Rede von
Dr.
Marie-Elisabeth
Lüders
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Anschluß an die Ausführungen meiner verehrten langjährigen Kollegin in der Berliner Verwaltung und im Deutschen Reichstag, Frau Schroeder, möchte ich auf folgendes hinweisen. Herr Arbeitsminister, vielleicht setzen Sie sich einmal mit dem Herrn Finanzminister in Verbindung. Wir wissen alle, daß schon der erste Bundestag ein Gesetz zur Wiedergutmachung erlassen hat. Wir wissen auch, daß es unendlich lange Zeit gedauert hat, bis es gelungen ist, dem betreffenden Ministerium endlich im letzten Herbst die notwendigen Durchführungsverordnungen aus den Klauen zu ziehen. Aber wir wissen etwas viel Betrüblicheres. Wir wissen, daß dieses Ministerium — so wird wenigstens behauptet, und dasselbe wird von den Ländern behauptet — ungezählte Akten von rückständigen Wiedergutmachungsfällen besitzt, ohne daß man weiterkommt. Sie haben sich immer mehr angehäuft wegen fehlender Arbeitskräfte, und .was ist die Folge? Immer mehr alte Leute sterben dahin, ohne daß die ihnen zustehenden Wiedergutmachungsansprüche befriedigt werden.
— Ja, und ich spreche über deutsche Arbeiter, wenn Sie gestatten. Das steht nämlich im Zusammenhang miteinander.
Ja, Sie können auch den Kopf schütteln; aber ich spreche doch darüber.
Ich möchte dem Herrn Arbeitsminister raten, daß er, ehe er sich einverstanden erklärt, ausländische Arbeiter oder auch Arbeiterinnen heranzuziehen, erst einmal dafür sorgt, daß das Finanzministerium wenigstens die notwendigen Zeithilfen aus den Kreisen geschulter arbeitsloser Angestellter einstellt, um die großen Rückstände auf dem Gebiet der Wiedergutmachung endlich einmal aufzuarbeiten. Wir wissen, daß das eine Ehrenpflicht ist, und wir haben auch kürzlich bei Ausführungen darüber dieser Auffassung hier ganz einstimmig zugestimmt und applaudiert. Es geschieht aber nichts, sondern die Fälle häufen sich weiter. Ich weiß nicht, ob man der Meinung ist,
daß Geldersparnisse wichtiger sind als Menschenleben, selbst die Menschenleben von alten Personen. Ich bin der Auffassung: ein Menschenleben, einerlei wie alt oder wie jung, sollte jedem fiskalischen Sparsamkeitsgrundsatz vorgehen.
Zum andern, Herr Minister, möchten wir Frauen darauf hinweisen, daß wir uns unter keinen Umständen mit Maßnahmen zur eventuellen Heranziehung auch von Frauen aus dem Ausland einverstanden erklären werden, ohne dazu unsere Meinung gesagt und unseren Einfluß geltend gemacht zu haben. Das für den Fall, daß Sie eines Tages den von Ihnen befürchteten Mangel auf dem Arbeitsmarkt haben werden. Wir haben schon in früheren Zeiten sehr unangenehme Erfahrungen damit gemacht, daß Frauen zu Arbeitsleistungen herangezogen worden sind, ohne daß sie genügend vorgeschult gewesen sind, ohne daß man sich um ihre soziale Gebundenheit und die Voraussetzungen für ihren Arbeitseinsatz überhaupt gekümmert hat. Leider sind sie auch gar nicht selten und nur zu gern von manchen als willkommene Lohndrücker eingestellt worden.