Rede von
Anton
Storch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte der Frau Abgeordneten Schroeder, die sich mit Recht große Sorgen um die Verhältnisse in Berlin macht, gern sofort eine Antwort geben. Frau Abgeordnete, Sie finden in den arbeits- und sozialstatistischen Mitteilungen meines Ministeriums die Entwicklung der Zahl der Arbeitslosen und die übrige statistische Erfassung auch West-Berlins voll aufgenommen; denn wir sind der Überzeugung, daß wir zu einem wirklich echten Bild über den Arbeitsmarkt nur kommen können, wenn wir West-Berlin, das wir nun einmal als zu uns gehörig zählen, auch hier ganz klar mit sichtbar werden lassen.
Frau Abgeordnete, Sie haben gesagt, in der Großen Anfrage Ihrer Partei sei im wesentlichen der Herr Wirtschaftsminister angesprochen worden. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß für die Frage der Regulierung des Arbeitsmarktes nicht der Herr Wirtschaftsminister, sondern nun einmal der Arbeitsminister zuständig ist.
— Das war etwas vielseitig, was eben zugerufen wurde; deshalb konnte ich es nicht verstehen. Ich darf Ihnen aber sagen, daß die Antwort, die ich Ihnen auf Ihre Anfrage gegeben habe, in vollem Einvernehmen zwischen dem Herrn Wirtschaftsminister Erhard und mir gegeben worden ist. Wenn sich der Herr Wirtschaftsminister bei der einen oder anderen Gelegenheit einmal aus rein wirtschaftlichen Erwägungen auf dieses Gebiet begibt, — nun ja, ich tue es ja auch in wirtschaftlicher Hinsicht hin und wieder einmal.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, alles, was Frau Schroeder gesagt hat, muß uns natürlich sehr zu denken geben. Aber wir dürfen doch nicht übersehen, daß unsere Maßnahmen zur Erleichterung der Verhältnisse in den besonders schwer betroffenen Gebieten auch gewisse Erfolge gehabt haben. Im Jahre 1950 hatten wir in West-Berlin eine Arbeitslosigkeit in der Größenordnung von 28,5 %, im Jahre 1951 waren es 25,9 %, im Jahre 1952 25,4 %. 1953 ist die Arbeitslosigkeit Gott sei Dank bereits auf 20,9 % zurückgegangen, und im vergangenen Jahre ist sie auf 16,4 % gefallen. Also auch in West-Berlin haben wir einen Erfolg erzielen können, und wenn Sie sich die statistischen Unterlagen über die anderen besonders stark betroffenen Gebiete ansehen, werden Sie eine ähnliche Entwicklung feststellen. Wir sollten meines Erachtens alles tun, um in diesen Gebieten durch eine noch stärkere industrielle Durchsetzung das Übel an der Wurzel zu packen.
Aber über eines sind wir uns doch völlig klar, Frau Schroeder: daß ein großer Teil der Berliner Arbeitslosen nur mit ungeheurem Widerwillen nach dem Bundesgebiet herüberkommt.
Das liegt natürlich an der persönlichen Verbindung der Menschen mit ihrer Heimatstadt und mit ihrer Familie. Wir haben es ja ebenso erleben müssen, daß Leute, die von den Landesversicherungsanstalten für die Bundesanstalt in Berlin freigestellt waren, einfach nicht mit nach Berlin gegangen sind. Das sind menschlich verständliche Dinge. Aber dadurch, daß diese Leute aus der Bundesrepublik nicht zur Bundesanstalt nach Berlin gegangen sind, haben wir dort ungefähr 2000 gerade langfristig arbeitslose Angestellte in Arbeit und Brot bringen können.
Gerade an den Maßnahmen, die auf unsere Veranlassung hin nun von der Bundesanstalt für die langfristig Arbeitlosen im Anlaufen sind, können Sie doch das Bestreben erkennen, den Leuten durch Umschulung wieder soviel Selbstvertrauen zu geben, daß sie auch wirklich einen Arbeitsplatz finden können. Wenn wir auf diesem Gebiet weiter so zusammenarbeiten, können wir den unter der Arbeitslosigkeit heute noch besonders leidenden Gebieten wie Berlin und den Zonenrandgebieten eine
Entlastung verschaffen, und wenn die wirtschaftliche Entwicklung so weitergeht, wie sie sich in den letzten Jahren Gott sei Dank angelassen hat, dann muß es unser Bestreben sein, mit den Leuten aus der Wirtschaft dahin zu kommen, daß sie zusätzliche Kapazitäten nicht in wirtschaftlich bereits überbelastete Gebiete, sondern in die sogenannten Notstandsgebiete verlagern.