Rede von
Fritz
Erler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr von Merkatz, der Unterschied zwischen diesem System und dem hier von der Bundesregierung und von Ihnen verteidigten ist folgender: Das, was ich vorschlage, schützt das wiedervereinte Deutschland, und Ihres schützt die Hälfte!
Das, was ich vorschlage, geht davon aus, daß um der Wiedervereinigung und um des Zustandekommens des einheitlichen Deutschlands willen der Bündnisfall nicht schon im voraus, gewissermaßen im vorhinein diffamierend — das ist der Charakter der alten Militärallianzen — festgelegt wird, weil Sie dann die vierte Besatzungsmacht nicht zur Freigabe ihrer Zone bekommen.
Das ist doch das Wesentliche.
Im übrigen, Herr von Merkatz, dürfte Ihnen als Völkerrechtler der Unterschied zwischen einem System der kollektiven Sicherheit — in dem die Partner untereinander sich zum Friedenhalten verpflichten und gemeinsam zur Hilfe gegen den Aggressor aus den Reihen dieses Systems anzutreten verpflichtet sind — und der klassischen Militärallianz hinlänglich bekannt sein.
— Meine Damen und Herren, ich sehe hier gelegentlich etwas zweifelnde Armbewegungen. Ich bedaure, daß nicht der eine oder der andere unserer Kollegen sich zur Vorbereitung dieser Debatte doch etwas mit dem völkerrechtlichen Problem der Militärallianzen und von Systemen der kollektiven Sicherheit befaßt hat.
Meine Damen und Herren, ich habe davon gesprochen, daß die Zugehörigkeit zur freien Welt nicht automatisch verbunden ist, nicht gleichgesetzt werden kann mit der Zugehörigkeit zur atlantischen Militärallianz. Ich finde, in einer solchen Gleichsetzung liegt sogar eine gefährliche Abwertung. Zahllose andere Völker, die stolz sind auf ihre demokratischen Traditionen, die stolz sind auf ihre Freiheit, die stolz sind auf ihre Zugehörigkeit zum westlichen Kulturkreis — er ist größer, viel größer als die atlantische Militärallianz, auch wenn sie der Kern dieses Kulturkreises ist —, gehören deshalb nicht unbedingt zur NATO. Ich befinde mich da — ich bin ja nun vielleicht hier zum Spezialisten für Zitate aus dem englischsprachigen Bulletin der Bundesregierung geworden — in allerbester Gesellschaft mit der Ausgabe des Bulletins vom 24. Januar. Da wird das sogar von einem Lande behauptet, das eine verhältnismäßig junge Tradition auf dem Gebiet hat, das wir die parlamentarische westliche Regierungsweise in unserer besonderen Ausprägung der Demokratie nennen. In einem Aufsatz: „Indien — von Deutschland gesehen" heißt es, daß Indien der Sprecher der freien, nichtkommunistischen Länder Asiens sei und seine größte Bedeutung darin liege, daß es
unlösbar durch freie und demokratische Grundsätze mit dem Westen verbunden sei, andererseits der Vorkämpfer jener asiatischen Staaten sei, die gerade eine gewisse Unabhängigkeit gewonnen haben und entschlossen sind, sie zu bewahren.
Warum trage ich Ihnen das vor? Nicht weil ich unsere Lage mit der Indiens vergleichen wollte. Auch das schwedische Beispiel ist — wie immer bei solchen Vergleichen — angesichts der Verschiedenheit der geographischen Situation nicht voll übertragbar. Ich trage Ihnen das vor, damit wir endlich einmal begreifen, daß Zugehörigkeit zur freien Welt und Zugehörigkeit zu einem amerikanisch geführten System von Militärallianzen nicht notwendigerweise ein und dieselbe Sache sind. Das sollten wir einmal begreifen.
Nebenbei: selbst in den Vereinigten Staaten von Amerika ist diese Erkenntnis gar nicht so fremd. Es hat kürzlich eine Auseinandersetzung im amerikanischen Senat gegeben, und da haben amerikanische Senatoren darauf aufmerksam gemacht, daß die Vereinigten Staaten von Amerika doch auch ihre Bündnispolitik einmal auf ihren wirklichen Gehalt überprüfen sollten, um nicht dort Bündnisse vorzutäuschen, wo es sich in Wirklichkeit um verhältnismäßig einseitige Leistungen der Vereinigten Staaten handle, die sie selbstverständlich auch im Interesse ihrer Verteidigung, aber auch im Interesse der Freiheit der beteiligten Länder erbringen wollten; aber man sollte doch dann allen diesen Ländern nicht zweiseitige Bündnisverträge aufnötigen, die sie nur in die schwersten außenpolitischen Auseinandersetzungen mit anderen Nachbarn bringen könnten. Das haben amerikanische Senatoren vorgetragen. Ich finde, es ist gut, in diesem Zusammenhang auch daran zu erinnern. Es gibt nämlich eine Reihe von Gefahren dessen, was Sie die militärische Integration nennen, nämlich der Bundesrepublik in jenes einseitige Militärbündnissystem. Die Gefahren dieser militärischen Einschmelzung — —
— Gern!