Rede von
Franz
Neumann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Schneider hat davon gesprochen, daß meine Fraktion durch diese Große Anfrage offene Türen eingerannt habe. Nun, Herr Kollege Schneider, ich bin der Auffassung, daß Sie aus den Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers wohl den Unterschied zwischen seiner und der Ansicht des Bundeswirtschaftsministers entnehmen konnten.
— Ich bin nicht im Haushaltsausschuß und kann infolgedessen nicht das behandeln, Herr Kollege Hilbert, was dort gesagt worden ist. Ich berufe mich ausdrücklich auf das, was in den deutschen Zeitungen gestanden hat, und der Herr Bundeswirtschaftsminister hat niemals diese seine Erklärung widerrufen. Ich stelle fest, daß im Gegensatz dazu der Herr Bundesarbeitsminister erklärt hat, daß man vor 1957 an den Einsatz von Fremdarbeitern in Deutschland überhaupt nicht zu denken habe.
Der Herr Kollege Schneider hat dann ferner den Versuch gemacht, zu verteidigen, daß Berlin in der Statistik der Arbeitslosenziffern nicht mit enthalten ist, sondern nur unter dem Strich noch erwähnt wird. Meine Damen und Herren, das Dritte Überleitungsgesetz gibt uns die Pflichten eines jeden anderen Landes. Aber wir können infolgedessen auch die Rechte eines jeden anderen Landes in Anspruch nehmen. Herr Bundesarbeitsminister, auf Grund dieser Tatsache würden wir es begrüßen, wenn die Anregung meiner Frau Kollegin Schroeder verwirklicht würde, daß wir auch in der Statistik wie jedes andere Land behandelt werden. Auf Grund unserer besonderen Verhältnisse haben wir nun einmal eine höhere Zahl von Arbeitslosen. Ich habe hier eine sachliche Unterscheidung zwischen unserer Auffassung und der der CDU nicht feststellen können. Aber wir unterscheiden uns in unserer Ansicht über die Beseitigung dieser Arbeitslosen.
Ich möchte feststellen, Herr Kollege Schneider, daß nach Auffassung meiner Fraktion die Umsiedlung der Arbeitslosen für uns in Berlin nicht das Problem ist, sondern daß es unsere Sorge ist, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Die neue Regierung, die von beiden Parteien SPD und CDU getragen ist, hat sich die Aufgabe gestellt, für die nächsten vier Jahre 100 000 neue Arbeitsplätze in Berlin zu schaffen. Herr Bundesarbeitsminister, ich glaube, daß wir hier auch mit Ihnen einig sind, daß alles getan werden muß, um dieses Ziel zu erreichen. Nachdem dieses Problem hier diskutiert worden ist, darf ich die Bitte aussprechen: Sorgen Sie bitte dafür durch Ihre Maßnahmen bei der Bundesanstalt, daß wir in stärkerem Maße von der Bundesanstalt Sondermittel zur Verfügung bekommen, um auch vondieser Seite aus etwas mehr zur Erreichung unseres Ziels zu tun, der Schaffung der 100 000 Arbeitsplätze. Wir haben rund 200 000 Arbeitslose. Wenn es uns gelänge, in den nächsten vier Jahren 100 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen, dann hätten wir für die Beseitigung der Arbeitslosennot in Berlin vieles getan.
Herr Minister, ich möchte Sie in diesem Zusammenhang doch daran erinnern, daß noch andere Mittel frei sind, die für die Beseitigung der Arbeitslosigkeit in Berlin nutzbar gemacht werden können und die es überflüssig machten, ausländische Arbeitskräfte nach Deutschland zu ziehen. Ich möchte Sie daran erinnern, daß nach den neuesten Zahlen der Bundesregierung das Notopferaufkommen im Etatsjahr 1954 1 250 Millionen DM betragen hat. Davon sind 710 Millionen DM nach Berlin gegangen. Vielleicht könnten Sie bei den Beratungen im Bundeskabinett — —. Herr Kollege Kunze, Sie müssen nicht mit dem Kopf schütteln. Es ist so: Laut Erklärung der Bundesregierung betrug die Notopfereinnahme 1 250 Millionen DM, und 710 Millionen DM hat Berlin bekommen. Das sind immerhin 540 Millionen DM, die in der Bundesrepublik für die Beseitigung der Not Berlins geopfert worden sind und die diesen Zweck nicht erfüllen konnten,
da sie Berlin nicht zur Verfügung gestellt wurden. Vielleicht lenken Sie, Herr Bundesarbeitsminister, Ihr besonderes Augenmerk auf die Zurverfügungstellung des gesamten Notopferaufkommens für Berlin, damit diese Summen nicht nur für den Ausgleich des Bundeshaushalts, sondern auch für die Beseitigung der Arbeitslosigkeit in Berlin genutzt werden können.