Rede von
Dr.
Konrad
Adenauer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Nachher, bitte; entschuldigen Sie.
Sehen Sie, meine verehrten Damen und Herren
— und ich möchte diese Bitte auch an diejenigen Mitglieder des Hauses richten, die glauben, dem Saarabkommen nicht zustimmen zu können —: Denken Sie immer daran, daß es vielleicht doch möglich ist, daß dieses Saarabkommen Rechtens
wird und daß wir eines Tages gezwungen sind, das Gericht der Westeuropäischen Union wegen der Auslegung dieses oder jenes Artikels anzurufen.
Bedenken Sie bitte, daß dann der französische Vertreter in einem solchen Rechtsstreit mit Freuden und Genuß aus der Tasche diesmal ziehen wird den Amtlichen Bericht des Bundestages und dort vortragen wird: Ein großer Teil des Hauses oder der Sprecher einer großen Fraktion war doch der Auffassung, daß in dem vereinbarten Artikel das soundso vereinbart worden ist.
Sehen Sie, meine Damen und Herren: solche Erörterungen und Ausführungen, wie sie eben hier gemacht worden sind, können vielleicht in einem Ausschuß gemacht werden, aber sie gehören nicht in die Öffentlichkeit, weil sie unter Umständen von dem Gericht gegen uns ausgelegt, als Auslegungspunkte gegen uns betrachtet werden können.
— Ach, meine Herren, können wir denn nicht einmal vernünftig miteinander sprechen?
— Ja, ich mache doch ständig den Versuch. Folgen Sie mir doch einmal!
Sehen Sie, Herr Kollege Mommer: in einem haben Sie recht.
— Ja, er kann doch auch mal recht haben! — Ich will Ihnen auch sagen, warum. Sie haben sehr gut behalten. Ich habe Ihnen vorgetragen, ich sei da- für, daß dieses Saarabkommen durch einen nach einem Jahr frei gewählten Landtag genehmigt werden sollte. Ich habe diese Forderung aufgestellt auf Wunsch der Vertreter der deutschen Oppositionsparteien. Aber, Herr Kollege Mommer, ich habe mir selbst nachher gesagt: Man muß doch alles tun, die jetzige Wirtschaft an der Saar so schnell wie möglich zu beendigen und nicht erst nach einem Jahr. Und ich habe mich auf dieses Plebiszit eingelassen, weil mir auf meine Fragen die Vertreter der deutschen Oppositionsparteien Mitteilungen gemacht haben, die ich hier in der Öffentlichkeit nicht machen kann, die ich aber bereit bin, Herr Dr. Mommer, Ihnen unter vier Augen zu sagen.
Aber was haben wir eingetauscht dagegen, daß wir von deutscher Seite aus nachgegeben und gesagt haben, das Plebiszit solle über das Saarabkommen veranstaltet werden? Dagegen, meine Damen und Herren, haben wir die Schlußabstimmung eingetauscht,
die zuerst nicht in dem Abkommen enthalten war,
die, meine Damen und Herren, auch nicht in der Punktation enthalten war, die ich Ihnen vorgelegt habe. Das ist nach meiner Meinung ein ausgezeichneter Tausch.
Wenn Sie schon damals die Punktation, in der nicht
von der Schlußabstimmung die Rede war, als eine
faire Grundlage bezeichnet haben, um wieviel froher müßten Sie sein, daß es gelungen ist, diese Schlußabstimmung noch hineinzubekommen!
Ich will Ihnen aber nochmals vorlesen, was ich Ihnen heute vormittag schon einmal vorgelesen habe, weil Sie, Herr Kollege Mommer, wieder gesagt haben, es gebe keine freien Wahlen an der Saar. Ich muß mit aller Entschiedenheit, auch im Hinblick auf den Herrn Hoffmann sagen: Es gibt freie Wahlen an der Saar.
Diese freien Wahlen sind uns ausdrücklich von Herrn Mendès-France zugesagt worden. Wir haben in Saint-Cloud eine ganze Stunde über die Frage gesprochen, ob die Parteien an der Saar berechtigt sein sollten, auch dieses Saarabkommen zu kritisieren und auszuführen, welches ihr Ziel ist. Die französische Seite hat zuerst den Parteien an der Saar dieses Recht vorenthalten wollen. Wir haben eine ganze Stunde lang miteinander gerungen, bis dieses französische Verlangen fallengelassen wurde. Die Parteien an der Saar sind berechtigt, auszuführen: Wir wollen im Friedensvertrag zu Deutschland zurück.
— Ja, darauf kann ich keine Antwort geben, meine Damen und Herren.
Nun darf ich noch einmal auf Baden-Baden zurückkommen. Es heißt in den Vereinbarungen doch ganz klar über die freien Wahlen:
Der Kommissar ist beauftragt, über die Beachtung des Statuts zu wachen, insbesondere des Art. VI. Bei der Erfüllung dieser Aufgabe läßt er sich von der Konvention zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten leiten.
Und dann heißt es weiter:
Einzelpersonen einschließlich Gruppen und Organisationen an der Saar, die sich durch eine Entscheidung des Kommissars in ihren Grundrechten und demokratischen Freiheiten verletzt fühlen, können gegen diese Entscheidung die' gerichtliche Instanz der Westeuropäischen Union anrufen.
Das steht klipp und klar darin, und ich betone das so nachdrücklich — ich hätte sonst das Wort gar nicht mehr ergriffen —, damit nicht die Leute an der Saar, die jetzt die Herrschaft in der Hand haben, sich darauf berufen können, ich hätte gegenüber den Ausführungen des Herrn Dr. Mommer, es gebe keine freien Wahlen, geschwiegen. Es gibt die freien Wahlen!
Zum Schluß noch etwas. Wenn man aus Artikeln, die man geschrieben hat, zitiert, soll man auch vollständig zitieren.
— Also ich schreibe nicht so leicht Artikel! Nein, nein!
Aber Herr Kollege Mommer hat soeben aus dem
Artikel zitiert, den er am 9. Oktober in der
„Stuttgarter Zeitung" hat erscheinen lassen. In
diesem Artikel findet sich auch folgender Satz, der mir sehr schlecht gefallen hat,
Herr Dr. Mommer, sehr schlecht, und den ich nicht zur Grundlage meiner Verhandlungen mit Herrn Mendès-France gemacht habe, weil er allerdings verderblich gewesen wäre. Herr Dr. Mommer hat da nämlich gesagt:
Der deutsch-französische Verständigungswille könnte in einer paritätischen Kommission mit einem gemeinsam gewählten neutralen Vorsitzenden zum Ausdruck kommen, die zusätzlich zu den jetzigen Funktionen des französischen Protektors den Schutz der demokratischen Freiheiten und die Förderung der Saarwirtschaft übernehmen sollte.
Meine Damen und Herren, darin ist zunächst kein Wort davon, daß eine Instanz geschaffen werden soll, an die man sich wenden kann. Aber vor allem: „zusätzlich zu den jetzigen Funktionen des französischen Protektors", — nein, dafür war ich nicht zu haben, Herr Dr. Mommer.
Das wäre nach meiner Meinnug ein zu großes Entgegenkommen gegenüber Frankreich gewesen. Das wollte ich nicht; ich wollte den jetzigen französischon Protektor weghaben. Das habe ich gewollt!