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ID0205902400

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    2. Deutscher Bundestag — 59. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Dezember 1954 3005 59. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. Dezember 1954. Geschäftliche Mitteilungen . . . 3005 B, 3017 B Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 128 betr. kriminalpolizeiliche Durchsuchung der Wohnung des Senators a. D. Dr. Klein in Bonn (Drucksachen 968, 1065) 3005 C Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 (Haushaltsgesetz 1955) (Drucksache 1100) 3005 C Schoettle (SPD) 3005 C Dr. Vogel (CDU/CSU) 3017 B Dr. Blank (Oberhausen) (FDP) . . . 3028 D Dr. von Merkatz (DP) 3033 A Unterbrechung der Sitzung . 3038 B Dr. Eckhardt (GB/BHE) 3038 D Ritzel (SPD) 3043 D Niederalt (CDU/CSU) 3052 D Dr. Dresbach (CDU/CSU) 3058 A Dr. Gülich (SPD) 3060 B, 3066 A Dr. Luchtenberg (FDP) . . 3064 A, 3066 A Krammig (CDU/CSU) 3067 B Bauknecht (CDU/CSU) 3069 C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 3073 C Überweisung an den Haushaltsausschuß 3075 D Nächste Sitzung 3076 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
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    Rede von Dr. August Dresbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich habe damals gesagt, nachdem der Versöhnungsversuch des Herrn Ministers Hellwege gescheitert sei, stehe der Austragung der Partie nichts mehr im Wege; Mensurlokal sei der Vermittlungsausschuß.

    (Heiterkeit.)

    Wenn ich das hier wieder in meinem studentischen Jargon weiterführen darf, dann hat der Bundesrat dem Bundestag bescheinigt, daß er ihn nicht für satisfaktionsfähig hält.

    (Sehr gut! und erneute Heiterkeit.)

    Der niedersächsische Finanzminister Kubel hat das in der Sitzung in andere Worte gekleidet, die ich mit der gütigen Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren darf:
    Wir halten es geradezu für eine Brüskierung des direkt gewählten Parlaments, wenn dieses Parlament in monate-, ja im Grunde genommen jahrelanger Beratung nun zu einem mit großer Mehrheit gefaßten Beschluß kommt, darüber nicht einmal mit den Vertretern dieses Parlaments im Vermittlungsausschuß reden zu wollen.
    Ich darf hier feststellen, daß der Vertreter des Landes Bayern, Herr Staatssekretär Ringelmann , in ausgezeichneter Weise sich für die Anrufung des Vermittlungsausschusses eingesetzt hat, weiß Gott doch der Vertreter des Landes, das als einziges, sehen wir mal von den beiden Hansestädten ab, den Anspruch darauf erheben kann, ein wirklicher Staat zu sein.

    (Beifall bei der CSU.)

    Ich bin dem Herrn Staatssekretär Ringelmann außerordentlich dankbar dafür, daß er sich in dieser Weise für den Friedensweg eingesetzt hat.
    Nun ist es aber nicht uninteressant, wenn man einmal feststellt, wer am 3. Dezember im Bundesrat für den Friedensweg, also für den Vermittlungsausschuß gestimmt hat. Das sind: Berlin, Bayern, Hessen und Niedersachsen, wovon die beiden letzteren Länder von den Sozialdemokraten regiert werden. Das ist etwas schmerzhaft festzustellen.

    (Zurufe von der SPD: Nein, nein! Das sind vernünftige Leute!)

    Ich darf daraus wohl die Folgerung ziehen, daß die Gleichschaltungspolitik, die wir doch bei den Landtagswahlen tatkräftig betreiben, das Gebiet der öffentlichen Finanzen noch nicht erreicht hat.

    (Heiterkeit und Beifall.) Aber ich stelle zum wiederholten Male fest: nicht Bayern ist der Frondeur gegen die Bundesregierung, sondern ich habe den Eindruck, mein näheres Vaterland Nordrhein-Westfalen. Dort scheint mir auch der Souffleur der intransigenten Bundesratsmitglieder zu sitzen. Der Herr Kollege Niederalt hat von dem Streit der Ministerialdirigenten gesprochen. Ich habe da einen Mann im Auge, der ein ganz hochqualifizierter Beamter der ehemaligen preußischen allgemeinen inneren Verwaltung gewesen ist,


    (Abg. Dr. Vogel: Herr Tapolski?)

    ein Mann mit einer gewissen inquisitorischen Begabung.

    (Heiterkeit.)

    Fragen Sie mal den früheren Oberbürgermeister der Stadt Köln, Adenauer,

    (Heiterkeit bei der SPD)

    wie es um diese inquisitorische Begabung des Herrn T a p o 1 s k i aussieht! Ich kann mir solche Bemerkungen erlauben; denn ich bin nicht auf der Landesliste von Nordrhein-Westfalen gewählt,

    (Heiterkeit)

    und mein Bundeswahlkreis fühlt bundesunmittelbar.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Aber dieses Frondeurtum zeigt sich auch noch auf anderen Gebieten, z. B. auf einem Gebiet, das hier schon besonders besprochen worden ist. Das ist die nordrhein-westfälische Besoldungsreform. Nun, lieber Freund Niederalt, darf ich Ihnen mal an einem Beispiel darstellen, wie sich dieser Föderalismus auswirkt. Nehmen wir einmal unser benachbartes, liebes, altes, heiliges Köln. Der Regierungsrat oder meinetwegen auch Oberregierungsrat im Finanzamt, der die ausschließliche Bundessteuer, nämlich die Umsatzsteuer, bearbeitet, ist Landesbeamter und wird nach der nordrhein-westfälischen Besoldungsordnung besoldet. Der Mann, der bei der Oberfinanzdirektion, auch im heiligen Köln gelegen, die Umsatzsteuer bearbeitet, ist Bundesbeamter und wird nach der alten Reichsbesoldungsordnung besoldet. Ich weiß nicht, ob sich das Bundesverfassungsgericht diesen Zustand der gespaltenen Finanzverwaltung bei seiner Urteilsfassung vor Augen geführt hat.

    (Abg. Dr. Vogel: Sehr richtig!)

    Lieber Freund Niederalt, und wenn Sie mich steinigen sollten — aber das werden Sie ja nicht tun, nein, wir werden uns nachher drüben im Restaurant wieder zusammensetzen —,

    (Heiterkeit)

    Sie können es mir nicht übelnehmen, wenn hier der Stoßseufzer nach der Bundesfinanzverwaltung aufkommt.

    (Abg. Niederalt: Solange es bloß ein Stoßseufzer bleibt, bin ich ja mit Ihnen zufrieden!)

    -- Ja, aber es könnte ja mal, was weiß ich, — —

    (Erneute Heiterkeit.)

    Der Unsicherheitsfaktor bleibt durch diese Unklarheit über den Anteil des Bundes und der Länder an der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Meines Erachtens ist diese Unklarheit vornehmlich durch die Intransigenz des Bundesrates geschaffen. Meine Damen und Herren, der Bundes-


    (Dr. Dresbach)

    rat — das ist vom Kollegen Eckhardt und anderen Kollegen, nicht zuletzt von meinem Freund Niederalt, trefflich hervorgehoben worden .— soll ein Bundesorgan sein.

    (Abg. Niederalt: Sehr richtig!)

    Aber manchmal zeigt er Züge zu einem Verein zur Vertretung der Länderinteressen, zu einem der vielen corps intermédiaires, verwandt mit dem zur Wahrung der Interessen der Bleistiftfabrikanten usw.

    (Heiterkeit.)

    Man kennt so etwas; man braucht ja nur in den Adreßbüchern und Telefonbüchern von Bonn und Umgebung nachzusehen. Meine Damen und Herren, ich habe manchmal den Eindruck, als wenn sich dieses corps intermédiaire bewußt gegen die volonté générale stellte, und das sind wir hier, das ist das unmittelbar vom Volk gewählte Parlament.
    Ich will hier nicht den Teufel an die Wand malen. Aber der Bundesrat kann sich nach der Tagung vom 3. Dezember nicht darüber wundern, wenn Auffassungen aufkommen, daß man ihn reformieren solle, vielleicht trotz Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes, und zwar im Sinne des amerikanischen Senats. Ich mache darauf aufmerksam, daß das Bild des amerikanischen Senats einen großen Freund in dem damaligen Präsidenten des Parlamentarischen Rates hatte. Ich hoffe, daß der damalige Präsident des Parlamentarischen Rates eines Tages doch Gelegenheit haben wird, sich nicht nur der Außenpolitik, sondern vielleicht auch mal wieder innenpolitischen und verfassungsrechtlichen Fragen zu widmen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, was bleibt? Was müssen wir tun, wenn der Bundesrat die Dinge demnächst ablehnt? Wahrscheinlich doch den Termin des Art. 107 verlängern. Aber nun kommt noch etwas Besonderes. Der Bundeshaushaltsplan sieht auf der Einnahmenseite bereits die Ergänzungsabgabe vor. Was können wir tun? Mit der Ablehnung des Finanzverfassungsgesetzes allein ist es nicht getan. Dann werden wir wahrscheinlich für die Ergänzungsabgabe ein Spezialgesetz schaffen müssen, und wir werden auch wieder ein Spezial-Inanspruchnahmegesetz schaffen müssen, wiederum provisorische Arbeit, die nicht erfreulich ist. Ich habe den dringenden Wunsch, es möge mit diesen Provisorien doch einmal zu Ende gehen. Wir hatten im Bundestagsausschuß für Finanzen und Steuern und im Plenum des Bundestages einen ich glaube guten Weg zu einer endgültigen Lösung aufgezeigt. Ich gebe die Hoffnung noch nicht auf, daß es doch noch dazu kommen möge.

    (Beifall.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Gülich.

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    Rede von Dr. Wilhelm Gülich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Situation, die Kollege Dresbach eben gekennzeichnet hat, ist außerordentlich ernst. Denn was sich am letzten Freitag im Bundesrat zugetragen hat, ist wirklich ungewöhnlich. Es ist nicht abzutun, wie Herr Niederalt das bezeichnet, mit „Reibereien". So ernste Differenzen zwischen den beiden höchsten gesetzgebenden Körperschaften kann man nicht als Reibereien bezeichnen. Die Angelegenheit muß aber bald erledigt werden, denn vor Abschluß des Haushaltsplans 1955, in dessen erster Beratung wir heute stehen, müssen alle die Fragen geklärt werden, die durch das Finanzverfassungsgesetz, durch das Finanzanpassungsgesetz und durch das Länderfinanzausgleichsgesetz aufgeworfen sind und die sich alle in Zahlen im Bundeshaushalt ausdrücken. Es ist bemerkenswert, daß in der letzten Bundesratssitzung am Freitag selbst der Berichterstatter des Bundesrats, Dr. Nolting-Hauff, der uns sonst durch eine vornehme hanseatische Zurückhaltung bekannt ist, in'einem ungewöhnlichen Ausmaß als Berichterstatter von dem Mittel der Polemik Gebrauch gemacht hat. Er sagt z. B.:
    Wenn der Abgeordnete Gülich dies im Bundestag als eine bedarfsgerechte Finanzausstattung der einzelnen Gebietskörperschaften bezeichnet hat, so ist dies nichts weiter als ein schönes Wort. Der Bedarf ist überhaupt keine Größe, die in einer Finanzausgleichsordnung einen entscheidenden Platz haben kann. Es handelt sich hier vielmehr um einen Faktor, der praktisch jede Ordnung zerstört. Finanzminister wissen, daß der Bedarf, wenn man ihn wirklich beim Wort nehmen will, überhaupt nur durch eine einzige Zahlengröße, nämlich die Zahl Unendlich, ausgedrückt werden kann.
    Aber, meine Damen und Herren, das war doch unser Bemühen, unser vielmonatiges Bemühen im Finanzausschuß des Bundestages, das Wort „Bedarf" nicht so hinzuwerfen, sondern uns darunter etwas vorzustellen. Das haben wir doch gerade getan bei dem Gesetz, und wenn wir das getan haben, dann kann man zwar die Frage stellen, ob wir es richtig gemacht haben. Aber man kann mit solchen Redensarten nicht ernsthafte Bemühungen von uns Finanzmännern abtun. Auf diese Weise tut man ,der ganzen Sache den schlechtesten Dienst. Es ist auch so, daß z. B. zum Länderfinanzausgleichsgesetz — ich habe meine Unterlagen unten gelassen — um im Grunde kleine Dinge gefochten wird. Es wird polemisiert gegen die Erhöhung der Finanzmasse um 45 oder 46 Millionen, die wir ja im Interesse aller finanzschwachen Länder vorgenommen haben. Denn im Bundesrat, das wissen wir ja, wird nicht wohl ausgewogen, sondern nach den jeweiligen oder den jeweils erkennbaren Interessen abgestimmt. Herr Niederalt, ich kann Ihnen meine „Abstimmungstabelle" zur Verfügung stellen. Da steht für jede Steuerart und für jedes Problem für jedes Land drin, wie es im Bundesrat abstimmen wird: gerade nach seinem im Augenblick erkennbaren Vorteil. Zwar versuchen die finanzstarken Länder mal ein finanzschwaches Land durch die Gewährung dieser oder jener Annehmlichkeit zu der oder jener Zustimmung zu überreden. Ich möchte deshalb hier an die finanzschwachen Länder die Mahnung richten, doch um Gottes willen solchen Versuchungen nicht zu erliegen. Leider hört der Finanzminister meines finanzschwachen Landes nicht zu.

    (Zurufe.)

    — Ich meine den anderen; der hört nicht zu.

    (Heiterkeit.)

    Nur die Solidarität der finanzschwachen Länder kann bei der unglücklichen Konstruktion der Länder überhaupt noch zu vernünftigen Regelungen führen.
    Der Bundesrat hat es abgelehnt, den Vermittlungsausschuß anzurufen. Das ist in der Tat eine Brüskierung, die ich nicht für möglich gehalten


    (Dr. Gülich)

    hätte. Zumindest hätte doch der Versuch gemacht werden müssen, im Vermittlungsausschuß eine Lösung zu finden. Gewisse Lösungsmöglichkeiten waren ja vorhanden. Wir waren während der Beratung — und wir haben uns wiederholt mit den Finanzministern der Länder zusammengesetzt —viel weiter. An dem sehr fruchtbaren Abend, den wir im Hause Hellwege hatten, zeichneten sich doch gewisse gute Ergebnisse ab. Wir haben dann im Finanzausschuß des Bundestages gewartet, was uns die Länder endgültig zu sagen hätten. Und was hatten sie uns nach all diesen Bemühungen zu sagen? Daß es alles beim alten bleiben sollte und sie mit nichts, was wir vorgesehen hatten, einverstanden wären. Natürlich hätte sich darüber reden lassen, ob die Vermögensteuer und die Erbschaftsteuer bei den Ländern bleiben. Es läßt sich meines Erachtens nicht darüber reden, daß die Kraftfahrzeugsteuer bei den Ländern bleibt, denn dann würde uns ja die Neuordnung des Kraftverkehrswesens außerordentlich erschwert werden, weil dann sofort das Kraftfahrzeugsteuerproblem auch zu einem Finanzausgleichsproblem wird; und das sollte man vermeiden. Über die kleinen Steuern haben wir uns oft ausgesprochen und klargelegt, daß diese Steuern regional nicht radizierbar sind und es einfach unsinnig ist, wenn solche Steuern, die früher auch Reichssteuern waren, bei den Ländern bleiben.
    Ich möchte der Hoffnung Ausdruck geben, daß sich die Länder, die es angeht, doch noch einmal überlegen, ob sie nicht am nächsten Dienstag im Vermittlungsausschuß wirklich nach einer Vermittlung suchen. Der Bundesrat hat sich meines Erachtens am letzten Freitag selber einen schlechten Dienst erwiesen, und dem Gedanken des Föderalismus den allerschlechtesten, und er hat dem Gedanken der Demokratie schweren Schaden zugefügt. Was soll denn die Bevölkerung überhaupt noch glauben, wenn sich die Länder untereinander und mit dem Bund um Dinge raufen, wofür der Mann auf der Straße einfach kein Verständnis aufbringen kann! Wir sollten uns zusammentun — wir haben ja neulich schon einmal den Anfang gemacht — und sollten dem Steuerzahler klarmachen, daß es wirklich um seine Interessen geht und daß wir durch eine Rationalisierung der öffentlichen Finanzwirtschaft sehr erheblich an Steuern sparen könnten.
    Herr Kollege Niederalt hat eine Reihe weiterer Bemerkungen gemacht, zu denen ich noch ein paar Worte sagen möchte. Ich glaube, es hat keinen Sinn, und ich habe deshalb nicht sehr große Lust, die heutige Haushaltsdebatte durch neue Probleme zu erweitern; denn wir sind hier im Plenum j a fast unter uns wie im Haushaltsausschuß,

    (Heiterkeit)

    und unsere Auffassungen sind uns ja im wesentlichen bekannt.

    (Abg. Lücke: Es sind noch Anwärter dabei!)

    — Wir würden uns sehr freuen, wenn sie kämen, Herr Kollege Lücke. — Ich will deshalb nur einige Dinge mit behandeln, die hier aufgeworfen worden sind und auf die man in diesem Zusammenhang nicht verzichten sollte.
    Es ist eine falsche Rechnung, Herr Kollege Niederalt, wenn Sie sagen, das Parlament sei zu groß, das Parlament sei zu teuer und hier müsse gespart werden. Staatssekretär Hartmann hat in seiner
    gestrigen Rede gesagt, daß im Jahre 1955 der Aufwand, pro Kopf der Bevölkerung für den öffentlichen Gesamthaushalt 970 DM beträgt. Wenn wir uns nun überlegen, daß für die wichtigste Stelle in dem gesamten öffentlichen Haushalt, für das Parlament, weniger als 50 Pfennige pro Kopf der Bevölkerung ausgegeben werden, dann sollte man nicht gerade beim Parlament anfangen, sparen zu wollen.

    (Beifall bei der SPD und rechts. — Abg. Niederalt: Herr Professor Gülich, was hat denn die Arbeit des Parlaments mit der Zahl von 400 oder 509 Abgeordneten zu tun?)

    — Auf die Zahl 400 oder 500 Abgeordnete möchte ich gar nicht eingehen. Ich habe das Parlament nicht von 402 auf 484 Abgeordnete vergrößert,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    sondern der Antrag ist ja von der größten Regierungspartei oder von allen Regierungsparteien —das weiß ich nicht mehr genau — gekommen. Nachdem es damals beschlossen worden ist, können Sie sich durchaus Gedanken darüber machen, ob es für den dritten Bundestag so bleiben soll; da gibt es diese und jene Argumente, die man anführen kann. Ich halte es aber nicht für richtig, jetzt bei der Haushaltsberatung zu sagen, um der öffentlichen Sparsamkeit willen wollten wir das Parlament reduzieren.

    (Sehr gut! bei der SPD.)


    (D Geld kosten, kümmerte und bald hier, bald dort den Finger auf die Wunde legte, dann könnte unser Parlament von mir aus noch vergrößert werden. Herr Niederalt klagte auch — das hat mir sehr gut gefallen — über die zu große Zahl von Ministerien. Da sind wir uns vollkommen einig. Da Sie im übrigen, Herr Kollege Niederalt, von Vorbildern sprachen und 'da das Parlament Vorbild sein sollte, so könnte vielleicht in diesem Fall 'auch einmal die CSU Vorbild sein und könnte dafür sorgen, daß die ihr angehörenden Minister für besondere Aufgaben ihre Aufgaben aufgeben. Ich gebe Ihnen die Versicherung, es würde nicht viel passieren. Im übrigen habe ich die Herren Sonderminister gestern und heute hier vermißt. Ach, dazu muß ich Ihnen aus den Beratungen des Haushaltsausschusses ein bißchen erzählen. Als wir den Etat der Sonderminister berieten, trat einer in ihrer Vertretung auf und begründete ihren Wunsch, Kabinettsreferenten zu erhalten. Er begründete das so: „Sehen Sie mal, meine Herren: Wir Sonderminister, wir müssen uns ja mit allen Vorlagen im Kabinett befassen. Der Herr Schäffer hat die Finanzen, der Herr Lübke hat seine Ernährung, und der Herr Storch hat seine Arbeit. Das sind ja alles ganz besondere, abgegrenzte Ressorts. Wir aber müssen uns für alles interessieren, und dafür braucht man natürlich mehr Personal." Ich habe daraufhin gesagt: „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Bundesminister, dann firmieren Sie falsch. Sie dürften dann nicht heißen ,Bundesminister für besondere Aufgaben', sondern ,Bundesminister ohne besondere Aufgaben'. Denn dann käme das ja hin, was Sie hier dargelegt haben." — „Für alle Aufgaben" ginge auch, aber jedenfalls ohne besondere Aufgaben, Herr Köhler. (Abg. Heiland: Wir haben doch nur einen Minister, der macht alles allein!)


    (Abg. Mellies: Es werden doch noch mehr!)


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD. —Zuruf dies Abg. Niederalt.)


    (Erneute Heiterkeit bei der SPD.)


    (Hört! Hört! bei der SPD.)


    (Dr. Gülich)


    (Heiterkeit.)


    (Heiterkeit.)


    (Abg. Dr. Köhler: Für alle Aufgaben!)

    Eine 'andere Frage aber, bei der es wirklich um die Sparsamkeit geht, sollten wir uns genauer überlegen. Ich habe sie schon angeschnitten. Das ist die Frage der Rationalisierung der gesamten öffentlichen Verwaltung, und das ist ferner die Frage der fortgesetzten Mehranforderungen von Beamtenstellen und die überall erkennbare Tendenz, möglichst viele ohnehin qualifizierte Beamtenstellen zu heben.
    Ich will kein Wort sagen gegen die wirklich qualifizierten Beamten, von denen die Bundesregierung ja eine große Zahl hat.

    (Abg. Dr. Dresbach: Jawohl!)

    Ich kenne aus meiner Tätigkeit genauer die Qualität der leitenden Beamten des Bundesfinanzministeriums, und ich habe davor immer meine Hochachtung gehabt.

    (Abg. Dr. Dresbach: Sehr gut!)

    Sie brechen unter der Last der Arbeit schier zusammen, und man sieht auch hier, daß die Vermehrung von Beamtenstellen keineswegs die Last auf ihren Schultern erleichtert. — Übrigens: Wie tüchtig diese Beamten sind, will ich Ihnen an einem kleinen Beispiel klarmachen. Die Mitglieder des Haushaltsausschusses bekamen am 9. November den Haushaltsplan vorgelegt. In mehreren Einzelplänen lagen Deckblätter. Diese Deckblätter, die z. B. die Erhöhung des Notopfers Berlin, die Ergänzungsabgabe und anderes mehr darlegten, trugen das Datum vom 12. November, und sie nahmen bereits das Ergebnis der Kabinettssitzung vom 10. November voraus.

    (Heiterkeit.)

    Ich meine, das ist eine Tüchtigkeit, eine Vorausschau der Beamten, die doch wirklich alle Anerkennung verdient

    (Abg. Dr. Vogel: Eine gewisse Hellsichtigkeit!) und die auch hier ausdrücklich anerkennend festgehalten werden soll.


    (Abg. Mellies: Vielleicht beruht das auf der Kenntnis der Kabinettspraxis!)

    Von 1954 auf 1955 soll, das ist schon gesagt worden, die Zahl der planmäßigen Beamten um annähernd 300 erhöht werden, die der Angestellten um 800. Dann sind hier ganz interessante Stellenhebungen. Allein in der A 1a-Gruppe sollen 23 Stellen gehoben werden.
    Das Ganze ist eigentlich doch recht bedenklich. Denn je mehr Personal eingestellt wird, um so mehr steigt auch die Papierflut, die die Beamtenschaft zu bewältigen hat; sie wird nicht etwa geringer. Wir können die Ausgaben in der Verwaltung überhaupt nur durch eine Änderung der Zuständigkeiten einschränken — ich habe das früher schon gesagt —, dadurch, daß wir den Behördenchefs und ihren Abteilungsleitern mehr Eigenverantwortung geben und sie hinterher um so stärker kontrollieren. Nehmen Sie aber irgendein normales Aktenstück aus irgendeinem Ministerium, dann ist eine Kolonne zur Mitzeichnung oder sind zwei Kolonnen untereinander quer über das ganze Aktenstück zur Mitzeichnung keine Seltenheit. Darin sehe ich eine der großen Schwierigkeiten. Jeder braucht zu seiner Entlastung die Mitzeichnung von jedem. Jedes einfache Aktenstück geht durch mehrere Ministerien und durch mehrere Abteilungen eines Ministeriums, und darin liegt eine solche Vergeudung öffentlicher Mittel — wenn die Privatwirtschaft sich das erlauben wollte, dann wäre das schier unmöglich —, daß man hier anmerken soll: weniger Mitbeteiligung, aber mehr Eigenverantwortung der Behördenchefs und ihrer leitenden Mitarbeiter, im ganzen aber Erhöhung nicht der Quantität, sondern der Qualität der Beamten. Wenn das geschieht, wird in den öffentlichen Verwaltungen alles einfacher werden.
    Wir werden — und ich glaube, da sind wir uns erfreulicherweise eigentlich immer sehr hübsch einig — im Haushaltsausschuß in diesem Jahre unser besonderes Augenmerk wohl darauf richten müssen, daß die Zahl der Stellen nicht weiter vermehrt wird und daß die Stellen nicht immer wieder beliebig angehoben werden. Natürlich haben da besondere Minister auch besondere Wünsche. Es sind keineswegs immer die großen Ministerien mit ihren großen Arbeitsbereichen, die hier Sonderwünsche äußern, sondern es sind sehr oft die kleinen. Ich habe im Haushaltsausschuß wiederholt angeregt, daß man Querschnitte durch den Haushalt macht, und ich habe auch oft gefordert — Herr Dresbach, Sie taten es vorhin ja auch —, daß man die Länderhaushalte analysiert. Seit fünf Jahren erhebe ich diese Forderung immer wieder; aber das Grundgesetz gibt uns keine Möglichkeit, das zu tun. Zwar hätten wir die Möglichkeit, die Haushalte der Länder im Bundesfinanzministerium sehr genau zu erforschen und uns das Ergebnis zu den Beratungen vorlegen zu lassen.

    (Abg. Niederalt: Herr Professor Gülich, die Haushalte der Länder stehen uns aber zur Verfügung!)

    — Natürlich, nur gehört dazu ja ein Apparat, den Sie und ich nicht haben.
    Bei den Beamten noch eine kleine Anmerkung zu den Dienstreisen. Ich habe bisher leider versäumt, darum zu bitten, daß die Dienstreisetitel einmal quer durch alle Haushalte zusammengestellt werden. Man sollte sie dabei nach Behörden und Ministern, nach den Rängen der Beamten und — das ist sehr wichtig — auch nach der Zeit, in der sie ausgeführt werden, ordnen. Da ergibt sich nämlich folgendes. Im Februar und März eines jeden Jahres setzt, obgleich das nicht die guten Reisemonate sind, eine besonders intensive Reisetätigkeit ein, und zwar werden in diesen Monaten auch Leute auf Dienstreise geschickt, die man vorher nicht geschickt hat. Wenn nämlich noch Mittel in


    (Dr. Gülich)

    den Reisekostenfonds vorhanden sind, müssen die Mittel ausgegeben werden, und dann werden die Leute auf die Achse gebracht.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Diese kritische Bemerkung gilt natürlich genau so gut für die Länder. Was da alles zusammengereist und zusammenkonferiert wird, das ist geradezu unheimlich. Die Konferenzen finden meist in Badeorten statt. Aber das hängt vielleicht mit der Überlastung der Beamten zusammen, die sich hier durch ein Sprudelbad etwas erfrischen können; so ähnlich wird man sich das wohl vorzustellen haben.
    Dann gibt es viele Dienstreisen, bei denen die Beamten nicht mehr allein, sondern im Konvoi reisen.

    (Heiterkeit.)

    Man weiß ja, daß sich das Tempo des gesamten Konvois nach dem langsamsten Fahrzeug richtet, und so ist das auch hier! Wahre Kolonnen von Beamten reisen, reisen überallhin. Ich wüßte ganz gern, ob es wahr ist — aber ich glaube, es ist so wahr; ich würde es sonst nicht sagen, wenn ich nicht wüßte, daß es so wahr ist —, daß z. B. in einem Falle nach Rom ein Mann, ein Referent, hätte hinreisen müssen und daß dieser auch fuhr, daß aber mit ihm der Beamte, der vor ihm Referent war, und der Beamte, der vielleicht nach ihm Referent werden sollte, reisten.

    (Heiterkeit.)

    So fuhren sie denn zu dritt; es war sicher eine nette Reise. Ich bin überzeugt: wenn sie weniger reisen, schreiben sie auch weniger Briefe, füllen sie weniger Aktenstücke, und das wäre schon ein kleiner Beitrag zur Rationalisierung in der Verwaltung.
    Verehrter Kollege Eckhardt, ich muß Ihnen nun ein unfreundliches Wort sagen — aber ich sage es freundlich —; denn das, was Sie über die Statistik gesagt haben, hat mich langsam hochgebracht!

    (Heiterkeit.)

    Gott sei Dank — das erkenne ich dankbar an — haben Sie den einen banalen Satz, daß man mit der Statistik alles beweisen könne, nicht gebraucht. In einem hochorganisierten Staatswesen ist ohne Statistik nicht auszukommen. Wir haben in Deutschland eine hockentwickelte Statistik, doch mit den statistischen Quellenwerken allein können wir nichts anfangen. Es kommt auf die Auswertung der Stastistik an, und wenn 'die Auswertung von üblen Leuten übel gemacht wird, weil sie irgend etwas beweisen wollen, so beweist das nichts gegen die Statistik, genau sowenig wie es etwas gegen die Brotmesser beweist, weil gelegentlich mit ihnen einmal ein Mord passiert. Man sollte sich also hüten, die Statistik einfach so in Bausch und Bogen zu verdammen.

    (Abg. Dr. Eckhardt: Das ist auch nicht geschehen!)

    Nun noch eine ganz kurze Bemerkung. Ich habe bei der dritten Beratung des Haushaltsplans 1954 eine Reihe von konkreten Anregungen zur Gestaltung des Haushaltsplans gegeben und eine Reihe von Fragen aufgeworfen, die man sich überlegen sollte. Im neuen Haushaltsplan sehe ich, daß man sich diese Überlegungen nicht zu eigen gemacht hat. Nun ist mir vollkommen klar, daß damit nicht Stellung genommen worden ist zu den Anregungen, die ich gegeben habe, sondern der Haushaltsplan hat es in sich, und das Gerippe wird eben weiter so verwandt. Ich habe damals nach der Beratung des Haushalts Herrn Schäffer gesagt, er möge doch bald einmal eine kleine Kommission von sachverständigen Männern zusammensetzen, die zunächst einmal einen Arbeitsplan aufstellen, welche Dinge zu beachten seien, um das Haushaltsrecht, die Haushaltsplangestaltung und die Rechnungslegung zu rationalisieren. Die Anregung gefiel ihm; leider ist nichts geschehen. Vielleicht ist doch etwas geschehen. Aber wenn nur Beamte in Ministerien den Auftrag haben, sich darum zu bemühen, und uns nachher ihr Ergebnis vortragen, dann sollten wir damit nicht einverstanden sein, sondern wir, die wir in der parlamentarischen Praxis stehen, sollten an der Gestaltung der künftigen Haushaltspläne Anteil nehmen.
    Ich hatte mir an sich vorgenommen, auch über die Einnahmeseite und insbesondere den Einzelplan 60 noch einiges zu sagen. Tatsächlich wird aber weder von der Regierung ein größeres Interesse gezeigt noch vom Bundesrat, noch, was hier entscheidend ist, vom Bundestag selber. Ich glaube wirklich, es ist ein ernsthaftes Symptom für die Lage unserer Bundesrepublik, daß der Herr Bundeskanzler für finanzwirtschaftliche Fragen überhaupt kein Verständnis hat. Er hat gar keinen Zugang zu diesen Problemen, wie auch der Oberbürgermeister von Köln den Zugang zu diesen Problemen selbst als Oberbürgermeister nicht gehabt hat.

    (Abg. Dr. Dresbach: Aber er war vorher Stadtkämmerer!)

    — Er war vorher Stadtkämmerer? (Abg. Dr. Dresbach: Ja, ja!)

    — Das wußte ich nicht; da bin ich aber voll und ganz erstaunt.

    (Abg. Mellies: Ist aber lange her, Herr Dresbach!)

    Die Bundesregierung darf nicht denken, daß es genüge, wenn nur die Ressortreferenten, die Haushaltsreferenten der Bundesministerien mit den Haushaltsreferenten des Finanzministeriums raufen. Wenn nun etwa auch noch — was viele wünschen
    — die Rauferei in die Fachausschüsse des Bundestages gelegt würde, dann kämen wir ja mit den Haushaltsberatungen überhaupt nicht zu Rande. Ich warne also vor solchem Vorhaben. Es wäre sehr viel richtiger, alle Bundesminister wären hier, nähmen an der Beratung lebhaften Anteil, die Mitglieder der Fachausschüsse wären auch alle hier, nähmen auch Anteil an der Sache, dann würde an diesem Punkte unseres öffentlichen Lebens, wo wirklich alles zusammenkommt und wo sich auch alles in Geld ausdrückt, eine Zusammenschau möglich, und es würde eine Zusammenarbeit des Parlaments ermöglicht, die die Ausschußberatungen, die nachher kommen, sehr unterstützen würde. Hier wäre der Ort, und bei der ersten Beratung wäre die Zeit, alle die Probleme aufzuwerfen, und man sollte sich für eine solche Beratung mehr Tage vornehmen, als wir das tun, alle die Probleme aufzuwerfen, die dann vom Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages durchberaten werden könnten. Würden wir so verfahren, kämen wir zu einer ganz anderen, verständigeren und wirkungsvolleren Haushaltspolitik, als das bisher in diesem Parlament, welches kein Interesse für die Haushaltsfragen hat, möglich gewesen ist.

    (Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)