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ID0207016000

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    2. Deutscher Bundestag — 70. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Februar 1955 3663 70. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. Februar 1955. Zur Geschäftsordnung — betr. Absetzung der Beratung der Verträge: Wehner (SPD) 3663 C Kiesinger (CDU/CSU) . . . 3664 B, 3665 A Erler (SPD) 3664 D Absetzung abgelehnt 3665 B Fortsetzung der zweiten Beratung der Gesetzentwürfe betr. das Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksachen 1000, zu 1000), den Vertrag vom 23. Oktober 1954 über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 1060), den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag (Drucksache 1061, Umdruck 293), das am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichnete Abkommen über das Statut der Saar (Drucksache 1062, Umdruck 294); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache 1200) Wiedervereinigung Deutschlands (Fortsetzung): Dr. Kather (GB/BHE) 3665 C Dr. Baron Manteuffel-Szoege (CDU/ CSU) 3668 A Saarabkommen: Dr. Lenz (Godesberg) (CDU/CSU) . 3669 B, 3670 B Dr. Mommer (SPD). . . . 3670 B, 3673 C, 3677 B, D, 3681 C, 3.68.4 C, 3704 A, 3716 B, 3720 D, 3722 A Dr. von Merkatz (DP) . 3677 B, C, 3681 B, 3689 B, 3696 B, C, 3700 C, 3704 A Dr. Adenauer, Bundeskanzler. . 3683 C, 3684 D, 3690 B, 3692 C, 3719 A, 3721 B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) 3684 D, 3698 B Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . 3692 C Behrisch (SPD) (Persönliche Erklärung) 3692 D Unterbrechung der Sitzung . 3693 C Walz (CDU/CSU) 3693 C Feller (GB/BHE) . . . 3695 C, 3696 B, C Dr. Arndt (SPD) 3705 D, 3708 D, 3709 A, B Haasler (GB/BHE) . . . 3708 D, 3709 A, B Dr. Hellwig (CDU/CSU) 3709 C Trittelvitz (SPD) 3710 C Schütz (CDU/CSU) . . . . 3712 A, 3713 D Dr. Kather (GB/BHE) 3713 D Dr. Friedensburg (CDU/CSU) . . 3714 D Ladebeck (SPD) 3716 A Sicherheit und Verteidigung: Erler (SPD) . . . . 3722 D, 3726 C, 3727 B, 3730 A, B, C, 3731 C, 3737 B, C, 3742 A, C Dr. von Merkatz (DP) . . 3726 B, 3731 C Euler (FDP) 3727 B Dr. Jaeger (CDU/CSU) . . . 3730 B, 3737 D, 3740 A, 3742 B, C Kiesinger (CDU/CSU) 3730 A, C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 3735 C, 3737 C, D Dr. Arndt (SPD) 3739 D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3743 A, 3745 C, D Ritzel (SPD) 3745 C Weiterberatung vertagt . 3746 A Persönliche Erklärungen: Strauß (CDU/CSU) 3746 A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 3746 D Nächste Sitzung 3746 D Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider eröffnet.
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    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich glaube, es war im Ältestenrat beschlossen worden, die Diskussion in einer gewissen Gliederung durchzuführen, wobei man sich darüber klar war, daß gewisse Überschneidungen nicht zu vermeiden wären. Herr Kollege Erler hat aber gesprochen über die Sicherheit, die jetzt zur Debatte stehen sollte, über die Wiedervereinigung, über die finanziellen und über die wirtschaftlichen Fragen.

    (Abg. Wienand: Jetzt gibt es wieder Zensuren!)

    Ich möchte auf die wirtschaftlichen und finanziellen Fragen nicht eingehen. Das werden, wenn die Zeit es erlaubt, im gegebenen Augenblick die Herren Kollegen Schäffer und Erhard tun.
    Aber ich möchte auf einige wesentliche Ausführungen eingehen, die Herr Erler gemacht hat, weil sie mir auch für die Öffentlichkeit wichtig zu sein scheinen. Er hat eingangs seiner Ausführungen davon gesprochen, daß eine Abrüstung absolut notwendig sei. Ich teile durchaus diese Auffassung, und ich kann erklären, daß die Bundesregierung überall jetzt schon, soweit sie dazu in der Lage ist, sich für eine solche Abrüstung einsetzt. Wir haben bei den Londoner Verhandlungen, wie Sie wissen, auf die ABC-Waffen verzichtet, um damit ein Beispiel zu geben und den Anfang zu machen. Ich möchte hinzufügen, auf der Londoner Konferenz ist auch ausdrücklich erklärt worden, daß, wenn eine allgemeine Abrüstung komme, auch die Kontingente, die die einzelnen Länder der Westeuropäischen Union aufstellen, entsprechend vermindert werden sollen. Ich möchte weiter hinzufügen, daß gerade die Westeuropäische Union eine Kontrolle der Waffenbestände eingeführt hat und daß die Westeuropäische Union geradezu ein Modell für eine allgemeine Abrüstung ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten rechts.)



    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Ich muß noch hinzufügen, daß die Bundesrepublik — das gilt für Sie und gilt für die Bundesregierung — sich mit ganz anderer Kraft für dieses Ziel einsetzen kann, wenn wir unsere Souveränität wiedererlangt haben.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten des GB/BHE, der FDP und der DP.)

    Das gilt auch von Verhandlungen mit der Sowjetunion

    (Zustimmung in der Mitte)

    und von der Herbeiführung von Konferenzen. Ich meine, es heißt das Pferd am Schwanze aufzäumen, wenn man an uns Forderungen stellt, die an sich berechtigt sind, denen wir aber nicht folgen können, solange wir nicht souverän sind, und wenn man uns gleichzeitig die Zustimmung zu dem Vertrage, der unsere Souveränität wiederherstellt, verweigert.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der DP und bei Abgeordneten der FDP.)

    In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Erklärungen des Generals Gruenther zurückkommen, weil sie für jeden Deutschen, sowohl für die Deutschen in der Bundesrepublik wie für die Deutschen in der Sowjetzone, von der größten Bedeutung sind und weil darin allein schon die Rechtfertigung dafür liegt, daß auch wir unsere Truppen der NATO zur Verfügung stellen. General Gruenther hat gesagt:
    Solange keine deutschen Truppen zur Verfügung stehen, ist die NATO-Strategie eingestellt auf Verteidigung am Rhein.
    Das bedeutet also, daß ganz Deutschland — ich wiederhole: die Bundesrepublik und Deutschland jenseits des Eisernen Vorhangs — Schlachtfeld wird genau wie Korea.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    General Gruenther hat aber dann hinzugefügt:
    Wenn wir diesen wesentlichen zusätzlichen deutschen Beitrag haben, werden wir mit dem Potential aller Waffen unseres NATO-Arsenals dann in der Lage sein, realistisch eine Strategie der vorderen Räume zur Verteidigung Westdeutschlands zu planen.

    (Zuruf von der SPD: Gegen die Atombombe?)

    — Jawohl, mit den Atombomben!
    Man kann Dinge auch einfach sagen, ohne anderthalb Stunden lang alle möglichen Fragen anzuschneiden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der DP. — Zurufe von der SPD.)

    Deswegen will ich ganz einfach dem deutschen Volke folgendes sagen:

    (Zuruf von der SPD: Großer Vereinfacher!)

    Solange wir nicht zur NATO gehören, sind wir im Falle eines heißen Krieges zwischen Sowjetrußland und den Vereinigten Staaten das europäische Schlachtfeld,

    (Abg. Wehner: Und wenn Sie drin sind, auch! — weiterer Zuruf von der SDP: In jedem Falle sind wir das!)

    " und wenn wir in der Atlantikpaktorganisation sind,
    dann sind wir dieses Schlachtfeld nicht mehr.

    (Lebhafter Widerspruch bei der SPD. — Abg. Hansen [Köln] : Das nimmt Ihnen doch keiner ab!)

    Herr Kollege Erler hat weiter erklärt, wir müßten mehr Mut zur Viererkonferenz haben. Er hat ausgeführt, daß wir unsere ganze außenpolitische Energie verzehrt hätten in dem Nachjagen nach der europäischen Vereinigung. Ich habe schon wiederholt hier erklärt, und ich erkläre es nochmals: die Berliner Konferenz ist lediglich auf die Initiative der deutschen Bundesregierung zurückzuführen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten des GB/BHE.)

    Wir haben damals, als die drei Westalliierten allein in Washington versammelt waren, Herrn Blankenhorn nach Washington geschickt mit meiner dringlichsten Bitte, eine Viererkonferenz vorzubereiten und einzuberufen. Man war dazu erst nicht bereit. Aber unserem Drängen ist es zuzuschreiben, daß die Berliner Konferenz schließlich zustande gekommen ist.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wie kann man da behaupten, daß wir unsere ganze politische Energie verzehrten in dem Nachjagen nach der europäischen Vereinigung und die Wiedervereinigung nicht im Auge hätten! Ich kann nur nochmals sagen: ich finde es unmöglich — und ich bin überzeugt, eine spätere Generation wird mir recht darin geben —, daß Deutsche sich gegenseitig ständig vorhalten: W i r sind für die Wiedervereinigung, und ihr wendet nicht die nötige Energie dafür auf.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich empfinde einen derartigen Vorwurf als beleidigend.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Abg. Neumann: Draußen hören sie zu!)

    Das erinnert außerordentlich an frühere Methoden
    in Deutschland, als gerufen wurde: Ich bin nationaler als du! Sollen wir wieder dahin kommen?

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Sollen wir wieder mit diesen Methoden anfangen,

    (Zuruf von der SPD: Schroth-Scharley!)

    daß man sagt: Du bist nicht national, aber ich bin es?

    (Abg. Mellies: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen, Herr Bundeskanzler!)

    Ist es nicht viel vernünftiger und richtiger, wenn wir Deutschen in dieser schrecklichen Lage als Folge des Nationalsozialismus uns nicht diese gegenseitigen Vorwürfe machen?

    (Abg. Mellies: Fangen Sie mal bei sich selber an!)

    Glauben Sie denn, daß Reden, wie sie hier in diesem Haus gehalten werden,

    (Zuruf von der SPD: Herr Strauß!) etwa die drei Westalliierten ermutigen,


    (Abg. Hansen [Köln]: Und die andere Seite?!) uns ihre Geheimnisse mitzuteilen?


    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Herr Erler hat von der Erklärung, die Dulles in London abgegeben hat, gesprochen. Es ist richtig, was er gesagt hat: Kein Präsident der Vereinigten Staaten ist nach der Verfassung seines Landes in der Lage, eine solche auch seine Nachfolger bindende Verpflichtung einzugehen. Aber sollen wir denn deswegen auch von dem jetzigen Präsidenten der Vereinigten Staaten keine Erklärung entgegennehmen?

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich will Ihnen aber mitteilen, was Herr Dulles auf der Londoner Konferenz in sehr ernstem Ton noch gesagt hat. Er hat ausgeführt, daß, wenn die Europäer sich nicht vereinigten, die Gefahr einer Änderung der Politik der Vereinigten Staaten in bezug auf Europa eine absolut nahe sei.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Kann man solche Mitteilungen, die — ich wiederhole — im Ton einer sehr ernsten Warnung an Frankreich gerichtet waren, etwa überhören? Muß man nicht damit rechnen — wir sind uns doch wohl darüber klar —, daß ganz Europa ohne die Hilfe der Vereinigten Staaten überhaupt erledigt ist?!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es ist schon so: unser ganzes Geschick hängt davon ab, daß wir uns mit ,dem Westen verbinden auch militärisch; sonst können wir nicht erwarten, daß der Schutz gegenüber Sowjetrußland uns wirklich gewährt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten des GB/BHE.)

    Wenn Herr Erler sagt, Sowjetrußland wisse doch, daß eine Aggression eine sofortige Reaktion bei den Vereinigten Staaten auslösen würde, — ja, ich möchte eben, daß keiner von den beiden etwas Derartiges tut. Deswegen möchte ich dafür eintreten, daß dieses Deutschland, das nun mal zwischen den beiden Machtblöcken liegt, Einfluß als souveräner Staat bekommt, um dem Frieden zu dienen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Herr Erler hat soeben mit solcher Emphase gesagt: Wir sprechen ja nur von der Bündnislosigkeit des wiedervereinigten Deutschlands.

    (Zuruf von der SPD: Der militärischen Bündnislosigkeit!)

    Soll ich daraus entnehmen, daß er nichts dagegen
    hat, wenn die Bundesrepublik Bündnisse eingeht?

    (Abg. Erler: Herr Bundeskanzler, darf ich das gleich beantworten?)

    - Das ist eine Antwort, keine Frage; aber ich habe nichts dagegen.


Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sie stimmen zu.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Damit die Antwort gleich erteilt wird, Herr Bundeskanzler: Wir halten es hier ganz klar mit dem Beschluß des Sozialdemokratischen Parteitags in Berlin. Auch die Bundesrepublik kann mit militärischen Mitteln an der Verteidgung der westlichen Welt teilnehmen, also ein Bündnis eingehen, wenn ein ernsthafter Versuch zur Wiedervereinigung Deutschlands am russischen Widerstand scheitert.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)