Nein. Herr Kollege von Merkatz, ich bin jetzt wirklich bei einem anderen Thema. Wir wollen doch nicht immer wieder zu behandelten Fragen zurückkehren. Ich bin bereit, zum Schluß meiner Ausführungen besondere Punkte aus den vergangenen Teilen noch zu erklären. Aber Sie durchbrechen doch jede einigermaßen geordnete Rede, wenn Sie, wenn man einen Punkt längst verlassen hat, immer wieder auf ihn zurückkommen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie im Zusammenhang mit den Sicherheitsproblemen auf eine anscheinend kleine, eine anscheinend -untergeordnete Frage, die aber in unserem Volke außerordentlich viel Unruhe erweckt und Aufmerksamkeit gefunden hat, hinlenken. Es handelt sich um das Problem der Sprengkammern. Ich möchte hier nicht etwa die Lehre vertreten: jede Anlegung von Sprengkammern ist Unsinn. Eine Reise in die Schweiz zeigt einem, daß auch dieses gewiß friedfertige Land zu seiner eigenen Sicherheit von diesem Instrument Gebrauch zu machen sich gezwungen gesehen hat. Ich meine aber: aus der Art
der Anlage der Sprengkammern, aus den Orten, wo man sie bevorzugt findet, lassen sich ja auch gewisse Rückschlüsse auf die strategischen Absichten derer ziehen, die sie anlegen. Und da wird mir nicht ganz ruhig zumute, wenn ich mir etwa so z. B. einmal den Schwarzwald betrachte.
Aber dabei gibt es noch einen anderen Punkt. Die Sprengkammern werden ja augenblicklich unter der Verantwortung der Besatzungsmächte angelegt, und es gibt eine ganze Reihe von heftigen Auseinandersetzungen mit deutschen Behörden. Es gibt kaum einen Bundestagsabgeordneten, der nicht schon in solche Streitfälle einbezogen worden ist. Nun müßte — und das war eine lange Streitfrage in den Ausschüssen, die sich auch im Bericht des Auswärtigen Ausschusses niedergeschlagen hat —, wenn es sich nicht mehr um hoheitlich, also besatzungsrechtlich in Deutschland stehende Verbände der Alliierten, sondern nur noch um vertraglich hier stationierte Verbände handelt, die Anlage von Sprengkammern künftig eine rein deutsche, nationale Aufgabe sein.
Nun haben wir ja in London die berühmte declaration of intent gehabt, jene Absichtserklärung der drei Besatzungsmächte, in der sie gesagt haben, daß sie jetzt schon alle Befugnisse auf bestimmten Gebieten den deutschen Behörden übertragen mit Ausnahme der Demilitarisierung und einiger anderer Punkte. Die Anlage von Sprengkammern ist ja wohl keine Anlage der Abrüstung, sondern wohl eher eine Anlage der Aufrüstung. Wenn also die Londoner declaration of intent genau wie bei der zivilen Luftfahrt auf dieses Gebiet angewendet wird und wenn die Ausführungen unserer Berichterstatter und der Bundesregierung zutreffen, was ich hoffen möchte, daß es sich nur noch um vertragliches und nicht etwa doch aus Art. 4 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2 des neuen Generalvertrags hergeleitetes besatzungsrechtliches Stationierungsverhältnis handelt, dann müßte heute schon das gesamte Kapitel der Sprengkammern eine deutsche, nationale Aufgabe sein,
dann dürfte es heute schon keinerlei Streitigkeiten mehr geben zwischen alliierten Befehlshabern und deutschen Behörden, dann hätten die deutschen Behörden diese Dinge in eigener Zuständigkeit, notfalls bis Bonn hinauf, auszupauken. Meine Frage an die Bundesregierung — und sie ist die Testfrage dafür, ob die Besatzungstruppen nicht nur nur gegenüber der Sowjetunion, sondern auch gegenüber der Sowjetunion, sondern auch gegenüber der Bundesrepublik glauben, doch noch besatzungsrechtlich künftig hier in Deutschland stationiert zu sein —: Kann uns der Herr Bundeskanzler sagen, daß er heute schon imstande ist, mit seinen Behörden ohne Einspruch der Alliierten von sich aus auf Grund der declaration of intent zu entscheiden, ob und wo Sprengkammern angelegt werden oder nicht? Für diese Auskunft wäre ich der Bundesregierung sehr dankbar.
Meine Damen und Herren, ich habe in der Einleitung von der Wasserstoffbombe und den drohenden Gefahren, die der Menschheit daraus erwachsen, gesprochen. In Deutschland haben wir es nun heute mit einem weiteren Problem zu tun, das auch in dem Bericht unserer Ausschüsse kurz gestreift wird. Die Planung der Atlantikorganisation beruht auf dem Einsatz taktischer Atomwaffen, auch wenn der tatsächliche Einsatz für den Konfliktsfall in der Verantwortung der Regierungen bliebe. Meine Damen und Herren, ich möchte das Hohe Haus doch einmal nachdrücklich mit den möglichen Gefahren vertraut machen, die sich aus der Lagerung taktischer Atomwaffen auf dem Gebiet der Bundesrepublik ergeben.
Jeder Konflikt — das ist jedenfalls die Meinung eines Mannes, der einen ziemlichen Einfluß auch auf die Überlegungen britischer Militärs hat, ich meine Liddell Hart, der Name wird Ihnen ja allen bekannt sein —, jeder Konflikt, der mit dem Einsatz taktischer Atomwaffen geführt wird, weitet sich zwangsläufig zum totalen Atomwaffenkrieg aus.
Denn jeder Gegner wird auf den Einsatz einer taktischen Atomwaffe versuchen, mit der Niederkämpfung dieser Atomwaffe durch seine eigenen Atomwaffen zu beginnen. Das ist das eine. Atomwaffenlager in einem Lande ziehen also geradezu den Atomeinsatz des Gegners an.
Das erklärt die bange Frage eines Mannes, der etwas davon versteht, des früheren französischen Kriegsministers und jetzigen französischen Abrüstungsdelegierten bei den Vereinten Nationen, Jules Moch, in seinem Parlament. Jules Moch hat die bange Frage gestellt:
Werden wir die Lagerung von Atomwaffen auf dem Gebiet der Französischen Union zulassen mit allen Risiken der vorbeugenden Vergeltung, die eine solche Lagerung darstellt?
Ich stelle hier nur das Problem, damit man sich wenigstens einmal Gedanken darüber macht.
Liddell Hart hat zu dem Thema gesagt:
Selbstverständlich wünschen die Soldaten, die für die Verteidigungsplanung verantwortlich sind, das höchstmögliche Maß an Sicherheit zu erreichen, und es ist nicht ihre Sache, zu beurteilen, ob die anscheinende Steigerung dieser Sicherheit, die die taktischen Atomwaffen bieten, außer Kraft gesetzt ist durch das gesteigerte Risiko des Chaos und des allgemeinen Zusammenbruchs in der Heimat.
Das ist also . eine politische Frage. Das neue britische Weißbuch folgt in vielen Punkten der Konzeption Liddell Harts. Danach wäre die bisherige NATO-Planung mit der Ausstattung mit taktischen Atomwaffen praktisch schon veraltet. Ich stelle die Frage: Wenn, wie man in der Bundesrepublik zu glauben scheint — das scheint die Meinung der Bundesregierung zu sein —, die abschreckende Kraft dieser taktischen Atomwaffen so große Vorteile bietet, warum hat kein anderer NATO-Staat auf dem Kontinent in die Stationierung von Atomwaffen auf seinem Gebiet eingewilligt?
Das Problem ist so ernst, daß wir es im Zusammenhang mit den Vertragsberatungen sicher nicht ausdiskutieren können. Die sozialdemokratische Fraktion wird, so glaube ich, auf diese Frage bei einem besonderen Anlaß noch zurückkommen müssen.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen von meiner Ablehnung des Eintritts der Bundesrepublik in ein System einseitiger Militärallianzen gesprochen unter dem Gesichtspunkt der Wieder-
vereinigung Deutschlands. Ich möchte Sie noch auf einen anderen Gesichtspunkt aufmerksam machen. Ich bin der Meinung, daß man sich in der ganzen Welt überlegen sollte, ob es nicht nur bei uns um der Wiedervereinigung willen, sondern auch sonst um des Friedens willen gut wäre, wenn es einen ganzen Gürtel von Staaten gibt, die sich weigern, sich einfach in den militärischen Aufmarsch der beiden Blöcke hüben und drüben einreihen zu lassen,
meine Damen und Herren, sich weigern unter der Voraussetzung — das sei offen gesagt —, daß wir uns bemühen, in dem skizzierten Sinne zur Wiedervereinigung Deutschlands zu gelangen.
Scheitert dieser ernste Versuch, der doch nicht unternommen worden ist,
an der Sowjetunion — der Westen darf es doch nicht zulassen, daß dieses Odium auf ihm lasten bleibt —, dann muß die Bundesrepublik doch ihr Verhältnis zu den Besatzungsmächten auf einer Grundlage vertraglicher Beziehungen ordnen. Das ist unbestritten. Das haben wir auch nie anders gesagt. Herr Bundeskanzler, nehmen Sie es bitte zur Kenntnis: Kein Sozialdemokrat hat die Bündnislosigkeit für die Bundesrepublik gefordert; wir haben immer nur vom wiedervereinten Deutschland gesprochen!
Aber ich meine, daß es kein Zufall ist, daß eine ganze Reihe von Staaten, von Skandinavien über Deutschland, Österreich, den Vorderen Orient, Indien, Burma bis hin nach Japan, daß ein ganzer Gürtel von solchen Staaten sich darum bemüht, etwas heilsamen Abstand zwischen die beiden hochgerüsteten Blöcke zu legen. Ich bin der vielleicht von Ihnen verketzerten Meinung — ich weiß es nicht, ich will Ihnen das nicht unterstellen —, daß der Weltfrieden besser aufgehoben ist, wenn russische und amerikanische Soldaten sich nicht mehr gegenseitig in das Weiße ihrer Augen sehen.
Wir sollten einen Beitrag dazu leisten, daß die Diffamierung jener Staaten beendet wird, die sich darum bemühen, diesen Abstand zu schaffen.
Es ist in der Debatte gestern von der Bevölkerungsentwicklung und der Industrialisierung des Ostens gesprochen worden. Das ist richtig; jeder von uns sieht das. Aber, meine Damen und Herren, diese Entwicklung kann man doch nicht gewissermaßen mit bewaffneter Hand, durch Armeen, unterdrücken.
Wir haben es doch gleichzeitig auch mit einem Europa zu tun, das nach den Berichten des Europarates selbst heute, zur Stunde, immer noch unter dem Problem des Bevölkerungsüberschusses und nicht dem der mangelnden Bevölkerung leidet. Wir haben einen Sonderbeauftragten eingesetzt, der sich um die Auswanderung von Europäern nach Übersee bemüht. Da sollten wir doch in dieser Situation begreifen, daß die Form der Auseinandersetzung mit der Bevölkerungsentwicklung und der Industrialisierung des Ostens im wesentlichen in der
Entwicklung der Kräfte und des Lebensstandards sowie gesunder sozialer, wirtschaftlicher und politisch freiheitlicher Verhältnisse in allen unterentwickelten und sonst gefährdeten Ländern der Welt besteht.
Nun, meine Damen und Herren, wir haben schon im Dezember die schmerzliche Erfahrung machen müssen, daß uns bei einer Reihe von Punkten gesagt worden ist: Das gehört nicht in die Diskussion im Plenum; über strategische Fragen, ja zum Teil auch über finanzielle Fragen kann man nur in den Ausschüssen reden. Nein, dem widerspreche ich auf das entschiedenste.
Die Parlamente der großen Demokratien, in den Vereinigten Staaten von Amerika wie in Großbritannien, nehmen es sehr ernst mit der Diskussion auch der strategischen und gerade auch der finanziellen Fragen.
Meine Damen und Herren, ich bin sogar davon überzeugt, daß die Einschaltung und Mitwirkung des amerikanischen Parlaments uns schon verschiedene Male den an einem seidenen Faden hängenden Frieden gerettet hat.
Ich erinnere an Korea. Ich erinnere an die Entwicklung in der Formosa-Krise, bei der gerade das amerikanische Parlament sich sehr weise in die Beratungen eingeschaltet hat.
In beiden Häusern wird auch die Finanzierung über Jahre hinweg, nicht nur für den laufenden Haushalt, diskutiert. Mir ist kürzlich, genau wie Ihnen, das Programm des Präsidenten der Vereinigten Staaten für Haushalt und Bewaffnung vorgelegt worden, mit Stärkezahlen, mit der Verteilung auf die einzelnen Waffengattungen, mit den Hilfen für die verschiedenen Erdteile. In der Schweiz — ich habe mir erlaubt, das als Weihnachtsgruß dem Herrn Bundeskanzler zuzusenden — ist sogar über einzelne Fahrzeugtypen in aller Breite im Parlament diskutiert worden. So weit gehen wir gar nicht einmal. Aber meine Damen und Herren, eines verlangen wir von der Regierung: daß sie uns keine übertriebene Geheimniskrämerei zumutet, sondern das Parlament als ein Parlament von mündigen Erwachsenen behandelt!
Dabei stellt sich die Frage, ob die Pläne, wie sie uns — der Haushaltsausschuß spricht ja davon: Aufstellung in drei Jahren — vorgelegt worden sind, überhaupt durchführbar sind. Dazu gehört nun einmal Offenheit und Wahrheit über die Kosten.
Die Bundesregierung hat sich leidenschaftlich dagegen gewehrt, daß es sich dabei für die erstmalige Aufstellung von zwölf Divisionen um einen Betrag von 60 Milliarden DM in drei Jahren handle. Meine Damen und Herren, diese Zahl bleibt stehen, solange die Bundesregierung nicht eine begründete andere Zahl über den Gesamtumfang der Kosten nennt und nicht bloß für den Haushaltsansatz 1955.
Der Berichterstatter des Haushaltsausschusses meint — Sie können es auf Seite 16 der Drucksache
1200 nachlesen —, das Gesamtprogramm bestehe aus Millionen von Einzelposten, und deshalb könne man natürlich auch noch nicht die Höhe der Gesamtkosten angeben. Ja, aber entschuldigen Sie, wo leben wir eigentlich? Wenn es nach dem EVG-Vertrag gegangen wäre, dann wären die 12 Divisionen mit dem 31. Dezember 1954 schon fertig. Dauert denn das Ausrechnen der Kosten länger als die Aufstellung der Truppe?!
Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Der Bundestag hat Anspruch auf die Kenntnis verbindlicher Gesamtziffern.
Es ist hier in Aussicht gestellt worden: Na ja, bei den Haushaltsansätzen bleibt es, und den Rest werden wir eben geschenkt bekommen! — Sicher, die Vereinigten Staaten von Amerika werden eine Außenhilfe geben. Aber, meine Damen und Herren, über den Umfang dieser Außenhilfe werden wir uns am allerwenigsten Illusionen machen dürfen, wenn wir uns die Konsequenzen überlegen, die einmal auf uns zukommen werden, und schließlich muß der Finanzminister doch disponieren können. Von 1945 bis 1953, in mehr als acht Jahren, haben die Vereinigten Staaten an alle Mitgliedstaaten der Atlantikorganisation zusammen eine Militärhilfe von 7,732 Milliarden Dollar geleistet. Meine Damen und Herren, das wäre ungefähr der Betrag, den Sie in drei Jahren allein für die Bundesrepublik verkonsumieren würden, wenn Ihre Voraussagen richtig wären! Das ist doch schlechthin ausgeschlossen.
In der Botschaft des Präsidenten der Vereinigten Staaten vom 17. Januar heißt es, daß — auch wenn man frühere Bewilligungen einbezieht, woraus ja schon Sachen gekauft worden sind, und dann berücksichtigt, daß neue Bewilligungen nicht gleich zu Auslieferungen führen, weil man die Dinge erst herstellen muß — die Jahresrate der Auslieferungen ungefähr drei Milliarden Dollar beträgt, und zwar für alle Freunde der Vereinigten Staaten in der ganzen Welt.
Und da glauben Sie, meine Damen und Herren, daß Sie das ganz allein kriegen? Offen gestanden, ich teile diese Illusion nicht.
Der Präsident hat in seiner Botschaft nämlich außerdem noch ausdrücklich angekündigt, daß er an eine Ermöglichung der Reduzierung der Verteidigungshilfe für den europäischen Raum unter den Stand der letzten Jahre in unmittelbarer Zukunft glaube. Also mehr scheint es doch nicht zu werden.
Aber auch diese Diskussion steht unter dem Motto: Alles ist schon einmal dagewesen. Schon am 19. Mai 1952, mitten in den Auseinandersetzungen um den werdenden EVG-Vertrag, schrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" in einer Meldung aus Washington „Übertriebene Hoffnungen Bonns", amtliche Kreise Washingtons hätten ausgeführt, daß im Laufe einiger Jahre sich die amerikanische Hilfe an die Bundesrepublik, ähnlich wie bei anderen europäischen Staaten, vielleicht auf insgesamt 2 oder 3 Milliarden Dollar belaufen könne — das ist übrigens auch noch als zu hoch dementiert worden —; im übrigen aber erwarte Amerika, daß Deutschland nach einem Anlaufen der Aufstellung und Ausbildung deutscher Einheiten der Europaarmee bis zum
Ende des Haushaltsjahres am 30. Juni 1953 einen f' großen Teil der entstehenden Wehrausgaben selbst trage. Anschließend werde die Bundesrepublik dann nach Ansicht dieser amtlichen Kreise einen angemessenen Anteil an der amerikanischen Hilfe erhalten, der jedoch eher in Millionen als in Milliarden jährlich ausgedrückt werde.
Meine Damen und Herren, wie schnell hier Ruhm und Ehr' vergehen — „gestern noch auf stolzen Rossen", kann man dazu nur sagen — zeigt doch das spanische Beispiel. Strategie und Finanzen hängen sehr eng miteinander zusammen und sind in einem außerordentlich raschen Wechsel begriffen. Vorgestern konnten Sie eine Meldung der französischen Nachrichtenagentur aus Washington in der Zeitung „Le Monde" lesen, und darin ist von Spanien die Rede. Das ist nicht ganz uninteressant für uns. Die Spanier hatten sich beschwert, daß sie zu geringe Hilfe bekommen hätten; und daraufhin wird hier bekanntgegeben, daß sie rund 300 Millionen Dollar bekommen hätten, davon 170 Millionen Dollar für die Wirtschaftshilfe. Und dann geht es wörtlich weiter:
Man weist im übrigen darauf hin, daß sich die Bedingungen verändert haben seit dem Abkommen von 1953, das die Schaffung von Militärbasen in Spanien vorgesehen hat im Austausch gegen eine Hilfeleistung an dieses Land. Mit Rücksicht auf die Fortschritte, die erreicht worden sind auf dem Atomgebiet und auf dem der Langstreckenbomber, betrachten die Vereinigten Staaten die Anlage der fraglichen Basen nicht mehr als so dringend wie vor zwei Jahren.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen das nur, damit Sie sich der Tragweite auch der Probleme der Finanzen auf diesem Gebiet einmal bewußt werden und sich nicht einfach auf etwas verlassen, was sich vielleicht nachher als nicht solide genug herausstellt.
Zu den Kosten der Erstausstattung kommen die bisher unbestritten gebliebenen Kosten des laufenden Unterhalts, wenn die ganzen Streitkräfte stehen würden, von etwa 31/2 bis 41/2 Milliarden im Jahr. Dann wissen Sie so gut wie ich, daß alle drei Jahre ungefähr alle Waffen verschrottet werden können, weil sie veraltet sind. Dann wissen Sie so gut wie ich, daß man, wenn man eine Wehrpflicht hat, zur Ausbildung von Reserven kommt. Was tut ein Reservist, so man kein Schießgewehr, keinen Panzer und kein Flugzeug hat? Sie müssen also doch auch das Material für die Reservisten irgendwie bereitstellen; sonst ist das Ganze auf Sand gebaut. Dazu kommt schließlich noch ein Komplex: die Schutzvorkehrungen für die Zivilbevölkerung.
Alles großes Schweigen! Meine Damen und Herren! Verteidigungsanstrengungen — das sei Ihnen unbestritten — sind nicht umsonst; aber man muß dann doch den Tatsachen ins Auge sehen.
— Jawohl, auch den finanziellen, Herr Kollege!
Wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister den
Herrn Oppositionsführer, nun, ich muß schon
sagen: der Lüge geziehen hat, dann erwarte ich von ihm, daß er dem Parlament jetzt die Wahrheit sagt, und zwar nicht über den Haushaltsansatz 1955, sondern über die tatsächlichen in den nächsten Jahren entstehenden Gesamtkosten und die Art ihrer Aufbringung. Das müssen wir von ihm verlangen.
Meine Damen und Herren, mancher von Ihnen hat sich das sorgenvoll selbst überlegt: entweder kommt man zu einem uns allen doch höchst unheimlichen Anwachsen der Lasten der Steuerzahler, oder die Verbände würden zwar aufgestellt, aber unzureichend bewaffnet, was für den Ernstfall ein völlig sinnloses Opfer wäre, oder aber die Pläne, die uns vorgetragen worden sind, sind einfach nicht durchführbar. Wenn die Bundesregierung die Absicht hat, die Pläne zu ändern, dann muß sie das dem Parlament sagen. Das ist doch ihre Pflicht, daß sie uns dann nicht im dunkeln tappen läßt.
Ich halte es hier mit einem völlig unverdächtigen Zeugen. Bei Gesprächen während seines letzten Aufenthalts in den Vereinigten Staaten hat dieser Zeuge darauf hingewiesen, daß eine Regierung, die die Rüstung auf Kosten des Lebensstandards forciere, bei der nächsten Wahl zwar viele Kanonen, aber keine Wähler haben würde, und daher tritt der Mann für ein mäßiges Tempo ein, d. h. auch er hält die vorgeschlagene Planung so nicht für durchführbar. Sie müssen also mindestens dem Hause sagen, welche andere Planung Sie eigentlich vorschlagen. Der Zeuge — er wird Ihnen außerordentlich sympathisch sein — ist der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Fritz Berg.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie darum, in allem Ernst alle Konsequenzen der Vertragswerke hier miteinander zu diskutieren, damit Sie auch wissen, welche gesetzgeberischen, welche finanziellen, welche wirtschaftlichen Probleme auf uns zukommen.
Ich will, um zum Schluß zu kommen, — —
— Ich weiß, daß Ihnen manches weh tat, aber —
— Freut mich, zu hören, daß ich Ihnen nicht weh getan habe. Um so besser! Ich danke Ihnen für das Kompliment. Es hat andere Redner in diesem Hause gegeben, die sich, glaube ich, doch auch ziemlich lange mit einem bestimmten Problem befaßt haben. Ich meine, das Problem ist wichtig genug, um ernst erörtert zu werden.
Lassen Sie mich eines in aller Deutlichkeit sagen. Ich habe gestern genau das hier gehört, was sich auch vorher draußen im Lande abgespielt hat, nämlich den Versuch, jene hier im Bundestag und viel stärker noch draußen im Volk mahnende Stimme im Drängen nach der Wiedervereinigung Deutschlands in der Richtung — entschuldigen Sie! — zu diffamieren, wie es ein Angehöriger der Regierungsbank in Bayern getan hat, als er Herrn Ollenhauer die Frage gestellt hat, ob er nicht eine Außenstelle Moskaus sei. Meine Damen und Herren, warum komme ich darauf zurück? Weil ich der Meinung bin, daß wir eine große Chance vertun, wenn wir in dieser Weise das, was sich in unserem Volke regt, nicht nutzbar machen, um der Welt noch unüberhörbarer, als Sie allein es können, den Ruf nach der Einheit unseres Vaterlandes zu Gemüte zu führen.
Einen solchen Ruf, auch wenn der eine oder andere Ton daran Ihnen nicht sympathisch ist — das gibt es doch auf beiden Seiten! —, sollte man nicht diffamieren, sondern im Interesse der gemeinsamen Sache der Welt gegenüber verstärken. Das Volk ruft uns zu, dem Bundestag und der Regierung, den Besatzungsmächten und der ganzen Welt: Frieden und wirkliche Sicherheit gibt es nur in einem Europa mit einem ungeteilten Deutschland! Darüber wenigstens sind wir uns doch einig! Alles andere ist Stückwerk, ist gefährlich und ist nicht von Bestand!