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ID0207011500

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    2. Deutscher Bundestag — 70. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Februar 1955 3663 70. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. Februar 1955. Zur Geschäftsordnung — betr. Absetzung der Beratung der Verträge: Wehner (SPD) 3663 C Kiesinger (CDU/CSU) . . . 3664 B, 3665 A Erler (SPD) 3664 D Absetzung abgelehnt 3665 B Fortsetzung der zweiten Beratung der Gesetzentwürfe betr. das Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksachen 1000, zu 1000), den Vertrag vom 23. Oktober 1954 über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 1060), den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag (Drucksache 1061, Umdruck 293), das am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichnete Abkommen über das Statut der Saar (Drucksache 1062, Umdruck 294); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache 1200) Wiedervereinigung Deutschlands (Fortsetzung): Dr. Kather (GB/BHE) 3665 C Dr. Baron Manteuffel-Szoege (CDU/ CSU) 3668 A Saarabkommen: Dr. Lenz (Godesberg) (CDU/CSU) . 3669 B, 3670 B Dr. Mommer (SPD). . . . 3670 B, 3673 C, 3677 B, D, 3681 C, 3.68.4 C, 3704 A, 3716 B, 3720 D, 3722 A Dr. von Merkatz (DP) . 3677 B, C, 3681 B, 3689 B, 3696 B, C, 3700 C, 3704 A Dr. Adenauer, Bundeskanzler. . 3683 C, 3684 D, 3690 B, 3692 C, 3719 A, 3721 B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) 3684 D, 3698 B Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . 3692 C Behrisch (SPD) (Persönliche Erklärung) 3692 D Unterbrechung der Sitzung . 3693 C Walz (CDU/CSU) 3693 C Feller (GB/BHE) . . . 3695 C, 3696 B, C Dr. Arndt (SPD) 3705 D, 3708 D, 3709 A, B Haasler (GB/BHE) . . . 3708 D, 3709 A, B Dr. Hellwig (CDU/CSU) 3709 C Trittelvitz (SPD) 3710 C Schütz (CDU/CSU) . . . . 3712 A, 3713 D Dr. Kather (GB/BHE) 3713 D Dr. Friedensburg (CDU/CSU) . . 3714 D Ladebeck (SPD) 3716 A Sicherheit und Verteidigung: Erler (SPD) . . . . 3722 D, 3726 C, 3727 B, 3730 A, B, C, 3731 C, 3737 B, C, 3742 A, C Dr. von Merkatz (DP) . . 3726 B, 3731 C Euler (FDP) 3727 B Dr. Jaeger (CDU/CSU) . . . 3730 B, 3737 D, 3740 A, 3742 B, C Kiesinger (CDU/CSU) 3730 A, C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 3735 C, 3737 C, D Dr. Arndt (SPD) 3739 D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3743 A, 3745 C, D Ritzel (SPD) 3745 C Weiterberatung vertagt . 3746 A Persönliche Erklärungen: Strauß (CDU/CSU) 3746 A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 3746 D Nächste Sitzung 3746 D Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider eröffnet.
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    Rede von Dr. Ferdinand Friedensburg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege, mir ist nicht bekannt, daß wir anderen Ländern unsere Divisionen geben, und deshalb haben wir gar keinen Anlaß, von denen dafür Zugeständnisse zu verlangen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Ich komme damit in dieser späten Stunde zum Schluß, meine Damen und Herren. Ich fühlte mich verpflichtet — gerade wegen meiner früheren Stellungnahme —, hier das mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Ich glaube, Sie sollten sich lieber auf diese Entschließung besinnen, wie wir sie etwa im Ausschuß für innere Verwaltung zustande gebracht haben, wo wir bei voller Wahrung unseres Standpunktes das, was uns gemeinsam lieb und teuer ist, aussprechen, statt uns hier Argumente der Gegner zu eigen zu machen und etwa deren Auslegungskünste unserem Urteil zugrunde zu legen. Wir wollen hier die Sache von unserem Standpunkt auslegen, und ich glaube, damit werden wir wohl vor der Geschichte bestehen können.

    (Beifall in der Mitte. — Abg. Wehner: Sie werden bestehen! — Weitere Zurufe von der SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mommer.

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    Rede von Dr. Karl Mommer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat heute morgen in Erwiderung auf meine Ausführungen wieder auf jene sieben Punkte verwiesen, in denen er in Paris am 22. Oktober sein Verhandlungsprogramm zusammengefaßt hatte. Das hat er auch schon in der ersten Lesung getan, und auf Grund der Erörterung hier im Plenum habe ich im Auswärtigen Ausschuß darum gebeten, daß uns der Originaltext von damals im Ausschuß zur Verfügung gestellt werde. Uns ist dankenswerterweise vieles zur Verfügung gestellt worden, leider nicht auch diese sieben Punkte. Deshalb ist nur die Bundesregierung im Besitz dieses Textes, niemand sonst. In Paris wurden uns diese Punkte nur mündlich vorgetragen. Glücklicherweise habe ich mir dabei einige Notizen gemacht, von denen ich keinen öffentlichen Gebrauch gemacht habe, die ich aber jetzt hier mangels anderer Grundlagen ja doch ein wenig heranziehen muß, um zu beweisen, Herr Bundeskanzler, daß unsere damalige grundsätzliche Zustimmung zu diesen sieben Punkten in keiner Weise dazu verwendet werden kann, darzutun, daß wir dem Statut, das Sie dann einen Tag später mit der französischen Regierung vereinbart haben, zugestimmt hätten.
    Unter diesen Punkten sind mehrere, die sich im Statut wiederfinden, andere aber, die sich nicht wiederfinden. Der erste Punkt — endgültige Regelung der Saarfrage im Friedensvertrag — findet sich im Statut wieder. Aber dann geht es schon los: Zwischenstadium mit Autonomie — zweiter Punkt — unter Aufhebung aller Beschränkungen der Freiheiten, so habe ich mitstenographiert. Entscheidung über dieses Zwischenstadium durch neuen, nach einem Jahr frei gewählten Landtag. Das ist etwas ganz anderes, als im Statut steht. Hier kein Plebiszit, sondern freie Wahlen, und zwar nach genügend langer Vorbereitungszeit, im Statut jedoch keine freien Wahlen ausdrücklich vereinbart, sondern ein Plebiszit, das die französische Regierung schon nach zwei Monaten abhalten wollte und das dann auf Drängen des Herrn Bundeskanzlers auf drei Monate nach Aufhebung der Beschränkungen der Freiheiten angesetzt wurde. Hier fehlt ein ganz wesentlicher Punkt. Freie Wahlen sind etwas ganz anderes als jenes Ja-Nein-Plebiszit zu einem europäischen Statut.
    Ein Plebiszit im Friedensvertrag — den dritten Punkt — finden wir im Statut wieder. Den vierten finden wir wiederum nicht im Statut: Die aus dem neuen Landtag hervorgegangene Regierung würde an neuen Vertragsverhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich über die provisorische Regelung beteiligt. Die eigentlichen Verhandlungen sollten erst vor sich gehen, nachdem freie Wahlen stattgefunden hätten. Das war auch ein sehr wesentlicher Punkt. Erst freie Wahlen! Damit sollte an der Saar sowie im Osten alles anfangen.
    Ein weiterer wesentlicher Punkt, der auch bei den Verhandlungen unter ultimativem Druck nicht übernommen wurde, ist die Ersetzung des Vertreters Frankreichs durch eine deutsch-französische Kommission. Das war der Wunsch des Herrn Bundeskanzlers, und das war das, was er uns vortrug. Damit erklärten wir uns einverstanden. Er sprach allerdings auch davon, daß ein Kommissar vielleicht doch möglich sei, und gegen diesen Kommissar haben wir uns vom ersten Augenblick an mit aller Energie gewandt. Denn dieser Kommissar bedeutet Europäisierung, und Europäisierung bedeutet die politische Vorbereitung und die politische Festlegung, nicht die juristische, der definitiven Abtrennung von Deutschland.
    In der französischen Saarpolitik sind doch folgende Dinge wichtig. Am wichtigsten ist die Abtrennung von Deutschland überhaupt. In welcher Form, das ist für Frankreich immer sekundärer Natur gewesen, am liebsten die Annexion, die es 1945 gefordert hat, dann aber auch andere mögliche Lösungen: Autonomie gleich zweites Luxemburg oder schließlich, und das war die geniale trouvaille, wie man im Französischen sagt, die geniale Erfindung, die Europäisierung. In diesem Gewand der Europäisierung, Herr Kollege Friedensburg — und das ist die Funktion der Europäisierung — glaubt Frankreich die Politik der Separation von Deutschland durchsetzen zu können. Die Protektoratspolitik macht sich heutzutage schlecht, sogar in Afrika. Und bei Friedensvertragsverhandlungen würde sie sich noch schlechter machen in Europa. Deswegen die Form der Europäisierung.
    Weiter — das hat die französische Regierung nach meiner Meinung in diesem Statut auch durchgesetzt — muß im Sinne der französischen Politik erhalten bleiben, daß sich Frankreich an der Saar auf den Teil der Menschen dort stützen kann, die sich Frankreichs Separationspolitik zur Verfügung


    (Dr. Mommer)

    gestellt haben. Deshalb darf es keine Freiheit geben, deshalb darf es keine freien Wahlen geben, und deshalb mußte es den Art. VI Abs. 2 geben, der die für das Plebiszit zugestandene Freiheit wieder aufhebt, wenn es mit einer Mehrheit von Ja-Stimmen mit der Hilfe der Bundesregierung zustande gekommen ist.
    Und dann kommt die Weiterführung der wirtschaftlichen Beherrschung des Saargebietes, die wenigstens nach französischer Lesart auch in diesem Statut verankert ist. Nach französischer Lesart bedeutet doch der ganze Art. XII nichts anderes als eine gewisse Liberalisierung — das Wort ist sogar gefallen, ich glaube, in dem Bericht des Berichterstatters der französischen Kammer —, eine Liberalisierung des Warenverkehrs zwischen der Bundesrepublik und dem Saargebiet.
    Der Vergleich mit dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik ist hier völlig abwegig, Herr Kollege Friedensburg. Sehen Sie, Frankreich erklärt in der Begründung zu diesem Statut in der Kammer und bei jeder Gelegenheit, daß es der Wille der französischen Regierung ist, Deutschland wieder zu vereinigen minus Saar. Minus Saar! Und was die Wiedervereinigung zwischen dem Geltungsbereich des Grundgesetzes und der sogenannten DDR angeht, nun, da wird gerungen zwischen Ost und West; aber bisher hat niemand im Osten oder im Westen behauptet, daß es sein Wille sei, auch im Friedensvertrag die Spaltung Deutschlands an der Elbe aufrechtzuerhalten. Und deshalb kann eine Europäisierung in Pankow auch nicht die Rolle haben, die sie in Saarbrücken haben soll.
    Sehen Sie, Herr Friedensburg: Wer hat das denn erfunden, diese Europäisierung? Das ist eine separatistisch-französische Erfindung, keineswegs eine
    deutsche; sie haben das nicht wieder einmal erfunden, damit ihnen und uns hier ein Gefallen getan werde, sondern sie haben es erfunden, um die französische Position zu stärken, und zwar in der Weise zu stärken, daß man im Augenblick von dem bedrohten Schiff etwas Ballast abwirft, daß man aber gerade dadurch die Voraussetzungen zu schaffen hofft, um so sicherer die Abtrennung in der Form der Europäisierung auch im Friedensvertrag durchsetzen zu können. Das ist die Rolle dieser sogenannten Europäisierung.
    Herr Bundeskanzler, wenn Sie bei den sieben Punkten geblieben wären, wenn die in den Vertrag hineingekommen wären, nun, dann wäre es möglich gewesen, dem zuzustimmen. Sie haben das aber nicht getan, und Sie haben dabei wieder einen schweren Fehler gemacht, den Sie, fürchte ich, oft machen: daß Sie mit dem Parlament nicht so operiert haben, wie es Ihr französischer Kollege tat. Ihr französischer Kollege operierte damit, daß er dies und jenes seinem Hause nicht zumuten könne. Sie haben das nicht getan. Herr Mendès-France operierte auch mit einer anderen Größe, nämlich mit seinem Kabinett, und hier in Bonn kämpft das Kabinett doch vergeblich um Mitbestimmungsrecht, auch wenn es um solche Lebensfragen geht.

    (Beifall bei der SPD. — Widerspruch in der Mitte.)

    Bitte, sagen Sie mir, ob das Kabinett in Bonn von dem Text unterrichtet worden ist, der da unterschrieben werden sollte. Nach meinem Wissen ist das nicht geschehen, und nach meinem Wissen haben sich die freien demokratischen Mitglieder des Kabinetts gerade darüber mit Recht aufgeregt, daß der Herr Bundeskanzler paraphiert hat, ohne
    vorher dem Kabinett den Text des Abkommens zur Billigung vorgelegt zu haben. Diese — ich möchte sagen — Selbständigkeit des Herrn Bundeskanzlers geht doch auf Kosten der deutschen Sache.
    Der Herr Bundeskanzler hat gemeint, ich sei wohl nicht ganz aufmerksam gewesen, als im Auswärtigen Ausschuß die Vereinbarungen von Baden-Baden bekanntgegeben worden seien. Ich war aufmerksam, und ich habe sogar gestern, Herr Bundeskanzler, den Stenographischen Bericht dieser Sitzung noch einmal durchgelesen und mir genau angesehen, was da in bezug auf den Kommissar und die vorher einzusetzende Kommission mitgeteilt wurde. Nach Prüfung dieses Textes und in Kenntnis der Politik, so wie sie in Saarbrücken und Paris gemacht wird, bin ich zu dem Schluß gekommen, daß Frankreich hier — übrigens wieder mal unter Konsultierung der Saarregierung und mit Billigung der Saarregierung — Zugeständnisse gemacht hat, die keine sind, die Zugeständnisse für die freie Durchführung ides ersten Plebiszits sind, das im Interesse der Separation abgehalten wird, die aber keine Zugeständnisse für freie Wahlen sind.
    Der Hinweis auf die Menschenrechtskonvention und auf ein Gericht kann uns in keiner Weise befriedigen. Was ist das denn für eine Methode, mit einem Streitfall vor ein noch nicht bestehendes Gericht gehen zu wollen? Wenn man den Streitfall dadurch aus der Welt schaffen kann, daß man den Text, um den da später gestritten werden soll, so ändert, daß er klar ist und daß die beiden Partner sich einigen, — jawohl, das ist unser gemeinsamer Wille. Aber gerade das ist nicht geschehen.
    Nun, Herr Bundeskanzler, haben Sie heute morgen erne erstaunliche Mitteilung gemacht, die uns im Auswärtigen Ausschuß nicht gemacht wurde: daß Sie sich nämlich mit Herrn Mendès-France in Baden-Baden völlig darüber einig waren, daß die demokratischen Freiheiten grundsätzlich und uneingeschränkt auch nach dem Plebiszit gelten sollen. Wenn das so ist, Herr Bundeskanzler, warum haben Sie das nicht zu Papier gebracht? Warum haben Sie dann nicht einen Text vereinbart, aus dem klar ersichtlich wäre, daß jetzt vereinbart ist, was wir hier immer wieder fordern und was wir jetzt als Zusatz zum Ratifizierungsgesetz fordern, nämlich klipp und klar zu sagen: Zu keiner Zeit wird es im Saargebiet Demokraten verboten sein, über die Zukunft des Saargebietes sich zu unterhalten und Ziele aufzustellen? Warum haben Sie das nicht getan, wenn Sie sich mit dem französischen Ministerpräsidenten in dieser Frage grundsätzlich einig waren? Warum denn der Hinweis auf die Konvention, auf den Kommissar und auf das Gericht? Das alles war überflüssig. Dias konnte man einfacher, billiger, klarer haben.
    Der Herr Bundeskanzler meinte, wir sollten doch zusammenhalten, um den Herrn Johannes Hoffmann zu freien Wahlen zu zwingen. Gerade das versuchen wir, versuchen wir auch mit unseren Anträgen zum Ratifikationsgesetz. Mit der Westeuropäischen Union ist das nicht zu machen. Aber wir sehen auch andere Möglichkeiten, hier etwas zu tun. In dem Statut wird es verschiedentlich Gelegenheiten geben, einen gewissen Druck in der angestrebten Richtung auszuüben. Da sind Verhandlungen zu führen.
    Sie haben schon eine Chance verpaßt, auf freie Wahlen zu drücken, indem Sie mit der unfrei gewählten Regierung verhandelt haben. Es wird an-


    (Dr. Mommer)

    dere Chancen geben, die Sie darum nicht zu verpassen brauchen. Vor allem wird es eine geben, und wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie das hier erklärten. In dem Saarabkommen bestimmt Art. XI, daß die Vertragspartner dabei helfen werden, die Wirtschaft des Saargebiets zu entwickeln. Es geht darum, daß das Saargebiet insbesondere aus seiner Investitionsmisere herauskommt. Man braucht Investitionskapital, und von Frankreich hat man es nicht bekommen. Da hat man es in einer Weise bekommen, daß das Blatt des Herrn Hoffmann kürzlich folgendes schreiben mußte:
    Frankreich, das nur die drei- bis vierfache
    Kohle- und Stahlkapazität wie das Saargebiet
    aufzuweisen hat, konnte in den Jahren nach
    dem Krieg zur Modernisierung seiner Anlagen
    in der Schwerindustrie das Zehnfache von dem
    an Mitteln einsetzen, was uns an der Saar zur
    Verfügung stand.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Wie sollen wir unter diesen Umständen konkurrenzfähig bleiben?
    Das ist die große Klemme, in die sich der Herr Hoffmann mit seiner Protektoratspolitik begeben hat und aus der er möchte, daß wir ihm heraushelfen. Bitte, Herr Bundeskanzler, erklären Sie mir, daß Sie keinem Hoffmann ohne freie Wahlen aus dieser Klemme heraushelfen werden! Das ist ein entscheidender Punkt. Hier kann man politisch etwas mehr tun, als optimistische Interpretationen zu geben.
    Meine Damen und Herren, ich muß doch noch auf die Behauptung eingehen, in dem Statut werde die Freiheit garantiert und werde es möglich ge- macht, das zu erreichen, was der Herr Bundeskanzler hier heute morgen als Ziel aufstellte, nämlich diesen Johannes Hoffmann zu beseitigen. Wenn das so ist, wie ist es dann zu erklären, daß das Statut nach seiner Präambel mit der Zustimmung von Johannes Hoffmann zustande kam? Wie ist es dann zu erklären, daß ihm dieses Statut lieber ist als kein Statut, daß aber den Unterdrückten des Herrn Johannes Hoffmann kein Statut lieber wäre als dieses Statut? Bitte, erklären Sie mir das, wenn in diesem Statut die Freiheit garantiert wird, die es ermöglichen soll, den Herrn Johannes Hoffmann zu beseitigen!
    Leider bin ich jetzt gezwungen, auch einmal aus einem Artikel zu zitieren, der hier schon zweimal zitiert worden ist und jedesmal in einer Weise zitiert worden ist, die den Gedankengang entstellt. Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich aus meinem Artikel, der in der „Stuttgarter Zeitung" am 9. Oktober vorigen Jahres erschienen ist, einiges zitiere. Es heißt dort:
    Es ist zwar richtig, was einmal im Bundestag gesagt wurde, daß wir recht und die Franzosen die Saar hätten. Aber es ist falsch, wenn der Bundeskanzler im Bundestag behauptete, wir hätten kein Mittel, die Franzosen von ihrer Position herunterzumanövrieren. In der neuen Situation liegt die Gefahr für den endgültigen Verlust des Saargebietes wieder nicht in der Stärke der Position Frankreichs in Saarbrücken, sondern darin, daß der Kanzler nunmehr sein Herz und sein Prestige so an die Londoner Akte und die Pariser Verträge hängen könnte wie vorher an die EVG und man in Paris wieder dieselbe Schlußfolgerung daraus ziehen könnte: den Verzicht auf die
    Saar als zusätzlichen Preis vor Annahme der Londoner Abmachungen durch die Nationalversammlung zu setzen.
    In diesem Artikel wird auch weiterhin ein energischer Kampf gegen alles geführt, was man mit dem Wort „Europäisierung" belegen könnte, und schließlich wird in dem Artikel auch ein Wort über die Freiheit gesagt, die eine unverzichtbare Voraussetzung für jenen Modus vivendi sein müsse, für den auch wir Sozialdemokraten sind.
    Ich stehe und wir stehen alle zu dem, was da gesagt wurde. Jawohl, es gibt keine deutsch-französische Verständigung in der Saarfrage, und es gibt dann auch, wenn man diese Verständigung will, keine hundertprozentige deutsche oder französische Lösung. Es gibt dann Kompromisse.

    (Zuruf des Abg. Dr. Lenz [Godesberg].)

    — Ja, Herr Lenz, wenn wir aber z. B. die Wiedervereinigung nach Osten hin wollen, dann haben wir einige unverzichtbare Bedingungen, und nach Osten haben wir die unverzichtbare Bedingung der freien Wahlen. Alle haben wir sie, Gott sei Dank!

    (Zurufe von der Mitte.)

    Das müßte ja nun auch für das Saargebiet gelten. Ich habe damals geschrieben — hören Sie einmal zu
    Wir bedauern, gezwungen zu sein, von den Franzosen etwas Unverzichtbares fordern zu müssen, was sie uns ganz besonders ungern gewähren: Freiheit, unbedingte, uneingeschränkte demokratische Freiheit an der Saar. Es sollte für keinen Demokraten und erst recht für keinen deutschen Demokraten eine Lösung oder ein Modus vivendi diskutabel sein, in dem von dieser Forderung Abstriche gemacht werden. Wollen wir westliche Heuchler sein und freie Wahlen jenseits der Elbe für unverzichtbar, an der Saar aber für verzichtbar erklären?

    (Zurufe von der CDU/CSU: Wer tut denn das?!)

    Ich bitte, meine Herren, aber auch Herr Lenz — ich glaube, Sie haben Einfluß auf Propagandabüros der CDU —, bitte zitieren Sie auch das, wenn Sie in Flugblättern meine Artikel zitieren!
    Schließlich noch ein Wort an Herrn Kollegen von Merkatz, der mir auf eine Frage nicht antworten konnte, auf die Frage nämlich, ob ihm bekannt sei, unter welchen Umständen das Saargebiet in den Europarat hineingekommen sei. Es ist auf folgende Art hineingekommen. Als der Ministerausschuß des Europarats 1950 den Beschluß faßte, da gab es gegen den französischen Wunsch, das Saargebiet einzuführen, energische Opposition, und die nichtfranzösischen Minister brachten das Bedenken vor, daß dann vielleicht die Bundesrepublik nicht kommen würde, wenn man das Saargebiet aufnähme. In dem Augenblick zog der damalige französische Außenminister Robert Schuman eine Schweizer Zeitung aus der Tasche und las daraus eine Erklärung des Bundeskanzlers vor, daß die Bundesrepublik auf jeden Fall kommen werde, auch wenn gleichzeitig das Saargebiet komme.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Daraufhin beschloß der Ministerrat, nicht deutscher zu sein als der Herr Bundeskanzler und das Saargebiet zusätzlich in den Europarat aufzunehmen.
    Hier ist grundsätzlich falsche Saarpolitik und überhaupt falsche Außenpolitik gemacht worden.


    (Dr. Mommer)

    Die Möglichkeiten unserer deutschen Position, die zwar eine schwache ist, die aber allerlei Möglichkeiten dadurch enthält, daß wir für den Westen von einem gewissen Wert sind, sind von der Bundesregierung immer wieder unterschätzt worden,

    (Abg. Dr. Lenz [Godesberg] : Die Zeit ist ganz gut ausgenutzt worden!)

    wie dieses konkrete Beispiel, dieser Vorgang im Ministerausschuß des Europarats beweist.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: S i e hätten dabei sein sollen!)

    Und ein zweiter Fehler: Immer wieder hat die Bundesregierung große Eile an den Tag gelegt, in diese europäischen Organisationen und Gemeinschaften hineinzukommen, und besondere Eile hat sie mit den Divisionen an den Tag gelegt.

    (Abg. Kunze [Bethel] : Na, na!)

    Wer es in der Politik eilig hat, muß zahlen, und dieses Statut hier ist der Preis!

    (Beifall bei der SPD.)