Rede von
Hans
Schütz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Nein, das will ich nicht für uns, Herr Keller.
— Herr Dr. Kather, es ist mir bekannt, daß darüber noch nicht endgültig entschieden ist.
— Man sollte vorher einen Weg finden, um den bestehenden Zustand an der Saar zu überwinden und nicht zu stabilisieren.
Die Furcht, daß dieses Provisorium gar kein Provisorium sei, daß es einen Weg zu einer endgültigen Loslösung der Saar von Deutschland darstelle, diese Furcht
ist nicht ohne Berechtigung.
Ich möchte darauf aber wie folgt erwidern. Wenn die Sache Deutschlands in den nächsten Jahren im Kurswert sinkt, dann, fürchte ich, wird dieses Provisorium nicht das einzige Provisorium sein, das sich für lange Zeit den Mantel des Endgültigen umhängt. Die Sache Deutschlands, das ist unsere felsenfeste Überzeugung, wird aber sinken, wenn sich dieses Deutschland isoliert,
wenn wir uns in die verhängnisvolle politische Einsamkeit treiben lassen, aus der uns die Arbeit dieses Mannes und seiner Freunde in den letzten vier Jahren befreit hat.
So stimmen wir diesem Abkommen nicht leichtfertig, nicht ohne echtes Herzklopfen zu,
aber wir glauben es vor unserem Gewissen und vor der Geschichte unseres Volkes nicht verantworten zu können, durch eine Ablehnung des Pariser Vertragswerks das Band, das die Bundesrepublik mit der freien Welt verbindet, zu zerschneiden und uns auf Gedeih und Verderb den Launen einer totalitären Macht auszuliefern.
Freilich, eines können diese Verträge nicht — und damit komme ich auf den Ausgangspunkt zurück —, sie können die Fakten, die in den Tagen der bedingungslosen Kapitulation und nachher in einer grausamen und schmerzlichen Entwicklung gesetzt wurden, nicht ungeschehen machen. Weder Herr Dr. Konrad Adenauer, aber auch nicht Herr Erich Ollenhauer können den Krieg, den der Herr Adolf Hitler 1945 verloren hat, 1955 nachträglich wieder gewinnen.
Wer das unser Volk glauben machen will, der würde ihm, aber auch sich selber einen sehr schlechten Dienst erwiesen.
Mit vielen Kollegen auf allen Seiten dieses Hauses — auch mit Ihnen, Herr Dr. Kather, so hoffe ich — gehöre ich dem Personenkreis an, der ein sichtbares Zeichen für ein solches Faktum, wie es 1945 gesetzt wurde — ich meine hier die Austreibung —, darstellt. In den Herzen der allermeisten unserer Schicksalsgenossen lebt der Glaube, daß das Recht auf die Heimat eine echte Realität ist,
die nicht preisgegeben werden darf. Es gibt gewiß keinen aus dem Kreis der Vertriebenen, wo immer er in diesem Hause sitzen mag, der im leisesten daran dächte, dieses Recht auf die geraubte Heimat mit Gewalt durchzusetzen.
— Niemand.
— Ich wiederhole: niemand. — Wenn wir aber fragen: wenn nicht mit Gewalt, ja wie denn dann? Doch nur dadurch, daß diese Bundesrepublik sich zum Anwalt dieser Ansprüche auf die Heimat macht.
Aber wir alle, auch wenn wir diese Bundesrepublik lieben und verehren, müssen doch erkennen, daß sie allein niemals dieses Recht einlösen kann. Derjenige, für den der Glaube an dieses Recht — ich meine den Glauben an die Wiederkehr in die Heimat — nicht eine Fata Morgana sein soll, muß sich doch überlegen, mit welchen friedlichen Mitteln wir — wir oder unsere Kinder
— an irgendeinem Tage dieses Recht verwirklichen können. Es gibt, wie die Dinge heute und für absehbare Zeit liegen, nur eine Möglichkeit,
diesen Glauben aufrechtzuerhalten, nämlich daß diese Bundesrepublik ein Partner in der Gemeinschaft der freien Völker wird und daß diese Bundesrepublik der Gemeinschaft der freien Völker dieses unser Anliegen vorträgt und erwirkt,
— selbstverständlich für die Saar —
— und die SBZ, selbstverständlich — daß die freien Völker sich bereit erklären, dieses unser Anliegen zu ihrer eigenen Sache zu machen.
Wenn wir aber heute den ersten Schritt in die Gemeinschaft der freien Völker, wenn wir die Pariser Verträge scheitern lassen, scheint mir auch das andere Ziel in eine unerreichbare Ferne zu rücken.
Aus diesem Grunde und aus einer Reihe anderer Gründe, die schon dargelegt worden sind, stimmen wir trotz der vorgebrachten Bedenken den Pariser Verträgen und auch dem heiß umstrittenen Saarabkommen zu.