Rede von
Dr.
Alfred
Gille
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wohl nicht zu bestreiten, daß bei der Handhabung des Beschlagnahmerechts Mißbräuche möglich sind und auch vorgekommen sind. Ich meine nur, wir sollten uns beim Ausgangspunkt unserer Überlegungen hüten, diese vorgekommenen einzelnen Mißbräuche zu schnell zu verallgemeinern. Der Ausschuß wird also sehr sorgfältig zu prüfen haben, ob es sich tatsächlich um bedauerliche Einzelfälle handelt oder ob der Mißbrauch schon langsam zu einer Verwaltungsübung oder Gerichtsübung geworden ist. Wenn aber solche Mißbräuche vorgetragen werden können, und wenn die Nachprüfung ergibt, daß sie tatsächlich so gewesen sind, dann sollte der Gesetzgeber nicht warten, bis eine allgemeine Neuordnung und Reform des Strafprozeßrechts, vielleicht sogar des Strafrechts möglich ist, sondern zumindest sehr ernsthafte Erwägungen sofort anstellen. Meine Freunde werden deshalb der Überweisung an die Ausschüsse zustimmen.
Es handelt sich um ein Gebiet, auf dem verschiedene Interessen einander gegenüberstehen: auf der einen Seite das Recht der Pressefreiheit, auf der anderen Seite einmal der Schutz der staatlichen Ordnung, zum anderen der persönliche Ehrenschutz. Was das erste Gebiet anlangt, die Gegenüberstellung des Rechts der Pressefreiheit auf der einen Seite und des Schutzes der staatlichen Ordnung auf der anderen Seite, sind wir der Auffassung, man sollte unter allen Umständen vermeiden, den Schutz der staatlichen Ordnung durch Änderungen des Beschlagnahmerechts etwa in seiner Wirkung zu schwächen. Ich habe nicht den 'Eindruck, daß die Antragsteller gerade auf diese Frage abzielen, und wir stimmen mit den Antragstellern da durchaus überein.
Zur Frage des Ehrenschutzes stimme ich dem ersten Redner der CDU voll zu, daß eine Lösung nur gefunden werden kann, wenn man gleichzeitig mit einer Auflockerung der Bestimmungen des Beschlagnahmerechts unter allen Umständen eine Verstärkung des Ehrenschutzes in 'Betracht zieht.
Die harten Möglichkeiten des Beschlagnahmerechts, seine wirtschaftlichen Auswirkungen haben in der Praxis eine sehr, sehr abschreckende Wirkung. Der !beteiligte Journalist — und vielleicht noch mehr der Verlag — wind sich angesichts der unerhörten wirtschaftlichen Auswirkungen sehr genau überlegen, ob er es riskieren soll, eine Beschlagnahme über sich ergehen zu lassen. Diese abschreckende Wirkung kann man nicht einfach wegfallen lassen. Man sollte überlegen, ob sie an einer anderen Stelle eingebaut werden kann.
Dazu möchte ich auf eine Einrichtung im englischen Rechtsleben verweisen. Ich habe den Eindruck, der Ehrenschutz weist im deutschen Recht insofern eine Lücke auf, als :etwaige Schadensersatzansprüche, die der Betroffene hinterher geltend machen will, außerordentlich schwer realisierbar sind.
Man wind im Einzelfall konkret nachweisen müssen, wo ein Schaden entstanden ist und wie hoch er ist. In England braucht der konkrete Nachweis des Schadens bei Ehrverletzungen durch die Presse nicht erbracht zu werden, sondern das Gericht ist in der Lage, angesichts der Schwere des Tatbestandes einen so hohen Schadensersatz — der schon mehr als Sühne oder als Buße zu bezeichnen wäre — festzusetzen, daß der Verlag und der beteiligte Journalist sich sehr genau überlegen werden, ob sie bei dem Gebrauch des Rechts der Pressefreiheit auch diese schweren wirtschaftlichen Folgen richtig bedacht haben.
Wir sollten also vielleicht im Zusammenhang mit der Auflockerung des Beschlagnahmerechts — der wir durchaus freundlich gegenüberstehen — diese Ergänzung durch einen wirkungsvollen Ehrenschutz als abschreckende Wirkung gegen eine mißbräuchliche Ausnutzung des Rechts der Pressefreiheit beachten und dabei einbauen. -Für eine Sonderkammer können auch wir uns nicht erwärmen; ich glaube aber auch nicht, daß das das eigentliche Anliegen der Antragsteller ist. Diese Frage wird sicherlich in den zuständigen Ausschüssen zwecks Erzielung einer Übereinstimmung gemeinsam erörtert werden können. Wir iwerden den Anträgen auf Überweisung an die Ausschüsse zustimmen.