Rede von
Dr.
Max
Becker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich habe gesagt, daß hier ein Vertrag geschaffen wird, der die Klarheit, die er bringen soll, nicht 'bringt, sondern über dessen Inhalt sich die Vertragschließenden von vornherein uneinig sind, ja, ich füge jetzt hinzu: uneinig sind auch darüber, was sie damit erreichen wollen.
Denn der eine will das und der andere das Gegenteil.
Eine solche innere, sagen wir mal, Wurmstichigkeit führt zu nichts Gutem.
Von den Grenzen habe ich gesagt, Herr Kollege Merkatz, daß Grenzen da geschaffen werden, definitiv geschaffen, wo keine waren, nämlich die Zollgrenze an dem Ostrand des Saargebietes.
— Dann habe ich mich versprochen. Ich hatte geglaubt, daß man, da ich mich hier im Bundestag, in diesem Hohen Hause befinde, selbst ein Versprechen als solches richtig verstehen würde.
Wir wollen kein Junktim, wo keins hingehört. Wir wollen nicht, daß 'deutsche Jungen deshalb Soldat werden müssen, um sich dann sagen zu müssen: Das konnten wir erst dann werden und unser Vaterland verteidigen, nachdem ein Stück deutschen Bodens nicht rechtlich, aber tatsächlich abgetreten wurde.
Ich habe bereits am 16. Dezember ausgeführt, daß wir nach dem verlorenen Krieg und auf Grund der Tatsache, daß wir die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs an der Saar anerkennen, bereit sind, auf wirtschaftlichem Gebiet das zu tun, was nur irgendwie getan werden kann. Wir haben nach der Richtung hin Vorschläge ausarbeiten lassen und haben sie dem Herrn Bundeskanzler nach Paris mitgegeben. Die Abgabe dieser Vorschläge fiel zusammen mit der Idee, die in dem Augenblick von französischer Seite kam, mit der Idee einer deutsch-französischen wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenarbeit. Beides hätte vielleicht sehr gut ineinander eingepaßt werden können. Es entzieht sich meiner Kenntnis, was daraus geworden ist.
Wir stehen auf dem Standpunkt: Wir sind bereit, aus dem verlorenen Krieg 'die Konsequenzen zu ziehen.
— Nochmal bitte, lauter!
— Darf ich das so verstehen, Herr Kollege, daß Sie unter Konsequenzen aus einem verlorenen Krieg die endgültige Abtrennung der Saar verstehen?
— Nein! Dann sind wir uns in dem Punkte vollkommen einig. Wir scheuen uns nur vor der Unterschrift unter dieses Statut, weil durch diese Unterschrift ein tatsächlicher, gegen unseren Willen geschaffener Zustand nunmehr unsere Unterschrift bekommt, die schwerwiegt.
Daß dabei, wie ich ohne weiteres zugebe, ein Provisorium aber nur bis zum Friedensvertrag
— ein Provisorium bis zum Friedensvertrag her-ausgehandelt wurde, von dem wir nicht wissen, was beim Friedensvertrag wird — d. h. mit anderen Worten, daß wir die Frage verschieben —, das macht uns die Sache nicht annehmbar. Denn die Freiheitsrechte, die gegeben werden, müßte eine Nation, die 1789 der ganzen Menschheit die Menschenrechte und die Freiheit geschenkt hat, doch wohl nun auch im Saargebiet von sich aus einführen.
Wenn man assoziiertes Mitglied des Europarats ist wie die Saar, dann hat man ohnehin schon die Verpflichtung, das zu tun. Für Freiheiten und Selbstverständlichkeiten bezahlt man nicht so schwerwiegend.
Um zu schließen: Wir wissen, daß wir den Krieg verloren haben. Wir sind uns ja jetzt darüber einig, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, nämlich nicht die Abtretung, sondern die Konsequenzen liegen auf wirtschaftlichem, auf geldlichem, auf finanziellem Gebiet. Dazu sind wir bereit, denn unser Grundsatz in dieser Frage heißt ganz klar und deutlich:
Die deutsch-französischen Beziehungen zu bereinigen, sind wir bereit, Geld und Gut hinzugeben, aber Land und Leute — nein!