Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Montag ist uns das neue Haushaltsbuch überreicht worden mit einer so außerordentlichen Sach- und Zahlenfülle, daß sicherlich niemand in diesem Hause in der Lage gewesen ist, es bisher auch nur einigermaßen zu studieren. Das gilt aber nicht nur für das Haushaltsgesetz, das wir bekommen haben, es gilt auch für die Einführung, die man uns mit auf den Weg gegeben hat, nämlich für die sogenannten Allgemeinen Vorbemerkungen, die allein schon 555 Seiten umfassen. Es ist natürlich unmöglich, bei einer so gewaltigen Arbeit von solcher Qualitat in wenigen Tagen damit zu Rande zu kommen. Wir werden uns dafür andere Zeiten zu Hilfe nehmen müssen.
— Da haben Sie vollkommen recht. Popitz ist ja der Vater der Umsatzsteuer, bzw. er war insofern ein schlechter Vater, als er sein eigenes Kind bei mehreren Gelegenheiten als mißlungen bezeichnet hat.
Immerhin, es geht bei Steuern so: wenn sie einmal zur Gewohnheit geworden sind — alte Steuern, gute Steuern —, dann kann man nur noch sehr schwer an ihre Aufhebung oder an ihre Senkung herangehen.
Aber es ist ohne Zweifel so — da haben Sie recht —, daß auf dem ganzen Gebiet der Steuern eine Fülle von Verwicklungen, von Ärger und von Streitigkeiten überhaupt nicht entstanden wären
und entständen, wenn wir heute bereits wieder mit niedrigeren Steuersätzen rechnen könnten. Wollen wir hoffen, daß auf dem Wege der Normalisierung, den ja auch dieser Haushalt begehen will, hier auf die Dauer eine echte Senkung und damit auch die Möglichkeit einer wirklichen Vereinfachung der Einnahmeseite, also in erster Linie des Steuerwesens, gegeben ist.
In der schon öfters zitierten Rede heißt es, daß die Einnahmen zwar ein sehr harter Zugriff seien, andererseits aber doch diese Einnahmen auf dem Umwege über den Haushalt wieder in die Privat-. sphäre zurückflössen. Das ist gewiß im großen und ganzen richtig. Aber es ist doch manches Bedenken dagegen anzumelden, daß hier in ganz gelenkter Form und unter großen Reibungsverlusten der Staat in Erfüllung vieler Aufgaben, die ihm früher sicherlich nicht zugestanden haben, nun dieses „Schleusenamt" versieht.
Ich möchte auch annehmen, daß dabei doch eine ganze Reihe von Steuern, also von Kosten im Sinne der Wirtschaft, also von Kaufkraftentzug, Zielen und Zwecken zugeführt wird, die vielleicht doch nicht im Sinne des Erfinders liegen. Und wenn man dann weiter hört, daß das größte Geschenk, das der Staat nunmehr gemacht habe, das Geschenk an die Wirtschaft durch Senkung der Steuern sei, dann muß man doch auch einmal an die andere Seite erinnern und sich vielleicht fragen: „Wer schenkt wem?", nicht wahr?
Ich könnte mir also vorstellen, daß die hier gemeinte Volkswirtschaft, nämlich die Gemeinschaft aller schaffenden, aller arbeitenden Kräfte in der Wirtschaft, zunächst einmal diese Gelder aufbringt, daß sie dem arbeitenden Menschen entzogen werden, um — das ist sicherlich richtig — zu einem großen Teil Aufgaben der Allgemeinheit und bedeutsamen Aufgaben zugeführt zu werden.
Diese Aufgaben spiegeln sich in den Ausgaben der Haushalte. Nun kann ich zu meiner Freude konstatieren, daß der pessimistische Zug mit der Beklemmung der Finanzmänner und dem bitteren Ernst des Lebens etwas nachläßt bei der Betrachtung der Einzelhaushalte. Denn der Bundesfinanzminister weist ja immer wieder, offensichtlich doch mit einer gewissen Gehobenheit, auf das hin, was er alles wieder fertiggebracht hat und was die Bundesregierung auch im kommenden Jahr fertigzubringen gedenkt.
Ich erinnere dabei nur an die Bemerkungen über die Erweiterung des Volumens des Agrarhaushalts. Dabei hätte ich es allerdings sehr gern gesehen, wenn für die Siedlung etwas mehr getan worden wäre und nicht gerade auf diesem Gebiet die Mittel verknappt worden wären.
Ich erinnere weiter an den Verkehrshaushalt, bei dem ja der Bundesfinanzminister die Erwartung ausspricht, er werde im Rahmen der Neuordnung der Verkehrsfinanzgesetze vielleicht der Bundesbahn die Summe von — wenn ich die Zahl recht im Kopf habe — sogar 730 Millionen DM zuführen können und damit einen ganz wesentlichen Beitrag zu der von uns allen gewünschten Gesundung der Bundesbahn liefern. Möge er dabei insbesondere auch den Straßenbau nicht vergessen. Auch darauf ist in der Rede des Herrn Staatssekretärs Hartmann hingewiesen worden.
Aber noch andere Haushalte zeugen doch von einem gewissen Optimismus in der Beurteilung der finanziellen Situation, wenn er auch bei einem Haushalts- und Finanzpolitiker nach außen nicht zum Ausdruck gelangen darf. Ich denke z. B. an die Frage der Kriegsgefangenenentschädigung, an die Wiedergutmachungsfragen, an die hoffentlich baldige Erhöhung der Kriegsopferrenten, an die Leistungen an Heimatvertriebene und an vieles andere, das unter dem sozialpolitischen Gesichtspunkt gewertet werden muß. Ganz offensichtlich hat die Bundesregierung, hat insbesondere der Bundesfinanzminister gesehen und eingesehen, daß eine Wirtschaft nur dann voll gesund ist — um auf gewisse Fragen von heute morgen zurückzukommen —, wenn ihr soziales Fundament in Ordnung ist. Und so stark und so sehr unsere deutsche Wirtschaft aufgeblüht ist — das dürfen wir wohl sagen; wir werden ganz sicherlich nicht behaupten dürfen, sie sei etwa krank —, so sehr muß auf der anderen Seite verlangt werden, daß diese Gesundheit durch ein stabiles soziales Fundament gestützt wird.
Der Haushalt trägt, wie sich bei seiner Betrachtung zeigt, sicherlich ein im ganzen soziales Gepräge. Die sozialen Leistungen und Notwendigkeiten fallen bei einer Betrachtung des Haushalts besonders auf. Wir müssen das insbesondere begrüßen, auch wenn es noch ein Zeichen einer nicht genügenden Sicherheit ist, auch wenn es ein Zeichen dafür ist, daß auf diesem Gebiet noch viel getan werden muß. Es wäre niemandem lieber als uns und sicherlich auch dem ganzen Hause lieb, wenn diese Sozialleistungen auf ein Maß zurückgesetzt werden könnten, das einer gesunden und völlig normalen Wirtschaft entspricht. Hoffentlich wird das wieder einmal der Fall sein können, und bis dahin werden wir uns auf diesem Gebiet ganz gewiß besondere Anstrengungen auferlegen müssen.
Es ist ja von mancher Seite gefordert worden, das Bundesvermögen zur Verbesserung der sozialen Leistungen mit einzusetzen; auch davon ist heute morgen bereits gesprochen worden. Ich möchte hier nicht die Schlagworte von Sozialisierung und Privatisierung gebrauchen. Ich möchte hier vielmehr darauf hinweisen, daß die Fragen des Erwerbsvermögens — und nur um das Erwerbsvermögen kann es sich. handeln, um die Beteiligungen insbesondere des Bundes, die Beteiligungen in Höhe von 1,5 Milliarden nominal und vielleicht über 3 Milliarden nach ihrem inneren Wert, immerhin eine sehr beträchtliche Zahl — in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen.
Ich möchte also meinen, daß man das Problem nur richtig sieht, wenn man es vom Gesichtspunkt der Aufgabenverteilung von Staat und Wirtschaft betrachtet; und wenn man die Frage beantworten sollte, wo die Aufgaben des Staates liegen, dann wird man doch wohl sagen müssen: nicht eigentlich in den Betrieben der zur Viag oder Veba usw. gehörenden Gesellschaften. Das ist nicht Aufgabe des Staates, mag auch dieses oder jenes Unternehmen historisch gewachsen sein. Als Aufgabe eines Gemeinwesens kann man vielleicht den Betrieb von Versorgungsunternehmungen betrachten, nicht aber eigentlich eine Beteiligung an der Industrie,' also der privaten Wirtschaft im engsten Sinne. Nun wird eine solche echte Aufgabenverteilung auch nicht von einem auf den anderen Tag erfolgen können, sondern es ist selbstverständlich, daß hier die Gesetze betriebswirtschaftlicher Vernunft gelten müssen. Nur in diesem Sinne kann das Problem aufgefaßt werden: im Sinne einer rechten Verteilung von Staatsaufgaben und Aufgaben der privaten Wirtschaft.
Heute morgen ist von bestimmter Seite eingewendet worden, man müsse, wenn man die Ausgaben herabsetzen wolle, die Aufgaben aus dem Haushalt oder dem öffentlichen Gemeinwesen wegschaffen. Jeder Kenner der Dinge weiß, wie außerordentlich schwer das ist. Aber hier liegt ein Zusammenhang vor, und ich kann gerade bei der Frage der privaten Beteiligungen des Staates doch wohl konstatieren, daß man einen allmählichen Abbau von Staatsaufgaben und infolgedessen von Staatsausgaben, von Staatsaufwendungen im Interesse einer Verringerung des Haushaltsvolumens sehr wohl würde vornehmen können.
Im Zusammenhang mit der sehr begrüßenswerten Darstellung der Beteiligungen und des Erwerbsvermögens des Bundes ergeben sich einige allgemeine Fragen. Auch sie sind heute morgen behandelt worden. Meine verehrten Vorredner haben teilweise so viel und Gründliches darüber gesagt, daß ich mich auf einige prinzipielle Bemerkungen beschränken möchte. Da ist zunächst der Verwaltungsaufwand. Es wird immer wieder behauptet, der Verwaltungsaufwand sei im Verhältnis zu anderen Aufwendungen so klein, daß sich eine Einsparung nicht lohne. Diese Einwendung ist, wenn man die Frage rein rechnerisch betrachtet, beim Bund vielleicht richtig, bei den Ländern und Gemeinden möchte ich aber dazu ein Fragezeichen machen. Sie ist auch nur richtig bei einer rein rechnerischen Betrachtung, denn der persönliche und sachliche Verwaltungsaufwand ist eben das, was der Staatsbürger, was der Steuerzahler sieht, wenn er dem Staat gegenübertritt, und hier sollte jene altbekannte, vielfach „preußisch" genannte Sparsamkeit wirklich einsetzen, weil diese Sparsamkeit ja auch ein Politikum ist, nämlich ein Zeichen für den Staatsbürger, daß er von verantwortungsbewußten Männern regiert wird, daß verantwortungsbewußte Beamte sich um das Wohl des Bürgers Sorge machen. Verantwortungsbewußte Beamte, verantwortungsbewußte Behörden, d. h. eben solche, die den Sinn echter Sparsamkeit in der Herstellung des Vertrauensverhältnisses zwischen Staat und Bürger sehen.
Ich begrüße es sehr, daß wir demnächst mit einem neuen Besoldungsgesetz zu rechnen haben. Auf dem Gebiet des Besoldungsrechts ist ein Wirrwarr eingetreten, der dieses Gebiet nur noch für wenige Fachleute übersehbar macht. Hier kann man also ein Weiteres zur echten Verwaltungsvereinfachung tun. Die Einsetzung von Kommissionen, wie sie heute morgen vorgeschlagen worden ist, würde auch ich durchaus gutheißen. Der Herr Staatssekretär hat selbst in seiner Rede auf das Übermaß der Statistik hingewiesen. Er hätte sehr gut in diesem Zusammenhang den „Narrenspiegel der Statistik" nach dem bekannten Wort von Wagemann zitieren können, denn mit diesen vielen Statistiken kann man ja nichts mehr anfangen, oder es ist nur noch ein sehr kleiner Kreis von Sachkennern, für die diese ungeheuere, umfassende und vielfach entsagungsvolle Arbeit der Behörden draußen geleistet werden muß. Von solcher Arbeit sollten die Behörden entlastet werden.
Das ist die eine Gruppe der großen öffentlichen Ausgaben. Wenn ich nun an die Investitionsaufwendungen denke, so stellt sich wiederum das Problem, das ich schon vorhin angeführt habe, nämlich das Problem der Aufgabenverteilung. Eine ganze Reihe von Aufgaben — auch das ist schon gesagt worden — können und konnten in diesen
Jahren nur durch den Staat ausgeführt werden. Aber man darf nicht einfach blind annehmen wollen, daß das in aller Zukunft auch so geschehen müsse, sondern es wird hoffentlich wieder einmal so sein, daß das, was nun der einzelne, die private Wirtschaft durchführen kann, auch eben vom einzelnen und von der privaten Wirtschaft draußen durchgeführt werden muß. Wenn man dann die Investitionsaufwendungen nach diesem Gesichtspunkt langsam abbaut, natürlich auch im Sinne der Pflege des Kapitalmarktes und der Eigenständigkeit der Finanzierung innerhalb der Wirtschaft, dann kommt man auch hier vielleicht wieder einmal zu einer gewissen Verringerung des Ausgabenvolumens. Herr Kollege Vogel hat heute morgen in einem ähnlichen Zusammenhang von dem Silberstreifen gesprochen, der sich da am Horizont abzeichne. Nun, es sind ich bin zu sehr Skeptiker auf diesem Gebiet — leider sehr schmale Silberstreifen, aber wir wollen sie nicht aus dem Auge verlieren, und wir wollen hoffen, daß bei der Qualität der gerade auch in diesem Haushaltsplan wieder geleisteten Arbeit sich doch manches in die Tat umsetzen läßt, an das wir jetzt vielleicht noch gar nicht zu denken vermögen.
Auch auf dem Gebiet der Verteidigungsausgaben wird die Bundesregierung, wird der Bundesfinanzminister mit großer Vorsicht und Umsicht zu Werke gehen müssen. Alles, was an Zahlen jetzt darüber genannt wird, betrachte ich doch als mehr oder weniger unverbindlich. Es kann noch nicht sehr viel darüber gesagt werden. Es muß erst einmal begonnen werden, ehe man sich auch finanzwirtschaftlich und betriebswirtschaftlich ein bestimmtes Bild machen kann. Aber gerade weil die vom Kollegen Schoettle geschilderte große Gefahr besteht, daß Aufwendungen ins Uferlose wachsen, gerade deshalb muß der Finanzminister von dem Gewicht Gebrauch machen, das er sich nicht nur nach der Verfassung, sondern auch nach seiner Person und nach der Qualität seines Apparates errungen hat. Ich glaube, sehr viel mehr wird man im Augenblick zu den Verteidigungsausgaben gar nicht sagen können.
Ich möchte aber doch einiges zu gewissen allgemeinen Grundsätzen des Haushalts sagen, was im Einzelfall von unmittelbarer Bedeutung sein kann. Unser Haushaltsrecht ist sehr genau, es folgt dem Grundsatz der Spezialisierung. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, was das ist. Es dringt in jede Einzelheit ein und versucht, jede Einzelheit mit mehr oder minder großer Klarheit darzustellen. Es folgt damit auch einer Eigenschaft, über die ich vor ganz kurzem bei Henri Beyle-Stendhal ein bezeichnendes Wort gelesen habe. Beyle-Stendhal bemerkt nämlich in seiner Betrachtung der Deutschen, daß die deutsche Regierungsart dem deutschen Volke einen gewissen Geist der Umständlichkeit aufgenötigt habe, der sich immer wieder bemerkbar mache. Von diesem Geist muß man sich in diesen Dingen möglichst zu befreien trachten, damit man auch mit den großen Aufgaben und den großen Fragen fertig wird. Diese großen Aufgaben und großen Fragen auch auf dem Gebiet des Finanz- und Haushaltsrechts stehen jetzt unmittelbar vor uns.
Daß das Verhältnis von Bund und Ländern auf finanzrechtlichem Gebiet eine unerwünschte Entwicklung genommen hat, das scheint eindeutig. Es ergibt sich auch aus den letzten Beschlüssen und
Maßnahmen des Bundesrates. Ich halte das, was der Bundesrat zur Finanzreform beschlossen hat, für ausgesprochen bundesunfreundlich. Ich meine, daß der Bundesrat damit einer Tendenz folgt, die keineswegs im Sinne der Verfassung liegt. Nach dem Grundgesetz ist der Bundesrat ein Organ des Bundes. Nach der Art, in der er heute auftritt, scheint er mir viel eher eine Vertretung nur der Länder zu sein, und das ist eine bedenkliche Entwicklung auch im Sinne des Bundesrates und der Länder selbst.
Wenn nämlich immer nur der Bundesrat als Vertretung der Länder von seinem Recht Gebrauch
machen will, den Haushalt des Bundes zu kritisieren, daran auch oft in einer Weise zu mäkeln,
die ganz sicherlich etwas zu weit geht und nur von
dem Bestreben erfüllt ist, den Satz von 40 oder 38
oder 36 % zu limitieren oder noch herabzusetzen,
dann, muß ich sagen, bleibt eigentlich nur eine
entscheidende verfassungsrechtliche Folgerung,
nämlich daß auch der Bund — meinetwegen auf
dem Wege über eine Verfassungsänderung — entsprechenden Einfluß auf den Haushalt der Länder
und damit auch der Gemeinden zu nehmen versucht.
Wir haben uns sicher mit dem Grundgesetz und mit der Ordnung des finanziellen Verhältnisses zwischen Bund und Ländern ein wenig verfahren. Aber ich glaube, wenn man in aller Öffentlichkeit auf die besonderen Schwierigkeiten gerade dieses Verhältnisses hinweist und auf die Schwierigkeiten im Zusammenhang damit, daß wichtige Maßnahmen der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, könnte man vielleicht doch zu einem Ergebnis kommen.
— Sie wissen, Herr Kollege Gülich, daß der Bundesrat ja auch der Steuerreform zugestimmt hat. Ich bin überzeugt, daß ihm auch die Steuerreform in vielerlei Hinsicht nicht gepaßt hat. Er hat es ja zum Ausdruck gebracht, und diese oder jene Kritik mag berechtigt gewesen sein. Aber er hat die Steuerreform nicht angegriffen, weil er es hier mit dem Steuerzahler zu tun hat.
Auf der anderen Seite hat er es nur mit dem Bund zu tun, d. h. mit einem staatsrechtlichen Verhältnis, das in den Augen der Bevölkerung doch nicht diesen, sagen wir einmal: ersten Rang besitzt wie der Kaufkraftentzug durch Steuern und ähnliche Maßnahmen. Also hier muß sicherlich ein gewisser Wandel geschaffen werden.
Ich glaube also, feststellen zu können, daß das Verhältnis von Bund und Ländern tatsächlich einer Änderung bedarf. Wenn sie nur langsam vollzogen werden kann, dann eben langsam; aber es muß entschieden etwas getan werden, auch im Interesse der vorhin zitierten und viel berufenen Sparsamkeit der öffentlichen Verwaltung. Man kann diesem
Bundeshaushalt den Zug zur Sparsamkeit wirklich attestieren. Ob man das allen Haushalten und insbesondere gewissen Einzelhaushalten der Länder gegenüber zu tun berechtigt ist, wage ich in erhebliche Zweifel zu ziehen, und zwar aus eigener Erfahrung und Kenntnis der entsprechenden Verhältnisse.
Die Relation von Bund und Ländern wird also in Zukunft etwas häufiger kritisch betrachtet werden müssen, und zwar im Lichte der Öffentlichkeit.
Noch etwas anderes ist letztlich auf dem Gebiet des Haushalts- und Finanzwesens nicht unwesentlich. Das ist das Verhältnis von Bundestag und Exekutive. Sie sehen ja auch jetzt wieder, daß die entscheidenden Unterlagen wie die allgemeinen Haushaltsvorbemerkungen mit ihrem großen sachlichen Gewicht in dieser Haushaltsdebatte noch nicht einmal recht behandelt werden können, weil einfach noch keine Zeit da war, sich mit diesen 557 Seiten zu beschäftigen. Ob in Zukunft sehr viel mehr Zeit da sein wird, ist fraglich. Hier haben die Spezialisten der Exekutive natürlich die Vorhand. Ich meine, auch wieder im Interesse beider Seiten — damit nämlich das Rad nicht umschlägt — sollte man doch dazu übergehen, vielleicht schon bei den Anfängen der Bearbeitung eines neuen Haushalts jenes System anzuwenden, das es früher einmal in den Vereinigten Staaten gegeben hat und das dann von einigen anderen Staaten übernommen worden ist und, soviel ich weiß, hier und da noch heute existiert, nämlich jenes System, von vornherein auch mit gemischten Kommissionen der Exekutive und des Bundestags an die Arbeit der Vorbereitung des Haushalts heranzugehen. Denn wenn einmal diese Vorbereitung abgeschlossen ist, dann ist nur noch verhältnismäßig wenig, wenigstens im Grundsätzlichen, zu tun.
Ich möchte zum Schluß noch auf ein Politikum hinweisen, das mir immer noch nicht genügend beachtet zu sein scheint, obwohl überall darüber zu lesen ist und man immer wieder davon spricht. Das ist das Prinzip der Öffentlichkeit im Haushaltsund Finanzwesen. Vor etwa 100 Jahren hat es eine Preußische Kabinettsordre gegeben, in der der Grundsatz steht, daß Öffentlichkeit in Finanzsachen mit Verstand zu üben sei,
und unnötige Publizität sei allemal vom Übel. Das ist der Standpunkt des Obrigkeitsstaates. Ich glaube, hier liegt der kennzeichnende Gegensatz zwischen dem Obrigkeitsstaat und dem freien Staat der Demokratie. Gerade an diesem Grundsatz der Öffentlichkeit des Finanz- und Haushaltswesens kann man das Wachstum des demokratischen Staates im 19. Jahrhundert deutlich beobachten. Aber dieser Grundsatz der Öffentlichkeit steht leider heute in weitem Umfang auf dem Papier. Denn wer liest diese 557 Seiten der Allgemeinen Vorbemerkungen, und wer wagt es, in die Zahlen- und Sachfülle der Einzelhaushalte auch eben nur von außen einzugehen oder gar hineinzutauchen in diese ziemlich undurchsichtige und von manchem als trübe gefürchtete Flut?
Eine Öffentlichkeit also in einem echten politischen Sinne ist nicht gegeben. Das Problem ist: Wie bringt man es fertig, die Publizität, die formal gewahrt ist, nun zu paaren mit einer entsprechenden
Popularität des Haushalts. Auf diese Popularisierung scheint es mir nicht. unwesentlich deshalb anzukommen, weil sie allein nämlich dem Staatsbürger aufzuzeigen vermag, was der Staat an Aufgaben erfüllt. Und wenn Sie von einem erschütterten Vertrauensverhältnis zwischen Steuerzahler und Staatsbürger auf der einen und dem Staat auf der andern Seite reden, — wiederherstellen können Sie das Vertrauen nur durch eine rückhaltlose Offenheit, und zwar durch eine Offenheit nicht nur für Fachleute und Experten, sondern eine Offenheit, die wirklich populär ist. Ich bin überzeugt, daß auf diesem Gebiet etwas getan werden kann.
Es gibt einige kleine Schriften, die sehr lesenswert und im guten Sinne populär sind. Ich denke etwa an die „Haushaltsfibel" von Kurt Heinig. Ich denke aber auch daran, daß der Bundesminister der Finanzen in den letzten Monaten und Wochen wiederholt eine sehr spitze und auch sehr wirksame Feder geführt hat, als es galt, die Angriffe gegen seine Finanz- und insbesondere seine Steuerpolitik abzuwehren. Da hat er in allen möglichen großen öffentlichen Organen gezeigt, daß man eben auch als Finanzminister und an der Spitze eines Verwaltungsapparats, dem man im allgemeinen nur Trockenheit nachsagt, doch publizistisch wirksam auftreten kann. Ich glaube, diese Hinweise haben doch — das beweisen die mehr oder minder erregten Entgegnungen — mindestens die Öffentlichkeit angerührt, sie haben gezeigt, wie wichtig diese Fragen sind. Wäre es nun nicht möglich, die gleiche spitze Feder auch auf dem Gebiete des Haushalts und der Popularisierung jener wichtigen Grundfragen unseres ganzen öffentlichen Lebens einmal anzusetzen? Ich glaube, hier könnte ein Fortschritt im Sinne eines wachsenden Staatsvertrauens vollzogen werden.
Ich darf vielleicht eine kleine Erinnerung einfügen. Nicht nur das Militär, nicht nur ,die Diplomatie und nicht nur das Kulturleben haben ihre großen Namen und ihre großen Meister gehabt. Man vergißt sehr oft, daß auch die Finanzpolitik in ihrer Geschichte solche großen Namen aufzuführen hat. Man wird ja eigentlich auf Schritt und Tritt daran erinnert, auch wenn man sich diesen unseren gegenwärtigen Haushalt ansieht. Der von meinem verehrten Kollegen Dresbach so hoch geschätzte und auch von mir sehr geschätzte Alte Fritz, also König Friedrich ,der Große von Preußen, pflegte —er war daran sehr interessiert — den gesamten Haushalt seines Staates in Taschenformat auf seinen Reisen und Feldzügen in der Tasche mit sich zu führen. Wenn ich mir nun die Bücher, die wir am Montag in die Hand gedrückt bekommen haben, ansehe, dann glaube ich nicht, daß es irgend jemand von uns fertigbringt, sie ohne erhebliche Sachbeschädigung in eine seiner Rocktaschen hineinzuzwängen. Das kennzeichnet den Wandel der Zeiten.
— Ja, er hatte es vielleicht einfacher. Aber Sie müssen bedenken, daß er allein verantwortlich war für die zahllosen Fragen des ganzen Staatswesens, die doch auch damals auftauchten, und daß er sozusagen sein eigener Finanzminister war.
— Nein, das wollen wir natürlich nicht. Aber trotzdem werden Sie mir zugeben, daß der Zug der Einfachheit, der Sparsamkeit und der Beherrschung seines Haushalts ,ein sehr erfreulicher Zug für einen Regenten ist.
Nun, auch Einfachheit ist zu allen Zeiten gefordert worden, und zwar von Männern, die etwas von dieser Sache verstanden. Ich erinnere z. B. an Colbert, an den Schöpfer der französischen Wirtschaft und langjährigen Leiter der französischen Finanzpolitik, der gesagt hat, man müsse das Finanzwesen eben so einfach machen, daß es für jeden verständlich ist. Ich glaube nun nicht an die Verwirklichung dieser Forderung; aber ich meine, daß man sich trotzdem ein solches Ideal setzen sollte, um nämlich überhaupt auf diesem Wege fortzuschreiten. Ich meine, daß eine echte Öffentlichkeit, eine wirkliche Popularität der großen Fragen allein die Verwurzelung dieser entscheidenden Fragen in der Bevölkerung zu bewirken vermag. Das, glaube ich, wird doch die Grundlage für unsere ganze politische Tätigkeit sein, die wir in den nächsten Jahren auszuführen haben. Gerade deshalb möchte ich am Schluß meiner Ausführungen noch einmal so betont die Forderung aufstellen, nun wirklich nicht nur öffentlich, sondern auch populär zu sein und die großen Fragen klarzumachen. Daß die Popularität des Haushalts und des Finanzwesens bisher sehr weit gedrungen ist, wird niemand sagen wollen, der sich heute die Regierungsbank, die Bank des Bundesrates oder die leeren Bänke des Hauses selbst betrachtet. Auch das scheint mir ein schlagender Beweis für einen gewissen notwendigen Wandel der Methoden zu sein, den ich hiermit empfehlen möchte.