Rede von
Heinrich-Wilhelm
Ruhnke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksache 561 ist Ihnen bereits vor den Parlamentsferien zugegangen. Die Antragsteller — ich möchte betonen, daß es sich um einen interfraktionellen Antrag handelt, der von den Mitgliedern der interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft aus allen Fraktionen dieses Hauses unterschrieben worden ist — hatten damit gerechnet, daß dieser Antrag kurzfristig zur Verabschiedung kommt, da das ganze Wasserproblem äußerst vordringlich ist.
Unter den natürlichen Hilfsquellen der Erde spielt das Wasser eine entscheidende Rolle. Einwandfreies Wasser ist Mangelware geworden. Daran hat auch der viele Regen des vergangenen Jahres nichts geändert. Nach einer kurzen Trockenperiode würde das Wasserproblem erneut schwierig zu lösen sein. Die Verschmutzung des Oberfächenwassers — also der Flüsse und der Seen — nimmt ständig zu.
Wasser ist aber nicht nur als Trinkwasser für die Bevölkerung so bedeutsam, sondern auch als Brauchwasser für die Landwirtschaft, für die Indu - strie und für das Gewerbe. Es ist wohl verständlich, daß das Problem „Wasser" heute in aller Munde ist.
Das Gesamtproblem kann aber nach der Meinung der interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft nur gelöst werden, wenn drei Voraussetzungen erfüllt werden. Erstens: Das Wasserrecht muß neu und besser geregelt werden. Zweitens: Das Problem der Zuständigkeit in wasserwirtschaftlichen Fragen im Bundeskabinett muß ebenfalls geregelt werden. Drittens: Das finanzielle Problem der Abwasserwirtschaft und der Wasserversorgung muß einer ganz klaren Regelung zugeführt werden.
Die erste Frage des Wasserrechtes ist in Drucksache 561 angesprochen, die Ihnen ja vorliegt.
Nun zum zweiten Punkt! Wir haben durch die Presse erfahren, daß das Bundeskabinett gestern beschlossen hat, den — ich darf wohl sagen — Wassermann Kraft zum „Wasserminister" zu machen.
Hierzu darf ich folgendes sagen: Die interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft war und ist nicht für die Schaffung eines neuen Ministeriums oder eines „Reichsinspektors für Wasser und Energie" seligen Angedenkens,
sondern sie ist der Ansicht, daß auf das schon Bestehende aufgebaut werden muß und daß hier durchaus eine Möglichkeit besteht, die Dinge voranzutreiben.
Interessant ist, daß die interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft im Mai vorigen Jahres auf Anregung verschiedener Mitglieder eine Sondersitzung abgehalten hat, um mit den Ministerien die Probleme, die hier angedeutet worden sind, zu besprechen. Zuerst hatte man den Eindruck, daß sich alle Ministerien einig waren. Dann aber kam die Spaltung so klar zum Ausdruck, daß die Arbeitsgemeinschaft zu der Ansicht kam, daß eine Koordinierung dieser Fragen dringend erforderlich ist.
Wir haben auch gesehen, daß Parallelarbeiten unnötige Kosten verursachen, die vermieden werden müssen. Wie ich schon sagte, wollen wir keinen neuen Apparat, sondern unser Vorschlag ging dahin — wie ich ebenfalls schon gesagt habe —, das Bestehende auszubauen. Wir wollten auch erreichen, daß dafür nicht etwa neue Haushaltsmittel aufgewendet werden. — Nun, wenn es so ist, daß die „kraftlose" Zeit zu Ende ist und eine „kraftvolle" Zeit kommt, würden wir, die wir uns mit diesem Problem befaßt haben, uns freuen.
Nun darf ich zum dritten Punkt, ,dem finanziellen Problem der Abwasserwirtschaft und Wasserversorgung, kommen. Dabei muß ich betonen, daß wir — aus welchen Fraktionen wir auch kommen —der Ansicht sind, daß eine Betrachtung dieses Problems unter rein formalen und rein rechtlichen Gesichtspunkten nicht genügt, sondern daß das finanzielle Problem gelöst werden muß, wenn wir unsere Wasserwirtschaft in Ordnung bringen wollen. Es ist ganz klar, daß jeder Tag der Verzögerung weitere erhebliche Kasten verursachen wird.
Nun steht ja heute in erster Linie die Gesetzgebung zur Debatte, und da muß ich doch etwas ausholen. In der Bundesrepublik besteht, wenn man von der Wasserverbandsverordnung absieht, kein einheitliches Wasserrecht. Die in Frage kommenden Vorschriften sind in den Wassergesetzen der Länder enthalten. Es handelt sich aber dabei nicht etwa um Gesetze, die von den nach 1945 geschaffenen Ländern erlassen worden sind, sondern um solche der bis 1945 bestehenden Länder, die in den jetzigen fortgelten. In Betracht kommen in der Hauptsache das Preußische Wassergesetz vom 7. April 1913, das Bayerische Wassergesetz vorn 23. März 1907, das Württembergische Wassergesetz vom 1. Dezember 1900, das Badische Wassergesetz vom 12. April 1913 und vom 27. August 1936, das Hessische Dammbaugesetz vorn 14. Juni 1887 und das Hessische Bachgesetz vom 30. Juli 1887 und 30. September 1899. Außerdem bestehen noch für die Gebiete der ehemaligen Länder Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe besondere Gesetze. Nun sind die Gebiete der jetzigen Länder der
Bundesrepublik nicht etwa so, daß sie sich mit den Geltungsgebieten der Wassergesetze decken. Die meisten Länder umschließen sogar Gebiete von mehreren Wassergesetzen. Ich denke hier an BadenWürttemberg. Hier gilt badisches, württembergisches, preußisches und hessisches Wasserrecht. In Rheinland-Pfalz gilt z. B. preußisches, bayerisches und hessisches Recht. Wenn wir in den Ländern mit einheitlichem Wasserrecht —das sind Nordrhein-Westfalen, Bayern und Schleswig-Holstein — besonders glückliche Verhältnisse haben, so sollen wir uns darüber freuen. Es kann auch nicht behauptet werden, daß die Gesetze alle schlecht wären. Ich muß auch hier wieder, wie ich das schon einmal von dieser Stelle aus getan habe, z. B. das bayerische Wassergesetz loben, das zweifellos außerordentlich gut ist.
Aber diese Rechtszerplitterung besteht auch für die Bundeswasserstraßen. Diese sind nach Art. 89 des Grundgesetzes Eigentum des Bundes, der sie durch eigene Behörden verwaltet. Die Landeswassergesetze sind aber für die Bundeswasserstraßen nicht aufgehoben worden. Die Frage, inwieweit nebeneinander Bundesbehörden und die Landesbehörden zuständig sind, ist bisher noch nicht geklärt worden. Darum sind sich die Fachleute einig, daß ein Bundesrahmengesetz geschaffen werden muß.
Was ist denn nun in dieser Richtung bisher geschehen? In den Bundesministerien befaßt man sich seit Jahren mit vier Gesetzentwürfen: im Bundesministerium für Wirtschaft mit einem Gesetz zum Schutze des Grundwassers, im Bundesministerium für Verkehr mit einem Gesetz für die Reinhaltung der Bundeswasserstraßen — also nicht sämtlicher Gewässer, sondern nur der Bundeswasserstraßen —, im Bundesministerium des Innern mit einem Gesetz über die gesundheitliche Überwachung von Anlagen zur Trink- und Brauchwasserversorgung und Abwässerbeseitigung und schließlich im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit dem Entwurf eines umfassenden Wassergesetzes, das alle Teilgebiete regeln soll. Die einzelnen Gesetzentwürfe wurden 1952 an die Länder und an die Verbände zur Stellungnahme gegeben. Sehr viele Änderungsvorschläge kamen zurück. Der sehr umfassende Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten soll in Kürze den gleichen Weg gehen.
Wir sind uns völlig darüber im klaren, daß es sich bei dieser Gesetzgebung um sehr schwierige, sehr komplizierte Fragen handelt, besonders auch Fragen, die in privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Beziehung von Bedeutung sind. Wir sind aber der Auffassung, daß nun schleunigst etwas geschehen muß, damit wir aus dem Rechtswirrwarr herauskommen. Im Kabinett hat man sich noch nicht einigen können, ob Einzelgesetze geschaffen werden sollen oder ob ein Gesamtgesetz erlassen werden soll.
Die Ministerien arbeiten hier also schon seit Jahren in verschiedener Richtung. Das merkt man auch in den Ausschüssen dieses Hohen Hauses, und es ist menschlich verständlich, daß die einzelnen Referenten der verschiedenen Ministerien versuchen, jeweils ihren Ausschuß zu ihrer Ansicht zu bringen.
Nun, was ist denn auf diesem Gebiete im Bundesrat geschehen? Der Bundesrat hat am 25. April 1952 auf Antrag des Landes Hessen nach eingehenden Ausschußberatungen beschlossen, die Bundes-
regierung zu ersuchen, von ihrem Recht zum Erlaß von Rahmenbestimmungen auf dem Gebiete des Wasserhaushaltes gemäß Art. 75 Ziffer 4 baldmöglichst Gebrauch zu machen. Aus der Begründung dieses Antrags und dem Beschluß will ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten hier kurz vorlesen:
Der allseitig gesteigerte Wasserbedarf der Bevölkerung, der Landwirtschaft sowie des Gewerbes und der Industrie macht bei gleichzeitiger Verschlechterung der Beschaffenheit der fließenden Gewässer durch Abwässer und wegen des Absinkens des Grundwasserspiegels eine Neuregelung des gesamten Wasserrechts erforderlich.
Die Neuregelung des Wasserrechts setzt auch in der Gesetzgebung eine großräumige Planung über die Ländergrenzen hinweg voraus.
Eine beschleunigte Verabschiedung von Rahmenbestimmungen gemäß Art. 75 Ziffer 4 des Grundgesetzes würde daher eine Reihe von Schwierigkeiten, die bei der Neuregelung des Wasserrechts ... auftreten, beseitigen.
Das für die Einheit des deutschen Wasservorrats und der deutschen Wasserwirtschaft unbedingt erforderliche Mindestmaß einer einheitlichen Gesetzgebung soll durch die Rahmenvorschriften geschaffen werden. Durch sie wird der Erlaß der sogenannten Notgesetze für die Wasserversorgung und die Abwasserbehandlung unnötig gemacht und die aus solchen Einzelregelungen sich ergebende neue Zersplitterung des Wasserrechts verhindert.
Soviel aus der Begründung des Bundesrates.
Da aber der Bund von seinem Recht, wasserrechtliche Rahmenbestimmungen zu schaffen, bisher leider keinen Gebrauch gemacht hat, sind die Auswirkungen in den Ländern bereits sichtbar. Hessen hat ein Landeswassergesetz trotz der Dringlichkeit zurückgestellt, weil es immer noch auf den Bund wartet. In einem Antrag, der dem niedersächsischen Landtag von unseren dortigen Kollegen der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft vorgelegt wurde, ist ebenfalls betont worden, daß die Bundesgesetzgebung besonders vordringlich ist.
Der Herr Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen hat unter dem 12. April 1954 an den Herrn Bundeskanzler geschrieben und ihn auf die Notwendigkeit einer Bundesrahmenwassergesetzgebung hingewiesen. Auch der Herr Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz hat unter dem 24. Mai 1954 an den Herrn Bundeskanzler geschrieben und ihn an den Bundesratsbeschluß vom April 1952, den ich vorhin erwähnte, erinnert. Er ist in einer besonders schwierigen Lage, weil nach einem Landtagsbeschluß ein Wassergesetz für das Land vorgelegt worden ist, das zur Zeit beraten wird.
Damit habe ich Ihnen berichtet, was die Bundesregierung, der Bundesrat und die Länder bisher getan haben. Jetzt komme ich zum Bundestag. Im 1. Bundestag wurde unter dem 20. Juni 1951 der Antrag des Abgeordneten Lausen von der SPD eingebracht. Er befaßte sich mit finanziellen Förderungsmaßnahmen für die Wasserversorgung der Länder und Gemeinden. Der Antrag wurde über ein Jahr später, am 20. November 1952, von diesem Hohen Hause verabschiedet. Durchgeführt wurde er nicht. Eins interessiert uns heute in diesem Zusammenhang: daß sich bei der Beratung dieses Antrags der Bundestagsausschuß für Wirtschaftspolitik auch mit der Frage der Wassergesetzgebung befaßt hat. Der Herr Vorsitzende dieses Bundestagsausschusses hat damals, unter dem 20. November 1952, ebenfalls an den Herrn Bundeskanzler geschrieben und ihn im Auftrage des Ausschusses gebeten, so schnell wie möglich rahmengesetzliche Vorschriften auf dem Gebiet des Wasserrechts zu veranlassen. Im 2. Bundestag haben sich auf Grund des Antrags der FDP betreffend Reorganisation des Agrarrechts und der Agrarwirtschaft eine ganze Reihe von Ausschüssen ebenfalls mit der Frage der Wasserwirtschaft und des Wasserrechts befaßt. Der Bundestag klammerte den Punkt Wasserwirtschaft aus diesem FDP-Antrag aus und überwies ihn an eine ganze Reihe von Ausschüssen. So hat der Ausschuß für Wirtschaftspolitik die Dringlichkeit der wasserrechtlichen Fragen erneut besonders betont und sich seines Schreibens an den Herrn Bundeskanzler vom November 1952 erinnert. Auch der Ausschuß für innere Verwaltung hat sich mit dieser Frage befaßt und die Dringlichkeit einer Rahmengesetzgebung hervorgehoben. Das gleiche gilt für den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, für den Verkehrsausschuß und für den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Sie sehen also, meine Damen und. Herren, daß wirklich wichtige Ausschüsse sich mit dieser Frage bereits befaßt und die Dringlichkeit der Rahmengesetzgebung anerkannt haben. Deshalb sind wir der Ansicht — und ich beantrage das hier —, daß dieser Antrag nicht an einen Ausschuß oder an diese Ausschüsse überwiesen werden soll; denn wie ich sagte, haben sie sich ja schon damit befaßt. Wir sollten den Antrag vielmehr in dieser Form annehmen. Damit kommen wir nicht nur den Interessen der Wasserwirtschaft, sondern vor allen Dingen auch den Interessen unserer gesamten Volkswirtschaft entgegen, und das dürfte wohl dem Hohen Hause besonders wichtig sein.