen auch Kriegsführungen in dieser Situation atomaren
.1 Charakters schon im letzten Krieg geeignet waren, alles Untermenschliche, Inhumane freiwerden zu lassen und damit zu einer furchtbaren Waffe im Sinne einer Entfesselung furchtbarer Dämonen zu werden.
Ich glaube also, man muß auch in dieser Stunde und von dieser Stelle aus zur Kenntnis nehmen, daß sowohl der Heimatvertriebene wie der ehemalige Soldat — im guten Sinne des Wortes — vor allem diese eine Sehnsucht nach dem Frieden hat und sie immer wieder bekräftigt. Es ist kein Zufall, daß es gerade die Heimatverjagten waren, die sich vielleicht zuerst und am allereindringlichsten zum europäischen Gedanken bekannten; denn sie waren ja Opfer des Nationalstaats und erkannten, wohin ein nationalstaatliches, nationalistisches Denken führen kann und führen muß. Auch der Soldat, so möchte ich wohl sagen — und ich glaube, daß mir keiner widerspricht, der sich im guten Sinne dazu rechnet —, hatte gehofft, daß diese europäische Möglichkeit mit Deutschland als Herz, als Klammer, als Brücke und, wenn Sie wollen, militärisch gesagt: als Puffer gegeben sein wird. Und wir Soldaten waren genau so wie Sie, meine Damen und Herren, erschrocken, als wir merkten, daß andere diesen europäischen Weg nicht recht mitgehen wollten, daß wir in unserem Denken immer kleiner werden mußten, zu einem klein- und kleinsteuropäischen Denken übergehen mußten, ja, daß wir uns sogar — und das ist der Mangel auch dieser Verträge, den wir, auch Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU/CSU, eingestehen — auf einen Aushilfsweg drängen lassen mußten, der doch gewisse Nationalstaatsideologien wiederaufleben läßt.
— Richtig, das i s t bedauerlich. — Nach innen aber, auch das möchte ich sagen, wünschten wir, daß, wenn einmal diese Debatten vergangen und vorbei sind, wieder innerer Friede bei uns eintritt. Denn man hat oft das Gefühl, als ob auch zwischen uns ein eiserner Vorhang niederzugehen drohe. Und das dürfen wir niemals dulden, da wir doch so viel Verbindendes hinsichtlich der Freiheit und des Friedens haben, so daß wir diese BruderstreitDinge so bald wie möglich wieder ausmerzen sollten.
Nach außen noch eins! Auch der deutsche Soldat, der einstmals für ganz Deutschland zumindest einzustehen glaubte, wünscht und ersehnt, daß so bald wie möglich ein wiedervereinigtes Deutschland zustande kommt. Denn gerade er, der mit Kameraden aus allen Stämmen und allen Ländern gemeinsam und wohl vorbildlich seine Pflicht tat, möchte niemals in die Situation kommen, als Deutscher gegen Deutsche stehen zu müssen.
Und zum Innern noch etwas! Er verlangt — und ich glaube, gerade er hat ein Recht darauf, dies zu verlangen —, daß die soziale Aufrüstung, d. h. die ehrende Anerkennung und die Hilfe für alle Opfer des Krieges und des gewaltsamen Unrechts nach dem Kriege aufrechterhalten bleibt und unverändert in diesen Sehnsuchtstraum eines wiedervereinigten Deutschlands hinübergetragen wird.
Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit doch noch einmal auf ein Problem hinweisen, das dankenswerterweise insbesondere vom sehr verehrten
Herrn Kollegen Schneider und auch vom sehr verehrten Herrn Kollegen Dr. Mende angeschnitten wurde, nämlich jenes Problem der Kriegsgefangenen und Kriegsverurteilten, das ja, wenn ich von dieser Warte aus und über diesen Tagesordnungspunkt spreche, nicht unerwähnt bleiben darf. Ich werde mich bemühen, bereits Gesagtes nicht noch einmal zu sagen, und versuchen, manches Neue zusätzlich zu sagen. Wir haben zumindest — wenn Sie wollen: leider nur — die Hoffnung, daß, wenn diese Verträge angenommen werden, die Kriegsgefangenen, die sich heute noch in sowjetischem Gewahrsam befinden, nicht als „politische Faustpfänder" betrachtet und dementsprechend behandelt, d. h. zurückgehalten werden.
In der letzten Zeit — und warum sollten wir es hier nicht auch ansprechen, da es in der ganzen Öffentlichkeit, insbesondere der der Heimkehrer und Soldaten, kursiert und zur Diskussion gestellt wird — hat man dabei die Frage aufgeworfen: Sollte man nicht zum Zwecke der Erfüllung dieses Wunsches die heute noch im sowjetischen Gewahrsam befindlichen Kameraden aus den Verpflichtungen ausklammern, die durch diese Verträge nun Wirklichkeit werden sollen? Sollten nicht zumindest die jetzt noch in der Sowjetunion Befindlichen von einem künftigen Wehrbeitrag ausgeklammert werden, um vielleicht -- denn man sucht ja nach jedem Weg, um ihr Schicksal zu mildern! — ihre Heimkehr dadurch zu erleichtern? Ich glaube, daß dies ein sehr schwieriges Problem ist und daß die Beurteilung dieser Frage zweifellos auch die Einstellung unserer beiden „Lager" zu den Verträgen überhaupt widerspiegelt.
Von Soldaten werden gewisse Negativa bei einer solchen Verhandlungsweise herausgestellt. Man sagt, diese Männer würden dann, wenn sie heimkehrten, gleichsam — nun, bitte, erschrecken Sie nicht über das Wort! — wehrunwürdig werden, d. h. ausgeschlossen werden — um es so zu definieren — aus dem Kreise einer Gemeinschaft, die ihre Freiheit verteidigen will; das aber sei insbesondere im Hinblick auf die Jugend keinesweges erfreulich.
Dazu kommt, daß wir dadurch eine Interpretationsmöglichkeit eröffnen könnten, die auch die sowjetisch eingestellten Kreise aufgreifen, indem sie sagen: Aha, eine solche Ausklammerung zeigt also, daß die aufzustellenden Verteidigungskräfte letzten Endes doch Streitmächte aggressiven Charekters, und zwar gegen die Sowjetunion sind. Die etwas sehr fragwürdige Zeitung „Die Nation" hat am 25. Dezember vergangenen Jahres besonders mit diesen Argumenten argumentiert!
Natürlich sind auch Positiva in dieser Frage enthalten und positive Möglichkeiten der Beurteilung gegeben, etwa in der Form, daß man sagt: Ja, aber es sind doch seit Oktober 1954 gewisse Vorschläge und Andeutungen der Sowjets in dieser Richtung gemacht worden. Ja, man spricht sogar von gewissen Versprechungen des Herrn Woroschilow bezüglich eidlicher Erklärungen durch Kriegsgefangene, nie gegen die UdSSR kämpfen zu wollen. Allerdings widerspricht ja diesen „Bemühungen" die Freilassung gerade so zweifelhafter Herren wie der Herren Schörner, Paulus und, wie man hört, auch bald des Herrn von Seydlitz.
Wie immer aber — ich will Sie in der Richtung nicht länger aufhalten — diese Fälle zu beurteilen und vielleicht dann einmal gesetzlich von uns zu regeln sein sollten, die Bit t e müssen wir auf
jeden Fall an die Regierung und an alle maßgeblichen Stellen richten: daß nach Kriegsbeendigung — und zwar jetzt auch offiziell! — seitens der UdSSR auf den zukünftigen, unserer Meinung nach raschest zu beschreitenden Verhandlungswegen immerdar diese Frage nicht vergessen wird, diese Menschen nicht vergessen werden, die heute noch, zehn Jahre nach Kriegsschluß, ein Leid und ein Schicksal erdulden, von dem sich zwangsläufig der Bundesbürger in der Geschäftigkeit des Tages nicht alltäglich, ja allstündlich eine richtige Vorstellung mehr macht. Es ist ein Problem der Menschlichkeit, es geht um Menschen, es geht um deutsche Menschen!
Sehr eingehend — dankenswerterweise eingehend — ist von Herrn Kollegen Schneider das Problem der Kriegsverurteilten in fremdem Gewahrsam besprochen worden. Sie wissen ja, daß wir vor einer Woche mit der DP gemeinsam eine diesbezügliche Große Anfrage gestellt haben und daß wir damals darauf verzichtet haben, das Problem eingehend zu erörtern, weil wir uns damals klar waren, daß es zwangsläufig heute und hier wieder auftauchen muß. Da es aber bereits ausführlich vom sehr verehrten Kollegen Schneider dargelegt wurde, möchte ich mich nur noch auf ganz Weniges beschränken.
Wir haben mit Dank und Freude zur Kenntnis genommen, daß die Zahl der Kriegsverurteilten im nichtsowjetischen Gewahrsam stark zurückgegangen ist. Wir sind auch der Überzeugung, daß die Tätigkeit der sogenannten gemischten beratenden Ausschüsse — also der interimistischen Gnaden- und Parole-Ausschüsse — nicht ganz unbefriedigend gewesen ist. Wir haben auch gesehen, daß
zweifellos generelle Bemühungen der Bundesregierung und auch Einzelbemühungen — ich denke an Baden-Baden, will sagen: an die Besprechungen des Herrn Bundeskanzlers mit dem damaligen französischen Premier Mendès-France — nach dieser Richtung hin gegangen sind. Wir sind der Auffassung, daß sich vielleicht gewisse Schwierigkeiten für die deutsche Justiz bei Überstellung der Kriegsverurteilten in deutsche Hoheitsgewalt ergeben könnten, die nicht ganz außer acht gelassen werden dürfen. Wir sind auch der Auffassung, daß eine — wenn man so sagen darf — Tabula-rasa-Amnestie gewissen psychologischen Schwierigkeiten in den Gewahrsamsländern begegnet. Aber wir möchten uns doch auch hier dem Chor der -Stimmen anschließen, die da sagen, daß man diese Frage doch vor allem menschlich prüfen sollte. Und gerade heute und in dieser Stunde, da wir ja eine Art Partnerschaft mit dem westlichen freiheitlichen Lager erstreben und finden wollen, hätte man auch aus dem Gesichtspunkt dieser Kameradschaft und echten Partnerschaft diese Frage zu lösen, — und dies ist eine Verpflichtung der anderen Seite!
All das ist eine absolute Rechtsfrage unter militärisch-soldatischem Aspekt, und die Frage, die an alle gestellt ist, ist vielleicht eben nur aus dem Gesichtspunkt des leider schon entschwundenen echten soldatischen Denkens überhaupt erfühlbar und bewertbar. Daß sie verstanden werden kann und auch wird, ist heute auch schon einige Male aufgeklungen, so durch den Hinweis auf den Aufruf der holländischen Hochschullehrer der Kriminologie und des Strafrechts vom November 1954 in der „Niederländischen juristischen Wochenschrift" und dessen Echo in holländischen Zeitungen im Sinne eines „Machen wir einen Strich unter das Vergangene!". Es ist aber ferner in einem Übereinkommen des Verbandes der Heimkehrer mit der Fédération Nationale des Combattants Prisonniers de la Guerre, der FNCPG, in Paris vom 20. November 1954 sichtbar geworden, wo sich beide Partner einverstanden erklärten, diese Urteile nicht wieder aufzugreifen, sofern sie unter voller Wahrung der Rechte der Verteidigung ergangen sind, und wo sich beide Partner bereit erklärten, die Frage der libération conditionelle voranzutreiben.
Aber es handelt sich doch hier, auch vom heutigen Tagesordnungspunkt aus gesehen, vor allem auch um eine militärisch-wehrpolitische Frage, die wir leider nur an die künftigen Partner richten können, um einen Appell, für diese 315 kriegsgefangenen Verurteilten in 22 Gefängnissen und Lazaretten einzutreten.
Ich glaube, dieser Appell ist auch zeitlich gesehen nicht unbedeutsam, weil man, so haben wir uns berichten lassen, seit Dezember 1954 merkt, daß sich innerhalb der Gnadenausschüsse eine gewisse Verhärtung bemerkbar mache — vor allem in Landsberg —, eine gewisse Tendenz, Gnadengesuche abzulehnen und damit womöglich die Kleinen und Letzten, die nun „die Hunde beißen" sollen, büßen zu lassen. Ich glaube also, daß dieser Appell fällig ist, und ich richte die herzliche Bitte
— der Herr Bundeskanzler und der Herr Staatssekretär Dr. Hallstein sind leider nicht da —
— oh, Verzeihung, Herr Bundeskanzler —, die Bitte an unseren verehrten Herrn Bundeskanzler und damit auch an die Bundesregierung und das Auswärtige Amt, hier vielleicht gerade jetzt und von dieser jetzigen Basis aus mit einer begründeteren, verstärkten Energie an diese Dinge generell heranzutreten. Ich möchte nicht auf das Beispiel Japans — das ist schon heute zitiert worden — im Hinblick auf die USA in diesen Fragen noch einmal hinweisen, aber man könnte in diesem Sinne diesen Appell richten, daß es jetzt, zehn Jahre nach Kriegsschluß und nun nach dieser Beschäftigung mit den Verträgen und — wie wir wohl annehmen dürfen — deren Annahme möglich sein müßte, die Dinge menschlicher und großherziger zu regeln. Wir wollen nicht, wenn wir solches jetzt sagen, gleichsam als eine kleine politische Erpressung unsererseits etwa ein „kleines, zweites Saarabkommen" nun unsererseits hier mit einschmuggeln, sondern wir glauben, daß es sich hier um ein echtes menschliches Anliegen handelt und daß es hier ein Unrecht gutzumachen gilt, das ja auch eine gewisse Sippenhaftung in sich schließt, zumal wenn Sie an all die Angehörigen, Kinder und Frauen denken, die davon betroffen sind.
Bei der Betrachtung der Verträge — das muß gesagt werden — fällt es unangenehm auf, daß gefällte Urteile trotz aller Appelle, die bis jetzt schon an die Botschafter des Westens, an die Bundesregierung usw. gerichtet wurden, auch heute noch als rechtsgültig anerkannt bleiben, da der Art. 6 des EVG-Vertrages, der wieder Bestandteil des Überleitungsvertrages geworden ist, ja noch existent ist, und weiter daß einschlägige Kommissionen nur für die Kriegsverurteilten in Landsberg, Wittlich und Werl gebildet worden sind.
Meine sehr verehrte Frau Kollegin Gräfin Finckenstein hat bereits in der vergangenen
Woche dargelegt, die libération conditionelle gehe so schleppend vor sich, daß sich die Behandlung von Anträgen über ein menschlich verständliches Maß hinaus erstreckt. Ich möchte auch sagen, daß es uns eigentlich doch etwas eigentümlich berührt hat, daß gerade beim Aufgreifen dieser Frage sehr oft eine besondere Zurückhaltung, ja wir meinen, eine oft übertriebene Zurückhaltung des Auswärtigen Amts sichtbar wurde, die uns, wenn ich noch einmal das japanische Beispiel zitieren darf, nicht ganz verständlich war. Trotz der Abneigung gegen Generalamnestie da und dort und der aufgezeigten psychologischen Momente möchte ich in diesem Sinne die Bundesregierung bitten, auch diese Probleme unter die Lupe zu nehmen, zumal nach der Ratifizierung der Genfer Konventionen unsere deutsche Bundesregierung ja als Schutzmacht der deutschen Kriegsgefangenen und -verurteilten anzusehen ist. Wir sollten uns ein klein wenig nicht nur an Japan, sondern auch an Amerika, unserem neuen Partner, ein Beispiel nehmen, das sich doch so stark für die elf verurteilten amerikanischen Soldaten in Rot-China eingesetzt hat, daß das ganze Volk bewegt, daß sogar die Person des Generalsekretärs der UN, Herr Hammarskjöld, eingesetzt wurde, vielleicht nebenbei, aber doch unter dem Gesichtspunkt auch dieser Frage.
Ich möchte auch, weil das Wort Generalamnestie damals einen gewissen Zweifel offenließ und wir ja heute eigentlich auch darüber sprechen sollten, keinen Zweifel darüber lassen, daß wir unter dieser Schlußstrich-Generalamnestie vor allem die Amnestie derjenigen Kriegsverurteilten verstehen, die im unmittelbaren Kriegszusammenhang militärische Taten begangen haben, die nicht als gemeine Verbrechen zu werten oder einwandfrei als solche feststellbar sind, d. h. wie sie unter normalen Umständen als solche gewertet zu werden pflegen. Wir sind der Auffassung, daß diejenigen Kriegsverurteilten, die ob derartiger vorgegebener Verbrechen oder nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Krieg stehender Untaten verurteilt wurden, zumindest der deutschen Gerichtsbarkeit zugeführt werden könnten, wobei dann auch bei der Urteilsbildung und -findung sowie bei der Strafbuße zweifellos die Tatsache einer zehn- oder vierzehnjährigen Haft einkalkuliert werden muß.
Aber, meine Damen und Herren, wenn wir heute von Sicherheit sprechen, dann, so glaube ich, erstreckt sie sich auch auf die Sicherheit des einfachen Staatsbürgers, zumal wir ja auch mit diesen Verträgen eine Bindung und Partnerschaft erstellen wollen, die neben der militärischen Bindung und Sicherheit diese rein persönliche einzuschließen hat. Verzeihen Sie es mir und nehmen Sie es mir nicht übel — es ist ja auch über manches andere, z. B. Gewerkschaftsfragen, sehr ausführlich gesprochen worden! —, wenn ich von dieser Stelle und aus diesem Anlaß die zuständigen Herren des Auswärtigen Amts auf den Fall des deutschen Journalisten Dr. von Wolmar, eines in Bonn akkreditierten deutschen Korrespondenten bei österreichischen Zeitungen, aufmerksam mache, der sich seit 3. Dezember 1954 in Österreich in Haft befindet. Er ist am Grenzbahnhof in Salzburg verhaftet worden, und zwar als deutscher Staatsangehöriger und auf Grund einer Ausschreibung im österreichischen Zentralfahndungsblatt infolge Auslieferungsantrags — man höre und staune! — der kommunistischen tschechoslowakischen Regierung vom Jahre 1951 wegen angeblich begangener Kriegsverbrechen als Presseabteilungsmann im damaligen sogenannten Reichsprotektorat BöhmenMähren. Österreich hat zwar vor Weihnachten den tschechoslowakischen Auslieferungsantrag abgelehnt. Der Journalist wurde aber — und das ist, glaube ich, in diesem Zusammenhang nicht uninteressant — Gefangener der Alliierten, so wurde berichtet, und zwar zu Weihnachten 1954, obzwar er schon früher, seit 1951 mindestens zehnmal, in Österreich gewesen ist und selbst bei Sicherheitsbehörden usw. vorgesprochen hat. Wenn auch die westlichen Alliierten meines Wissens den tschechoslowakischen Auslieferungsantrag dankenswerterweise ablehnten, so ist der Fall doch als eine Art Modellfall neuesten Datums auch für die Betrachtung der Sicherheit des Staatsbürgers höchst interessant. Wir wollen uns dabei nicht darüber unterhalten, wie solches mit der Haltung des sonst so fremdenverkehrsrührigen und auf deutsche Besucher erpichten, ach so gastlichen Österreichs so recht zu vereinbaren ist; was uns interessiert, ist, daß heute noch die Möglichkeit besteht, über ein österreichisches Volksgericht nach § 59 der österreichischen Strafprozeßordnung in, wie uns gesagt wurde, alliierte Haft zu geraten, sofern es einer kommunistischen Satellitenregierung gefällt oder gefallen hat, Auslieferungsanträge zu stellen.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, zu bedenken, was das für manchen Österreichfahrer zu bedeuten hätte, der als unbequemer deutscher Ostoder Südostheimatvertriebener oder als Fachmann für Heimatvertriebenen-Fragen, als Kenner von Ost- und Südost-Fragen angesehen würde, wenn heute noch ein österreichisches Volksgericht — auch darüber sind wir informiert — Anschuldigungsunterlagen der tschechoslowakischen Regierung mit dreimonatiger Frist anfordert.
Ich glaube, daß auch dieses Österreich und wir in der Gemeinschaft dieser freiheitlichen Welt uns auch im kleinen eine Haltung angewöhnen sollten, die über den großen militärischen Sicherheitsbemühungen auch die Sicherheit für den einzelnen gewährleistet, daß er in dieser freien Welt nicht gefangen gesetzt werden kann, letzten Endes auf Grund von Anschuldigungen gerade der anderen Seite, die eben diese freiheitlichen Prinzipien mißachtet.
Meine Damen und Herren, ich komme, um mein Versprechen nicht zu brechen, damit Sie nicht böse auf mich werden, zu Ende!
Der Truppenvertrag als Zusatzvertrag zum Deutschlandvertrag — wie betont wurde, im Zeichen des Überganges eine gewisse Vorbehalts- und auch Zwischenlösung mehrschichtiger Änderungen — läßt, wenn man ihn näher betrachtet, gewisse Wünsche offen. Privilegien für die Streitkräfte mögen sich — in Richtung auf andere Erfahrungen als bislang — zum Abbau noch vorhandenen Mißtrauens langsam abmindernd auswirken, nämlich im Geiste gegenseitigen Vertrauens, echter Partnerschaft und gegenseitiger Unterstützung. Die eigene Gerichtsbarkeit und die eigenen Gerichtsverfahren der alliierten Truppen mögen in Hinkunft vielleicht noch da und dort mehr die Sicherheit auch des deutschen Staatsbürgers gewährleisten. Wir denken da an manche
unerfreulichen Erscheinungen in den Räumen um München, um Bamberg, um Kaiserslautern usw. Der Art. 19 — Manöver und Übungen betreffend — ist, so meinen wir, ausgestaltungsbedürftig. Weitgehende Vorrechte, um eine Kleinigkeit dazu zu erwähnen, betreffs Jagd- und Fischereiprivilegien, Privilegien bestimmter in Militärdienste gestellter Unternehmungen, Vorrechte auf Leistungen des öffentlichen Dienstes und ähnliches sind Schönheitsfehler, die einmal auszumerzen sein werden. Im allgemeinen — das ist bereits von anderen Rednern meiner Fraktion mitgeteilt worden — sind wir der Auffassung, daß die militärische Struktur der Westeuropäischen Union und des Nordatlantikpaktes, einer Koalitionsarmee, die in der Spitze integriert ist, ihre Armierung und ihre militärische Organisation, die verstärkten Befehlsgewalten des alliierten Befehlshaber Europa —SACEUR —, gewisse, die nationalstaatlichen Prinzipien überlagernden Integrationsbemühungen innerhalb der Streitkräfte sowie die aufgelockerten Rüstungskontrollen im Amt für Rüstungskontrolle Beweise dafür sind, daß die Bundesrepublik immerhin als Mitglied einer weitreichenden und damit wirksamen Verteidigungsgemeinschaft eingegliedert erscheint. Wir müssen immer bedenken — und gerade wir als Heimatverjagte bitten, doch nicht zu vergessen, daß wir den Krieg in diesem Ausmaß verloren haben! —, daß diese Dinge im Hinblick auf die Katastrophe von 1945 im Sinne einer vielleicht höchstmöglichen Gleichberechtigung ausgehandelt wurden und die Chance einer nicht unwesentlichen Verstärkung der Sicherung unserer Freiheit gewähren. Man mache sich aber Beurteilung und Entscheidung nicht allzu leicht! Man sollte nicht grob simplifizieren! Es ist nicht richtig, diese Dinge etwa im Ton der „Münchner Wiesn" und jenes üblichen „Hurra-Rufens", also
jener Simplifikation darzustellen. Wir warnen vor diesen simplificateurs terribles!
Diese Dinge sind sehr schwierig! Man kann bei außenpolitischen Dingen, wie mir der sehr verehrte Herr Bundeskanzler vielleicht bestätigen wird, oft nur von zwei Übeln das kleinere und unter mehreren übeln das kleinste wählen. Man muß oft zu einer Sache ja sagen, auch wenn nur 51 % dafür und 49 % gegen sie sprechen. Hundertprozentige Ideallösungen sind hier nicht zu erringen. Aus der Abwägung dieser Momente heraus sagen wir zwangsläufig zu den Verträgen ja. Wir glauben und hoffen, daß damit ein notwendiger, d. h. not-wendender, Beitrag zur Erhaltung der Freiheit des deutschen Volkes in unserem Staat und zur Wiedergewinnung der Freiheit Gesamtdeutschlands geleistet wird. Allerdings muß damit — und da möchte ich die Worte der sehr verehrten Frau Kollegin Strobel aufgreifen und auch nach dieser Richtung unterstreichen — Hand in Hand die „soziale Aufrüstung" gehen; denn sie ist und bleibt das beste Kampfmittel gegen den Bolschewismus.
Nur von der sozialen Befriedung und sozialen Sicherung aus sind die Voraussetzungen zu schaffen, mit denen, gleichgültig wieviel Divisionen wir haben, eine Infiltration jenes tödlichen Gedankengutgiftes verhindert wird. Und wir hoffen — die
gestrigen Worte des Herrn Finanzministers Schäffer haben diese Hoffnung in uns verstärkt —, daß dieses Weiterwirken der sozialen Befriedung nicht unter finanziellen Gesichtspunkten geschmälert und verringert wird; denn das ist auch ein, vielleicht sogar der wichtigste Baustein für die Schaffung eines wiedervereinigten Deutschlands; und wenn wir auch die Wege und die Erfolge der Wege, die wir jetzt einschlagen, noch nicht abzusehen vermögen , — das ist uns allen sicher und gewiß, hier können wir hundertprozentig ja sagen. Wenn wir uns nämlich innerlich, wirtschaftlich und sozial konsolidieren, haben wir einen Vorrang und einen gewissen Sieg im Kalten Krieg errungen, dessen Gesetze ja — und das ist hier oft vergessen worden! — nicht w i r erfunden haben, sondern die von Moskau, vom Kreml, diktiert worden sind und die noch heute, wenn auch taktisch-strategisch kaschiert — siehe die Rede Herrn Molotows am 8. Februar dieses Jahres —, letztlich unverändert geblieben sind.
Von dem Gesichtspunkt der Sicherheit, Sicherheit in Freiheit, und der Freiheit in Sicherheit, wollen wir zu diesem Pariser Vertragswerk — nicht ohne Bedenken, nicht „einheitlich-hundertprozentig"; dazu ist die Frage zu ernst und zu schwierig, dazu ist schließlich das Spiel der Zukunftschancen zu verwirrt — ja sagen. Im Glauben an die Richtigkeit dieses Wegs, meine sehr verehrten Damen und Herren, klaffen wir auseinander. In der Liebe zur Freiheit sind wir einig. In der Hoffnung , daß diese Verträge, die Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen der SPD, ablehnen, nach ihrer Annahme doch einen Weg zur Erhaltung des Friedens und der Freiheit eröffnen, müssen, glaube ich, wir alle ebenfalls einig sein, wenn wir die Folgen aus diesem Vertragswerk dann gemeinsam zu tragen haben. Es ist der Weg zur Bewahrung der Freiheit — Freiheit, so w i r meinen! —, einer Freiheit des Rechts; es ist der Weg zu verstärkten Ansatzmöglichkeiten des Gesprächs um die Wiedervereinigung, im weiten Sinne des Wortes um die Einheit. Das wollen wir nicht außer acht lessen. Und aus der Friedenssehnsucht aller kann, glaube ich, auch der Heimatvertriebene, kann auch der Frontsoldat von gestern und vorgestern zu diesen Dingen positiv Stellung nehmen und kann, gerade weil er durch die Hölle dieser Zeit, dieses furchtbaren Zeitalters hindurchgegangen ist, auch der Jugend ein Beispiel geben, ohne dabei verwischen zu wollen, wieviel Schweres, aber für die Freiheit Notwendiges wir von ihr verlangen müssen.
Daß wir im Zwang stehen, meine Damen und Herren, im Zwange des Wettlaufs mit der Zeit im Kalten Krieg, wird keiner ableugnen. Ich möchte aber, weil ich schon von terribles simplificateurs gesprochen habe, bei aller persönlich-menschlichen Hochachtung zu meinem sehr verehrten Kollegen Hans Schütz eines sagen. So, wie er's gestern dargestellt hat, geht es meiner Auffassung nach nicht! Es ist nicht möglich, hier ziemlich künstlich voreilige Parallelen zwischen Ost und West zu ziehen. Das geht schon darum nicht, weil wir immer auf der Hut sein müssen, ob nicht die Gegenseite, wenn schon nicht formaljuristisch, von Paragraph zu Paragraph gehend, so doch zumindest taktisch-propagandistisch Präjudizien schaffen wird und kann. Man sollte daher vorsichtig sein, und zwar vor allem mit generell simplifizierenden und, ich
möchte fast sagen, naivisierenden Behauptungen, etwa derart, daß wir im deutschen Osten glücklich und froh wären, ein dem Saarstatut ähnliches Statut zu haben. So einfach, glaube ich, dürfen wir die Sache nicht sehen, und wir sollten gerade in diesen Dingen vorsichtig sein, und zwar nach dem Motto: „Achtung, Feind hört mit"!
Nicht mit Hurra, nicht mit einer hundertprozentigen Gewißheit des Erfolges, sondern, ich möchte sagen, mit innerer Unruhe müssen die Dinge gewagt werden. Es handelt sich, wenn Sie wollen, um einen Gang in etwas Ungewisses, aber um einen zwangsläufigen Gang. Es ist schon etwas wahr an dem Wort eines großen Deutschen: „Ein anderes ist das Wort, ein anderes die Tat; das Rad des Grundes rollt nicht zwischen ihnen." Hier wird die Situation klar, aus der heraus jedes Beschreiten eines derartigen Weges Gefahren und Chancen nach der einen wie der anderen Seite in sich birgt. Wollen wir hoffen, daß der Weg, den wir beschreiten, zum Guten führt!
Was der Soldat selbst noch wünscht — auch das möchte ich sagen —: er wünscht, daß wir auf dem Wege, den wir gehen werden und gehen wollen, auch in der Form des militärisch-soldatischen alltäglichen Lebens eine gewisse neue Mitte finden. Wir sind ja, wie Sedlmayr mit Recht dargestellt hat, das Volk, das vielleicht am meisten die Mitte verloren hat. Vielleicht können wir auch in diesen Formen eine neue Mitte zwischen Alt und Neu finden; das heißt, wir sollten im Soldatisch-Praktischen alles Gute auch von einst — das gab es! — aufnehmen und mit neuen, echt demokratischen Gedankengängen und Formen durchsättigen, die letzten Endes den Staatsbürger in der Uniform und in seiner Freiheit achten wollen. Wir sollten alles Barras-Verderbliche und -Übliche wie die Pest meiden und dabei aber auch allem Unsoldatischen Einhalt gebieten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Ostdeutscher, und zwar als sudetendeutscher Heimatvertriebener, als Soldat der unseligen Generation des zweiten Weltkriegs, im Namen meiner Freunde und, ich hoffe, auch im Namen vieler, die nicht nur in Parteidoktrinen denken, habe ich dem Ausdruck zu verleihen versucht, was uns dazu bewegt, hier unter dem Gesichtspunkt von Sicherheit und Freiheit ja zu sagen. Es ist bewegt von der Sehnsucht nach dem Recht, nach dem gleichen Recht für alle, nach jenem Gesichtspunkte, von dem Adalbert Stifter einmal gesagt hat: „Nichts ist geordnet auf dieser Welt, es sei denn recht und gerecht geordnet." Es ist getragen von der Sehnsucht nach Frieden und Sicherheit vor dem Krieg, wobei die Wiedervereinigung — da stimmen wir mit Ihnen und wohl mit den meisten überein! — die wichtigste Sicherheit wäre, wenn sie sofort erringbar wäre. Unsere Einstellung ist getragen von einer deutschen und europäisch-abendländischen Sehnsucht nach Einheit und Einigkeit, die auf Recht und Freiheit und echter Partnerschaft gegründet ist.
Sehr verehrter Herr Bundeskanzler, darin liegen, auch wenn Sie das vielleicht oft nicht richtig einschätzen wollen, auch unsere Bedenken bzw. unser Nein zum Saarstatut. Es liegt darin, daß man hier eine Frage und ein Grundproblem berührt hat, das gerade uns Menschen des deutschen Ostens besonders auf der Seele brennt, ein Problem, das man, so meinen wir, nicht r it formaljuristischen, pseudoeuropäischen Chancen, nicht mit nationalistischen und nationalstaatlichen Reminiszenzen, die wieder aufleben, meistern kann, sondern bei dem gerade das vielleicht einzig wichtige Wort Thomas Masaryks eine Rolle spielt „Ich Herr — Du Herr". Wenn man eine europäische Gemeinschaft aufbauen will, deren wichtigstes Glied die deutschfranzösische Verständigung nun einmal ist, dann darf man auch nicht aus Zweckmäßigkeitsgründen des Augenblicks diese ewig gültigen Gesetze, die erst eine echte Partnerschaft und 'europäische Gesinnung ermöglichen, über Bord werfen. Darum auch ein Nein — trotz der Bejahung der Gemeinschaft der westlich-freiheitlichen Welt, zu der wir uns auch durch diese Verträge bekennen.
Aber all das, meine Damen und Herren, soll doch hoffentlich nur Mittel zum Zweck für uns alle sein, für ein Ziel, in dem wir uns einig sind: ein vereinigtes freies deutsches Vaterland in einem, so hoffen wir, freien Europa. Wir hoffen — auch das muß gesagt werden —, daß der Allmächtige uns den Segen zu diesem Wirken gibt, nachdem er so lange Zeit sichtbar seinen Segen der deutschen Geschichte entzogen hat. In dieser Hoffnung und in dieser Liebe zum gemeinsamen Ziel sollten wir uns nach diesen Beratungen dann auch zu gemeinsamer Arbeit wiederfinden!