Rede von
Dr.
Karl
Mommer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich freue mich, daß es möglich ist, dem Punkt der freien Wahlen im Saargebiet so auf den Leib zu rücken und da einmal restlose Klarheit zu schaffen. Herr Bundeskanzler, Sie sagen uns, daß Sie in Gesprächen mit Herrn Mendès-France übereingekommen sind, daß die Freiheit nicht wieder eingeschränkt werden soll. Wie kommt es dann, daß Herr Mendès-France, als er den Vertrag der Assemblée nationale zuleitete, ihn mit einem Bericht, mit einem Kommentar versah, in dem sich folgender Satz findet:
Sobald das Statut einmal gebilligt ist
— also im ersten Plebiszit —,
wird es unter Vorbehalt des Friedensvertrags nicht mehr in Frage gestellt werden können. Dies bedeutet, daß jede politische Betätigung oder Propaganda
— und so was machen die Parteien nun einmal, Herr Bundeskanzler —,
die geeignet ist, das Vorgehen oder die Autorität der mit der Anwendung des Statuts beauftragten Institutionen zu gefährden, unerlaubt sind und der Aufrechterhaltung des Friedens in Europa und des guten deutschfranzösischen Einvernehmens zuwiderlaufen würden.
Bitte, das steht in der regierungsoffiziellen französischen Begründung. Ist das nicht der Text, der in der vornehmen politischen Sprache, die bei solchen Anlässen üblich ist, ankündigt: Wenn das Statut im Plebiszit angenommen ist, dann gibt es keine Betätigung oder Propaganda mehr, die die Autorität usw. in Gefahr bringt!?
Meine Damen und Herren, ist es denn Angstlichkeit von uns oder ist es eine pflichtgemäße Sorge von uns, daß wir bei solchen Texten darauf bestehen, daß es nicht bei vielleicht vorhandenen mündlichen Absprachen bleibt, sondern daß in den Text schwarz auf weiß geschrieben wird, daß es diese Freiheiten in Zukunft uneingeschränkt an der Saar geben wird? Bitte, die ersten Wahlen an der Saar innerhalb dreier Monate nach Annahme des Statuts in einem Plebiszit werden unter Ministerpräsident Johannes Hoffmann stattfinden — ist gar keine Frage —, und da gibt es auch keine Kommission mehr, wohl schon einen Kommissar, der vielleicht einige Ermahnungen an Herrn Hoffmann geben wird.
— Er kann gar nicht aufheben. Sehen Sie im Text nach — es war doch gut, daß ich das Stenogramm wieder durchgelesen habe, Herr Lenz —: er kann Ersuchen richten, er kann aber nicht aufheben, und das ist etwas ganz anderes. — Inzwischen sind die Wahlen längst vorüber — wir wissen doch, wie so etwas geht —, und es gibt dann ein Verwaltungsgerichtsverfahren so wie bei der verbotenen Demokratischen Partei Saar, und nach zwei Jahren wird dann darüber entschieden. Wie da entschieden wird, das weiß man. Solange der Weg im Innern nicht erschöpft ist, wird der Weg bei der Westeuropäischen Union erst gar nicht beschritten.
Jedenfalls, Johannes Hoffmann ist der Polizeiminister bei diesen ersten Wahlen, und das allein wäre doch schon Grund genug, um mißtrauisch zu sein und um klare Texte zu fordern. Herr Bundeskanzler, Sie sind so mißtrauisch gegenüber dem Osten — und mit Recht —, wenn da von freien Wahlen die Rede ist. Dann muß man auch in Verhandlungen klären, was damit gemeint ist, und man muß eine Fülle von Garantien zum Schluß suchen, um auch wirklich zu garantieren, daß die Wahlen frei sein werden. Von dieser Ihrer Skepsis findet sich aber auch gar nichts mehr wieder, wenn es sich um das Saargebiet handelt, wo es bisher seit 1945 auch keine freien Wahlen gegeben hat.
Schließlich noch ein Wort zu der Kommission. Herr Bundeskanzler, in dem Text ist es völlig klar, daß zusätzliche Funktionen nicht dem französischen Vertreter, sondern der deutsch-französischen Kommission gewährt werden sollen, und das ist doch schließlich etwas ganz anderes. Ich habe den Eindruck, wenn man absolut nicht verstehen will, dann versteht man auch nicht.