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ID0205902600

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    2. Deutscher Bundestag — 59. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Dezember 1954 3005 59. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. Dezember 1954. Geschäftliche Mitteilungen . . . 3005 B, 3017 B Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 128 betr. kriminalpolizeiliche Durchsuchung der Wohnung des Senators a. D. Dr. Klein in Bonn (Drucksachen 968, 1065) 3005 C Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 (Haushaltsgesetz 1955) (Drucksache 1100) 3005 C Schoettle (SPD) 3005 C Dr. Vogel (CDU/CSU) 3017 B Dr. Blank (Oberhausen) (FDP) . . . 3028 D Dr. von Merkatz (DP) 3033 A Unterbrechung der Sitzung . 3038 B Dr. Eckhardt (GB/BHE) 3038 D Ritzel (SPD) 3043 D Niederalt (CDU/CSU) 3052 D Dr. Dresbach (CDU/CSU) 3058 A Dr. Gülich (SPD) 3060 B, 3066 A Dr. Luchtenberg (FDP) . . 3064 A, 3066 A Krammig (CDU/CSU) 3067 B Bauknecht (CDU/CSU) 3069 C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 3073 C Überweisung an den Haushaltsausschuß 3075 D Nächste Sitzung 3076 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
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    Rede von Dr. Wilhelm Gülich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Situation, die Kollege Dresbach eben gekennzeichnet hat, ist außerordentlich ernst. Denn was sich am letzten Freitag im Bundesrat zugetragen hat, ist wirklich ungewöhnlich. Es ist nicht abzutun, wie Herr Niederalt das bezeichnet, mit „Reibereien". So ernste Differenzen zwischen den beiden höchsten gesetzgebenden Körperschaften kann man nicht als Reibereien bezeichnen. Die Angelegenheit muß aber bald erledigt werden, denn vor Abschluß des Haushaltsplans 1955, in dessen erster Beratung wir heute stehen, müssen alle die Fragen geklärt werden, die durch das Finanzverfassungsgesetz, durch das Finanzanpassungsgesetz und durch das Länderfinanzausgleichsgesetz aufgeworfen sind und die sich alle in Zahlen im Bundeshaushalt ausdrücken. Es ist bemerkenswert, daß in der letzten Bundesratssitzung am Freitag selbst der Berichterstatter des Bundesrats, Dr. Nolting-Hauff, der uns sonst durch eine vornehme hanseatische Zurückhaltung bekannt ist, in'einem ungewöhnlichen Ausmaß als Berichterstatter von dem Mittel der Polemik Gebrauch gemacht hat. Er sagt z. B.:
    Wenn der Abgeordnete Gülich dies im Bundestag als eine bedarfsgerechte Finanzausstattung der einzelnen Gebietskörperschaften bezeichnet hat, so ist dies nichts weiter als ein schönes Wort. Der Bedarf ist überhaupt keine Größe, die in einer Finanzausgleichsordnung einen entscheidenden Platz haben kann. Es handelt sich hier vielmehr um einen Faktor, der praktisch jede Ordnung zerstört. Finanzminister wissen, daß der Bedarf, wenn man ihn wirklich beim Wort nehmen will, überhaupt nur durch eine einzige Zahlengröße, nämlich die Zahl Unendlich, ausgedrückt werden kann.
    Aber, meine Damen und Herren, das war doch unser Bemühen, unser vielmonatiges Bemühen im Finanzausschuß des Bundestages, das Wort „Bedarf" nicht so hinzuwerfen, sondern uns darunter etwas vorzustellen. Das haben wir doch gerade getan bei dem Gesetz, und wenn wir das getan haben, dann kann man zwar die Frage stellen, ob wir es richtig gemacht haben. Aber man kann mit solchen Redensarten nicht ernsthafte Bemühungen von uns Finanzmännern abtun. Auf diese Weise tut man ,der ganzen Sache den schlechtesten Dienst. Es ist auch so, daß z. B. zum Länderfinanzausgleichsgesetz — ich habe meine Unterlagen unten gelassen — um im Grunde kleine Dinge gefochten wird. Es wird polemisiert gegen die Erhöhung der Finanzmasse um 45 oder 46 Millionen, die wir ja im Interesse aller finanzschwachen Länder vorgenommen haben. Denn im Bundesrat, das wissen wir ja, wird nicht wohl ausgewogen, sondern nach den jeweiligen oder den jeweils erkennbaren Interessen abgestimmt. Herr Niederalt, ich kann Ihnen meine „Abstimmungstabelle" zur Verfügung stellen. Da steht für jede Steuerart und für jedes Problem für jedes Land drin, wie es im Bundesrat abstimmen wird: gerade nach seinem im Augenblick erkennbaren Vorteil. Zwar versuchen die finanzstarken Länder mal ein finanzschwaches Land durch die Gewährung dieser oder jener Annehmlichkeit zu der oder jener Zustimmung zu überreden. Ich möchte deshalb hier an die finanzschwachen Länder die Mahnung richten, doch um Gottes willen solchen Versuchungen nicht zu erliegen. Leider hört der Finanzminister meines finanzschwachen Landes nicht zu.

    (Zurufe.)

    — Ich meine den anderen; der hört nicht zu.

    (Heiterkeit.)

    Nur die Solidarität der finanzschwachen Länder kann bei der unglücklichen Konstruktion der Länder überhaupt noch zu vernünftigen Regelungen führen.
    Der Bundesrat hat es abgelehnt, den Vermittlungsausschuß anzurufen. Das ist in der Tat eine Brüskierung, die ich nicht für möglich gehalten


    (Dr. Gülich)

    hätte. Zumindest hätte doch der Versuch gemacht werden müssen, im Vermittlungsausschuß eine Lösung zu finden. Gewisse Lösungsmöglichkeiten waren ja vorhanden. Wir waren während der Beratung — und wir haben uns wiederholt mit den Finanzministern der Länder zusammengesetzt —viel weiter. An dem sehr fruchtbaren Abend, den wir im Hause Hellwege hatten, zeichneten sich doch gewisse gute Ergebnisse ab. Wir haben dann im Finanzausschuß des Bundestages gewartet, was uns die Länder endgültig zu sagen hätten. Und was hatten sie uns nach all diesen Bemühungen zu sagen? Daß es alles beim alten bleiben sollte und sie mit nichts, was wir vorgesehen hatten, einverstanden wären. Natürlich hätte sich darüber reden lassen, ob die Vermögensteuer und die Erbschaftsteuer bei den Ländern bleiben. Es läßt sich meines Erachtens nicht darüber reden, daß die Kraftfahrzeugsteuer bei den Ländern bleibt, denn dann würde uns ja die Neuordnung des Kraftverkehrswesens außerordentlich erschwert werden, weil dann sofort das Kraftfahrzeugsteuerproblem auch zu einem Finanzausgleichsproblem wird; und das sollte man vermeiden. Über die kleinen Steuern haben wir uns oft ausgesprochen und klargelegt, daß diese Steuern regional nicht radizierbar sind und es einfach unsinnig ist, wenn solche Steuern, die früher auch Reichssteuern waren, bei den Ländern bleiben.
    Ich möchte der Hoffnung Ausdruck geben, daß sich die Länder, die es angeht, doch noch einmal überlegen, ob sie nicht am nächsten Dienstag im Vermittlungsausschuß wirklich nach einer Vermittlung suchen. Der Bundesrat hat sich meines Erachtens am letzten Freitag selber einen schlechten Dienst erwiesen, und dem Gedanken des Föderalismus den allerschlechtesten, und er hat dem Gedanken der Demokratie schweren Schaden zugefügt. Was soll denn die Bevölkerung überhaupt noch glauben, wenn sich die Länder untereinander und mit dem Bund um Dinge raufen, wofür der Mann auf der Straße einfach kein Verständnis aufbringen kann! Wir sollten uns zusammentun — wir haben ja neulich schon einmal den Anfang gemacht — und sollten dem Steuerzahler klarmachen, daß es wirklich um seine Interessen geht und daß wir durch eine Rationalisierung der öffentlichen Finanzwirtschaft sehr erheblich an Steuern sparen könnten.
    Herr Kollege Niederalt hat eine Reihe weiterer Bemerkungen gemacht, zu denen ich noch ein paar Worte sagen möchte. Ich glaube, es hat keinen Sinn, und ich habe deshalb nicht sehr große Lust, die heutige Haushaltsdebatte durch neue Probleme zu erweitern; denn wir sind hier im Plenum j a fast unter uns wie im Haushaltsausschuß,

    (Heiterkeit)

    und unsere Auffassungen sind uns ja im wesentlichen bekannt.

    (Abg. Lücke: Es sind noch Anwärter dabei!)

    — Wir würden uns sehr freuen, wenn sie kämen, Herr Kollege Lücke. — Ich will deshalb nur einige Dinge mit behandeln, die hier aufgeworfen worden sind und auf die man in diesem Zusammenhang nicht verzichten sollte.
    Es ist eine falsche Rechnung, Herr Kollege Niederalt, wenn Sie sagen, das Parlament sei zu groß, das Parlament sei zu teuer und hier müsse gespart werden. Staatssekretär Hartmann hat in seiner
    gestrigen Rede gesagt, daß im Jahre 1955 der Aufwand, pro Kopf der Bevölkerung für den öffentlichen Gesamthaushalt 970 DM beträgt. Wenn wir uns nun überlegen, daß für die wichtigste Stelle in dem gesamten öffentlichen Haushalt, für das Parlament, weniger als 50 Pfennige pro Kopf der Bevölkerung ausgegeben werden, dann sollte man nicht gerade beim Parlament anfangen, sparen zu wollen.

    (Beifall bei der SPD und rechts. — Abg. Niederalt: Herr Professor Gülich, was hat denn die Arbeit des Parlaments mit der Zahl von 400 oder 509 Abgeordneten zu tun?)

    — Auf die Zahl 400 oder 500 Abgeordnete möchte ich gar nicht eingehen. Ich habe das Parlament nicht von 402 auf 484 Abgeordnete vergrößert,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    sondern der Antrag ist ja von der größten Regierungspartei oder von allen Regierungsparteien —das weiß ich nicht mehr genau — gekommen. Nachdem es damals beschlossen worden ist, können Sie sich durchaus Gedanken darüber machen, ob es für den dritten Bundestag so bleiben soll; da gibt es diese und jene Argumente, die man anführen kann. Ich halte es aber nicht für richtig, jetzt bei der Haushaltsberatung zu sagen, um der öffentlichen Sparsamkeit willen wollten wir das Parlament reduzieren.

    (Sehr gut! bei der SPD.)


    (D Geld kosten, kümmerte und bald hier, bald dort den Finger auf die Wunde legte, dann könnte unser Parlament von mir aus noch vergrößert werden. Herr Niederalt klagte auch — das hat mir sehr gut gefallen — über die zu große Zahl von Ministerien. Da sind wir uns vollkommen einig. Da Sie im übrigen, Herr Kollege Niederalt, von Vorbildern sprachen und 'da das Parlament Vorbild sein sollte, so könnte vielleicht in diesem Fall 'auch einmal die CSU Vorbild sein und könnte dafür sorgen, daß die ihr angehörenden Minister für besondere Aufgaben ihre Aufgaben aufgeben. Ich gebe Ihnen die Versicherung, es würde nicht viel passieren. Im übrigen habe ich die Herren Sonderminister gestern und heute hier vermißt. Ach, dazu muß ich Ihnen aus den Beratungen des Haushaltsausschusses ein bißchen erzählen. Als wir den Etat der Sonderminister berieten, trat einer in ihrer Vertretung auf und begründete ihren Wunsch, Kabinettsreferenten zu erhalten. Er begründete das so: „Sehen Sie mal, meine Herren: Wir Sonderminister, wir müssen uns ja mit allen Vorlagen im Kabinett befassen. Der Herr Schäffer hat die Finanzen, der Herr Lübke hat seine Ernährung, und der Herr Storch hat seine Arbeit. Das sind ja alles ganz besondere, abgegrenzte Ressorts. Wir aber müssen uns für alles interessieren, und dafür braucht man natürlich mehr Personal." Ich habe daraufhin gesagt: „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Bundesminister, dann firmieren Sie falsch. Sie dürften dann nicht heißen ,Bundesminister für besondere Aufgaben', sondern ,Bundesminister ohne besondere Aufgaben'. Denn dann käme das ja hin, was Sie hier dargelegt haben." — „Für alle Aufgaben" ginge auch, aber jedenfalls ohne besondere Aufgaben, Herr Köhler. (Abg. Heiland: Wir haben doch nur einen Minister, der macht alles allein!)


    (Abg. Mellies: Es werden doch noch mehr!)


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD. —Zuruf dies Abg. Niederalt.)


    (Erneute Heiterkeit bei der SPD.)


    (Hört! Hört! bei der SPD.)


    (Dr. Gülich)


    (Heiterkeit.)


    (Heiterkeit.)


    (Abg. Dr. Köhler: Für alle Aufgaben!)

    Eine 'andere Frage aber, bei der es wirklich um die Sparsamkeit geht, sollten wir uns genauer überlegen. Ich habe sie schon angeschnitten. Das ist die Frage der Rationalisierung der gesamten öffentlichen Verwaltung, und das ist ferner die Frage der fortgesetzten Mehranforderungen von Beamtenstellen und die überall erkennbare Tendenz, möglichst viele ohnehin qualifizierte Beamtenstellen zu heben.
    Ich will kein Wort sagen gegen die wirklich qualifizierten Beamten, von denen die Bundesregierung ja eine große Zahl hat.

    (Abg. Dr. Dresbach: Jawohl!)

    Ich kenne aus meiner Tätigkeit genauer die Qualität der leitenden Beamten des Bundesfinanzministeriums, und ich habe davor immer meine Hochachtung gehabt.

    (Abg. Dr. Dresbach: Sehr gut!)

    Sie brechen unter der Last der Arbeit schier zusammen, und man sieht auch hier, daß die Vermehrung von Beamtenstellen keineswegs die Last auf ihren Schultern erleichtert. — Übrigens: Wie tüchtig diese Beamten sind, will ich Ihnen an einem kleinen Beispiel klarmachen. Die Mitglieder des Haushaltsausschusses bekamen am 9. November den Haushaltsplan vorgelegt. In mehreren Einzelplänen lagen Deckblätter. Diese Deckblätter, die z. B. die Erhöhung des Notopfers Berlin, die Ergänzungsabgabe und anderes mehr darlegten, trugen das Datum vom 12. November, und sie nahmen bereits das Ergebnis der Kabinettssitzung vom 10. November voraus.

    (Heiterkeit.)

    Ich meine, das ist eine Tüchtigkeit, eine Vorausschau der Beamten, die doch wirklich alle Anerkennung verdient

    (Abg. Dr. Vogel: Eine gewisse Hellsichtigkeit!) und die auch hier ausdrücklich anerkennend festgehalten werden soll.


    (Abg. Mellies: Vielleicht beruht das auf der Kenntnis der Kabinettspraxis!)

    Von 1954 auf 1955 soll, das ist schon gesagt worden, die Zahl der planmäßigen Beamten um annähernd 300 erhöht werden, die der Angestellten um 800. Dann sind hier ganz interessante Stellenhebungen. Allein in der A 1a-Gruppe sollen 23 Stellen gehoben werden.
    Das Ganze ist eigentlich doch recht bedenklich. Denn je mehr Personal eingestellt wird, um so mehr steigt auch die Papierflut, die die Beamtenschaft zu bewältigen hat; sie wird nicht etwa geringer. Wir können die Ausgaben in der Verwaltung überhaupt nur durch eine Änderung der Zuständigkeiten einschränken — ich habe das früher schon gesagt —, dadurch, daß wir den Behördenchefs und ihren Abteilungsleitern mehr Eigenverantwortung geben und sie hinterher um so stärker kontrollieren. Nehmen Sie aber irgendein normales Aktenstück aus irgendeinem Ministerium, dann ist eine Kolonne zur Mitzeichnung oder sind zwei Kolonnen untereinander quer über das ganze Aktenstück zur Mitzeichnung keine Seltenheit. Darin sehe ich eine der großen Schwierigkeiten. Jeder braucht zu seiner Entlastung die Mitzeichnung von jedem. Jedes einfache Aktenstück geht durch mehrere Ministerien und durch mehrere Abteilungen eines Ministeriums, und darin liegt eine solche Vergeudung öffentlicher Mittel — wenn die Privatwirtschaft sich das erlauben wollte, dann wäre das schier unmöglich —, daß man hier anmerken soll: weniger Mitbeteiligung, aber mehr Eigenverantwortung der Behördenchefs und ihrer leitenden Mitarbeiter, im ganzen aber Erhöhung nicht der Quantität, sondern der Qualität der Beamten. Wenn das geschieht, wird in den öffentlichen Verwaltungen alles einfacher werden.
    Wir werden — und ich glaube, da sind wir uns erfreulicherweise eigentlich immer sehr hübsch einig — im Haushaltsausschuß in diesem Jahre unser besonderes Augenmerk wohl darauf richten müssen, daß die Zahl der Stellen nicht weiter vermehrt wird und daß die Stellen nicht immer wieder beliebig angehoben werden. Natürlich haben da besondere Minister auch besondere Wünsche. Es sind keineswegs immer die großen Ministerien mit ihren großen Arbeitsbereichen, die hier Sonderwünsche äußern, sondern es sind sehr oft die kleinen. Ich habe im Haushaltsausschuß wiederholt angeregt, daß man Querschnitte durch den Haushalt macht, und ich habe auch oft gefordert — Herr Dresbach, Sie taten es vorhin ja auch —, daß man die Länderhaushalte analysiert. Seit fünf Jahren erhebe ich diese Forderung immer wieder; aber das Grundgesetz gibt uns keine Möglichkeit, das zu tun. Zwar hätten wir die Möglichkeit, die Haushalte der Länder im Bundesfinanzministerium sehr genau zu erforschen und uns das Ergebnis zu den Beratungen vorlegen zu lassen.

    (Abg. Niederalt: Herr Professor Gülich, die Haushalte der Länder stehen uns aber zur Verfügung!)

    — Natürlich, nur gehört dazu ja ein Apparat, den Sie und ich nicht haben.
    Bei den Beamten noch eine kleine Anmerkung zu den Dienstreisen. Ich habe bisher leider versäumt, darum zu bitten, daß die Dienstreisetitel einmal quer durch alle Haushalte zusammengestellt werden. Man sollte sie dabei nach Behörden und Ministern, nach den Rängen der Beamten und — das ist sehr wichtig — auch nach der Zeit, in der sie ausgeführt werden, ordnen. Da ergibt sich nämlich folgendes. Im Februar und März eines jeden Jahres setzt, obgleich das nicht die guten Reisemonate sind, eine besonders intensive Reisetätigkeit ein, und zwar werden in diesen Monaten auch Leute auf Dienstreise geschickt, die man vorher nicht geschickt hat. Wenn nämlich noch Mittel in


    (Dr. Gülich)

    den Reisekostenfonds vorhanden sind, müssen die Mittel ausgegeben werden, und dann werden die Leute auf die Achse gebracht.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Diese kritische Bemerkung gilt natürlich genau so gut für die Länder. Was da alles zusammengereist und zusammenkonferiert wird, das ist geradezu unheimlich. Die Konferenzen finden meist in Badeorten statt. Aber das hängt vielleicht mit der Überlastung der Beamten zusammen, die sich hier durch ein Sprudelbad etwas erfrischen können; so ähnlich wird man sich das wohl vorzustellen haben.
    Dann gibt es viele Dienstreisen, bei denen die Beamten nicht mehr allein, sondern im Konvoi reisen.

    (Heiterkeit.)

    Man weiß ja, daß sich das Tempo des gesamten Konvois nach dem langsamsten Fahrzeug richtet, und so ist das auch hier! Wahre Kolonnen von Beamten reisen, reisen überallhin. Ich wüßte ganz gern, ob es wahr ist — aber ich glaube, es ist so wahr; ich würde es sonst nicht sagen, wenn ich nicht wüßte, daß es so wahr ist —, daß z. B. in einem Falle nach Rom ein Mann, ein Referent, hätte hinreisen müssen und daß dieser auch fuhr, daß aber mit ihm der Beamte, der vor ihm Referent war, und der Beamte, der vielleicht nach ihm Referent werden sollte, reisten.

    (Heiterkeit.)

    So fuhren sie denn zu dritt; es war sicher eine nette Reise. Ich bin überzeugt: wenn sie weniger reisen, schreiben sie auch weniger Briefe, füllen sie weniger Aktenstücke, und das wäre schon ein kleiner Beitrag zur Rationalisierung in der Verwaltung.
    Verehrter Kollege Eckhardt, ich muß Ihnen nun ein unfreundliches Wort sagen — aber ich sage es freundlich —; denn das, was Sie über die Statistik gesagt haben, hat mich langsam hochgebracht!

    (Heiterkeit.)

    Gott sei Dank — das erkenne ich dankbar an — haben Sie den einen banalen Satz, daß man mit der Statistik alles beweisen könne, nicht gebraucht. In einem hochorganisierten Staatswesen ist ohne Statistik nicht auszukommen. Wir haben in Deutschland eine hockentwickelte Statistik, doch mit den statistischen Quellenwerken allein können wir nichts anfangen. Es kommt auf die Auswertung der Stastistik an, und wenn 'die Auswertung von üblen Leuten übel gemacht wird, weil sie irgend etwas beweisen wollen, so beweist das nichts gegen die Statistik, genau sowenig wie es etwas gegen die Brotmesser beweist, weil gelegentlich mit ihnen einmal ein Mord passiert. Man sollte sich also hüten, die Statistik einfach so in Bausch und Bogen zu verdammen.

    (Abg. Dr. Eckhardt: Das ist auch nicht geschehen!)

    Nun noch eine ganz kurze Bemerkung. Ich habe bei der dritten Beratung des Haushaltsplans 1954 eine Reihe von konkreten Anregungen zur Gestaltung des Haushaltsplans gegeben und eine Reihe von Fragen aufgeworfen, die man sich überlegen sollte. Im neuen Haushaltsplan sehe ich, daß man sich diese Überlegungen nicht zu eigen gemacht hat. Nun ist mir vollkommen klar, daß damit nicht Stellung genommen worden ist zu den Anregungen, die ich gegeben habe, sondern der Haushaltsplan hat es in sich, und das Gerippe wird eben weiter so verwandt. Ich habe damals nach der Beratung des Haushalts Herrn Schäffer gesagt, er möge doch bald einmal eine kleine Kommission von sachverständigen Männern zusammensetzen, die zunächst einmal einen Arbeitsplan aufstellen, welche Dinge zu beachten seien, um das Haushaltsrecht, die Haushaltsplangestaltung und die Rechnungslegung zu rationalisieren. Die Anregung gefiel ihm; leider ist nichts geschehen. Vielleicht ist doch etwas geschehen. Aber wenn nur Beamte in Ministerien den Auftrag haben, sich darum zu bemühen, und uns nachher ihr Ergebnis vortragen, dann sollten wir damit nicht einverstanden sein, sondern wir, die wir in der parlamentarischen Praxis stehen, sollten an der Gestaltung der künftigen Haushaltspläne Anteil nehmen.
    Ich hatte mir an sich vorgenommen, auch über die Einnahmeseite und insbesondere den Einzelplan 60 noch einiges zu sagen. Tatsächlich wird aber weder von der Regierung ein größeres Interesse gezeigt noch vom Bundesrat, noch, was hier entscheidend ist, vom Bundestag selber. Ich glaube wirklich, es ist ein ernsthaftes Symptom für die Lage unserer Bundesrepublik, daß der Herr Bundeskanzler für finanzwirtschaftliche Fragen überhaupt kein Verständnis hat. Er hat gar keinen Zugang zu diesen Problemen, wie auch der Oberbürgermeister von Köln den Zugang zu diesen Problemen selbst als Oberbürgermeister nicht gehabt hat.

    (Abg. Dr. Dresbach: Aber er war vorher Stadtkämmerer!)

    — Er war vorher Stadtkämmerer? (Abg. Dr. Dresbach: Ja, ja!)

    — Das wußte ich nicht; da bin ich aber voll und ganz erstaunt.

    (Abg. Mellies: Ist aber lange her, Herr Dresbach!)

    Die Bundesregierung darf nicht denken, daß es genüge, wenn nur die Ressortreferenten, die Haushaltsreferenten der Bundesministerien mit den Haushaltsreferenten des Finanzministeriums raufen. Wenn nun etwa auch noch — was viele wünschen
    — die Rauferei in die Fachausschüsse des Bundestages gelegt würde, dann kämen wir ja mit den Haushaltsberatungen überhaupt nicht zu Rande. Ich warne also vor solchem Vorhaben. Es wäre sehr viel richtiger, alle Bundesminister wären hier, nähmen an der Beratung lebhaften Anteil, die Mitglieder der Fachausschüsse wären auch alle hier, nähmen auch Anteil an der Sache, dann würde an diesem Punkte unseres öffentlichen Lebens, wo wirklich alles zusammenkommt und wo sich auch alles in Geld ausdrückt, eine Zusammenschau möglich, und es würde eine Zusammenarbeit des Parlaments ermöglicht, die die Ausschußberatungen, die nachher kommen, sehr unterstützen würde. Hier wäre der Ort, und bei der ersten Beratung wäre die Zeit, alle die Probleme aufzuwerfen, und man sollte sich für eine solche Beratung mehr Tage vornehmen, als wir das tun, alle die Probleme aufzuwerfen, die dann vom Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages durchberaten werden könnten. Würden wir so verfahren, kämen wir zu einer ganz anderen, verständigeren und wirkungsvolleren Haushaltspolitik, als das bisher in diesem Parlament, welches kein Interesse für die Haushaltsfragen hat, möglich gewesen ist.

    (Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)




Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Luchtenberg.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Paul Luchtenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weder von Steuern noch von Renten möchte ich sprechen. Ich möchte vielmehr ein friedlicheres Kapitel aufschlagen und mich mit Forschung und Wissenschaft befassen. Wer von hier aus über Forschung und Wissenschaft spricht und sich zum Anwalt ihrer Disziplinen aufwirft, der darf vielleicht die erfreuliche Überzeugung haben, zugleich das Mandat aller Parteien zu besitzen. Jedenfalls möchte ich versuchen, meine Ausführungen so zu gestalten, daß ich hoffen darf, Ihre Zustimmung zu finden.
    Forschung und Wissenschaft gehören offenbar im Bundeshaushaltsplan zu den Veilchen, die im Verborgenen blühen. Das ist verständlich; denn die breitere Öffentlichkeit befaßt sich herzlich wenig mit der wissenschaftlichen Forschung.

    (Abg. Dr. Gülich: Leider!)

    Sie ist dankbar für die Ergebnisse der Forschung, will aber herzlich wenig von den mannigfachen Voraussetzungen wissen, die dazu notwendig waren. Infolgedessen nimmt sie nur peripheres Interesse an der wissenschaftlichen Forschung. Die eigentlich Betroffenen, die Forscher und Wissenschaftler selbst, sind nicht geneigt, sie lieben es nicht und sie sind auch nicht dazu berufen, auf die Märkte und in die Gassen zu gehen und das eigene Anliegen dort propagandistisch zu vertreten. Sie vertrauen vielmehr auf die Einsicht der Parlamente und der Regierungen und hoffen, daß dort soviel Verantwortungsbewußtsein sei, daß ihnen geholfen wird, das soziale Niveau und die kulturelle Substanz des Volkes zu erhalten und, wenn möglich, 1 zu steigern.
    Was der Bundeshaushaltsplan uns an Zahlen vorlegt, ist so erfreulich, daß es nicht notwendig ist, auf die Analyse der einzelnen Zuweisungen einzugehen. Es ist in den schon wiederholt zitierten Vorbemerkungen zu dem Kapitel „Forschung und Wissenschaft" gesagt, daß „der Bund innerhalb seiner Kompetenz große, von Jahr zu Jahr steigende Leistungen erbracht hat". Die Übersicht, die geboten wird, beweist, daß diese Äußerung stimmt. Wir sehen, daß von 1954 auf 1955 wieder eine Steigerung der Mittel vorgesehen ist und daß wir nun über eine Gesamtsumme von 79 1/2 Millionen DM verfügen können. Es wird mit besonderer Freude von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, jenem Organisationszentrum der deutschen Forschungspflege, quittiert werden, daß der Bund seine Beiträge für das Normalverfahren von 3 auf 4 Millionen DM erhöht und daß er seine Schwerpunktmittel von 10 auf 15 Millionen DM erhöht hat, so daß also insgesamt ein Mehr von 6 Millionen garantiert ist. Man kann also im Hinblick auf den vorgelegten Haushaltsplan im Sinne der Anerkennung — wohlverstanden! — sagen: es ist sehr viel geleistet worden, aber es ist noch nicht genug geleistet worden.
    Man weiß, daß in den Zahlen, die hier angegeben wurden, nur ein Bruchteil dessen eingefangen ist, was überhaupt in der Bundesrepublik Deutschland der Förderung der Forschung zugedacht ist. Neben dem Bund arbeiten nämlich an der Förderung der Forschung selbstverständlich die Länder; daneben gibt es ERP-Mittel zur Forschungsförderung; ferner sind die Gemeinden in der Lage, der Forschung wesentliche Mittel zur Verfügung zu stellen — im
    Jahre 1953 etwa 10 Millionen DM —; dann ist der Förderungsarbeit des Stifter-Verbandes zu gedenken und nicht zuletzt der privaten Initiative zur Entwicklung der Industrieforschung. Für diese werden hohe Beiträge gegeben, die sich auf eine Zuteilung von 1 bis 10 % des jährlichen Umsatzes der in Betracht kommenden Unternehmungen belaufen; natürlich werden diese Gelder in den industrieeigenen Forschungsstätten verwandt.
    Das Entscheidende für unsere Überlegungen, die in den Allgemeinen Vorbemerkungen geradezu gefordert werden, ist dies, daß das Königsteiner Abkommen in das Gefüge der Zuteilung eine sehr bemerkenswerte und merkwürdige Note hineinträgt. Darüber müßte noch im einzelnen gesprochen werden.

    (Abg. Dr. Gülich: Es ist doch ein Staatsvertrag der Länder!)

    Es ist ein Staatsvertrag der Länder, wie Herr Kollege Gülich schon sagt, eine sehr merkwürdige Konstruktion, eine politische Anomalie, kann man wohl sagen, ein kulturpolitischer Staatenbund, der gewissermaßen in die Bundesrepublik hineingesetzt ist und an dem der Bund nicht beteiligt ist — und werden soll. Das ist das Seltsame dieser Konstruktion.
    Das ist um so bedauerlicher, als die Forschungsmittel, die im ganzen gegeben werden und den Eindruck erwecken, als ob unendlich viel getan würde, doch bei weitem nicht ausreichen, um den Vergleich etwa mit dem Ausland auszuhalten. Man wird gegenüber derartigen Vergleichszahlen mit Recht immer skeptisch sein; denn derartige Zweckberechnungen haben allzuoft ihren Haken. Aber wenn diese Berechnung von einem so seriösen und honorigen Rechner wie dem Stifter-Verband angestellt wird, darf man ihren Ergebnissen doch wohl einige Bedeutung zumessen. Wenn vom StifterVerband z. B. festgestellt wird, daß im Jahre 1952 in den USA vom Gesamtvolumen der Zuteilungen für die Förderung der Forschung auf den Kopf der Bevölkerung 92 Mark entfallen, wenn sich in Großbritannien 27 Mark auf den Kopf der Bevölkerung ergeben und es in der Bundesrepublik nur 8,80 Mark sind, so ist das offenbar ein Beweis dafür, daß hier noch nicht genug getan wird. Am Volkseinkommen gemessen nehmen sich die Relationen folgendermaßen aus: in den USA wird 1 % des Volkseinkommens für die Förderung der Forschung verwandt, in Großbritannien sind es 0,8 % und in der Bundesrepublik 0,45 %.

    (Abg. Dr. Gülich: Dafür werden aber jetzt die Zuwendungen an Parteien steuerbegünstigt!. — Abg. Dr. Menzel: Auch ein Fortschritt!)

    — Ja, leider, muß ich von mir aus sagen!
    Diese vielfältigen Quellen, die angebohrt und ausgeschöpft werden können, um die Forschung zu fördern, genügen nicht. Sie erwecken zwar den Eindruck, daß die Forschung in der Bundesrepublik wohl keinen Anlaß haben könne, viel über großen Mangel zu klagen. Aber wer das „Buch der Wünsche" aufschlägt, das im vorigen Jahre von Freunden und Förderern ausgerechnet der Universität München herausgegeben worden ist, der wird überrascht und erstaunt sein über die erschütternde Armseligkeit, die sich dort enthüllt und von der nun ein Stiefkind leben soll, das Forschung heißt. Im Rahmen der Beratung des Haushaltsplans ist es deswegen durchaus notwen-


    (Dr. Luchtenberg)

    dig, einmal auf dieses Problem der Organisation der Förderungsmaßnahmen für die deutsche Forschung einzugehen. Denn unter deutscher Forschung darf ja unter keinen Umständen nur eine Summation von Länderforschungen verstanden werden. Wer sich dem Organisationsproblem der Förderungsmaßnahmen zuwendet, sieht sich hineingestellt in ein organisatorisches Dornengestrüpp der deutschen Forschungspflege, aus dem er kaum herauszufinden weiß.

    (Abg. Dr. Vogel: Sehr gut!)

    Fragen Sie irgendeinen Professor meinetwegen der Universität Bonn, wie die Mittel für die Forschung aufgebracht und wie sie verteilt werden. Sie können sich überzeugt halten, daß Sie niemanden finden, der Ihnen auf diese Frage eine eindeutig klare Antwort zu geben vermag. Ich bin überzeugt, Herr Staatssekretär Hartmann wird bestätigen, daß es auch in den Ministerien des Bundes kaum eine — und vielleicht sogar keine — Stelle gibt, die uns klare Auskunft über das geben könnte, was nun im ganzen für die deutsche Forschung vereinnahmt und verausgabt wird. Das liegt zweifellos an dem Kompetenzstreit, der zwischen dem Bund und den Ländern besteht. Die Zuständigkeiten sind nicht geklärt. Infolgedessen sind auch die Verpflichtungen nicht abgeklärt, und dieses ganze Tohuwabohu wird geregelt durch einige Abkommen, darunter das eben schon erwähnte Königsteiner Abkommen vom Jahre 1949 und das Verwaltungsabkommen vom Jahre 1951. Aber auch diese Abkommen haben den Irrgarten, in dem man sich befindet, wenn man sich um die Forschungsförderung müht, nicht lichten können. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist vielleicht die einzige Stelle, die sich sozusagen als Kontaktsubstanz zwischen den autonomistischen Rivalen betätigt und sie als Geldgeber sozusagen unter einen Hut zu bringen trachtet. Dabei spielt auch die ganze Problematik der Länderautonomie in Kulturfragen mit.
    Bitte denken Sie nicht, ich wollte dieses Problem nun hier anschneiden. Aber eines möchte ich doch sagen: man mag in der „Pädagogischen Provinz" der Meinung sein, daß es recht und billig ist, die Lehrpläne und auch die Methoden in den Schulen aus der landsmannschaftlichen Eigenart zu gewinnen. Dieses Argument ist aber auf die wissenschaftliche Forschung unter keinen Umständen anwendbar. Wir haben es in der Forschung und in der Wissenschaft mit einem supranationalen Geltungscharakter zu tun, und man kann nicht einsehen, Wieso man die Forschung und die Wissenschaft nun in .die engen Fesseln einer Landesgrenze einschließen sollte, insbesondere dann nicht, wenn man sich klarmacht, daß wir in einer Epoche der Integration leben. Forschung ausschließlich oder vornehmlich als Landesaufgabe zu begreifen und zu betreiben, ist falsch, und deswegen stimmen wir auch dem zu, was der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft kürzlich in der „Deutschen Universitätszeitung" vom 6. September 1954 gegen den „falschen Föderalismus" schrieb. Da ist von ihm sehr deutlich gesagt worden, daß man sich wohl fragen dürfe, ob denn alles, was heute unter der Berufung auf das Grundgesetz als Föderalismus praktiziert wird, von diesem Grundgesetz auch wirklich gefordert sei und ob denn nicht die Organisationsformen der Forschungsförderung schließlich das Erreichen der Ziele verhinderten, die der Bund nach seiner Verfassung anzustreben habe. Es ist von ihm auch deutlich gemacht worden, daß sich diese konkurrierende Zuständigkeit von Bund und
    Ländern bisher nicht so fruchtbar ausgewirkt hat, wie es wünschenswert und wie es möglich wäre. Es fehlt eben an einer prinzipiellen Klarheit darüber, wann der Bund und wann ein Land oder mehrere oder alle Länder für die Forschung und ihre Förderung verantwortlich sind. Es fehlt an der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten.
    Das sind warnende Feststellungen, die der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft auf Grund seiner ständigen Bemühungen hin und her an den maßgebenden Stellen, bald im Bund und bald in den Ländern, als Ergebnis seiner Einsichten dankenswerterweise ausgesprochen hat.
    Wie sieht es denn nach diesem Königsteiner Abkommen aus? — Es wurde im März 1949 für fünf Jahre zwischen den Ländern vereinbart zur Förderung der Forschung in jenen Forschungseinrichtungen, die überregionale Bedeutung haben. Es gibt eine ganze Reihe von Institutionen, die nicht nur für dieses oder jenes Land tätig sind, sondern denen tatsächlich überregionale Bedeutung zukommt. Die Länderminister waren sofort nach dem Zusammenbruch entschlossen — und das ist ihnen zu danken —, dieseüberregionalen Forschungsinteressen gemeinsam in ihre Obhut zu nehmen. Dagegen ist an sich gar nichts zu sagen; es muß aber gesehen werden, daß auf diese Weise eben jener kulturpolitische Staatenbund innerhalb der Bundesrepublik Deutschland entstanden ist. Dieses politische Kuriosum konnte man ertragen, solange kein Bund vorhanden war; es mußte aber in dem Augenblick zu einer Anomalie werden, als sich der Bund konstituierte und nach seinem Grundgesetz berufen war, jene überregionalen Forschungsaufgaben als legitime Bundesaufgaben zu übernehmen.

    (Sehr gut! rechts.)

    Man hätte also annehmen dürfen, daß die Rechte und Pflichten aus diesem Abkommen von Königstein, sobald es im Frühjahr 1954 ablaufen werde, vom Bund übernommen würden. Was ist geschehen? Die Länder haben den Bund nach wie vor verhindert, sich jener im Königsteiner Abkommen zusammengefaßten Forschungseinrichtungen anzunehmen. Sie haben also nicht aus 'der Not eine Tugend gemacht und dem Bund gegeben, was des Bundes ist, sondern haben kurzerhand das Königsteiner Abkommen für weitere fünf Jahre erneuert. Das ist, wie ich glaube, eine sehr bedenkliche Tatsache, offenbar eine Verkrampfung der Fronten zwischen den Ländern und dem Bunde, von der der Präsident der Forschungsgemeinschaft — ich zitiere ihn noch einmal — sagt, daß das letzten Endes eine Niederlage für die deutsche Wissenschaft bedeute.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Ich glaube, es ist wichtig, diese Tatsache zu bedenken, zumal in den Vorbemerkungen zum Bundeshaushaltsplan ausdrücklich — und zwar, wie ich meinen möchte, mit einem anklagenden Unterton — auf jenes Abkommen und seine Auswirkungen hingewiesen wird. Es scheint mir notwendig, daß man sich im Bundestag ernstlich überlegt, ob man sich diese einseitige Begrenzung der dem Bunde offenbar gegebenen Zuständigkeit gefallenlassen darf.

    (Sehr richtig!)

    Ich bin der Auffassung — und das ist die Auffassung auch vieler Wissenschaftler und Senate, mit denen ich sprechen konnte —, daß diese unerträglichen Streitereien um Kompetenz oder Prestige ausgeräumt werden müssen, wenn anders man


    (Dr. Luchtenberg)

    nicht weiterhin der Forschung Schwierigkeiten machen will, die vermieden werden könnten. Eine heilende Betreuung dieser schwärenden Wunde ist dringend nötig; es sind Korrekturen notwendig, auf die hinzuweisen ich bei dieser ersten Etatberatung für besonders erforderlich hielt.
    Aus den gegebenen Verhältnissen heraus ist nun aber eine Abgrenzung der Zuständigkeiten kaum zu erwarten. Was liegt vor? In Art. 74 Ziffer 13 des Grundgesetzes ist der Bund zweifelsfrei legitim zur Förderung der Forschung autorisiert. Aber was dort steht, ist keine Antwort auf die Frage nach der Abgrenzung von konkurrierenden Zuständigkeiten: Wo darf der Bund beginnen, wo muß er mit seiner Forschungspflege aufhören? Es ist also auch darüber nichts gesagt, wo die Grenzen seiner Verpflichtung zur Finanzierung der Forschung liegen. Das Königsteiner Abkommen — das sagte ich schon — ist ohne den Bund, und zwar unter bewußter Ausschaltung des Bundes geschlossen. Also sind seine Bestimmungen in keiner Form für den Bund verbindlich. Ich kann diese Bestimmungen hier nicht analysieren. Sie würden aber vermutlich über das staunen, was in ihnen dem Bunde an Zuständigkeit zugedacht worden ist.