Rede:
ID0205901400

insert_comment

Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2059

  • date_rangeDatum: 9. Dezember 1954

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 15:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:06 Uhr

  • fingerprintRedner ID: Nicht erkannt

  • perm_identityRednertyp: Präsident

  • short_textOriginal String: Vizepräsident Dr. jaeger: info_outline

  • record_voice_overUnterbrechungen/Zurufe: 0

  • subjectLänge: 6 Wörter
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Ritzel.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 59. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Dezember 1954 3005 59. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. Dezember 1954. Geschäftliche Mitteilungen . . . 3005 B, 3017 B Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 128 betr. kriminalpolizeiliche Durchsuchung der Wohnung des Senators a. D. Dr. Klein in Bonn (Drucksachen 968, 1065) 3005 C Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 (Haushaltsgesetz 1955) (Drucksache 1100) 3005 C Schoettle (SPD) 3005 C Dr. Vogel (CDU/CSU) 3017 B Dr. Blank (Oberhausen) (FDP) . . . 3028 D Dr. von Merkatz (DP) 3033 A Unterbrechung der Sitzung . 3038 B Dr. Eckhardt (GB/BHE) 3038 D Ritzel (SPD) 3043 D Niederalt (CDU/CSU) 3052 D Dr. Dresbach (CDU/CSU) 3058 A Dr. Gülich (SPD) 3060 B, 3066 A Dr. Luchtenberg (FDP) . . 3064 A, 3066 A Krammig (CDU/CSU) 3067 B Bauknecht (CDU/CSU) 3069 C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 3073 C Überweisung an den Haushaltsausschuß 3075 D Nächste Sitzung 3076 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Walter Eckhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GB/BHE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Montag ist uns das neue Haushaltsbuch überreicht worden mit einer so außerordentlichen Sach- und Zahlenfülle, daß sicherlich niemand in diesem Hause in der Lage gewesen ist, es bisher auch nur einigermaßen zu studieren. Das gilt aber nicht nur für das Haushaltsgesetz, das wir bekommen haben, es gilt auch für die Einführung, die man uns mit auf den Weg gegeben hat, nämlich für die sogenannten Allgemeinen Vorbemerkungen, die allein schon 555 Seiten umfassen. Es ist natürlich unmöglich, bei einer so gewaltigen Arbeit von solcher Qualitat in wenigen Tagen damit zu Rande zu kommen. Wir werden uns dafür andere Zeiten zu Hilfe nehmen müssen.

    ( 27,5 Milliarden DM. Das ist eine ungeheure Zahl. Aber diese eine Zahl genügt noch nicht einmal, wenn man sich die Bedeutung unseres Gesamthaushalts vor Augen führen will. Man muß die Zahlen der Länder und der Gemeinden hinzufügen. Wir werden dann auf eine Summe von 48,5 Milliarden DM, rund gesprochen, kommen. Das bedeutet, daß ein außerordentlich großer Anteil des Volkseinkommens, des Sozialprodukts durch die öffentliche Finanzwirtschaft in Anspruch genommen wird. Die Ausgaben, der Aufwand der öffentlichen Hand im Gebiet unserer Bundesrepublik haben sich gegenüber dem Zustand des Reichs vom Jahre 1928 verdreifacht. Es ist selbstverständlich, daß die Fülle der Aufgaben, die Fülle der Probleme auch im Zahlenbild zum Ausdruck kommt. Wenn man sich die brillante Rede ansieht, die der Herr Staatssekretär im Bundesfinanzministerium gestern hier gehalten hat, dann wird man einmal feststellen können, daß sie von allen Seiten her die Tätigkeit des Staates, die Aufgaben der Finanzwirtschaft, die Probleme politischer und wirtschaftlicher Art, wie sie uns bedrängen, ausgezeichnet beleuchtet. Diese Rede des Herrn Staatssekretärs zeigt uns aber auch, welch starke Stellung der Bundesminister der Finanzen in unserem Gemeinwesen gewonnen hat. Er hat tatsächlich über die besonderen Fähigkeiten und Kenntnisse hinaus, die er besitzt, mit Hilfe der Qualität des ihm zur Verfügung stehenden Apparates auch unabhängig von den weitgehenden Rechten haushalts und verfassungsrechtlicher Natur, die ihm zustehen, eine Stellung gewonnen und bewahrt, wie sie wahrscheinlich nur wenigen Finanzministern der Vergangenheit zuteil geworden ist. Er ist wirklich wieder mal so etwas geworden, wie es zu Olims Zeiten der sogenannte Schatzmeister der Götter gewesen ist, d. h. der wirklich maßgebende Mann in den innen-, wirtschaftsund finanzpolitischen Fragen des Staatswesens. Wie stark er sie beeinflußt, wird man, glaube ich, aus den Zahlenangaben in der Rede des Herrn Staatssekretärs und in den Allgemeinen Vorbemerkungen zum Haushalt sehr deutlich erkennen können. In dieser Haushaltsrede ist nicht ganz der Pessimismus zum Ausdruck gekommen, der in den letzten Jahren vom Bundesfinanzministerium her an dieser Stelle immer wieder geäußert worden ist. Es heißt dann allerdings an einer Stelle der Rede, daß jetzt der volle Ernst, also der Ernst des Lebens beginne, und ich lese an einer anderen Stelle: Wir Finanzmänner — also offenbar die Referenten des Ministeriums — sehen den kommenden Zeiten mit großer Beklemmung entgegen. Aber ich habe so den Eindruck, als ob die Sorgenfalten hier gewissermaßen zu dem notwendig gestellten Bild eines Finanzmannes oder Finanzpolitikers gehören, denn es ist wohl sehr selten, daß ein Finanzmann ein heiteres Lächeln oder ein heiteres Gesicht zeigt, wenn es um die Bewältigung von Zahlen geht. Wenn ich mir nun die im Sinne des Finanzministeriums vielleicht sogar wichtigste Seite des öffentlichen Haushalts, nämlich die Einnahmen, ansehe, bemerke ich, wie ich der Rede des Staatssekretärs Hartmann weiter entnehme, daß die Befürchtungen, die er gegenüber der Steuerreform gehegt hat, noch weit übertroffen worden seien. Ich lese weiterhin, daß diese Steuerreform ganz bestimmt keine halbe Maßnahme gewesen sei Einen gewissen Widerspruch dazu muß ich allerdings auf einer andern Seite feststellen, wenn von Scherben der Steuerreform, die da noch herumliegen, gesprochen wird. Sicherlich: die Steuerreform ist nicht ganz so ausgefallen, wie wir sie vielleicht alle gewünscht haben. Ich darf auf diese Frage der Einnahmenseite einmal gerade deswegen eingehen, weil der Finanzminister mit Hilfe der Einnahmenund Steuerschätzungen ja doch ein ganz besonders starkes Machtmittel gegenüber den anderen Ressorts in der Hand hat. Von diesem Machtmittel, davon bin ich überzeugt, hat er Gebrauch gemacht und wird er sicherlich auch künftig Gebrauch zu machen verstehen. Die Steuerreform, die wir hinter uns haben, ist ganz sicherlich keine Vereinfachung gewesen. In der Rede von Herrn Staatssekretär Hartmann heißt es, man könne fast nicht mehr von einer Vereinfachung reden. Ich glaube, man kann sagen: man kann wirklich nicht mehr davon reden, sondern das Steuerrecht ist noch wesentlich komplizierter geworden, und es -sind sicher auch eine Reihe von Bestimmungen hineingekommen, die mindestens systematisch nicht ganz gut aussehen und diese oder jene Bedenken erregen. Aber man kann, glaube ich, auch einiges Gute über die Steuerreform sagen. Sie bringt zwar dem Steuerzahler nicht ,das, was er gehofft hat, aber doch vieles. Sie bringt ihm zunächst einmal im Tarif eine ganz wesentliche Ermäßigung. Diese kommt in erster Linie dem Mittelstand zugute. Im Steuertarif ist also wirklich Mittelstandspolitik gemacht worden. Es gibt dann einige andere Fragen, in denen wir doch endlich einmal einen Schritt weiter gekommen sind. Ich rechne zu den bedeutsamen Fortschritten der Steuerreform insbesondere den Beginn einer neuen Regelung der getrennten oder gemeinsamen Besteuerung von Ehegatten. Hier ist gerade auch im Sinne der Begünstigung des echten Arbeitseinkommens der Ehefrau ein Erfolg erzielt worden, und wir sollten nicht zuviel Befürchtungen haben, was draußen daraus gemacht werden könnte. Ich glaube, der Steuerzahler hat hier einen Vorteil errungen, der, im ganzen gesehen, auch einen Fortschritt für das Verhältnis von Verwaltung und Steuerzahler darstellen wird. Unabhängig von der Frage der Besteuerung der Ehegatten sind auf dem Gebiete der Werbungskosten, schließlich auch der Sonderausgaben trotz aller Einschränkungen gewisse Maßnahmen durchgeführt worden, die sich sicherlich im Sinne einer Beruhigung der aufgeregten Gemüter im Verhältnis zwischen Steuerzahler und Finanzamt auswirken werden. Das betrachte ich alles als sehr positiv. Auf der andern Seite: Mit den wachsenden Komplikationen des Steuerrechts sind manche Ungleichmäßigkeiten innerhalb der Besteuerung ja nicht abgeschwächt worden, sondern sie treten viel stärker hervor. Ich denke z. B. an die Ungleichmäßigkeit, auf die unser verehrter Kollege Raestrup immer mit vollem Recht hinweist, nämlich die Tatsache, daß nach ,der wirtschaftlich an sich begrüßenswerten Begünstigung der Kapitalgesellschaften nun die Personenfirmen sicherlich in einem steuerlich recht ungünstigen Verhältnis dastehen müssen. Aus solchen Ungleichmäßigkeiten, die auch an anderer Stelle zu bemerken sind, ergibt sich zwingend, daß wir natürlich auf dem angefangenen Wege weiter fortgehen müssen. Das Endziel kann nur sein, das Steuerrecht allmählich wieder zu einem Rechtsgebiet zu machen, das unter dem Rechtsgedanken steht und das vor allen Dingen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, soweit menschenmöglich, verwirklicht. Naturgemäß haben die hohen Sätze der Steuer seit Morgenthau diese Gleichmäßigkeit in besonderem Maße angegriffen. Bei hohen Steuersätzen treten nun einmal die gesellschaftlichen, die sozialen Unterschiede krasser hervor, und manche Berufsgruppe — ich denke etwa an die ungesicherte Lage vieler Angehöriger der freien Berufe — ist einer wesentlich härteren Besteuerung unterworfen als andere Berufsgruppen, die mit größeren Sicherungen rechnen können, seien es nun Sicherungen für das Alter oder vermögensmäßige Fundierungen. Wir werden also den begonnenen Weg sicherlich fortsetzen müssen. Ich glaube aber, sagen zu sollen, daß wir auf dem Gebiet der Steuerpolitik doch ein wenig Vorsicht walten lassen müssen. Es sollten nicht mehr so viele Einzelwünsche vorgetragen werden, sondern man sollte darauf sehen, daß das Ganze einen Schritt nach vorn macht und eine echte Vereinfachung erfährt. Das gilt auch für das Gebiet der größten Einnahme des Bundes, für das der Bundestag in den letzten Wochen eine Entschließung gefaßt hat, nämlich für das Gebiet der Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuer ist im neuen Haushalt, wenn ich mich recht erinnere, mit rund 10,6 Milliarden DM veranschlagt. Das ist eine gewaltige Summe, aus der die ungeheure Bedeutung und das starke Eingreifen der Umsatzsteuer in alle wirtschaftlichen Verhältnisse hervorgeht. Seit längerer Zeit wird gerade auf dem Gebiet der Umsatzsteuer gefordert, das Rad herumzuwerfen und die alten Ideen des Herrn von Siemens aus der ersten Nachkriegszeit wieder aufzuwärmen. Diese alten Ideen haben zweifellos wirtschaftlich manches für sich; aber sie dürfen doch nur mit ' großer Vorsicht in unsere Zeit sozusagen übersetzt werden, und zwar deshalb mit großer Vorsicht, weil die hohen Umsatzsteuersätze bei einer völligen Umstellung des Systems Belastungsverschiebungen von, sagen wir, 15, manchmal auch 20 oder vielleicht noch mehr Prozent bei den einzelnen Industriezweigen und Preisgruppen bringen würden. Das aber ist in dieser Zeit und wahrscheinlich noch in den nächsten Jahren ein sehr großes Wagnis, dem wir uns nicht unterziehen sollten. (Abg. Dr. Dresbach: Herr Eckhardt, nach Popitz ist die beste Umsatzsteuerreform die Senkung des Satzes!)


    (Dr. Eckhardt)

    — Da haben Sie vollkommen recht. Popitz ist ja der Vater der Umsatzsteuer, bzw. er war insofern ein schlechter Vater, als er sein eigenes Kind bei mehreren Gelegenheiten als mißlungen bezeichnet hat.

    (Abg. Dr. Vogel: Auch das soll vorkommen!)

    Immerhin, es geht bei Steuern so: wenn sie einmal zur Gewohnheit geworden sind — alte Steuern, gute Steuern —, dann kann man nur noch sehr schwer an ihre Aufhebung oder an ihre Senkung herangehen.

    (Abg. Dr. Vogel: Siehe die Salzsteuer!)

    Aber es ist ohne Zweifel so — da haben Sie recht —, daß auf dem ganzen Gebiet der Steuern eine Fülle von Verwicklungen, von Ärger und von Streitigkeiten überhaupt nicht entstanden wären


    (Dr. Eckhardt)

    und entständen, wenn wir heute bereits wieder mit niedrigeren Steuersätzen rechnen könnten. Wollen wir hoffen, daß auf dem Wege der Normalisierung, den ja auch dieser Haushalt begehen will, hier auf die Dauer eine echte Senkung und damit auch die Möglichkeit einer wirklichen Vereinfachung der Einnahmeseite, also in erster Linie des Steuerwesens, gegeben ist.
    In der schon öfters zitierten Rede heißt es, daß die Einnahmen zwar ein sehr harter Zugriff seien, andererseits aber doch diese Einnahmen auf dem Umwege über den Haushalt wieder in die Privat-. sphäre zurückflössen. Das ist gewiß im großen und ganzen richtig. Aber es ist doch manches Bedenken dagegen anzumelden, daß hier in ganz gelenkter Form und unter großen Reibungsverlusten der Staat in Erfüllung vieler Aufgaben, die ihm früher sicherlich nicht zugestanden haben, nun dieses „Schleusenamt" versieht.
    Ich möchte auch annehmen, daß dabei doch eine ganze Reihe von Steuern, also von Kosten im Sinne der Wirtschaft, also von Kaufkraftentzug, Zielen und Zwecken zugeführt wird, die vielleicht doch nicht im Sinne des Erfinders liegen. Und wenn man dann weiter hört, daß das größte Geschenk, das der Staat nunmehr gemacht habe, das Geschenk an die Wirtschaft durch Senkung der Steuern sei, dann muß man doch auch einmal an die andere Seite erinnern und sich vielleicht fragen: „Wer schenkt wem?", nicht wahr?

    (Heiterkeit.)

    Ich könnte mir also vorstellen, daß die hier gemeinte Volkswirtschaft, nämlich die Gemeinschaft aller schaffenden, aller arbeitenden Kräfte in der Wirtschaft, zunächst einmal diese Gelder aufbringt, daß sie dem arbeitenden Menschen entzogen werden, um — das ist sicherlich richtig — zu einem großen Teil Aufgaben der Allgemeinheit und bedeutsamen Aufgaben zugeführt zu werden.
    Diese Aufgaben spiegeln sich in den Ausgaben der Haushalte. Nun kann ich zu meiner Freude konstatieren, daß der pessimistische Zug mit der Beklemmung der Finanzmänner und dem bitteren Ernst des Lebens etwas nachläßt bei der Betrachtung der Einzelhaushalte. Denn der Bundesfinanzminister weist ja immer wieder, offensichtlich doch mit einer gewissen Gehobenheit, auf das hin, was er alles wieder fertiggebracht hat und was die Bundesregierung auch im kommenden Jahr fertigzubringen gedenkt.
    Ich erinnere dabei nur an die Bemerkungen über die Erweiterung des Volumens des Agrarhaushalts. Dabei hätte ich es allerdings sehr gern gesehen, wenn für die Siedlung etwas mehr getan worden wäre und nicht gerade auf diesem Gebiet die Mittel verknappt worden wären.
    Ich erinnere weiter an den Verkehrshaushalt, bei dem ja der Bundesfinanzminister die Erwartung ausspricht, er werde im Rahmen der Neuordnung der Verkehrsfinanzgesetze vielleicht der Bundesbahn die Summe von — wenn ich die Zahl recht im Kopf habe — sogar 730 Millionen DM zuführen können und damit einen ganz wesentlichen Beitrag zu der von uns allen gewünschten Gesundung der Bundesbahn liefern. Möge er dabei insbesondere auch den Straßenbau nicht vergessen. Auch darauf ist in der Rede des Herrn Staatssekretärs Hartmann hingewiesen worden.
    Aber noch andere Haushalte zeugen doch von einem gewissen Optimismus in der Beurteilung der finanziellen Situation, wenn er auch bei einem Haushalts- und Finanzpolitiker nach außen nicht zum Ausdruck gelangen darf. Ich denke z. B. an die Frage der Kriegsgefangenenentschädigung, an die Wiedergutmachungsfragen, an die hoffentlich baldige Erhöhung der Kriegsopferrenten, an die Leistungen an Heimatvertriebene und an vieles andere, das unter dem sozialpolitischen Gesichtspunkt gewertet werden muß. Ganz offensichtlich hat die Bundesregierung, hat insbesondere der Bundesfinanzminister gesehen und eingesehen, daß eine Wirtschaft nur dann voll gesund ist — um auf gewisse Fragen von heute morgen zurückzukommen —, wenn ihr soziales Fundament in Ordnung ist. Und so stark und so sehr unsere deutsche Wirtschaft aufgeblüht ist — das dürfen wir wohl sagen; wir werden ganz sicherlich nicht behaupten dürfen, sie sei etwa krank —, so sehr muß auf der anderen Seite verlangt werden, daß diese Gesundheit durch ein stabiles soziales Fundament gestützt wird.
    Der Haushalt trägt, wie sich bei seiner Betrachtung zeigt, sicherlich ein im ganzen soziales Gepräge. Die sozialen Leistungen und Notwendigkeiten fallen bei einer Betrachtung des Haushalts besonders auf. Wir müssen das insbesondere begrüßen, auch wenn es noch ein Zeichen einer nicht genügenden Sicherheit ist, auch wenn es ein Zeichen dafür ist, daß auf diesem Gebiet noch viel getan werden muß. Es wäre niemandem lieber als uns und sicherlich auch dem ganzen Hause lieb, wenn diese Sozialleistungen auf ein Maß zurückgesetzt werden könnten, das einer gesunden und völlig normalen Wirtschaft entspricht. Hoffentlich wird das wieder einmal der Fall sein können, und bis dahin werden wir uns auf diesem Gebiet ganz gewiß besondere Anstrengungen auferlegen müssen.
    Es ist ja von mancher Seite gefordert worden, das Bundesvermögen zur Verbesserung der sozialen Leistungen mit einzusetzen; auch davon ist heute morgen bereits gesprochen worden. Ich möchte hier nicht die Schlagworte von Sozialisierung und Privatisierung gebrauchen. Ich möchte hier vielmehr darauf hinweisen, daß die Fragen des Erwerbsvermögens — und nur um das Erwerbsvermögen kann es sich. handeln, um die Beteiligungen insbesondere des Bundes, die Beteiligungen in Höhe von 1,5 Milliarden nominal und vielleicht über 3 Milliarden nach ihrem inneren Wert, immerhin eine sehr beträchtliche Zahl — in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen.
    Ich möchte also meinen, daß man das Problem nur richtig sieht, wenn man es vom Gesichtspunkt der Aufgabenverteilung von Staat und Wirtschaft betrachtet; und wenn man die Frage beantworten sollte, wo die Aufgaben des Staates liegen, dann wird man doch wohl sagen müssen: nicht eigentlich in den Betrieben der zur Viag oder Veba usw. gehörenden Gesellschaften. Das ist nicht Aufgabe des Staates, mag auch dieses oder jenes Unternehmen historisch gewachsen sein. Als Aufgabe eines Gemeinwesens kann man vielleicht den Betrieb von Versorgungsunternehmungen betrachten, nicht aber eigentlich eine Beteiligung an der Industrie,' also der privaten Wirtschaft im engsten Sinne. Nun wird eine solche echte Aufgabenverteilung auch nicht von einem auf den anderen Tag erfolgen können, sondern es ist selbstverständlich, daß hier die Gesetze betriebswirtschaftlicher Vernunft gelten müssen. Nur in diesem Sinne kann das Problem aufgefaßt werden: im Sinne einer rechten Verteilung von Staatsaufgaben und Aufgaben der privaten Wirtschaft.


    (Dr. Eckhardt)

    Heute morgen ist von bestimmter Seite eingewendet worden, man müsse, wenn man die Ausgaben herabsetzen wolle, die Aufgaben aus dem Haushalt oder dem öffentlichen Gemeinwesen wegschaffen. Jeder Kenner der Dinge weiß, wie außerordentlich schwer das ist. Aber hier liegt ein Zusammenhang vor, und ich kann gerade bei der Frage der privaten Beteiligungen des Staates doch wohl konstatieren, daß man einen allmählichen Abbau von Staatsaufgaben und infolgedessen von Staatsausgaben, von Staatsaufwendungen im Interesse einer Verringerung des Haushaltsvolumens sehr wohl würde vornehmen können.
    Im Zusammenhang mit der sehr begrüßenswerten Darstellung der Beteiligungen und des Erwerbsvermögens des Bundes ergeben sich einige allgemeine Fragen. Auch sie sind heute morgen behandelt worden. Meine verehrten Vorredner haben teilweise so viel und Gründliches darüber gesagt, daß ich mich auf einige prinzipielle Bemerkungen beschränken möchte. Da ist zunächst der Verwaltungsaufwand. Es wird immer wieder behauptet, der Verwaltungsaufwand sei im Verhältnis zu anderen Aufwendungen so klein, daß sich eine Einsparung nicht lohne. Diese Einwendung ist, wenn man die Frage rein rechnerisch betrachtet, beim Bund vielleicht richtig, bei den Ländern und Gemeinden möchte ich aber dazu ein Fragezeichen machen. Sie ist auch nur richtig bei einer rein rechnerischen Betrachtung, denn der persönliche und sachliche Verwaltungsaufwand ist eben das, was der Staatsbürger, was der Steuerzahler sieht, wenn er dem Staat gegenübertritt, und hier sollte jene altbekannte, vielfach „preußisch" genannte Sparsamkeit wirklich einsetzen, weil diese Sparsamkeit ja auch ein Politikum ist, nämlich ein Zeichen für den Staatsbürger, daß er von verantwortungsbewußten Männern regiert wird, daß verantwortungsbewußte Beamte sich um das Wohl des Bürgers Sorge machen. Verantwortungsbewußte Beamte, verantwortungsbewußte Behörden, d. h. eben solche, die den Sinn echter Sparsamkeit in der Herstellung des Vertrauensverhältnisses zwischen Staat und Bürger sehen.
    Ich begrüße es sehr, daß wir demnächst mit einem neuen Besoldungsgesetz zu rechnen haben. Auf dem Gebiet des Besoldungsrechts ist ein Wirrwarr eingetreten, der dieses Gebiet nur noch für wenige Fachleute übersehbar macht. Hier kann man also ein Weiteres zur echten Verwaltungsvereinfachung tun. Die Einsetzung von Kommissionen, wie sie heute morgen vorgeschlagen worden ist, würde auch ich durchaus gutheißen. Der Herr Staatssekretär hat selbst in seiner Rede auf das Übermaß der Statistik hingewiesen. Er hätte sehr gut in diesem Zusammenhang den „Narrenspiegel der Statistik" nach dem bekannten Wort von Wagemann zitieren können, denn mit diesen vielen Statistiken kann man ja nichts mehr anfangen, oder es ist nur noch ein sehr kleiner Kreis von Sachkennern, für die diese ungeheuere, umfassende und vielfach entsagungsvolle Arbeit der Behörden draußen geleistet werden muß. Von solcher Arbeit sollten die Behörden entlastet werden.
    Das ist die eine Gruppe der großen öffentlichen Ausgaben. Wenn ich nun an die Investitionsaufwendungen denke, so stellt sich wiederum das Problem, das ich schon vorhin angeführt habe, nämlich das Problem der Aufgabenverteilung. Eine ganze Reihe von Aufgaben — auch das ist schon gesagt worden — können und konnten in diesen
    Jahren nur durch den Staat ausgeführt werden. Aber man darf nicht einfach blind annehmen wollen, daß das in aller Zukunft auch so geschehen müsse, sondern es wird hoffentlich wieder einmal so sein, daß das, was nun der einzelne, die private Wirtschaft durchführen kann, auch eben vom einzelnen und von der privaten Wirtschaft draußen durchgeführt werden muß. Wenn man dann die Investitionsaufwendungen nach diesem Gesichtspunkt langsam abbaut, natürlich auch im Sinne der Pflege des Kapitalmarktes und der Eigenständigkeit der Finanzierung innerhalb der Wirtschaft, dann kommt man auch hier vielleicht wieder einmal zu einer gewissen Verringerung des Ausgabenvolumens. Herr Kollege Vogel hat heute morgen in einem ähnlichen Zusammenhang von dem Silberstreifen gesprochen, der sich da am Horizont abzeichne. Nun, es sind ich bin zu sehr Skeptiker auf diesem Gebiet — leider sehr schmale Silberstreifen, aber wir wollen sie nicht aus dem Auge verlieren, und wir wollen hoffen, daß bei der Qualität der gerade auch in diesem Haushaltsplan wieder geleisteten Arbeit sich doch manches in die Tat umsetzen läßt, an das wir jetzt vielleicht noch gar nicht zu denken vermögen.
    Auch auf dem Gebiet der Verteidigungsausgaben wird die Bundesregierung, wird der Bundesfinanzminister mit großer Vorsicht und Umsicht zu Werke gehen müssen. Alles, was an Zahlen jetzt darüber genannt wird, betrachte ich doch als mehr oder weniger unverbindlich. Es kann noch nicht sehr viel darüber gesagt werden. Es muß erst einmal begonnen werden, ehe man sich auch finanzwirtschaftlich und betriebswirtschaftlich ein bestimmtes Bild machen kann. Aber gerade weil die vom Kollegen Schoettle geschilderte große Gefahr besteht, daß Aufwendungen ins Uferlose wachsen, gerade deshalb muß der Finanzminister von dem Gewicht Gebrauch machen, das er sich nicht nur nach der Verfassung, sondern auch nach seiner Person und nach der Qualität seines Apparates errungen hat. Ich glaube, sehr viel mehr wird man im Augenblick zu den Verteidigungsausgaben gar nicht sagen können.
    Ich möchte aber doch einiges zu gewissen allgemeinen Grundsätzen des Haushalts sagen, was im Einzelfall von unmittelbarer Bedeutung sein kann. Unser Haushaltsrecht ist sehr genau, es folgt dem Grundsatz der Spezialisierung. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, was das ist. Es dringt in jede Einzelheit ein und versucht, jede Einzelheit mit mehr oder minder großer Klarheit darzustellen. Es folgt damit auch einer Eigenschaft, über die ich vor ganz kurzem bei Henri Beyle-Stendhal ein bezeichnendes Wort gelesen habe. Beyle-Stendhal bemerkt nämlich in seiner Betrachtung der Deutschen, daß die deutsche Regierungsart dem deutschen Volke einen gewissen Geist der Umständlichkeit aufgenötigt habe, der sich immer wieder bemerkbar mache. Von diesem Geist muß man sich in diesen Dingen möglichst zu befreien trachten, damit man auch mit den großen Aufgaben und den großen Fragen fertig wird. Diese großen Aufgaben und großen Fragen auch auf dem Gebiet des Finanz- und Haushaltsrechts stehen jetzt unmittelbar vor uns.
    Daß das Verhältnis von Bund und Ländern auf finanzrechtlichem Gebiet eine unerwünschte Entwicklung genommen hat, das scheint eindeutig. Es ergibt sich auch aus den letzten Beschlüssen und


    (Dr. Eckhardt)

    Maßnahmen des Bundesrates. Ich halte das, was der Bundesrat zur Finanzreform beschlossen hat, für ausgesprochen bundesunfreundlich. Ich meine, daß der Bundesrat damit einer Tendenz folgt, die keineswegs im Sinne der Verfassung liegt. Nach dem Grundgesetz ist der Bundesrat ein Organ des Bundes. Nach der Art, in der er heute auftritt, scheint er mir viel eher eine Vertretung nur der Länder zu sein, und das ist eine bedenkliche Entwicklung auch im Sinne des Bundesrates und der Länder selbst.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wenn nämlich immer nur der Bundesrat als Vertretung der Länder von seinem Recht Gebrauch
    machen will, den Haushalt des Bundes zu kritisieren, daran auch oft in einer Weise zu mäkeln,
    die ganz sicherlich etwas zu weit geht und nur von
    dem Bestreben erfüllt ist, den Satz von 40 oder 38
    oder 36 % zu limitieren oder noch herabzusetzen,
    dann, muß ich sagen, bleibt eigentlich nur eine
    entscheidende verfassungsrechtliche Folgerung,
    nämlich daß auch der Bund — meinetwegen auf
    dem Wege über eine Verfassungsänderung — entsprechenden Einfluß auf den Haushalt der Länder
    und damit auch der Gemeinden zu nehmen versucht.

    (Abg. Dr. Gülich: Das geht ja nicht, Herr Eckhardt! Dazu ist ja die Zustimmung des Bundesrates erforderlich!)

    Wir haben uns sicher mit dem Grundgesetz und mit der Ordnung des finanziellen Verhältnisses zwischen Bund und Ländern ein wenig verfahren. Aber ich glaube, wenn man in aller Öffentlichkeit auf die besonderen Schwierigkeiten gerade dieses Verhältnisses hinweist und auf die Schwierigkeiten im Zusammenhang damit, daß wichtige Maßnahmen der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, könnte man vielleicht doch zu einem Ergebnis kommen.

    (Abg. Dr. Gülich: Das macht auf den Bundesrat keinen Eindruck!)

    — Sie wissen, Herr Kollege Gülich, daß der Bundesrat ja auch der Steuerreform zugestimmt hat. Ich bin überzeugt, daß ihm auch die Steuerreform in vielerlei Hinsicht nicht gepaßt hat. Er hat es ja zum Ausdruck gebracht, und diese oder jene Kritik mag berechtigt gewesen sein. Aber er hat die Steuerreform nicht angegriffen, weil er es hier mit dem Steuerzahler zu tun hat.

    (Abg. Dr. Dresbach: Jawohl, sehr richtig!)

    Auf der anderen Seite hat er es nur mit dem Bund zu tun, d. h. mit einem staatsrechtlichen Verhältnis, das in den Augen der Bevölkerung doch nicht diesen, sagen wir einmal: ersten Rang besitzt wie der Kaufkraftentzug durch Steuern und ähnliche Maßnahmen. Also hier muß sicherlich ein gewisser Wandel geschaffen werden.

    (Zuruf des Abg. Dr. GüLich. — Abg. Dr. Dresbach: Herr Gülich, wenn die Sozialdemokraten überall so wären wie Ihr hier! Aber es gibt eine Königlich Bayerische Sozialdemokratie! — Heiterkeit. — Zuruf des Abg. Mellies.)

    Ich glaube also, feststellen zu können, daß das Verhältnis von Bund und Ländern tatsächlich einer Änderung bedarf. Wenn sie nur langsam vollzogen werden kann, dann eben langsam; aber es muß entschieden etwas getan werden, auch im Interesse der vorhin zitierten und viel berufenen Sparsamkeit der öffentlichen Verwaltung. Man kann diesem
    Bundeshaushalt den Zug zur Sparsamkeit wirklich attestieren. Ob man das allen Haushalten und insbesondere gewissen Einzelhaushalten der Länder gegenüber zu tun berechtigt ist, wage ich in erhebliche Zweifel zu ziehen, und zwar aus eigener Erfahrung und Kenntnis der entsprechenden Verhältnisse.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Die Relation von Bund und Ländern wird also in Zukunft etwas häufiger kritisch betrachtet werden müssen, und zwar im Lichte der Öffentlichkeit.
    Noch etwas anderes ist letztlich auf dem Gebiet des Haushalts- und Finanzwesens nicht unwesentlich. Das ist das Verhältnis von Bundestag und Exekutive. Sie sehen ja auch jetzt wieder, daß die entscheidenden Unterlagen wie die allgemeinen Haushaltsvorbemerkungen mit ihrem großen sachlichen Gewicht in dieser Haushaltsdebatte noch nicht einmal recht behandelt werden können, weil einfach noch keine Zeit da war, sich mit diesen 557 Seiten zu beschäftigen. Ob in Zukunft sehr viel mehr Zeit da sein wird, ist fraglich. Hier haben die Spezialisten der Exekutive natürlich die Vorhand. Ich meine, auch wieder im Interesse beider Seiten — damit nämlich das Rad nicht umschlägt — sollte man doch dazu übergehen, vielleicht schon bei den Anfängen der Bearbeitung eines neuen Haushalts jenes System anzuwenden, das es früher einmal in den Vereinigten Staaten gegeben hat und das dann von einigen anderen Staaten übernommen worden ist und, soviel ich weiß, hier und da noch heute existiert, nämlich jenes System, von vornherein auch mit gemischten Kommissionen der Exekutive und des Bundestags an die Arbeit der Vorbereitung des Haushalts heranzugehen. Denn wenn einmal diese Vorbereitung abgeschlossen ist, dann ist nur noch verhältnismäßig wenig, wenigstens im Grundsätzlichen, zu tun.
    Ich möchte zum Schluß noch auf ein Politikum hinweisen, das mir immer noch nicht genügend beachtet zu sein scheint, obwohl überall darüber zu lesen ist und man immer wieder davon spricht. Das ist das Prinzip der Öffentlichkeit im Haushaltsund Finanzwesen. Vor etwa 100 Jahren hat es eine Preußische Kabinettsordre gegeben, in der der Grundsatz steht, daß Öffentlichkeit in Finanzsachen mit Verstand zu üben sei,

    (Heiterkeit)

    und unnötige Publizität sei allemal vom Übel. Das ist der Standpunkt des Obrigkeitsstaates. Ich glaube, hier liegt der kennzeichnende Gegensatz zwischen dem Obrigkeitsstaat und dem freien Staat der Demokratie. Gerade an diesem Grundsatz der Öffentlichkeit des Finanz- und Haushaltswesens kann man das Wachstum des demokratischen Staates im 19. Jahrhundert deutlich beobachten. Aber dieser Grundsatz der Öffentlichkeit steht leider heute in weitem Umfang auf dem Papier. Denn wer liest diese 557 Seiten der Allgemeinen Vorbemerkungen, und wer wagt es, in die Zahlen- und Sachfülle der Einzelhaushalte auch eben nur von außen einzugehen oder gar hineinzutauchen in diese ziemlich undurchsichtige und von manchem als trübe gefürchtete Flut?

    (Abg. Dr. Gülich: Wagen wir alle!)

    Eine Öffentlichkeit also in einem echten politischen Sinne ist nicht gegeben. Das Problem ist: Wie bringt man es fertig, die Publizität, die formal gewahrt ist, nun zu paaren mit einer entsprechenden


    (Dr. Eckhardt)

    Popularität des Haushalts. Auf diese Popularisierung scheint es mir nicht. unwesentlich deshalb anzukommen, weil sie allein nämlich dem Staatsbürger aufzuzeigen vermag, was der Staat an Aufgaben erfüllt. Und wenn Sie von einem erschütterten Vertrauensverhältnis zwischen Steuerzahler und Staatsbürger auf der einen und dem Staat auf der andern Seite reden, — wiederherstellen können Sie das Vertrauen nur durch eine rückhaltlose Offenheit, und zwar durch eine Offenheit nicht nur für Fachleute und Experten, sondern eine Offenheit, die wirklich populär ist. Ich bin überzeugt, daß auf diesem Gebiet etwas getan werden kann.
    Es gibt einige kleine Schriften, die sehr lesenswert und im guten Sinne populär sind. Ich denke etwa an die „Haushaltsfibel" von Kurt Heinig. Ich denke aber auch daran, daß der Bundesminister der Finanzen in den letzten Monaten und Wochen wiederholt eine sehr spitze und auch sehr wirksame Feder geführt hat, als es galt, die Angriffe gegen seine Finanz- und insbesondere seine Steuerpolitik abzuwehren. Da hat er in allen möglichen großen öffentlichen Organen gezeigt, daß man eben auch als Finanzminister und an der Spitze eines Verwaltungsapparats, dem man im allgemeinen nur Trockenheit nachsagt, doch publizistisch wirksam auftreten kann. Ich glaube, diese Hinweise haben doch — das beweisen die mehr oder minder erregten Entgegnungen — mindestens die Öffentlichkeit angerührt, sie haben gezeigt, wie wichtig diese Fragen sind. Wäre es nun nicht möglich, die gleiche spitze Feder auch auf dem Gebiete des Haushalts und der Popularisierung jener wichtigen Grundfragen unseres ganzen öffentlichen Lebens einmal anzusetzen? Ich glaube, hier könnte ein Fortschritt im Sinne eines wachsenden Staatsvertrauens vollzogen werden.
    Ich darf vielleicht eine kleine Erinnerung einfügen. Nicht nur das Militär, nicht nur ,die Diplomatie und nicht nur das Kulturleben haben ihre großen Namen und ihre großen Meister gehabt. Man vergißt sehr oft, daß auch die Finanzpolitik in ihrer Geschichte solche großen Namen aufzuführen hat. Man wird ja eigentlich auf Schritt und Tritt daran erinnert, auch wenn man sich diesen unseren gegenwärtigen Haushalt ansieht. Der von meinem verehrten Kollegen Dresbach so hoch geschätzte und auch von mir sehr geschätzte Alte Fritz, also König Friedrich ,der Große von Preußen, pflegte —er war daran sehr interessiert — den gesamten Haushalt seines Staates in Taschenformat auf seinen Reisen und Feldzügen in der Tasche mit sich zu führen. Wenn ich mir nun die Bücher, die wir am Montag in die Hand gedrückt bekommen haben, ansehe, dann glaube ich nicht, daß es irgend jemand von uns fertigbringt, sie ohne erhebliche Sachbeschädigung in eine seiner Rocktaschen hineinzuzwängen. Das kennzeichnet den Wandel der Zeiten.

    (Abg. Dr. Vogel: Ja, der Alte Fritz hatte es aber einfacher!)

    — Ja, er hatte es vielleicht einfacher. Aber Sie müssen bedenken, daß er allein verantwortlich war für die zahllosen Fragen des ganzen Staatswesens, die doch auch damals auftauchten, und daß er sozusagen sein eigener Finanzminister war.

    (Abg. Dr. Dresbach: Aber Herr Eckhardt, bei aller Verehrung: außen Fritz und innen Ephraim! Das wollen wir ja nicht wieder!)

    — Nein, das wollen wir natürlich nicht. Aber trotzdem werden Sie mir zugeben, daß der Zug der Einfachheit, der Sparsamkeit und der Beherrschung seines Haushalts ,ein sehr erfreulicher Zug für einen Regenten ist.
    Nun, auch Einfachheit ist zu allen Zeiten gefordert worden, und zwar von Männern, die etwas von dieser Sache verstanden. Ich erinnere z. B. an Colbert, an den Schöpfer der französischen Wirtschaft und langjährigen Leiter der französischen Finanzpolitik, der gesagt hat, man müsse das Finanzwesen eben so einfach machen, daß es für jeden verständlich ist. Ich glaube nun nicht an die Verwirklichung dieser Forderung; aber ich meine, daß man sich trotzdem ein solches Ideal setzen sollte, um nämlich überhaupt auf diesem Wege fortzuschreiten. Ich meine, daß eine echte Öffentlichkeit, eine wirkliche Popularität der großen Fragen allein die Verwurzelung dieser entscheidenden Fragen in der Bevölkerung zu bewirken vermag. Das, glaube ich, wird doch die Grundlage für unsere ganze politische Tätigkeit sein, die wir in den nächsten Jahren auszuführen haben. Gerade deshalb möchte ich am Schluß meiner Ausführungen noch einmal so betont die Forderung aufstellen, nun wirklich nicht nur öffentlich, sondern auch populär zu sein und die großen Fragen klarzumachen. Daß die Popularität des Haushalts und des Finanzwesens bisher sehr weit gedrungen ist, wird niemand sagen wollen, der sich heute die Regierungsbank, die Bank des Bundesrates oder die leeren Bänke des Hauses selbst betrachtet. Auch das scheint mir ein schlagender Beweis für einen gewissen notwendigen Wandel der Methoden zu sein, den ich hiermit empfehlen möchte.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinrich Georg Ritzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit dem beginnen, womit mein Herr Vorredner aufgehört hat, mit dem erstaunlichen Interesse des Hohen Hauses für die Etatberatungen, einem Interesse, das nur noch übertroffen wird durch die vereinzelte Anwesenheit eines einzigen Bundesministers.

    (Zuruf: Zwei!)

    — Zwei? Wo?

    (Heiterkeit.)

    Immerhin handelt es sich um den Etat der Bundesregierung, und immerhin hätte das Parlament mit Recht erwarten können, daß die Bundesregierung bei der Behandlung ihres Etats im Hause anwesend ist. Nun, vielleicht gehen wir nicht irre, wenn wir in 'dieser nega.tiven Reverenz ,der Bundesregierung gegenüber dem Hohen Hause den Ausdruck der Wertschätzung erblicken, den die Bundesregierung dem Bundestag entgegenbringt.

    (Abg. Arnholz: Sehr wahr!)

    Ich möchte mich weniger mit den Problemen aus der Zeit des Alten Fritz als vielmehr mit den konkreten Inhalten und im besonderen mit der Ausgabenseite des Bundeshaushalts befassen, darf aber zunächst auf einige Bemerkungen aus der Debatte von heute früh eingehen.
    Herr D r. Vogel hat das, was mein Kollege Schoettle in bezug auf die Nichteinbringung eines Nachtragsetats hinsichtlich der freigewordenen 1,8 Milliarden kritisiert hat, in gewissem Sinne


    (Ritzel)

    entschuldigt. Ich muß sagen, Herr Kollege Dr. Vogel, die Einbringung eines Nachtragsetats scheint mir — ganz abgesehen von den Grundsätzen der Reichshaushaltsordnung — vor allen Dingen deshalb begründet und eine Notwendigkeit — oder wäre es mindestens gewesen —, weil mit der Einbringung eines Nachtragsetats die Möglichkeit der Korrektur entsprechend dem Willen des Parlaments gegeben gewesen wäre.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Das Parlament hat diesen seinerzeitigen Etat für 1953/54 — mit wechselnden Mehrheiten — in dem Bewußtsein gestaltet, daß das oder jenes eine notwendige Ausgabe sei. Wenn nun eine Ausgabe dieser Größenordnung in` Wegfall kommt, dann ist es mindestens ein Akt der Loyalität gegenüber dem Hause, wenn sich die Bundesregierung, in diesem Fallalso der Herr Bundesfinanzminister, daran erinnert, daß es zweckmäßig ist, das Haus zu informieren und erneut nach seinem Willen zu befragen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Herr Kollege Vogel, Sie sprachen auch von der Notwendigkeit einer gesicherten Währung. Das wird von uns allen restlos unterstrichen. Aber ich glaube, die Schlußfolgerung, daß die Voraussetzung für eine gesicherte Währung der Ausgleich des Haushalts sei, muß doch unter dem Gesichtswinkel betrachtet werden, daß der Bundestag veranlaßt sein sollte und veranlaßt sein muß, bei einer Haushaltsberatung zu prüfen, ob das Verteilungsproblem auf der Einnahme- wie auf der Ausgabeseite dem entspricht, was zur Sicherung der Währung und zur Sicherung einer gewissen sozialen Lebenslage wirklich notwendig ist.
    In Ihren weiteren Darlegungen, Herr Kollege
    Vogel, erwähnten Sie die Möglichkeit einer Planung der sozialpolitischen Maßnahmen auf mehrere
    Jahre hinaus. Ich finde, daß die Idee wert ist, mit
    aller Gründlichkeit besprochen zu werden. Nur
    wäre es unzweckmäßig, etwa einen Vergleich mit
    einer langfristigen Planung von Autobahnen zu
    ziehen; denn bei den sozialen Maßnahmen handelt
    es sich nicht um Autobahnen, sondern um Menschen,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    die in ihrer ganzen Lebenslage stets sein werden und sein müssen das Produkt der Entwicklung, das Produkt der Konjunktur, das Produkt irgendwelcher Zufälligkeiten des Lebens. Kurzum, gegenüber den Opfern des Krieges, gegenüber den Opfern der Arbeit muß eine lebendige Gestaltung und nicht eine auf Zeit und auf Jahre hinaus festgelegte Planung Platz greifen.
    Ein merkwürdiger Zug hat sich bis jetzt hinsichtlich der Militärlasten durch die Debatte gezogen. Wenn von Ihnen, Herr Kollege Dr. Vogel, mit Recht das Problem einer Planung in dem einen oder anderen Fall auf lange Dauer hinaus in Aussicht genommen wird, dann ist es um so erstaunlicher, daß eine Antwort von der Regierungsbank her, auch eine Antwort des Herrn Staatssekretärs Hartmann ausgeblieben ist in bezug auf die Frage der wirklichen und auf längere Sicht hinaus fällig werdenden Kosten für die Aufstellung eines 500 000-Mann-Heeres. Es ist die Zahl von 40 Milliarden DM über die 9 Milliarden DM, die im Haushalt 1955 vorgesehen sind, hinaus genannt worden. Es ist mitgeteilt worden, daß der Herr Bundesfinanzminister ein eisernes Nein gegenüber jeder Summe, die über 9 Milliarden DM hinausgeht, ertönen läßt. Wir nehmen das gerne zur Kenntnis, aber die Frage bleibt im Raum stehen: was ist mit den wirklichen Erstausstattungskosten, was ist mit den Kosten für die Kasernierung der 500 000 Mann, was ist mit ihrer Bewaffnung, was ist mit all den übrigen Ausgaben für Luftwaffe, für Seefahrzeuge und dergleichen mehr? Man kann doch wirklich einem Mitglied des Parlaments nicht zumuten, zu glauben, daß das mit den 9 Milliarden DM abzüglich der Stationierungskosten der ausländischen Soldaten und abzüglich der Abführung an die NATO zu finanzieren, zu decken sei.

    (Abg. Dr. Vogel: Sie können das ja auch nicht in einem Jahr machen!)

    — Aber wir haben als Parlament das Recht, beim Beginn einer solchen Sache von der Bundesregierung restlose Klarheit zu verlangen; darauf kommt es an!

    (Beifall bei der SPD.)

    Nun zu der anderen von Herrn Kollegen Vogel angeschnittenen Frage in bezug auf die militärischen Notwendigkeiten für Exerzierplätze und dergleichen mehr. Ich habe mir einmal aus den Vorbemerkungen, von denen heute so oft die Rede war und von denen Herr Dr. Blank und Herr Dr. Eckhardt meinten, niemand habe sie gelesen — ich bekenne mich schuldig, daß ich sie von der ersten bis zur letzten Seite gelesen habe —,

    (Beifall — Abg. Dr. Vogel: Sie nicht allein!)

    einige Zahlen herausgeschrieben. Sie haben erwähnt, daß das keine nennenswerte Angelegenheit sei. Aus den Vorbemerkungen habe ich entnommen, daß wir bereits heute in Deutschland für militärische Zwecke 178 000 ha nützen und daß an unbebauten Grundstücken noch 28 500 ha zur Verfügung stehen. Vielleicht ist die Bundesregierung so liebenswürdig, uns auch darüber demnächst einmal eine etwas präzisere Äußerung zu geben; das muß nicht heute oder morgen sein.
    Über die Frage der Veräußerung von Bundesvermögen haben wir uns bereits im Haushaltsausschuß unterhalten. Es würde zu weit führen, heute im einzelnen darüber zu sprechen. Jedenfalls glaube ich für die sozialdemokratische Fraktion des Bundestages sagen zu können, daß wir an die Veräußerung von Bundesvermögen mit allen Vorbehalten und mit aller Reserve herantreten und daß wir entschlossen sind, unsererseits alles zu tun, um einer Verschleuderung von Bundesvermögen zugunsten der Füllung der Taschen privater Erwerber zu begegnen.

    (Beifall bei der SPD und in der Mitte. — Abg. Dr. Dresbach: Wir auch!)

    Ich bin der Überzeugung: wir sind hier einer Meinung. Aber das Weitere wird die Praxis dann zeigen müssen.
    Nun aber ein sehr bedenkliches Wort zu den Kosten der Deutschen Lufthansa. Meine Damen und Herren, Sie können aus den Vorbemerkungen entnehmen, daß die Bundesregierung hier mit erheblichen Mehraufwendungen in der Zukunft rechnet. Wir sind jetzt schon genügend belastet. Ich befürchte, daß die Europäisierung — um dieses Wort in diesem Zusammenhang anzuwenden — der zivilen Luftfahrt noch sehr erhebliche Zeit auf sich warten läßt. Ich glaube, es wird notwendig sein, daß wir in der Bundesrepublik selbst nach anderen Mitteln und Möglichkeiten suchen, um den Bund


    (Ritzel)

    vor den Riesenlasten zu bewahren, die auf ihn zuzukommen drohen.

    (Abg. Dr. Vogel: Aber wie wollen Sie das bloß machen?)

    Zur Frage der Personalien: Es sind die Auslandsvertretungen erwähnt worden. Nun, kein vernünftiger Mensch wird sich der Notwendigkeit eines Aufbaus ausreichender und begründeter deutscher Auslandsvertretungen entziehen. Die Gestaltung des Personaletats wird natürlich weitgehend davon beeinflußt werden, wie viele alte, vielleicht ehemals in der NSDAP organisiert gewesene Diplomaten untergebracht werden müssen und wie viele Vertreter irgendwelcher politischen Interessen noch in die diplomatische Laufbahn berufen werden.
    In dem Zusammenhang der Personalkosten ein Wort zu der Frage der Länderpersonalkosten. Ich will die Zahlen nicht wiederholen, die bereits heute morgen hier genannt worden sind. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß es notwendig ist, zu erklären, daß ein erheblicher Teil der Personalkosten in den Ländern die unausweichliche Konsequenz der Auftragsangelegenheiten ist, die den Ländern durch die Bundesgesetzgebung zuwachsen.
    Nun zu den Bemerkungen des Herrn Kollegen Dr. von Merk a t z wenige Sätze. Herr von Merkatz hat mit Recht darauf hingewiesen — was auch schon vorher gesagt worden ist —, daß in der Debatte hier ein anständiger Ton herrschen möge. Ich glaube, es ist richtig, das in jeder Hinsicht auch praktisch zu beweisen. Nur darf es nicht der Verpflichtung entheben, sich kritisch zu dem Etat zu äußern. Es darf nicht etwa dazu führen, in einer kritischen Haltung zum Etat eine unanständige Handlung zu sehen.
    Ich will in dem Zusammenhang zunächst Bemerkungen in bezug auf die Frage der militärischen Bedrängnis, die sich mir aufdrängen, unterschlagen, um in dem Rahmen zu bleiben, den ich mir selbst gesetzt habe. Aber gestatten Sie mir, daß ich die Etatberatung benütze, um an die Adresse des Hohen Hauses, dessen Mitglieder ja auch die Vertreter der in den Wahlkämpfen auftretenden Parteien sind, eine sehr ernste Bemerkung zu richten. Wir haben bei den letzten Wahlkämpfen, sowohl bei der Bundestagswahl im Vorjahr als auch bei den jüngsten Landtagswahlkämpfen — ich will nicht ausführlich auf das eingehen, was sich vor kurzem in Berlin ereignet hat; das wird das Haus noch beschäftigen —, Dinge erlebt, die uns veranlassen sollten, einmal samt und sonders zu prüfen, ob wir, wenn wir darauf aus sind, die Demokratie zu festigen, wirklich auf dem rechten Wege sind und ob wir, die wir uns im Bundestag gegenseitig als anständige Menschen begegnen und uns „Grüß Gott" sagen, wirklich verantwortlich handeln, wenn Dinge erfolgen können, wie ich sie mir notiert habe und wie ich sie an wenigen Beispielen zeigen will. So hieß es beispielsweise in bezug auf die Sozialdemokratische Partei in Berlin: „Wenn du sowjetische Uniformen tragen willst, dann wähle Ollenhauer!" oder: „Grotewohl, auch Ollenhauer, beide stehen auf der Lauer, möchten Deutschland östlich schalten, doch wir halten treu zum Alten" oder, wie auf den Plakaten der sozialdemokratischen Abgeordneten bei der Bundestagswahl 1953 aufgeklebt zu lesen war: „Von Moskau bezahlt". Das sind Dinge, meine Damen und Herren, die — das darf bei der Etatberatung, die dazu der rechte Ort ist, einmal ganz klar gesagt werden — unter allen Umständen unterbleiben sollten. Ich bin l fern davon, die Dinge zu verallgemeinern. Ich denke z. B. an die Erlebnisse im Berliner Sportpalast. Ich weiß, wir haben auf der Seite der DP sehr honorige Abgeordnete, die unser aller Achtung verdienen.

    (Abg. Dr. Dresbach: Sehr gut!)

    Aber dieselben Kräfte hätten Veranlassung, sich dafür einzusetzen, daß nicht etwa ein Bundesminister die drei Strophen des Deutschland-Liedes singt, sondern dafür Sorge trägt, daß er seine Umgebung reinigt, daß er mit seiner Umgebung im Urteil der Öffentlichkeit bestehen kann.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nun einige allgemeine Bemerkungen zum Etat. Hier möchte ich zunächst einmal ein Wort ehrlicher Anerkennung und Dankbarkeit aussprechen gegenüber den Herren vom Bundesfinanzministerium für die außerordentlich gründliche und detaillierte Arbeit — daß sie sachkundig ist, ist ohne weiteres vorauszusetzen —, auch im Rahmen der Allgemeinen Vorbemerkungen. Jetzt haben wir zu unserer Freude auch die Möglichkeit, zu konstatieren, daß das, was zum Wesenselement einer Etatberatung gehören sollte, erstmals möglich geworden ist, nämlich bei der Beratung des Haushaltsplans 1955 zurückzugreifen auf die Vergleichszahlen des Rechnungsergebnisses des vorvorhergegangenen Jahres, also des Jahres 1953.
    Der Etat trägt im ganzen doch unverkennbar ein dynamisches Gesicht. Die Frage ist, wer in der Hauptsache die Lasten trägt und wem in erster Linie die Ausgaben zugute kommen. Nun, wir kennen den Etat mit mehr als 9 Milliarden für die Sicherheit der Bundesrepublik. Bis zum Beweis des Gegenteils bleiben das Aufwendungen für eine fiktive äußere Sicherheit. Aber diese 9 Milliarden bedeuten zugleich — das zeigt der weitere Teil der Ausgabenseite — eine bedrohliche Senkung des Lebensstandards und damit die Herbeiführung einer unverantwortlichen Schwäche der inneren Sicherheit. Auch darüber ist heute schon gesprochen worden. Der Haushaltsausschuß und mit ihm der Bundestag werden sich bestimmt nicht der Verpflichtung entziehen, sehr genau und sehr gewissenhaft zu prüfen, was auf diesem Gebiete geschehen kann, um diesen unangenehmen Eindruck einer Senkung der sozialen Ausgaben zu berichtigen.

    (Abg. Dr. Vogel: Von einer Senkung der sozialen Ausgaben hat niemand von uns gesprochen!)

    — Ja, aber der Etat spricht davon. Ich werde Ihnen das zahlenmäßig beweisen.
    Nun habe ich mit einigem Erstaunen von Herrn Dr. B1 a n k gehört, daß die Fraktion der Freien Demokratischen Partei erneut daran denkt, die durch Gerichtsentscheid weggefallene Bestimmung des § 96 Abs. 3 und 4 der Geschäftsordnung in die Verfassungeinzubauen, also die Deckungsvorschriften. Ich will jetzt nichts darüber sagen. Ich will Ihnen nurankündigen, daß ,die sozialdemokratische Fraktion sich diesen Weg, der hier angedeutet wurde, sehr ernsthaft überlegen wird.
    Zur Frage des sozialen Gehalts darf ich auf einige Bemerkungen aus der Rede des Herrn Staatssekretärs zurückgreifen. Der Herr Staatssekretär hat heute morgen oder gestern erklärt, daß die innere soziale Ordnung des Bundes beginne, die Züge des


    (Ritzel)

    Versorgungsstaates anzunehmen. Herr Staatssekretär und meine Damen und Herren, die Notwendigkeit, einem Staat die Züge eines Versorgungsstaates zu verleihen, wächst im Verhältnis der Inanspruchnahme der Lebenskraft und des Lebens des einzelnen Individuums durch den Staat. Wenn der Staat von dem einzelnen Bürger verlangt, daß er selbst sein Leben für ihn einsetzt, dann hat derselbe Staat die Verpflichtung gegenüber dem Bürger, im Falle von Krankheit, Not und Elend seine Familie und seine Hinterbliebenen zu stützen und zu erhalten; und kein Mensch kann behaupten, daß das bei uns in genügendem Ausmaß der Fall sei.

    (Abg. Dr. Dresbach: Herr Ritzel, das war aber mehr eine technische Unterscheidung von Versicherung und Versorgung!)

    — Ich nehme das gern zur Kenntnis, Herr Kollege Dresbach.
    Vorhin ist davon gesprochen worden, daß der Herr Bundesfinanzminister mehr für die Publizität tun möge. Ich unterstütze das, was Herr Kollege Eckhardt gesagt hat. Der Herr Bundesfinanzminister hat aber schon einiges getan. Er hat uns Schaubilder gegeben, die ich in meinen Versammlungen draußen in dem großen Format, das ich dann in dem Versammlungslokal aufhängen lasse, benutze, um den Staatsbürgern, die ja die Steuerzahler sind, zu zeigen, wohin die Mittel gehen. Die Steuerzahler sehen dann auf der Ausgabenseite, daß dieses obere schwarze Feld die Verteidigungslasten sind und das untere die Soziallasten. Wenn sie dann fragen, wie das werden soll, wenn dieses obere Feld an Umfang gewinnt, woher die Deckung kommen soll, ist zu antworten: man muß entweder den Kreis durch neue Steuereinnahmen vergrößern, oder man muß das untere Feld schmälern, so daß die Sozialausgaben geringer werden. Solche Schaubilder sind für die politische Aufklärung von erheblichem Nutzen ebenso wie die effektiven Zahlen des Bundeshaushalts.
    Wir haben ja einmal eine Zeit erlebt, von der wir wissen, daß es hieß: Gebt mir vier Jahre oder zehn Jahre Zeit, und ihr werdet Deutschland nicht wiedererkennen! Ich habe mir den Etat auch unter diesem Gesichtswinkel angesehen. Für die Menschen draußen ist es doch nur nützlich zu wissen: was ist die Erbschaft, mit der wir uns hier und heute und noch für lange Zeit herumzuschlagen haben. Wir hatten im vorjährigen Etat einen Zuschuß für Berlin von 750 Millionen, jetzt einen von 800 Millionen. Meine Damen und Herren, das wäre nie notwendig gewesen, wenn das „Dritte Reich" nicht gewesen wäre.
    Aber die Steigerung in der Entwicklung der Zahlen gibt zugleich, Herr Dr. Vogel, ein Bild über die Entwicklung des Etats 1955 gegenüber 1954. Darf ich Ihnen einige Zahlen sagen. Für Wohnungsbau und Siedlung hatten wir im Vorjahr 1,029 Milliarden, in diesem Jahr nur 1,077 Milliarden.

    (Abg. Dr. Vogel: Aber wir werden im nächsten Jahr ohnehin mehr Wohnungen bauen als in diesem Jahr!)

    — Ich werde darauf zurückkommen. — Im Lastenausgleich hatten wir im Vorjahr 240 Millionen; in diesem Jahr sind es 536 Millionen, bei den allgemeinen Sozialleistungen 7,577 Milliarden im Vorjahr gegen 7,742 Milliarden in diesem Jahr, bei den verdrängten Beamten, ehemaligen Soldaten 1,2 Milliarden gegen 1,3 Milliarden jetzt, bei den Be-
    satzungslasten 9,4 Milliarden gegen neuerdings 9,186 Milliarden. Demnach ist bei Wohnungsbau und Siedlung nur eine Steigerung von 4,1 % der Endsumme des Etats auf 4,2 % festzustellen, beim Lastenausgleich eine Steigerung von 1 % auf 2,1 %, also mehr als eine Verdoppelung, und bei den allgemeinen Sozialleistungen nach diesem Etatsentwurf eine Senkung gegenüber dem Vorjahr von 30,1 % auf 29,8 %.
    Wir haben noch mit anderen angekündigten Ausgaben unbekannter Größen- und Rangordnung zu rechnen. Der Herr Staatssekretär sprach unter anderem von der Ausstattung des Bundesgrenzschutzes. Ich habe bis jetzt im Etat noch nichts für Steilfeuergeschütze, von denen in jüngster Zeit die Rede war, vorgesehen gefunden; aber vielleicht kann noch im Verlauf der Debatte gesagt werden, was im einzelnen noch weiter an Mitteln für den Bundesgrenzschutz verlangt wird.
    Ich will die Debatte nicht weiter mit den sozialpolitischen Problemen belasten, die hier in den letzten Tagen besprochen worden sind oder noch in den nächsten behandelt werden, möchte aber feststellen, daß die Annahme, möge man von einem gemäßigten Pessimismus oder von einem gemäßigten Optimismus sprechen, der Haushalt sei ausgeglichen, als irrig bezeichnet werden muß.
    In dem Haushalt ist nichts für die Erhöhung der Kriegsopferrenten vorgesehen. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns erklärt, daß dazu ein Nachtragsetat in Aussicht genommen sei. Meine Damen und Herren, Ausgaben haben die unangenehme Angewohnheit, Deckung zu verlangen, besonders wenn man Bundesfinanzminister ist. Es bleibt abzuwarten, woher der Herr Bundesfinanzminister für eine größere Ausgabe, die wir zugunsten der Kriegsopfer erwarten, die Deckung nehmen will, wenn nicht aus neuen Steuern oder durch Streichung an anderen lebenswichtigen Ausgaben.

    (Abg. Dr. Dresbach: Also, Herr Ritzel, der Antrag der FDP ist nicht so abwegig!)

    — Ja, ich weiß, daß man darüber reden kann.

    (Abg. Dr. Dresbach: Ja, ja!)

    Aber es kommt ganz darauf an, Herr Kollege Dresbach. Der Etat auf der Ausgabenseite wie auf der Einnahmeseite kommt mir immer vor wie der große Blechkuchen, den die Mutter zu Hause gebacken hat. Wenn sie mit dem Messer daran ging und den Streuselkuchen aufschnitt, dann dachte sie daran, jedem seinen gerechten Anteil zu geben. Der Etat ähnelt in der Form der Darstellung auf dem Schaubild solch einem schönen Kuchen. Die Frage ist: Wer führt das Messer? Wer bestimmt, wie das Messer zu führen ist?

    (Abg. Kunze [Bethel] : Wir! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Der Bundestag!)

    Wie wird es gerecht verteilt?

    (Abg. Kunze [Bethel]: Wir!)

    — Ja, Sie haben ganz recht: S i e führen das Messer! Die Herren von der CDU haben es uns genügend vordemonstriert. Sie führen das Messer; das werden wir nicht vergessen, Herr Kollege Kunze.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Dresbach: Aber nur zum Kuchenschneiden, nicht zu anderen, tödlichen Zwecken!)

    Der Herr Bundesfinanzminister hat in den Vorbemerkungen darauf hingewiesen, daß die Ergän-


    (Ritzel)

    zungsabgabe in Höhe von 1,5 %, von der auch schon die Rede war, dann erhoben wird, wenn es bis zum Abschluß — ich zitiere — der Haushaltsberatungen im Bundestag nicht gelingt, die haushaltsmäßige Lücke endgültig zu schließen. Der Herr Bundesfinanzminister weiß ganz genau: Die Rentenerhöhungen kommen auf den Haushalt zu, die Besoldungserhöhung kommt auf den Haushalt zu, andere Ausgaben kommen auf den Haushalt zu. Die Defizite sind nicht gedeckt. Der § 75 der Reichshaushaltsordnung wird erneut strapaziert. Mit anderen Worten: Wenn er dem Bundestag nun sagt, es komme darauf an, was bei der Etatberatung herauskomme, und davon hänge es ab, ob die 1,5 % Bundeszuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer erhoben würden oder nicht, dann schiebt er dem Bundestag den Schwarzen Peter zu. Wir werden es erleben!
    Sehr bedauerlich ist, daß in den Vorbemerkungen einmal davon gesprochen wird, daß Hoffnung auf eine Ertragssteigerung der Steuern aus Anlaß der Rüstungsaufträge besteht.
    Der Bundesrat hat sich mit dem Etat befaßt und hat eine Verbesserung von 442 Millionen DM her-ausgerechnet. Ich glaube, der Haushaltsausschuß und auch der Bundestag in seiner Gesamtheit werden diese Vorschläge des Bundesrates sehr ernsthaft zu prüfen haben.
    Zu bedauern bleibt in diesem Zusammenhang nur, daß der Herr Staatssekretär mit leise erhobenem Drohfinger davon sprach, man müsse eventuell an eine Verringerung der Bundesleistungen zum Nachteil der Länder denken. Wir sitzen, -so hat Schacht einmal gesagt, alle in einem Boot. Ich glaube, das Ansprechen des Verständigungswillens im Verhältnis zu den Ländern sollte auch seitens der Bundesregierung kräftig geübt werden.
    Die Schuld der Bundesrepublik, von der man draußen ebenfalls nicht genügend weiß, ist dem Hohen Hause in den Drucksachen nachgewiesen worden. Wir haben nach dem Stand vom 30. September dieses Jahres im Bund eine fundierte Schuld von 19 641 000 000, eine schwebende Schuld von 613 000 000 DM. Dazu kommen noch in gewissem Umfang Bürgschaftsbelastungen. Die gesamte Bürgschaftsbelastung beträgt am 30. September 449 000 000 DM.
    Meine Damen und Herren, ich möchte nun ein Wort zu der Aufblähung der Verwaltung sagen und glaube, namens meiner Fraktion feststellen zu dürfen: Wir haben zu viele Minister, wir haben zu viele Ministerien, wir haben vor allem zu viele Minister ohne Geschäftsbereich. Immerhin konstatiere ich, daß die Herren offensichtlich so beschäftigt sind, daß sie auch hier heute nicht anwesend sein können.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir finden, daß die Koalitionsarithmetik bei der Bildung von mehr Ministerien etwas zu weit getrieben worden ist, und wir sehen, daß die Gefahr einer fortgesetzten Überschneidung der Kompetenzen in den einzelnen Arbeiten der Ministerien tatsächlich immer wieder aufs neue besteht.
    Mein Freund Schoettle hat bereits darauf hingewiesen, daß wir sehr starke Bedenken gegenüber jedem Versuch einer weiteren Vermehrung des Bundespersonals anzumelden haben. Wir haben an planmäßigen Stellen im Etat 1954 eine Stellenzahl von 64 531, im neuen Haushalt von 66 808
    Stellen; Angestellte in 1954: 22 973, im neuen Haushalt: 23 746; Arbeiter 1954: 9696 gegenüber 10 033 im Haushalt 1955. Insgesamt also in 1954: 97 200 Kräfte gegenüber 98 557 im Etat 1955.
    Meine Damen und Herren, ich greife nur ein Amt heraus, das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung.

    (Zuruf von der SPD.)

    Da sind 7 neue Beamte, 32 neue Angestellte und 16 neue Arbeiter; und ich erinnere mich, daß der Herr Staatssekretär in anderem Zusammenhang allgemeingültig erklärt hat, es sei noch kein endgültiger Abschluß des Aufbaues der einzelnen Ministerien zu verzeichnen.
    Meine Damen und Herren, der Steuerzahler draußen fragt: „Was wird mit meinem Geld?" Ich komme in diesem Zusammenhang erneut und zum, glaube ich, dritten Male auf eine Frage zurück, die sich mit den Dispositions- und Geheimfonds der Bundesregierung beschäftigt. Ich verzichte auf eine Besprechung der umfänglichen Dispositionsfonds mit Rücksicht auf die Zeit. Aber die wenigen Zahlen in bezug auf die Steigerung der Ziffern der Geheimfonds möchte ich doch einmal in das Bewußtsein des Hauses rufen. Wir haben im Einzelplan 04 — Bundeskanzler und Bundeskanzleramt — in Titel 300 — Zur Verfügung des Bundeskanzlers —200 000 DM. Das war schon im Vorjahr so viel. Das Ist-Ergebnis für 1953 beträgt 180 000 DM. Im gleichen Plan — Bundeskanzler und Bundeskanzleramt — standen in Kap. 0403 Tit. 300 — Zur Verfügung des Bundeskanzlers zur Förderung des Informationswesens — meine Damen und Herren, darf ich Sie einmal einen Moment um Ihre besondere Aufmerksamkeit bitten — im Haushalt 1951, oder war es in der Rechnung, 3 058 250 DM; das Ist-Ergebnis von 1953: 4 500 000 DM.; im Haushalt 1954: 10 Millionen DM

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    und im Haushalt 1955: 11 250 000 DM. Und das ohne jegliche Kontrolle durch das Parlament!

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, wir werden uns im Haushaltsausschuß und bei anderer Gelegenheit erneut und mit aller Schärfe dafür einsetzen, daß diese Geheimfonds kontrolliert werden. Es sind ja noch mehr da: im gleichen Haushalt des Herrn Bundeskanzlers — Zur Verfügung des Beauftragten des Bundeskanzlers für unvorhergesehene außerordentliche Ausgaben — 700 000 DM, der gleiche Betrag wie bisher; im Auswärtigen Amt geheime Ausgaben mit 3 Millionen DM, wie im Vorjahr; im Bereich des Bundesministeriums des Innern für Zwecke des Verfassungsschutzes 4 400 000 DM; 1951 waren es 3 Millionen DM, Ist-Ergebnis 1953: 2,9 Millionen DM, Haushalt 1954: 3,9 Millionen DM, Haushalt 1955: 4,4 Millionen DM.
    Bei allem Verständnis dafür, daß man derartige Dinge nicht auf dem Markt ausbreiten kann, bleibt das zwingende und berechtigte Verlangen des Bundestags bestehen — und ich hoffe, daß wir endlich einmal eine Mehrheit dafür in diesem Hause finden werden —, daß der Bundestag als die Vertretung des Volkes in einem kleinen Ausschuß eingeschaltet sein will, um zu wissen, wohin diese Gelder gehen, was mit ihnen gemacht wird und welche Verwendung die Kontrolle im einzelnen ausweist.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP.)



    (Ritzel)

    Meine Damen und Herren! In den Vorbemerkungen — oder war es in der Rede des Herrn Staatssekretärs? — wird einmal davon gesprochen, daß im Prinzip auf dem Gebiete des Sozialwesens keine Pflichtleistungen erwünscht seien. Wir wünschen Pflichtleistungen und nicht das, was angestrebt wird: Kannleistungen. Wir haben eine Reihe von Bemerkungen zum Sozialhaushalt zu machen; ich will sie hier nur in ganz beschränktem Umfange vortragen. Für Heimkehrer ist ein Ansatz von 150 Millionen vorgesehen. Dieser Ansatz ist um rund 100 Millionen zu gering. Die Bundesregierung weiß das, und trotzdem kommt dieser Ansatz in den Haushalt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Wir wehren uns gegen jedes Experiment, das gemacht wird, um Rechte, die gesetzlich festgelegt sind, irgendwie anzutasten. Vor allem wehren wir uns dagegen, daß die Grundrente der Kriegsopfer angetastet wird. Wir bedauern auch, bei dieser Gelegenheit feststellen zu müssen, daß bei dem Rentenanpassungsgesetz praktisch nur zirka 700 000 Berechtigte mit einem Betrag von voraussichtlich 1 bis 2 DM monatlich als Empfänger der großen Wohltat dieses Gesetzes in Frage kommen. In diesem Zusammenhang möchte ich vor der geplanten Wiedereinführung der Krankenscheingebühr sowie vor der Beteiligung der Versicherten und vor allem der Rentner an den Arzneikosten warnen.
    In bezug auf die Besoldungsreform sind in diesem Hause schon verschiedene Bemerkungen gemacht worden. Es ist eine alte Forderung der sozialdemokratischen Fraktion, die jetzt zur Debatte steht, endlich ein gründlich vorbereitetes Besoldungsrecht vorzulegen.
    Ein Wort noch zu einem besonderen Kapitel, dem Kapitel der Wiedergutmachung. In einzelnen Ministerien sind Wiedergutmachungsfälle aus dem eigenen Bereich der Bundesregierung noch erheblich im Rückstand Einzelne Ministerien, . so das Auswärtige Amt, haben ihr Soll auf diesem Gebiet meines Wissens schon längst erfüllt; aber in anderen Fällen sind erhebliche Rückstände zu verzeichnen. Auf der anderen Seite, glaube ich, ist die Feststellung notwendig, daß Menschen, die Opfer des Hitlerregimes sind und ein gesetzlich begründetes Recht auf Wiedergutmachung haben, seit Jahren warten und wahrscheinlich noch Jahre werden warten müssen, wenn das Parlament nicht dafür sorgt, daß diese Dinge endlich einmal erledigt werden, während mittlere und höhere nationalsozialistische Funktionäre, die vor 1933 Beamte waren, Generäle des Hitlerregimes usw., schon längst wieder im Besitz ihrer gesetzlich verbrieften Rechte und Bezüge sind.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Einige Bemerkungen zum Thema Wohnungsbau. Unser verehrter Wohnungsbauminister, Herr Dr. Preusker, hat einmal die sehr interessante Berner-kung gemacht, daß das Wohnungsbauministerium innerhalb von vier Jahren überflüssig werde. Wir haben Gelegenheit gehabt, seinen Staatssekretär im Haushaltsausschuß um eine authentische Interpretation zu bitten; der Herr Minister selbst hat uns nicht die Ehre seiner Anwesenheit im Haushaltsausschuß geschenkt. Der Herr Staatssekretär war unendlich viel vorsichtiger als sein Minister. Er hat nach dem Protokoll gemeint, der Herr Minister habe sich selbst, aber nicht das Ministerium gemeint.

    (Lachen bei der SPD.)

    Meines Wissens sind jedoch noch einige Millionen Wohnungen zu bauen. Es wird also zugegeben, daß das Ministerium noch eine gewisse Notwendigkeit darstellt, der Herr Minister dagegen nicht. Nun, das überlassen wir dem Urteil des Herrn Ministers.
    Die Baupolitik des Herrn Ministers Dr. Preusker geht praktisch darauf hinaus, weniger, aber teurere Wohnungen zu bauen. Diese Praxis läßt jedoch vergessen, daß unser Volk zu etwa 80 % aus Familien besteht, die im Monat weniger als 400 DM Einkommen zur Verfügung haben. Wir wünschen jedenfalls nicht, daß man beim sozialen Wohnungsbau in bezug auf teure Wohnungen jene Großzügigkeit beweist, die unter der Verantwortung der Bundesregierung seinerzeit und noch neuerdings bis in die jüngsten Tage hinein bei der Ausstattung der Bundeshauptstadt Bonn bewiesen worden ist. Der Herr Staatssekretär im Wohnungsbauministerium hat einmal erklärt, er habe ursprünglich nur den Auftrag gehabt, eine Arbeitshose zu beschaffen, schließlich aber habe man von ihm Maßanzüge verlangt. Nun, das Problem der Kosten von Bonn ist ja immer aktuell. Ich habe mir gerade heute eine kleine Zeitung gekauft. Darin wird etwas gemixt in bezug auf die Kosten von Bonn. Das scheint mir zwar sehr unverdaulich, aber wahr zu sein, um einmal von jener scherzhaft gemeinten Bemerkung abzuweichen, daß es entweder in der Zeitung stehe oder wahr sei. Hier ist ein leeres Hochhaus abgebildet: Deichmannsaue. Politisieren heißt auch voraussehen. Einigermaßen hätte die Bundesregierung gewappnet sein müssen, um einem solchen Fall zu begegnen. Man rät seit Monaten darum herum, was die eigentlichen Kosten von Bonn seien. Nun, vor einiger Zeit erschien eine illustrierte Zeitung. Sie wurde beschlagnahmt, sicher nicht, weil in ihr über die Kosten von Bonn berichtet wurde. Ich habe mir den Ausschnitt des betreffenden Exemplars geliehen. Da er sicher nicht Gegenstand der Beschlagnahme ist, bestehen wohl auch keine Sicherheitsbedenken dagegen, einmal einen kleinen Abschnitt — mit Erlaubnis des Präsidenten — daraus zu verlesen:
    Hier ist die Rechnung. Im April 1949 wird den Abgeordneten des Parlamentarischen Rates mitgeteilt, daß die einmaligen Gesamtkosten für den Ausbau der Stadt Bonn zur Bundeshauptstadt 3,8 Millionen DM betragen werden.

    (Lachen bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Es war einmal! — Weitere Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

    Bis zum Mai 1954 hat die Bundesregierung für diesen Zweck jedoch 200 Millionen DM ausgegeben, darunter 80 Millionen DM für Verwaltungsbauten.
    Und dann wird im einzelnen nachgewiesen, wie sich die Kostenvoranschläge änderten. Ich will nur ein Beispiel nennen: Bundeskanzleramt 1949: 658 000, 1950: 1 567 000, Endkosten 3,2 Millionen DM.

    (Hört! Hört! bei der SPD.) Dann heißt es weiter unten:

    Zu den bisherigen 80 Millionen für Verwaltungsbauten kommen noch auf Kosten der Bundespost hinzu: für den Neubau des Bundespostministeriums 61/2 Millionen und für die Wohnungen der Beamten 15 Millionen. Nach Schätzungen des Finanzministeriums beträgt


    (Ritzel)

    die Summe der Gesamtinvestitionen in Bonn 600 Millionen DM.
    Mir war das ein bißchen zu dick, muß ich Ihnen offen gestehen. Ich habe mir daraufhin einmal die Mühe gemacht, das einigermaßen herauszuziehen. Ich fand dann folgendes; die Unterlagen habe ich. Am 17. Oktober 1949 schrieb der Herr Bundesfinanzminister an den Bundessitzausschuß — ich
    zitiere —
    Die Errichtung neuer Dienstgebäude in Bonn erscheint nicht erforderlich.

    (Lachen und Hört! Hört! bei der SPD.)

    Nachzulesen auf Seite 7 des ersten Berichts des Untersuchungsausschusses Drucksache Nr. 2275.
    Der Herr Bundeskanzler schrieb in einer elfseitigen Denkschrift am 3. November 1949, wenige Stunden vor der Abstimmung, an den Bundestag:
    Wenn Bonn Hauptstadt wird, kostet das nur noch 3,2 Millionen DM.
    Ich habe mich dann bei dem Bundesfinanzministerium erkundigt, nachdem höhere Gewalt unseren verehrten Ältestenrat — den zu kritisieren mir um Gottes willen fernliegt — bis jetzt gehindert hat, eine seit Monaten gestellte Frage — das ist keine böse Absicht des Ältestenrats — nach den Kosten der Bundeshauptstadt Bonn auf die Tagesordnung zu setzen, so daß sie wahrscheinlich erst in der nächsten Fragestunde behandelt und beantwortet werden kann. Ich habe mich also beim Bundesfinanzministerium erkundigt und habe sehr bereitwillig die Auskunft erhalten. Für Dienstgebäude sind in der Bundeshauptstadt Bonn bis heute — also bis Samstag vergangener Woche — 88,6 Millionen DM ausgegeben worden und für Wohnungen 110,7 Millionen DM, im ganzen 199,3 Millionen DM. Ich habe nun aus den Vorbemerkungen entnommen, daß noch etwa 14 Millionen DM für Wohnungsbauten sowie — das ist allerdings nur ein Darlehen, was ich jetzt nennen werde — ein Darlehen an die Stadt Bonn oder an Nachbargemeinden mit 6,5 Millionen DM, zusammen also 219,8 Millionen DM hinzukommen werden. Wenn diese illustrierte Zeitung — ich weiß nicht einmal ihren Namen — von 600 Millionen DM spricht, dann muß ich sagen, daß sich hier das Gesetz der Anziehungskraft auswirkt. Die Bundeshauptstadt wurde errichtet, und dann kamen die Barackengebäude der SPD, dann kamen die Landwirtschaftseinrichtungen und weiß Gott was alles noch mehr. In all diesen Faktoren ist die Begründung für die Summe von 600 Millionen DM zu suchen; aber ich lasse mich gern belehren.
    Ich verdanke nun auch diese Mitteilung über die Kosten des Bundespostministeriums der illustrierten Zeitschrift.

    (Abg. Dr. Dresbach: Herr Ritzel, in Frankfurt hätte es auch nicht viel weniger gekostet!)

    — Herr Kollege Dr. Dresbach, erlauben Sie mir dazu eine Bemerkung. Die Stadt Frankfurt ist eine reiche Stadt; sie hätte sich das was kosten lassen und was kosten lassen können. Sie sind Kommunalpolitiker wie ich. Mir tut die Stadt Bonn leid im Hinblick auf das, was hier angerichtet worden ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich sehe eine grauenvolle Zukunft für die Stadt
    Bonn voraus, wenn einmal die Wiedervereinigung
    vollzogen sein und die Bundeshauptstadt Berlin heißen wird.

    (Abg. Dr. Dresbach: Dann wird Bonn nach Köln eingemeindet! — Heiterkeit.)

    — Bonn nach Köln eingemeinden? Das ist auch schon in diesem X-Artikel erörtert. Man fragt sich nur, wie man dann die Entfernungen zu den Arbeitsplätzen abkürzen kann, wenn Bonn nach Köln eingemeindet wird. Aber wollen wir dieses Kapitel verlassen, so interessant es auch ist.
    Einige Bemerkungen zur Wirtschaftspolitik! Wir werden in der nächsten Zeit mehr als in der jüngsten Vergangenheit über das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer zu reden haben. Wir werden auch veranlaßt sein, unsere wirtschaftliche Lage in der Bundesrepublik illusionsfrei einzuschätzen. Wir hören soviel von Lorbeeren, die in einer bestimmten Richtung von den Bäumen der echten oder falschen Erkenntnis gepflückt werden. Wir vergessen dabei, daß es nicht nur die Produkte der sozialen Marktwirtschaft sind, die laut Herrn Professor Erhard höher einzuschätzen sind als nach Herrn Bundesfinanzminister Schäffer. Wir vergessen, daß vor allem die Tüchtigkeit unseres Volkes, die Enteignung unserer Sparer, die Dollarhilfe der Amerikaner und die Kreditaktionen der Bundesrepublik bei der Entwicklung Pate gestanden haben, die jetzt vor uns steht. Dann vergessen wir eins, was in den Vorbemerkungen dankenswerterweise nicht vergessen ist. Da heißt es: „Der eigentliche Auftrieb wurde erst durch den Ausbruch der Korea-Krise ausgelöst."

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Es gab einen Tag, den Währungsstichtag des 20. Juni 1948, an dem wir alle mit 40 DM angefangen haben. Es ist erstaunlich, wieviel tüchtige Menschen wir in der Bundesrepublik haben. Wenn wir die Investitionszahlen einmal zugrunde legen und die Investitionskonjunktur Revue passieren lassen — natürlich stecken darin auch Bundesmittel; aber es sind auch in sehr erheblichem Umfange andere Gelder darin enthalten —, dann sehen wir, daß 1951 24,12 Milliarden, 1952 27,2 Milliarden und 1953 29,66 Milliarden DM investiert wurden.
    Teilen Sie nicht das Erstaunen, daß das möglich geworden ist? Verstehen Sie nun auch die Haltung unserer sozial bedrängten Volksschichten, wenn sie diese Zahlen zur Kenntnis nehmen oder wenn sie hören, daß neulich in einem nicht den deutschen Aktionären, sondern den Amerikanern gehörenden Betrieb — das wird besonders unsere Bankiers hier im Bundestag sehr interessieren — 66 % Dividende ausgeschüttet werden konnten? Die Steigerung des Bruttosozialprodukts wirkt sich durchaus nicht, wie es oft behauptet wird, zugunsten der unteren Schichten unseres Volkes aus. In bezug auf die Nutzanwendung aus der Steigerung des Sozialprodukts in der Bundesrepublik sind so erhebliche Differenzen in den Meinungen verantwortlicher Persönlichkeiten aufgetreten, daß es — ich möchte hier an etwas anknüpfen, was vorhin schon gesagt wurde — wirklich erwünscht wäre, einmal zu wissen bzw., nachdem laut Grundgesetz der Herr Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt, einmal authentisch zu erfahren, ob bei der Bewertung der Steigerung des Sozialprodukts der Herr Bundeswirtschaftsminister oder der Herr Bundesfinanzminister recht hat.


    (Ritzel)

    Wie mein Herr Vorredner möchte auch ich ein gutes Wort für die Förderung der wissenschaftlichen Forschung einlegen, aber eine Frage an die Bundesregierung richten, um deren baldige Beantwortung, zumindest im Haushaltsausschuß, ich bitte. Die Angaben in den Erläuterungen genügen nicht. Die Bundesregierung sieht für einen bundeseigenen Betrieb, nämlich das Kupferbergwerk Sontra, im neuen Haushalt nur noch einen Zuschuß von 3,2 Millionen DM vor. Wir haben uns im Haushaltsausschuß wie oft schon über diese Dinge unterhalten, aber ich glaube, die Bundesregierung ist schlecht beraten, wenn sie meint, mit einer derartigen Hälftelung des bisherigen Bundeszuschusses dieses Werk irgendwie erhalten und der dort beschäftigten Arbeiterschaft gerecht werden zu können.
    Zum Thema Wirtschaftspolitik noch zwei abschließende Bemerkungen. Die erste zum Thema der Preispolitik. Es hat den Anschein, als ob die in Aussicht genommene Aufrüstung bereits sehr bedenkliche Schatten vorauswirft. Mir ist mitgeteilt worden, ,daß in der Armaturenindustrie heute bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit gearbeitet werde und daß trotz auskömmlicher Preise die Absicht weiterer Preiserhöhungen bestehe, um die Konjunktur auch im Hinblick auf die kommende Rüstungsindustrie auszunützen.
    Und eine weitere entgegengesetzte Bemerkung zu den Ansätzen im neuen Bundeshaushalt in bezug auf das Gewerbe und die Förderung des Gewerbes. Im Jahre 1953 waren 6 Millionen DM für Gewerbeförderung bewilligt, 1 Million im ordentlichen Haushalt, 5 Millionen im außerordentlichen. 1954 waren es wiederum 6 Millionen in der gleichen Weise. 1955 sieht die Regierungsvorlage für Gewerbeförderung nur 2 Millionen im ordentlichen und 2 Millionen im außerordentlichen Haushalt vor. Der Bundesratsbeschluß vom 3. Dezember 1954 wünscht 2 Millionen DM im ordentlichen Haushalt und 4 Millionen DM im außerordentlichen Haushalt. Ich möchte die Regierung einladen, sich doch darauf einzurichten, dem Haushaltsausschuß bei der Erörterung dieses Punktes des Etats eine vielleicht befriedigendere Regelung vorzuschlagen.
    Einige Bemerkungen zum Ernährungshaushalt! Der Herr Kollege von Merkatz sprach heute morgen von den Ernteschäden. Die Bundesregierung hat bisher — bis auf die furchtbaren Ernteschäden, die vor einigen Monaten in Bayern eingetreten sind — eine sehr große Zurückhaltung in bezug auf Ernteschädenregulierung aus Bundesmitteln bewiesen. Es liegt ein einstimmiger Beschluß des Bundestages vor, der die Bundesregierung auffordert, mehr zu tun und wirklich zu helfen. Ich wäre dankbar, wenn über den Stand der Dinge entweder hier oder demnächst im Haushaltsausschuß durch die Regierung nähere Aufklärung gegeben werden könnte.
    Im übrigen fällt im Ernährungshaushalt wieder diese peinliche Einnahme aus den Abschöpfungsbeträgen auf, peinlich deshalb, weil sich in dieser Zahl die Belastung der Verbraucher ausdrückt, welche mit der Durchführung der Marktordnungsgesetze verbunden ist. Wie sich diese Belastung entwickelt hat, ist in drei Zahlen zu sehen. Es wurden 1952 109 Millionen DM abgeschöpft, 1953 waren es 267 Millionen DM, jetzt erwartet man im Einnahmeteil des Haushalts 383 Millionen DM Abschöpfung zu Lasten des Brotgetreidepreises und des Zuckerpreises. Leider Iäßt der Haushaltsplan jeden Ausgleich dieser Belastung zugunsten der Konsumenten verrnissen, obwohl die Marktordnung nicht nur den Erzeugern, sondern auch den Verbrauchern dienen sollte und ganz bestimmt nicht als eine vollkommene Einnahmequelle für den Finanzminister gedacht war.
    In diesem Zusammenhang darf auch die Feststellung getroffen werden: Im Haushaltsplan sind leider keine Anzeichen dafür zu finden, daß die Regierung bereit wäre, der am Verfahren der Marktordnung, insbesondere an der Tätigkeit der Einfuhr- und Vorratsstellen, geübten Kritik in durchgreifender Weise Rechnung zu tragen. Die Kosten für die Vorratshaltung sind um rund 20 Millionen höher und die Senkung für die Kosten der Bürokratie der Marktordnung in Höhe von rund 400 000 DM veranschlagt, eine Summe, die sehr fragwürdig wird, wenn man dazu die Berner-kung liest, daß es sich hier nur um vorläufige Zahlen handele, weil die endgültigen Haushaltspläne noch nicht vorlägen. Wenn man aber, was sich ebenfalls aus dem Haushaltsplan ergibt, zur Kenntnis nimmt, daß sich der Personalbestand um ganze 13 Arbeiter und Angestellte vermindern soll, dürften die endgültigen Zahlen wohl auch auf diesem Gebiet noch anders aussehen.
    In diesem Zusammenhang muß auch der Betrag für die Erstattungen erwähnt werden, der mit 14 Millionen DM ausgewiesen wird. Hier handelt es sich um die Erstattung solcher Kosten und Gebühren, die von den Dienststellen des Ernährungsministeriums ohne Rechtsgrundlage erhoben worden sind und die nun zum Teil im Klagewege mit sehr erheblichen Prozeßkosten für den Bund zurückgefordert werden. Bedenkt man, daß diese Kosten von den Importeuren natürlich in der Regel an den Letztverbraucher weitergegeben worden sind, dann hat man ein anschauliches Beispiel dafür, wer eigentlich die Zeche für eine Geschäftsführung zahlen muß, für deren Kennzeichnung man um einen parlamentarischen Ausdruck verlegen ist.
    Vergeblich sucht man im Haushaltsplan nach irgendwelchen Beträgen, die für die Realisierung der Forderungen erforderlich sind, die man landläufig unter dem Begriff „Parität" zusammenfaßt. Das ist um so bemerkenswerter, als sich doch neulich offenbar auch der Bundeskanzler gegenüber dem Dreier-Präsidium des Bauernverbandes zu dieser Parität bekannt hat. Wenn im Haushaltsplan keineswegs die erheblichen Mittel eingesetzt worden sind, die für die an sich berechtigte Forderung nach einer industriegleichen Bezahlung der in der Landwirtschaft tätigen Kräfte erforderlich sind, muß daraus entweder geschlossen werden, daß man sich die Finanzierung der Erfüllung dieser Ansprüche durch Erhöhung der Lebensmittelpreise vorstellt, oder aber — und das liegt bei allen Erfahrungen wohl noch näher —, daß man sich seitens der Regierung in Zukunft ebensowenig um die Erfüllung solcher Forderungen und Versprechungen bemühen wird, wie man es in den zurückliegenden Jahren getan hat. Um so mehr bedauern wir, daß für all die Maßnahmen, die für nachhaltige Besserung der landwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und damit der landwirtschaftlichen Rentabilität entscheidend sind, praktisch nur dieselben unzulänglichen Mittel aufgewendet werden, die im letzten Haushaltsplan standen. Auch wenn man dazu alles das addiert, was an sogenannten Förde-


    (Ritzel)

    rungsmitteln in kleine und kleinste Beträge zersplittert auf soundso viele Institute verteilt eingesetzt werden soll, und wenn man dazu noch die 20 Millionen, die für die Landwirtschaft durch die Verbilligung des von ihr verbrauchten Treibstoffes ausgeworfen werden, und schließlich die erhöhte Ablieferungsprämie addiert, ,die allerdings von rund 5 Millionen auf 32 Millionen erhöht werden soll, reicht das alles nicht aus, um in der kurzen Zeit, die dazu zur Verfügung steht, das nachzuholen, was gegenüber der Landwirtschaft in vielen Jahren versäumt worden ist. Ich kann also per Saldo nur das tiefe Bedauern des Herrn von Merkatz teilen, der auch nicht an einen nennenswerten Erfolg glaubt.
    Einige Bemerkungen noch zum Verkehrshaushalt. Wir alle erwarten die beschleunigte Verabschiedung des in Gang befindlichen Gesetzgebungswerks unter der Voraussetzung, daß wirklich gleiche Startbedingungen für Schiene und Straße geschaffen werden. Wir möchten auch wünschen, daß die Bundesregierung angesichts der steigenden Motorisierung eine ernste Aufmerksamkeit auf eine großzügige Lösung bezüglich der Radfahrwege lenkt. Wer Automobilist ist, der weiß, daß es für ihn kein größeres Grauen gibt als die Gefahr der Karambolage mit Radfahrern etwa in der Zeit des Zwielichts. Das sind Dinge, die nach Regelungen rufen und für die im Ausland — ich nenne nur die Schweiz — genügend gute Beispiele vorhanden sind.
    Meine Damen und Herren, wir erleben so viel — besonders im Haushaltsausschuß, aber selbstverständlich auch in dem dazu berufenen Fach-ausschuß — an Stellung von Anträgen auf Herrichtung der und jener Straße. Hier offenbart sich eine kleine Tragik des Hauses. Diese Anträge haben in der Regel das Schicksal, daß sie der Bundesregierung als Material überwiesen werden. Damit wird ein Zustand herbeigeführt, der praktisch bedeutet, daß die Bürokratie — ich sage es mit allem guten Willen und ohne böse Absicht — des Bundes bestimmender ist als der Wille des Parlaments. Was dann nicht als Material verwendbar erscheint, nun, das kommt zunächst nicht wieder, und die Gesetzmäßigkeit, die bei der Verabschiedung solcher Vorschläge und Haushaltspläne nun einmal obwaltet, bedeutet für viele derartige Anträge ein Begräbnis erster Klasse.
    In bezug auf die Bundesbahn habe ich nur einen Wunsch — ich will von den Einzelheiten absehen, die ich mir notiert habe —, und ich glaube, den teilt das ganze Haus: ich möchte wünschen, daß da, wo so horrende Mittel des Bundes eingesetzt werden, dem Hause auch mit mehr Klarheit über die Finanzgestaltung der Bundesbahn berichtet wird, als es bis jetzt vielfach der Fall gewesen ist. Bei der ganzen Gestaltung dessen, was auf dem Gebiete der Bundesbahn möglich ist, bleibt als Resümee zunächst doch nur ein Zustand des erheblichen Unbefriedigtseins. Notwendige Aufgaben können nach wie vor nicht gemeistert werden. Die Arbeiterzüge sind vielfach in einem verheerenden Zustand. Für die Sicherung der schienengleichen Bahnübergänge, die Errichtung von Warnvorrichtungen ist im ganzen Haushalt 1 Million DM vorgesehen. Das sind Zustände, die wirklich nach einer Änderung rufen.
    Aber abgesehen von der Bundesbahn beschäftigt uns ja auch die Straße in einem entscheidenden
    Ausmaß. Lassen Sie mich hierzu wenige Bernerkungen machen. Beim Straßenbau — und das ist ein praktischer Vorschlag für den Haushaltsausschuß — sollten die 10 % der Etatendsumme, über die nur mit Zustimmung des Bundesfinanzministers verfügt werden kann, zu Beginn des Haushaltsjahrs freigegeben werden, da nur dann zweckentsprechend über diese Mittel zur Unterhaltung von Bundesstraßen und Bundesautobahnen verfügt werden kann. Auch in bezug auf die Ausgabenansätze des außerordentlichen Haushalts sollen die Mittel sofort bei Beginn des Etatjahrs zur Verfügung gestellt werden; sonst besteht die Gefahr, daß wertvolle Wochen bester Bauzeit vergehen, die nicht mehr aufgeholt werden können.
    Für die Bundesfernstraßen sind unter Tit. 750 bis 800 des ordentlichen Haushalts zusätzliche 20 Millionen DM für die Bundesstraßen und 80 Millionen DM für die Bundesautobahnen vorgesehen. Hier ist eine wesentliche Erhöhung dringend erforderlich, da sonst niemals ein langfristiges Programm zur Durchführung kommen kann.
    Im Haushaltsausschuß sollte auch versucht werden, die Tit. 531 für Darlehen und 601 für Zuschüsse wesentlich zu verstärken, ebenso die Mittel für Zubringerstraßen der Bundesautobahnen. Die Deckung kann aus den Erträgnissen des geplanten Verkehrsfinanzgesetzes erfolgen.
    Ich sehe von allen Spezialwünschen und -vorschlägen ab. Aber in einer Hinsicht erbitte ich die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses für einen auf die Dauer unmöglichen und unerträglichen Zustand. Einige Mitglieder des Bundestages und der Herr Bundesverkehrsminister — auch der Herr Bundeskanzler — haben heute morgen bei Köln eine neue Brücke eingeweiht. Ein sehr erfreulicher Tatbestand! Es wäre sehr an der Zeit, daß ein Gefahrenherd erster Ordnung durch die Erstellung einer weiteren neuen Brücke, nämlich einer Brücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen, beseitigt wird. Hier herrschen unerträgliche Verkehrsverhältnisse, und die Brücke befindet sich in einem Zustand, der eines Tages zu einer Katastrophe führen kann.
    Ich habe nur noch zwei Dinge, über die ich sprechen möchte. Ein Wort zugunsten der Gemeinden! Die Gemeinden sind in unserem Grundgesetz — das hat Herr Kollege Dresbach vor einiger Zeit so beredt zum Ausdruck gebracht — entschieden zu kurz gekommen. Ich möchte sehr wünschen, daß in dem Verhältnis Bund, Länder und Gemeinden endlich ernsthafte Ansätze gemacht werden, um eine eigenständige Finanzverantwortung der Gemeinden und Gemeindeverbände herbeizuführen, und daß die Gemeinderechte auf Erhebung der Realsteuern einwandfrei und eindeutig gesichert werden. Man sollte auch der Tatsache Rechnung tragen, daß 1913 die Gemeinden am öffentlichen Gesamthaushalt mit 39 % partizipierten, heute dagegen trotz ihrer Riesenbelastung durch den Wiederaufbau der zerstörten Städte und Gemeinden nur mit 20 % daran teilhaben. Die riesige Belastung der Kommunen durch den Wiederaufbau muß durch geeignete Mittel und Maßnahmen des Bundes überwunden werden.
    Obwohl es sich nicht um eine Landessache handelt, möchte ich noch ein Problem ansprechen, das sich aus der Bundesgesetzgebung ergibt; ich meine den Bereich der Justiz. Es ist ein eminent politisches Problem, wenn ich feststelle, daß jeder, der aufmerksam .die Entwicklung auf dem Gebiet der


    (Ritzel)

    Rechtspflege verfolgt, nicht ohne Sorge beobachten kann. Gerade die Durchführung des Amnestiegesetzes hat gezeigt, daß oftmals bei Staatsanwaltschaften und Gerichten eine Haltung zu beobachten ist, die etwa sozialdemokratische Delinquenten nicht ganz so wohltätig behandelt wie Leute anderer Couleur. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. In einem Fall wurde — und das ist gar keine Seltenheit — ein Verfahren, bei dem es sich um den Ehrenschutz eines Sozialdemokraten handelte, bis zur Dauer von zwei Jahren verschleppt. Als dann die Amnestie kam, wurde der Beschuldigte amnestiert. Wenn es sich aber um einen Sozialdemokraten handelte, dann wurde das Verfahren vielfach in einem erstaunlichen Umfang beschleunigt. Vor kurzem äußerte ein Sozialdemokrat irgendwelche Zweifel in bezug auf irgendwelche Kriegsauszeichnungen eines Dritten. Er wurde sofort angezeigt und mit Klage überzogen. Das Verfahren wurde mit größter Beschleunigung rasch vor der Amnestie durchgeführt.
    Es gibt noch andere sehr merkwürdige Dinge auf dem Gebiet. Einen ganz schlimmen Fall darf ich Ihnen kurz nennen. Da war ein Mann, Rechtsanwalt seines Zeichens, angeschuldigt des Totschlags. Eine Staatsanwaltschaft hat diesem früheren SS-Oberscharführer und SS-Richter, obwohl er Volljurist ist, in einem Verfahren wegen Totschlags bescheinigt, „ihm sei in Anbetracht seiner Dienststellung" — nun hören Sie bitte gut zu — „als SS-Richter zur Tatzeit eine Einsichtsfähigkeit nicht zuzumuten, die Straftat zu unterlassen".

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Es ist nicht mein Deutsch, das ich Ihnen hier vortrage. Und dann: „Da er keine Freiheitsstrafe von I mehr als drei Jahren Gefängnis wegen Totschlags zu erhalten habe, sei das Straffreiheitsgesetz auf ihn anzuwenden".

    (Erneute Zurufe von der SPD: Hört! Hört! — Abg. Krammig: War das in Hessen oder wo?) — Nein, das war in Bayern, Herr Kollege. —

    Das reiht sich würdig einem Vorgang an, der ein Mitglied dieses Hauses betrifft. Vor einigen Monaten hat das Hohe Haus sich — ich glaube, zum zweiten Mal — mit der Aufhebung der Immunität eines bestimmten Abgeordneten befaßt; ich nenne seinen Namen: es war der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete mein Freund Odenthal. Er war eines kriminellen Delikts angeschuldigt. Der Ausschuß befürwortete die Aufhebung der Immunität, die der Staatsanwalt angeregt hatte. Obwohl der beschuldigte Abgeordnete von der Regelung Gebrauch gemacht hatte, die der Bundestag seinerzeit einstimmig beschlossen hat, nämlich der Staatsanwaltschaft gegenüber seinen Standpunkt zu vertreten, ohne daß dadurch bereits in irgendeiner Weise die Immunität beeinträchtigt würde, hat die Staatsanwaltschaft zum zweiten- oder gar zum drittenmal die Aufhebung der Immunität gewünscht. Das Hohe Haus ist diesem Ersuchen aus Gründen der Objektivität nachgekommen. Schön! Was ist jetzt? Der Herr Staatsanwalt hat dem Herrn Abgeordneten Odenthal mit Datum vom 20. November 1954 lakonisch mitgeteilt: „Ich habe das Verfahren gegen Sie mangels Verdacht eingestellt".

    (Abg. Arnholz: Hört! Hört!)

    Meine Damen und Herren, keine andere Grundlage
    ist in den Akten als die, die schon vorhanden war,
    als der Herr Staatsanwalt zum wiederholten Mal
    die Aufhebung der Immunität eines sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten gewünscht hat. Ich mache dem Bundestag keinen Vorwurf, daß er die Immunität aufgehoben hat. Aber ich mache der Justiz den Vorwurf, daß sie das, was sie vorher gewußt hat, erst noch benutzte, um einen Menschen, einen Volksvertreter, einen Bundestagsabgeordneten im Urteil der Öffentlichkeit madig zu machen, um ihm nachher mitzuteilen: „Ich habe das Verfahren mangels Verdacht eingestellt".

    (Abg. Arnholz: Was geschieht mit diesem Staatsanwalt? — Zurufe von der SPD: Befördert!)

    — Was geschieht mit diesem Staatsanwalt? Das ist eine Frage,

    (Abg. Krammig: Die gehört nicht in die Zuständigkeit des Bundes!)

    die an den Justizminister von Rheinland-Pfalz zu richten ist. Aber vielleicht kann sich der Bundesjustizminister, der leider nicht anwesend ist, der Sache einmal annehmen.
    Zum Schluß habe ich noch eine Frage an die Bundesregierung, die jetzt erfreulich zahlreicher vertreten ist.

    (Abg. Mellies: Zahlreich ist wohl reichlich übertrieben!)

    — Erfreulich zahlreicher, Herr Kollege Mellies,

    (Abg. Heiland: Sie hat sich vervierfacht!) ich habe mich nur relativ ausgedrückt.

    Ich möchte die Bundesregierung fragen — die Fragestellung ist ja bei einer Etatberatung erlaubt; sie hat mit dem Etat zu tun; sie hat nämlich mit der ganzen Politik der Bundesregierung bzw. mit ihrer Mehrheit zu tun —: Kommt das Wahlgesetz für die Wahl des nächsten Deutschen Bundestags früher als drei Monate vor dem Zu-Ende-Gehen der Kompetenz dieses Bundestages oder dient das Wahlgesetz dazu, so lange die Koalition an der Kandare zu halten?

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir sind doch Menschen, die die Freiheit lieben, und wir möchten gerne unsere Willensbildung so frei und so unabhängig wie möglich gestalten. Es wäre sehr nett von der Bundesregierung, wenn sie die Liebenswürdigkeit haben wollte, das neue Jahr 1955 zu benutzen, um recht bald ein neues Wahlgesetz vorzulegen. Wie sagte doch der Herr Bundesinnenminister aus diesem Anlaß?

    (Abg. Heiland: Nie sollst du mich befragen!)

    Im Sommer 1954 sagte unser verehrter Herr Bundesminister, daß er bemüht sei, bis Weihnachten die Fragen um das Bundeswahlgesetz einer Klärung zuzuführen. Meine Damen und Herren, es ist kalendarisch nicht möglich; sonst wären wir gezwungen, die Weihnachten erheblich zu verlegen.

    (Beifall bei der SPD.)