Rede von
Dr.
Johannes-Helmut
Strosche
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will Sie nicht allzu lange aufhalten, halte es aber doch für richtig und notwendig, die politische Auffassung meiner Freunde und auch die meine ganz kurz zu skizzieren. Es dürfte Ihnen nicht unbekannt sein, daß es unsere politische Grundauffassung ist— aus der sich ja auch der Ursprung unseres politischen Inerscheinungtretens und Wirkens erklärt —, daß es die vordringliche Aufgabe unseres Staates und unserer jungen Demokratie sein muß, allen Opfern einer unseligen Katastrophen- und Notstandszeit, dieser, wie wir hoffen. Umbruchszeit und Wendezeit zum Besseren hin, eine -besonders liebevolle und intensive Zuneigung und Aufmerksamkeit zu schenken.
Aus dem Gesichtspunkt „Gleiches Recht für alle" soll und muß der Staat hier trachten, sowohl legislativ wie exekutiv schnellstmöglich alle Wunden zu heilen, die nun, leider Gottes, in dieser Zeit entstanden sind und auf die wir ja wahrhaftig nicht stolz sein können und dürfen. Denn es wird ja wohl, leider Gottes, einmal in der Geschichte heißen, daß es dieser ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorbehalten geblieben ist, Menschen ob ihrer politischen Einstellung, ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Konfession und ihrer Zugehörigkeit zu einem Volke zu quälen, zu verfolgen, einzusperren, zu vergasen, aus der Heimat zu jagen usf.
Daher ist es, wie ich glaube, unser aller Aufgabe, uns dieser Dinge besonders liebevoll anzunehmen. Es dreht sich hier darum — auch das ist heute schon angedeutet worden —, nicht ein bloß menschliches, karitatives Verständnis zu üben und in der ganzen Sache eine Art Wohlfahrtsproblem all denjenigen gegenüber zu sehen, die, frei von persönlicher Schuld gegenüber göttlichen und menschlich-ethischen Gesetzen, unter die Räder des Schicksals gekommen sind. Es ist erst recht nicht ein bloß materielles Problem, das etwa nach den Maßstäben von Rechnungshöfen zu messen ist, sondern abgesehen davon, daß es sich um ein ethisches, also auch geistig-seelisches Problem handelt, ist es ein gesamtpolitisches Problem und damit auch ein gesamtdeutsches Problem. All diese Fragen, ob es sich um Opfer eines Regimes handelt oder um Opfer der Heimatvertreibung, müssen schon darum befriedigend gelöst werden, weil ihre Nichtlösung oder unbefriedigende Lösung einen dauernden Zündstoff, ja zum Teil sogar bewußt gelegten Zündstoff darstellt, sozusagen eine Bombe, die entschärft werden muß, und zwar auch im Hinblick auf manche Folgen des Kalten Krieges, in dem wir alle stehen.
Herr Kollege Dr. Arndt hat in sehr erfreulicher Weise dargestellt, daß eine nichtbefriedigende Lösung dieser Fragen immer wieder gewisse Klüfte aufreißen und Zwiespälte nähren muß, und zwar zwischen den 131ern, den alten Soldaten einerseits und den Anspruchsberechtigten der Wiedergutmachung andererseits. Wir sind voll und ganz der von Ihnen hier dankenswerterweise dargetanen Auffassung, daß wir alle diese Dinge unter einem größeren, gemeinsamen Aspekt zu sehen haben und auf jeden Fall gleiches Recht allen, die Opfer dieser schweren Zeit geworden sind, zuteil werden lassen müssen. Die Lösung dieser Fragen — auch das ist angedeutet worden — darf nicht im Feld gesetzlicher oder administrativer Fehlkonstruktionen hängenbleiben. Wenn wir hier ausführlich gehört haben. daß bei der Gestaltung des Gesetzes offensichtliche Fehler unterlaufen sind, ist es notwendig, daß wir uns dazu bereitfinden, diese Fehler auch in der Grundkonzeption zu beseitigen. Auch die Verwaltungsformen — das ist uns allen in diesem Hohen Hause klargeworden — sind nicht einwandfrei. Sie sind ähnlich nicht einwandfrei, wie wir es etwa bei der Lastenausgleichsverwaltung immer wieder spüren. Sie sind bedenklich, weil, wie gleichfalls gesagt wurde, auch in diesem Sektor gerade dem Finanzministerium eine Aufgabe zuerteilt wurde, die eigentlich nicht dort hingehört. Dazu kommt noch das, was wir auf den anderen Sektoren gleichgelagerter Art immer wieder feststellen: daß die Dinge im Gestrüpp des föderativen Hin und Her hängen bleiben, in den Strudel der Bund-Länder-Auseinandersetzung hineingezogen werden, wofür Igerade die Betroffenen überhaupt kein Verständnis haben. Dabei hat jeder das Gefühl, daß es sich bei diesen und ähnlich gelagerten Fragen der Wiedergutmachung um gesamtdeutsche Fragen, also Bundesfragen, handelt, Frauen, die, wie ich schon andeutete, mit besonderer Liebe, besonderer Intensität und unbürokratischer, unfiskalistischer Verantwortuncrsfreude gemeistert werden müssen.
Dabei sollte man weniger Energie auf besänftigende Erklärungen und publizistische Kunststückchen ähnlich dem Bericht des Bulletins als vielmehr alle Energie auf die Sache selbst verwenden.
Ganz kurz: Wir wünschen, daß aus dieser Anerkennung gleichen Rechtsanspruchs aller Opfer der Kriegs- und Nachkriegszeit wirklich eine Rechtserfüllung werde, die dann Hand in Hand mit einer sozialen Befriedung gerade dieser Menschen eine Verstärkung der Basis unseres demokratischen Staates ergibt, für die wir alle einzutreten bereit sind.
Aus diesen Gesichtspunkten heraus schließen wir uns der Auffassung der übrigen Fraktionen an, daß der vorliegende Antrag dem zuständigen Ausschuß zur weiteren Beratung überwiesen werden soll.