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ID0205900200

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    2. Deutscher Bundestag — 59. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Dezember 1954 3005 59. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. Dezember 1954. Geschäftliche Mitteilungen . . . 3005 B, 3017 B Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 128 betr. kriminalpolizeiliche Durchsuchung der Wohnung des Senators a. D. Dr. Klein in Bonn (Drucksachen 968, 1065) 3005 C Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 (Haushaltsgesetz 1955) (Drucksache 1100) 3005 C Schoettle (SPD) 3005 C Dr. Vogel (CDU/CSU) 3017 B Dr. Blank (Oberhausen) (FDP) . . . 3028 D Dr. von Merkatz (DP) 3033 A Unterbrechung der Sitzung . 3038 B Dr. Eckhardt (GB/BHE) 3038 D Ritzel (SPD) 3043 D Niederalt (CDU/CSU) 3052 D Dr. Dresbach (CDU/CSU) 3058 A Dr. Gülich (SPD) 3060 B, 3066 A Dr. Luchtenberg (FDP) . . 3064 A, 3066 A Krammig (CDU/CSU) 3067 B Bauknecht (CDU/CSU) 3069 C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 3073 C Überweisung an den Haushaltsausschuß 3075 D Nächste Sitzung 3076 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
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    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Herwart Miessner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Der Präsident hat für zwei Tage Urlaub erteilt den Abgeordneten Pelster, Dr. Werber, Finckh, Hilbert, Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn), Brandt (Berlin) und Frühwald.
    Der Präsident hat für einen Tag Urlaub erteilt den Abgeordneten Dr. Orth, Dr. Pohle (Düsseldorf), Frau Welter (Aachen), Dr. Höck, Bettgenhäuser, Häussler, Maucher, Jacobs, Kühlthau, Berendsen, Geiger (München), Dr. Reichstein und Scheel.


Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 7. Dezember 1954 die Kleine Anfrage 128 der Fraktion der SPD betreffend Kriminalpolizeiliche Durchsuchung der Wohnung des Senators a. D. Dr. Günter Klein in Bonn — Drucksache 968 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1065 vervielfältigt.
Ich rufe auf den einzigen Punkt der heutigen Tagesordnung:
Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 (Haushaltsgesetz 1955) (Drucksache 1100).
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Erwin Schoettle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren, — soweit Sie hier versammelt sind!

    (Heiterkeit.)

    Die Aussprache in der ersten Beratung des Bundeshaushalts 1955 scheint, wenn ich nach den Anzeichen urteilen darf, dasselbe Schicksal zu haben wie die Haushaltsdebatte in diesem Hause in den vergangenen Jahren.

    (Abg. Dr. Vogel: Leider!)

    Ich hoffe, daß sich das im Laufe des Tages noch ändern wird, und vielleicht kann ich einiges dazu beitragen.
    Ich möchte meine Ausführungen als Vertreter der sozialdemokratischen Opposition beginnen, indem ich mich ,den Wünschen anschließe, die Herr Staatssekretär Hartmann gestern dem Herrn Bundesfinanzminister ausgesprochen hat, den Wünschen auf eine baldige und vollkommene Genesung und eine baldige Rückkehr in sein Amt.

    (Beifall im ganzen Hause.)

    Ich bitte, das nicht nur als parlamentarische Courtoisie zu betrachten, sondern als den Ausdruck ernster Sorge. Der Herr Bundesfinanzminister wird vermutlich in den kommenden Wochen und Monaten seine ganze Kraft und Gesundheit notwendig haben, um die Probleme zu behandeln, die an ihn, an sein Ressort herantreten.
    Meine Damen und Herren, was wir gestern hier erlebt haben, die Rede des Herrn Staatssekretärs, war in gewisser Hinsicht ein Novum. Daß der Bundesfinanzminister krank werden kann, ist etwas, was man menschlich und aus der Situation heraus verstehen kann. Das passiert eben. Aber es ist nicht gewöhnlich, daß dann für die Einbringung des Bundeshaushalts einfach der Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen einspringen muß, — ein Beamter, dessen Qualitäten wir schätzen, der aber gegenüber dem Hause keine parlamentarische Verantwortung hat. Ich glaube, es ist eine Frage des parlamentarischen Stils von nicht geringer Bedeutung, ob in einem solchen Falle einfach der höchste diensttuende Beamte im Finanz-


    (Schoettle)

    ministerium oder ein parlamentarisch verantwortlicher Minister, wenn nicht gar der Herr Bundeskanzler selbst den Haushalt formal hier einbringt.

    (Abg. Dr. Gülich: Sehr richtig!)

    Ich glaube, man sollte sich das doch einmal überlegen. Die Sache ist geschehen. Was ich ausspreche, ist nicht im geringsten etwa ein Tadel an dem Herrn Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Es ist einfach die Feststellung eines — nach meiner Auffassung — Stilfehlers, den man nicht machen sollte; denn schließlich ist der Bundeshaushalt ein so umfassendes Gesetzgebungswerk, daß man wünschen müßte, daß die Gesamtverantwortung für dieses Gesetzgebungswerk, mit dem sich der Bundestag nun monatelang zu beschäftigen haben wird, auch von den parlamentarisch wirklich verantwortlichen Persönlichkeiten übernommen würde.
    Schließlich hat es ja schon im Kabinett — ich will von den Auseinandersetzungen auf der Ressortebene hier gar nicht sprechen; das ist eine Sache für sich—um die Verabschiedung dieses Haushaltsplanentwurfs für das Jahr 1955 einen heftigen Konflikt gegeben, wie wir alle aus der Presse wissen. Am 27. Oktober dieses Jahres hat der Herr Bundesfinanzminister sogar mit seinem Veto drohen müssen, weil offenbar Kabinettskollegen mit ihren Forderungen so weit gegangen sind, daß er glaubte, es unter keinen Umständen verantworten zu können. Es ist ein nicht ganz gewöhnlicher Vorgang, daß sich der Bundesfinanzminister schon auf der Kabinettsebene mit dem Einspruchsrecht, das ihm nach dem Grundgesetz zukommt, zur Wehr setzen muß. Am Tag darauf waren bekanntlich alle Zeitungen voll mit Krisenmeldungen.
    Wenn schließlich auch dieser Krach im Kabinett beigelegt worden ist — vermutlich durch die Autorität des Herrn Bundeskanzlers —, so hätte es sich doch gehört — und das möchte ich nochmals wiederholen —, daß das Produkt dieser Auseinandersetzung vom Chef selbst vertreten worden wäre, wenn der Herr Bundesfinanzminister es nicht konnte. Wir sind bescheiden geworden; wir begnügen uns mit dem Herrn Staatssekretär. Wir mußten uns begnügen, aber den Stil verbessern wir dadurch nicht im geringsten.
    Der Herr Staatssekretär hat gestern seine Rede mit einer Bemerkung geschlossen, die ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten im vollen Umfang zitieren möchte. Er sagte:
    Wir sind gewiß aus den Vorjahren an mancherlei Schwierigkeiten zunächst sehr sicher erscheinender Planungen gewöhnt. Aber diesmal besteht doch wohl in weitesten Kreisen das Gefühl, daß auf die deutsche Finanzwirtschaft Probleme zukommen, die nur mit einem hohen Maß volkswirtschaftlichen Weitblicks, mit Tatsachensinn und mit Verantwortungsbewußtsein gemeistert werden können.
    Ich glaube, daß man das Gefühl, von dem der Herr Staatssekretär gesprochen hat, nicht nur gegenüber den Problemen der Finanzwirtschaft haben sollte. Wir alle hätten jeden Grund, die Fragen unserer gesamten politischen Existenz als Staat, als Nation in allen ihren Aspekten nüchtern und ohne Illusion zu betrachten.
    Die Haushaltsberatungen sind im allgemeinen in diesem Haus nicht zu den Gegenständen zu rechnen, die großem und umfassendem Interesse begegnen. Das Zahlenwerk, das ihre Grundlage ist, erscheint zu kompliziert für viele, als daß man sich damit eingehend beschäftigte, zu undurchsichtig, als daß es dieselbe Aufmerksamkeit beanspruchen könnte wie etwa außenpolitische Auseinandersetzungen. Leider hat es auch die geschichtliche Entwicklung der Parlamentsdebatten mit sich gebracht, daß die Haushaltsdebatten selbst nicht mehr denselben umfassenden Charakter haben, der sie zum Beispiel im alten deutschen Reichstag zum parlamentarischen Höhepunkt des Jahres machte und der in anderen Parlamenten ebenso einen Höhepunkt der parlamentarischen Tätigkeit begründet. In alten Protokollen kann man feststellen, daß sich früher an den einzelnen Haushaltsplänen für die Ministerien Auseinandersetzungen entwickelten, in denen der ganze weite Umfang der Staatspolitik erörtert wurde. Heute folgen sich die parlamentarischen Debatten über die Hauptprobleme der Politik so dicht auf dem 170e, daß bei den Haushaltsdebatten nichts als ein Wiederkäuen übrigbliebe oder aber die Vorwegnahme von Gesprächsthemen, die bereits im Zeitplan des Parlaments — um in der heute üblich gewordenen Sprache zu reden —„verplant" sind.

    (Abg. Dr. Dresbach: Herr Schoettle, sehen Sie mal die schöne leere Bundesratsbank da!)

    — Ich habe meine Gedanken über die Teilnahme des Bundesrats an den Arbeiten des Bundestags, die mit Ihren, Herr Dr. Dresbach, durchaus übereinstimmen.

    (Abg. Mellies: Herr Dresbach, gucken Sie auch mal zur Regierungsbank!)

    — Ich hatte bisher noch keine Gelegenheit, mich nach dieser umzuwenden; aber ich kann Ihren Feststellungen nur beipflichten, Herr Kollege Mellies.
    So werden wir uns also bei dieser ersten Beratung des Bundeshaushalts für das Haushaltsjahr 1955 in der Wahl der Themata gewissen Beschränkungen unterwerfen müssen. Dem Zug der Zeit folgend werden wir nicht die große und die kleine Welt durchschweifen und das Alphabet der großen Politik buchstabieren können. Wir werden auf der andern Seite in diesem Stadium auch nicht allzutief in die Einzelheiten des Haushaltsplans hineinsteigen können, obwohl diese Einzelheiten einer gründlichen Durchleuchtung bedürfen. Ich bin aber überzeugt, daß das entweder, soweit die sozialdemokratische Opposition in Frage kommt, noch von meinen beiden als weitere Debatteredner vorgesehenen Kollegen besorgt wird oder aber im Haushaltsausschuß und in der zweiten und dritten Lesung.
    Die ganze Anlage dieser Debatte macht es nahezu unmöglich, die Licht- und Schattenseiten des Haushaltsplans gründlich zu analysieren. Bedenken Sie, meine Damen und Herren, unter welchem Zeitdruck wir auch diesmal wieder stehen, Zeitdruck im wahrsten Sinne des Wortes, auch für das Parlament und seine erste Aussprache über den Bundeshaushalt. Zwischen der Rede des Herrn Staatssekretärs und dem Beginn dieser Debatte liegen ganze 16 Stunden. Schließlich müssen ja die Abgeordneten, die hier die Aufgabe haben, sich mit den Themen auseinanderzusetzen, auch noch ein ganz klein wenig schlafen, und die Vorbereitung der Reden — ich weiß das von den übrigen Kollegen, die dann nachher auf mir herumhacken können — nimmt ja auch einige Zeit in Anspruch.


    (Schoettle)

    Wir haben zudem, wie Sie wissen, die Allgemeinen Vorbemerkungen, auf die ich noch zu sprechen kommen werde, mit ihrem Umfang von 557 Seiten selbst als sogenannte Haushaltssachverständige im Bundestag erst am Montag, sofern wir schon hier waren, in unseren Fächern gefunden. Es ist angesichts des Umstandes, daß auch die übrigen parlamentarischen Geschäfte besorgt sein wollen, völlig ausgeschlossen — und kein Mensch kann das erwarten —, diese Fülle des Materials in so kurzer Zeit gründlich zu verarbeiten. Ich spreche damit keinen Tadel aus. Jeder weiß, daß die Herren des Bundesfinanzministeriums in den letzten Monaten eine große Arbeit geleistet haben. Es ist schließlich schon ein Fortschritt, daß wir um diese Zeit des Jahres den Haushaltsplan in die erste Beratung nehmen können.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich hoffe nur, daß im Zuge der parlamentarischen Behandlung nicht noch aus diesem oder jenem Grunde solche Verzögerungen eintreten, daß die rechtzeitige Verabschiedung vor Ende des Haushaltsjahres nicht möglich ist. Ich gestatte mir in diesem Punkte eine gesunde Skepsis angesichts der Zeitnot, in der sich das Parlament ganz allgemein und die Mitglieder des Haushaltsausschusses im besonderen befinden.
    Meine Damen und Herren, wir alle erinnern uns noch an die vergangenen Jahre mit ihren immer unerträglicher werdenden Verzögerungen in der Einbringung und Verabschiedung der Haushaltspläne. Das ist etwas besser geworden, und man darf sagen: Es ist den gemeinsamen Anstrengungen der Ressorts, insbesondere des Bundesfinanzministeriums, und — das Parlament darf hier auch nicht ganz vergessen werden — auch des Parlaments zu verdanken, daß es sich gebessert hat. So hoffen wir, daß wir immer näher an die normalen Zustände herankommen, die wir alle im Interesse des Ganzen wünschen müssen.
    Die von mir vorhin erwähnten Umstände — Zeit, Brauch, Übung — bringen es mit sich, daß ich mich bei dieser ersten Auseinandersetzung mit dem Bundeshaushalt in erster Linie mit den Fragen beschäftigen muß, die hinter dem Haushalt auftauchen, mit Fragen unserer staatlichen Ordnung, mit dem Problem des politischen Klimas in der Bundesrepublik, mit dem Verhältnis von Regierung und Parlament. Meine Freunde Professor Gülich und Ritzel werden ihrerseits im Verlauf der Debatte spezielle Haushaltsprobleme behandeln.
    Gestatten Sie mir zunächst einige Bemerkungen allgemeiner Art zu Form und Aufbau des Entwurfs. Wir begrüßen es, daß das Bundesfinanzministerium dem Haushalt diesmal ein umfassendes Vorwort beigegeben hat, die Allgemeinen Vorbemerkungen, in denen eine Fülle von Material für die Sachverständigen im Parlament und in der Öffentlichkeit niedergelegt ist. Ein Urteil über die Zahlen, die diese Vorbemerkungen enthalten, muß bis zum genaueren Studium zurückgestellt werden. Ich sagte Ihnen, daß wir erst am Montag dieses Material vorgefunden haben. Daß die Meinungen über solche Zusammenstellungen sehr weit auseinandergehen können, ist bekannt. Wenn es eines Beweises dafür bedurft hätte, dann ist er dieser Tage auch den Abgeordneten dieses Hauses geliefert worden, die vermutlich vom Institut Finanzen und Steuern jene Arbeit mit dem grünen Rand bekommen haben, in der zu der Haushaltspolitik der letzten Jahre Stellung genommen wird. Wie sehr die Meinungen z. B. zwischen dem Bundesfinanzministerium und dem Institut Finanzen und Steuern auseinandergehen, geht aus der Tatsache hervor, daß das Institut im Gegensatz zu der Auffassung des Herrn Bundesfinanzministers, das Haushaltsjahr 1953 sei ein Defizitjahr gewesen, zum genau entgegengesetzten Ergebnis kommt und das Haushaltsjahr 1953 als ein Überschußjahr betrachtet.

    (Abg. Dr. Vogel: War das aber nicht eine Zweckbetrachtung?)

    — Einen Moment, Herr Kollege Vogel! Auch wenn man den Leuten vom Institut Finanzen und Steuern, deren Hintergrund man einigermaßen kennt, zugute halten darf, daß sie beweisen wollen, die Steuersenkungen der vom Bundestag soeben verabschiedeten Steuerreform hätten größer sein können, so kann man ihnen doch nicht den Sachverstand und in der Regel auch nicht eine gewisse Objektivität absprechen.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Ich muß gestehen, daß ich in mancher Hinsicht ebenfalls zu einer gewissen Skepsis gegenüber finanzministeriellen Zahlen neige. Gründe für solche Skepsis gibt es ja auf Grund der Erfahrung in nicht geringer Zahl. Wie gesagt, man wird die Dinge im einzelnen prüfen müssen. Meine Freunde und ich jedenfalls behalten uns in diesem Punkte unser Urteil vor, bis wir auf Grund der tatsächlichen Ergebnisse der Beratungen genau sehen, wo wir halten.
    Ganz besonders möchte ich in den Allgemeinen Vorbemerkungen das Bemühen begrüßen, den Bundeshaushalt in den größeren Zusammenhang dessen hineinzustellen, was man öffentlichen Gesamthaushalt nennen kann; dieser Begriff ist ja in den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs immer wiedergekehrt. Wir sind zwar noch weit entfernt von dem von uns Sozialdemokraten erstrebten Ziel, für den Gesamtbereich unseres öffentlichen Lebens ein Nationalbudget aufzustellen, dessen einzelne Positionen aufeinander abgestimmt und in eine Gesamtpolitik eingeordnet sind. Aber schon der Versuch einer Gesamtschau der finanzwirtschaftlichen Probleme ist begrüßenswert.
    Wir empfinden ferner die Darstellung des Vermögensstandes des Bundes, die in den Allgemeinen Vorbemerkungen diesmal gegeben ist, als einen Fortschritt. Insbesondere wird jener Teil dieser Vermögensaufstellung weitgehendes Interesse f in-den, der die Beteiligung der Bundesrepublik an wirtschaftlichen Unternehmen des öffentlichen und des privaten Rechts im einzelnen darstellt. Auf den ersten Blick erscheint dieses Vermögen als eine gewaltige Kapital- und Wirtschaftsmacht in öffentlicher Hand. In den letzten Jahren ist immer wieder von gewisser Seite mit wachsender Lautstärke die Privatisierung der wirtschaftlichen Unternehmungen der öffentlichen Hand gefordert worden. Der Bund der Steuerzahler, der allmählich ein fester Begriff in unseren Auseinandersetzungen geworden ist, hat sich die Mühe gemacht, in einer großen Publikation den Nachweis zu erbringen, daß der Herr Bundesfinanzminister der Herr über das gewaltigste Wirtschaftspotential unserer Zeit sei. Die Kosten für diese Publikation dürften wohl kaum vom Bund der Steuerzahler, sondern von bestimmten Interessenten aufgebracht worden sein.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)



    (Schoettle)

    Aber das ist eine Sache, die der Bund der Steuerzahler mit sich selbst ausmachen soll.
    Wir Sozialdemokraten haben bestimmt keinen Grund, den Herrn Bundesfinanzminister und die Bundesregierung in diesem Punkt politisch zu decken. Wir hätten auch keinen ersichtlichen Grund, die leitenden Herren aus dem Bundesfinanzministerium, dem Bundeswirtschaftsministerium und anderen Ressorts zu verteidigen, die in ihrer Eigenschaft als Beamte in den Aufsichtsräten der Unternehmungen sitzen, an denen der Bund entweder beteiligt oder deren Eigentümer er ist. Sie tun, was ihres Amtes ist. Wir finden es nur etwas demagogisch, wenn man diesen Herren genau so wie gewissen großen Tieren in der Privatwirtschaft die Zahl der Aufsichtsrats- und Vorstandsposten vorrechnet, die sie im Interesse des Bundes wahrnehmen. Worum es hier geht, ist das Prinzip selbst, und dazu muß ich einige Bernerkungen machen.
    Es ist die Frage, ob die öffentliche Hand Vermögenswerte, die im Laufe der Zeit durch geschichtliche Umstände, durch wirtschaftliche Krisen und Konjunkturschwankungen — wir kennen ja alle die Vorgänge, die sich in den letzten Jahrzehnten auf diesem Gebiet abgespielt haben — in ihre Hand geraten sind, abstoßen soll, unter welchen Bedingungen sie das im einzelnen tun darf und ob sie überhaupt nicht über Besitz an werbenden und erzeugenden Anlagen verfügen soll. Nebenbei gesagt, meine Damen und Herren, ein Teil der Forderungen nach Privatisierung von Vermögensteilen der öffentlichen Hand entspringt dem naiven Glauben, daß durch einen Ausverkauf die steuerliche Belastung wesentlich und auf die Dauer gesenkt werden könnte. Sachverständige,
    3) denen man Glauben schenken darf, haben errechnet, daß die Vermögensteile des Bundes, die im günstigsten Fall zu erträglichen Bedingungen veräußert werden könnten, einen Erlös von rund 2 Milliarden DM erbringen würden. Wenn Sie sich das Haushaltsvolumen eines einzigen Haushaltsjahres ansehen, wenn Sie sich überlegen, welche gewaltigen Belastungen im Laufe der nächsten Jahre wahrscheinlich auf uns zukommen werden, und wenn Sie sich z. B. überlegen, welche Steuersenkungen durch die kürzlich erfolgte Steuerreform erreicht worden sind, dann werden Sie zugeben, daß, gemessen an diesen gewaltigen Summen, ein Betrag von rund 2 Milliarden wahrscheinlich ein Tropfen auf einen heißen Stein wäre, der in dem Moment verdunstete, in dem er auf den Stein fiele.
    Aber ganz und gar nicht könnte man aus dem Verkauf des Bundesvermögens auch nur annähernd jene Summen gewinnen, die notwendig wären, um gewisse illusionäre Wünsche zu befriedigen, die da und dort geäußert werden und die auch in diesem Hause Verfechter gefunden haben, wonach nämlich die Verbindlichkeiten des ehemaligen Deutschen Reiches, die uns das bankrotte Naziregime hinterlassen hat, im Wege des Ausverkaufs von Bundes- und ehemaligem Reichsvermögen auch nur teilweise befriedigt werden könnten.

    (Sehr richtig!)

    Herr Staatssekretär Hartmann hat gestern Angaben über den Umfang der Reichsverbindlichkeiten gemacht und ihre Höhe unter Abstrich der verbrieften Verbindlichkeiten, die in öffentlicher Hand oder in der Hand von öffentlichen Bankinstituten
    sind, auf rund 18 Milliarden Reichsmark verbriefter Verbindlichkeiten und 400 Milliarden nicht verbriefter Verbindlichkeiten beziffert. Wenn schließlich auch die von ihm genannten 200 Millionen für das Kriegsfolgenschlußgesetz noch nicht das letzte Wort zu sein brauchen, so steht doch eines fest: der Ausverkauf des Bundeseigentums ist weder für die Befriedigung der Gläubiger des ehemaligen Deutschen Reiches noch für die Senkung der Steuerlasten ein taugliches Mittel. Man wird im einzelnen untersuchen müssen, ob gewisse Unternehmungen oder Beteiligungen in der Hand des Bundes nützlich und vertretbar sind. Auf keinen Fall aber darf der Verkauf von Vermögenswerten der öffentlichen Hand etwa zur Bereicherung privater Kauflustiger führen.

    (Beifall. — Abg. Dr. Gülich: Das ist doch der Kern der Wünsche!)

    — Genau darauf wollte ich hinaus, Herr Kollege Gülich, denn das Interesse an dem Vermögen des Bundes und dem ehemaligen Reichsvermögen entspringt ja in der Regel nicht der Sorge darum, daß sich die öffentliche Hand etwa mit ihr nicht zukommenden Aufgaben belasten könnte, sondern nur der Überlegung, wieviel man selber herausschlagen könnte aus dem billigen Erwerb von öffentlichem Eigentum.

    (Beifall links.)

    Absurd erscheint bei näherer Betrachtung auch die Auffassung, daß die Privatisierung von bundeseigenen Unternehmungen oder Beteiligungen zur Beseitigung einer störenden Konkurrenz der öffentlichen Hand gegenüber der privaten Wirtschaft notwendig sei. Die Verflechtung des im öffentlichen Besitz befindlichbn Teils unserer Wirtschaft mit der Privatwirtschaft ist so groß und, wenn wir recht berichtet sind, auch die Übereinstimmung zwischen dem Leiter unserer offiziellen Wirtschaftspolitik auf der einen und den Herren von der Industrie auf der anderen Seite — man braucht ja nicht gerade an die Auseinandersetzungen über das Kartellgesetz zu denken —, daß eigentlich schon deshalb kein Grund zu Konkurrenzbefürchtungen für die Privatwirtschaft bestehen müßte.
    Auf alle Fälle möchte ich hier eindeutig sagen, daß wir Sozialdemokraten uns ganz entschieden den Privatisierungsabsichten gewisser Kreise widersetzen werden. Ich möchte hinzufügen: wir hoffen inständig, daß wir dabei in diesem Hause zahlreiche Bundesgenossen, vor allem bei der größten Regierungspartei, finden werden.

    (Beifall bei der SPD. — Zustimmung in der Mitte.)

    Im übigen aber, meine Damen und Herren, erscheint es uns überhaupt notwendig, daß das Parlament -in stärkerem Maße, als das bisher der Fall war, an den Entscheidungen über Vermögensteile des Bundes mitwirkt. Die gegenwärtige Rechtslage ist, um das Mildeste zu sagen, unklar; sie ist mindestens insofern unbefriedigend, als sich die Exekutive auf den Standpunkt stellt, daß eine Mitwirkung des Parlaments keine Rechtsgrundlage habe. Leider sind die Bemühungen, durch parlamentarische Ausschüsse oder Unterausschüsse eine intensivere Beschäftigung mit den Problemen des Bundesvermögens zu erreichen, bis jetzt ebenfalls noch nicht sehr weit gediehen. Widerstände der verschiedensten Art haben bisher verhindert,


    (Schoettle)

    daß diese Ausschüsse, die ja bekanntlich vom Bundestag eingesetzt worden sind, an die Arbeit gehen konnten. Ich hoffe sehr, daß dieser Zustand demnächst überwunden wird und die zuständigen Ministerien — auch das ist eine Voraussetzung erfolgreicher Arbeit — in vollem Umfang ihre Mitarbeit zur Verfügung stellen.
    Zum Thema Aufbau des Haushaltsplans gehört die Feststellung — eine kleine, erfreuliche Feststellung —, daß für die Versorgungsaufwendungen des Bundes ein neuer Einzelplan eingerichtet worden ist, der Einzelplan 33. Für die Öffentlichkeit ist es sicher nicht ohne Interesse, daß für die Versorgung der Bundesbeamten, für Versorgungslasten, die nach dem Zweiten Überleitungsgesetz auf den Bund übergegangen sind, und für die Versorgung der 131er insgesamt 1,3 Milliarden DM notwendig sind, wobei allein auf die Durchführung des 131er-Gesetzes in diesem Haushaltsplan rund 1,2 Milliarden DM entfallen Ich sage das ohne jede kritische Note. Ich finde es gut, daß wenigstens auf diesem Gebiete ein Schritt zur Verdeutlichung des Bundeshaushalts gemacht worden ist. Es ist ein bescheidener Schritt. Ich und meine Freunde wünschten, daß er sehr bald von bedeutungsvolleren gefolgt würde.
    Damit komme ich zu einem meiner Hauptthemen, zu der Forderung nach einer Beschleunigung der längst fälligen Reform der Haushaltsordnung. In den Allgemeinen Vorbemerkungen zum Haushaltsplan 1955 finden Sie auf Seite 206 einen kurzen Abriß des Problems. Er wäre wert, von allen Mitgliedern des Hauses gelesen zu werden, zum mindesten aber von denjenigen, die sich insbesondere für das Haushaltsrecht des Parlaments als des vornehmsten Instrumentes zur Kontrolle der Verwaltung durch die Volksvertretung interessieren. Obwohl ich mir bewußt bin, daß die Erneuerung unseres Haushaltsrechts keine leichte Aufgabe ist, die man einfach über das Knie brechen könnte, so glaube ich doch, aussprechen zu müssen, daß es an der Zeit wäre, aus dem Stadium der Überlegungen und der Expertengespräche herauszukommen.
    Ich würde es insbesondere begrüßen, ja geradezu für notwendig halten, daß an den Vorarbeiten, die hoffentlich schon recht weit gediehen sind, wenn man den Allgemeinen Vorbemerkungen folgen darf, im jetzigen Stadium auch Angehörige derjenigen Institution beteiligt werden, die schließlich ebenso mit dem Instrument einer neuen Haushaltsordnung zu arbeiten haben wird wie die Verwaltung, nämlich Mitglieder des Parlaments. Ich lassé in diesem Fall das Argument nicht gelten, daß die Grenze zwischen Gesetzgebungs- und Verwaltungsfunktion nicht verwischt werden dürfe.
    Eine ketzerische Nebenbemerkung in diesem Zusammenhang: Das Prinzip der Gewaltenteilung wird nach meiner Überzeugung allzuoft als eine Art Kulisse aufgebaut vor jedem Versuch, etwas tiefer in die Praktiken der Verwaltung hineinzuleuchten.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Nicht alles, was man als Gewaltenteilung anspricht, hat in den realen Gegebenheiten unserer Zeit eine Rechtfertigung. Schließlich soll man nicht vergessen, daß der alte Montesquieu als Modell für seine Theorie der Gewaltenteilung einen Fall nahm, den er gar nicht genau kannte, nämlich die englische Verfassungspraxis, und daß aus diesem Irrtum
    eines sonst sicher sehr bedeutungsvollen Mannes manche Dinge entstanden sind, die keineswegs der Entwicklung einer klaren und eindeutigen demokratischen Kontrolle der öffentlichen Verwaltungen dienlich sind.
    Aber zurück zu dem von mir angeschlagenen Gedanken der Mitwirkung von Mitgliedern des Parlaments an den Vorbereitungen für eine neue Haushaltsordnung. Wenn bei vielen Gesetzen auf der Referentenebene schon die Interessentengruppen gehört und eingeschaltet werden, manchmal gar nicht zum Nutzen des Ganzen und auch nicht einmal zum Nutzen der Gesetze, dann sollte es auch möglich sein, in diesem Falle, wo es sich um eines der Fundamente der parlamentarischen Demokratie handelt, einen der vornehmsten und in diesem Falle sicher uneigennützigen Interessenten zu beteiligen: das Parlament selbst. Und zwar sollte das im Wege interner Beratungen geschehen, ehe ein parlamentsreifer Entwurf fix und fertig da ist, mit dem man sich nachher in allen seinen Einzelheiten herumzuschlagen hat. Bekanntlich sind Gesetzentwürfe sehr viel schwerer zu verändern, wenn sie schon einmal fixiert sind, als wenn schon im Vorstadium etwas dazu gesagt werden kann.
    Meine Damen und Herren, ich darf mir erlauben, an dieser Stelle einige Bemerkungen über Sinn und Aufgabe einer solchen Reform zu machen, wie sie sich mir und meinen Freunden darstellt — keineswegs als ein Experte im umfassenden Sinne des Wortes, sondern als ein Mann, der in der Praxis mit den Dingen zu tun hat.
    Der Einzelplan 33, von dem ich vorhin sprach, ist ein simples Beispiel für das, was erstrebt werden müßte. In diesem Einzelplan 33 werden alle für einen bestimmten Zweck erforderlichen Ausgaben zusammengefaßt. So werden sie sichtbar und plastisch, und jeder weiß, was damit gemeint ist. Und das sollte schließlich am Ende aller Bemühungen um eine Erneuerung unseres Haushaltsrechts stehen: eine maximale Durchsichtigkeit und Gemeinverständlichkeit der öffentlichen Haushalte, so daß sie aufhören, für den Staatsbürger ein Buch mit sieben Siegeln zu sein.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir haben zwar in den letzten Jahren da und dort Verbesserungen an der Form des Haushaltsplans durchgeführt, die ihn leichter lesbar machen. Ich will diese Verdienste gar nicht verkleinern. Aber es ist nicht zuviel behauptet, wenn ich sage, daß es sich im wesentlichen doch um Äußerlichkeiten handelt, um kleine Verlagerungen der Gewichte, die das Prinzip selbst gar nicht berühren. Man tritt sicher niemandem zu nahe, wenn man sagt, daß selbst für einen großen Teil der Mitglieder des Hohen Hauses der Bundeshaushalt dadurch noch längst nicht zu einer einladenden Lektüre geworden ist.

    (Heiterkeit und Zustimmung. — Abg. Dr. Dresbach: Ein Courths-Mahler-Roman wird er nie, Herr Schoettle!)

    — Davon bin ich überzeugt, lieber Herr Kollege Dr. Dresbach. Ich bin sogar überzeugt, daß die allerwenigsten Abgeordneten den Bundeshaushaltsplan in ihren Bücherschrank einreihen würden, wenn auch nur, um etwa die Reihe der auf irgendeine Weise erworbenen Bücher noch um ein Beträchtliches zu verlängern, so daß man mit dem Meterstab die Zunahme der geistigen und materiellen Gewichte messen kann.


    (Schoettle)

    Einige stichwortartige Bemerkungen wollte ich zu diesem Thema machen. Wir sollten nach Möglichkeit zu einer Gliederung der öffentlichen Haushalte kommen, die nicht durch die Finanzbedürfnisse der einzelnen Behörden, sondern durch die Zwecke bestimmt wird, für die der Steuerzahler der öffentlichen Hand Mittel aus seinen Einkünften überlassen muß.

    (Abg. Dr. Eckhardt: Sehr richtig!)

    Eine scharfe Trennung zwischen den verschiedenen Funktionen der öffentlichen Ausgaben sollte gefunden werden, so daß klar ersichtlich ist, wofür ausgegeben wird und wie das Verhältnis von Aufwand und Leistung zueinander steht.

    (Abg. Dr. Vogel: Sehr gut!)

    Denn das ist ja heute zu einem erheblichen Teil in den öffentlichen Haushalten gar nicht kontrollierbar, ob einem bestimmten Aufwand auch eine entsprechende Leistung gegenübersteht.

    (Abg. Dr. Vogel: Das ist sogar bei großen Industriekonzernen nicht möglich!)

    — Auch das soll der Fall sein, Herr Kollege Vogel. Aber ich will mich mit diesem Thema heute nicht beschäftigen; vielleicht treffen wir uns da ein andermal.
    Ich kann hier selbstverständlich kein Schema für einen künftigen Bundeshaushalt entwickeln, und es würde auch zu weit führen, wollte ich in Einzelheiten der Reform des Haushaltsrechts einsteigen. Meine Absicht war es, anzuregen und zu drängen, damit die Sache endlich vom Fleck kommt. Ich hoffe, daß wir bei diesem Bemühen die Unterstützung nicht nur dieses Hauses, sondern auch des Bundesfinanzministeriums finden, das ja schließlich an einer Klarstellung und Bereinigung ) der Fundamente interessiert sein muß, auf denen seine eigene Tätigkeit am Bundeshaushalt steht.
    Das Entscheidende wird natürlich immer bleiben, ob das Parlament selbst seine Stellung gegenüber der Regierung nicht nur klar erkennt, sondern diese Stellung, wo sie strittig oder unklar ist, auch verteidigt. Das gilt nicht nur für das Haushaltsrecht, sondern ganz allgemein.
    Ich bedaure z. B. ausdrücklich, daß es nicht möglich war, die Bundesregierung zu veranlassen, nach dem Scheitern des Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft eine parlamentarische Entscheidung über die Verwendung der dadurch freigewordenen Haushaltsansätze im Verteidigungs- und Besatzungskostenhaushalt zu suchen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es war sicher für das Bundesfinanzministerium bequemer, diese Beträge in eigener Zuständigkeit zur Befriedigung von Ansprüchen aus dem außerordentlichen Haushalt zu verwenden, für die man den im Haushaltsgesetz vorgesehenen Weg der Anleihe nicht gehen wollte. Aber es muß auf die Dauer für das Parlament unerträglich sein, wenn im Verwaltungswege über Summen verfügt wird, die in die Milliarden gehen und um deren Haushaltsrechtliche Fixierung es immer wieder heftige Auseinandersetzungen auch hier in diesem Hause gegeben hat. Da müßte beim normalen Verhältnis zwischen Parlament und Regierung die Entscheidung auf der parlamentarischen Ebene gesucht und getroffen werden, selbst wenn sie in der Sache nicht anders aussehen würde als die Verwaltungsmaßnahmen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Ich muß noch mit einem Wort auf die Reform des Haushaltsrechts zurückkommen. Eine entscheidende Schwierigkeit liegt darin, daß wir auf einer Vielzahl von Ebenen öffentliche Haushalte haben. Eine wirkliche Reform müßte erreichen, daß die Haushalte des Bundes, der Länder und der Gemeinden so aneinander angeglichen werden, daß ohne unüberwindliche Schwierigkeiten Querschnittsberechnungen und Vergleiche durch alle diese Haushalte hindurch erfolgen könnten und die Koordinierung der Aufgaben und Ausgaben auch im Bereich des Haushaltswesens erreicht werden könnte. Von anderen Gebieten will ich in diesem Augenblick nicht sprechen. Wir kennen j a alle die Schwierigkeiten, die mit der föderativen Struktur der Bundesrepublik zusammenhängen und die manchmal zu einer Hypertrophie des Föderalismus geführt haben, die dem Ganzen auf keinen Fall nützlich sein kann.

    (Zustimmung bei der SPD und rechts.)

    — Ganz richtig, Herr Kollege Gülich, man kann überhaupt darüber streiten, wer die wahren Föderalisten sind: diejenigen, die immer die Bedeutung und die Souveränität der Teile betonen, oder diejenigen, die der Föderation ihr Recht geben möchten, nämlich dem Zusammenschluß des Ganzen. Bekanntlich hat der Begriff Föderalismus in der amerikanischen Geschichte gerade diese Bedeutung gehabt.

    (Zustimmung bei der SPD und rechts.)

    Ich glaube, meine Damen und Herren, daß wir, wenn wir alle diese Dinge durchführen könnten — in absehbarer Zeit durchführen könnten —, dann sogar, wenn auch nicht in einem alle Begriffe übersteigenden Umfang, aber doch in einem nützlichen Umfang eine gewisse Verringerung des Aufwands der öffentlichen Hand herbeiführen könnten und daß manche doppelte oder dreifache Dotierung einer Aufgabe beseitigt werden könnte, wenn man erst einmal sozusagen auf den ersten Blick feststellen könnte, wo überall für den gleichen Zweck Geld ausgegeben wird. Wir streben ja im Bundeshaushalt selber noch längst nicht mit restlosem Erfolg nach einer klareren Übersicht über die Mittel, die da und dort kleckerweise ausgegeben werden, und jeder, der die Dinge einigermaßen kennt, weiß, an wie vielen Stellen — es handelt sich meistens „nur" um Tausende oder Zehntausende — Mittel ausgegeben werden, die zwar, an der Oberfläche gesehen, durchaus plausibel erscheinen, die aber, wenn man sie genau betrachtet, manchmal nur die Rechtfertigung für eine Referentenstelle darstellen; und weil sie einmal im Haushaltsplan stehen, werden sie nie wieder beseitigt.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wir haben hier einige Aufgaben zu erfüllen, die durchaus, wenn auch nicht eine allgemeine Kostensenkung, aber doch eine Bereinigung des öffentlichen Haushalts herbeiführen könnten.
    Eine wichtige Seite des Problems ist die Herbeiführung einer Übereinstimmung von Haushaltsjahr und Kalenderjahr. Aber dazu ist selbstverständlich ein gleichzeitiger Schritt für alle öffentlichen Haushalte nötig. Die Maßnahme hätte sicher viele Vorteile, vor allem den einen, daß Haushaltsmittel für Investitionszwecke dann wahrscheinlich in den saisonmäßig günstigsten Zeitpunkten zu fließen beginnen würden, während heute genau


    (Schoettle)

    das Gegenteil der Fall ist. Ich denke dabei an
    Schwierigkeiten bei öffentlichen Bauvorhaben, vor
    allem im Straßenbau. Aber das sind nur Beispiele.
    Ein Anliegen, in dem sich vermutlich alle parlamentarischen Haushaltssachverständigen mit der Bundesfinanzverwaltung einig sind, ist die Heranführung des Rechnungsabschlusses eines verflossenen Haushaltsjahres an ein beginnendes Haushaltsjahr. Wir sind in den letzten Jahren mit der Rechnungslegung und -prüfung sehr in Verzug gekommen, aus Gründen, die ich hier im einzelnen nicht auseinanderzusetzen brauche. Sie sind im ganzen auf die Übergangszeit zwischen der zersplitterten staatlichen Ordnung vor 1949 und dem neu entstehenden Bund nach der Wahl des Bundestages im Sommer 1949 zurückzuführen. Aber eines ist sicher: je kürzer die Frist ist, die zwischen dem Rechnungsabschluß für das vorletzte Haushaltsjahr und den Beratungen eines neuen Bundeshaushalts liegt, um so besser sind die Vergleichs- und Kontrollmäglichkeiten für Parlament und Verwaltung. Auch hier ist eine Aufgabe, die das Parlament und seine Ausschüsse gemeinsam mit der Verwaltung zu lösen haben, eine Aufgabe, deren Lösung im Interesse der Funktionsfähigkeit der parlamentarischen Kontrolle liegt.
    Ich komme zu einem anderen Thema. Ein Mann, der in hohem internationalem Ansehen steht, der frühere deutsche Reichstagsabgeordnete Dr. Kurt Heinig, hat dieser Tage den Satz geprägt: Die Budgets allein sagen uns heute nicht die volle Wahrheit darüber, was wirklich wirtschaftlich und sozial in einem Lande vor sich geht. Ich möchte diesen Satz an die Spitze des Teiles meiner Ausführungen stellen, in dem ich mich mit dem Problem der Erforschung der Veränderungen beschäftigen will, die sich im Laufe der großen Ereignisse der letzten Jahrzehnte in unserer Sozialordnung vollzogen haben. Nicht etwa, daß ich hier in eine Untersuchung dieses Problems eintreten wollte — das ginge zweifellos nicht nur über meine Kraft, sondern auch über die Aufgabe dieser Stunde weit hinaus —; ich möchte aber auf folgendes hinweisen: Wer den Bundeshaushaltsplan durchforscht, der findet immer wieder Ausgabeposten für sogenannte Beiräte, eine Erscheinung, die im allgemeinen im verborgenen blüht und nur da und dort einmal sichtbar wird. Es sind beratende Ausschüsse, die bei den einzelnen Ministerien geschaffen worden sind und deren Zusammensetzung je nach dem Zweck und der Absicht teils wissenschaftlich, teils interessenmäßig bestimmt worden ist. Ich will gar nicht bestreiten, daß einzelne dieser Beiräte eine nützliche Aufgabe erfüllen. Sie beraten den Minister; sie erstellen zum Teil Gutachten mit mehr oder weniger Bedeutung und Gewicht. Ihre Aussagen sind meistens für den Chef des Ressorts nicht verbindlich; aber sie tun gelegentlich ihre Wirkung. Ob der Aufwand für diese Beiräte immer durch das Ergebnis gerechtfertigt ist, soll hier gar nicht untersucht werden.

    (Abg. Dr. Dresbach: Es sind doch meistens Professoren! Schlagen Sie auf die doch nicht so los! — Heiterkeit.)

    — Ich sage nichts gegen die Professoren, Herr
    Kollege Dresbach. Ich wünschte nur, daß sie in
    einem viel produktiveren Sinne eingesetzt würden,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wird auch!)

    und darauf komme ich eben. Vor allem natürlich
    habe ich nichts gegen die Herren Professoren hier
    in diesem Hause. Das möchte ich ausdrücklich betonen; denn ich möchte mir nicht gern ewige Feindschaften zugezogen haben.

    (Heiterkeit.)

    Ich sage noch einmal: diese Beiräte haben keine einheitliche Rechtsgrundlage, und ihre Tätigkeit erreicht nur selten jenen Punkt, wo sie gesetzgeberisch tätig werden könnten. Es ist aber eine Tatsache, daß auf weiten Gebieten unserer Sozialordnung ernsthafte Forschungs- und Untersuchungsarbeit mit der Absicht notwendig wäre, einwandfreie Materialien für die Gesetzgebungsarbeit zu schaffen. Es ist nicht möglich, diese Aufgaben durch die Fachministerien bewältigen zu lassen. Ebensowenig können sie unsere Universitäten und wissenschaftlichen Institute trotz vieler Einzelleistungen erfüllen. Diese Arbeit liegt außerhalb ihres Bereichs, und es erhebt sich die Frage: Sollten wir nicht von den Erfahrungen anderer Länder lernen? Die sozialdemokratische Fraktion hat in diesem Hause einmal den Versuch gemacht, die Einsetzung einer unabhängigen Studienkommission zur Vorbereitung einer umfassenden Sozialreform durchzusetzen. Sie ist damit gescheitert, wie Sie alle wissen. Als Ersatz wurde damals auch ein Beirat geschaffen, ein Beirat beim Herrn Bundesminister für Arbeit. Niemand wird behaupten wollen, daß gerade dieser Beirat bisher sehr liche Fortschritte bei der wichtigen Aufgabe der Vorbereitung der Sozialreform erzielt hätte.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Er ist ja auch nur ein Beirat. Die Aufgabe aber bleibt nach wie vor.
    In England haben wir die großartige Einrichtung der Königlichen Kommissionen, die ad hoc für bestimmte Aufgaben eingesetzt werden und deren Gutachten in aller Regel entscheidende Unterlage für Parlamentsakte sind. Es handelt sich um echte Enquête-Kommissionen. Ich stelle in diesem Augenblick weder eine Forderung auf, noch kündige ich einen Antrag an. Ich richte vielmehr einen Appell an die Mehrheit dieses Hohen Hauses, mit der sozialdemokratischen Opposition ins Gespräch über die Möglichkeit einzutreten, unter Bedingungen, die unseren deutschen Verhältnissen angepaßt sind, zu ähnlichen Einrichtungen zu kommen, wie ich sie am englischen Beispiel dargestellt habe.

    (Abg. Dr. Vogel: Da werden Sie durchaus unsere Mitarbeit haben!)

    — Ich freue mich über einen solchen Zwischenruf, Herr Kollege Vogel!' „The proof of the pudding is in the eating!", wie die Engländer sagen.

    (Abg. Dr. Vogel: That's the matter!)

    Wir wollen durch klare Beweise ermitteln, ob eine
    Möglichkeit zu einem produktiven Gespräch über
    die Schaffung solcher Institutionen gegeben ist,
    und niemand würde sich mehr freuen als ich, wenn
    wir auf wesentlichen Gebieten unserer inneren
    Ordnung zu echten, unabhängigen Untersuchungs-
    und Forschungskommissionen kämen, die dem Parlament die Grundlage für seine Entscheidungen
    geben könnten, ohne daß wir befürchten müßten,
    daß Ressortinteressen oder andere Interessen vorher die Untersuchungsergebnisse verfälscht haben.

    (Abg. Dr. Dresbach: Herr Schoettle, wir haben ja den Enquête-Ausschuß Ende der 20er Jahre gehabt! — Abg. Gengler: Nach dem System der englischen Königlichen Kommission!)



    (Schoettle)

    — Das war Ende der 20er Jahre! Reden wir nicht allzuviel von der Vergangenheit, solange die Aufgaben der Gegenwart noch nicht bewältigt sind; denn das, was in der Vergangenheit getan worden ist, ist keine Legitimation für die Versäumnisse des Augenblicks.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich sage das nicht im Tone der Polemik, sondern — bitte, verstehen Sie mich recht — es ist ein ernstes und echtes Anliegen der sozialdemokratischen Opposition, auf diesem Gebiet einen Schritt weiterzukommen, und das kann doch nur geschehen, wenn alle guten Willens sind.

    (Abg. Gengler: Auch bei uns!)

    Ich sage noch einmal: Die Aufgaben sind da. Sie müssen einmal umfassend angefangen und gelöst werden.
    Ich komme nun zu einem Thema, das weithin alle Haushaltsüberlegungen beherrscht, obwohl es im vorliegenden Entwurf kaum eine wesentliche Abwandlung erfahren hat: es sind die Kosten der geplanten Verteidigung. Der Entwurf enthält wie in den vergangenen Jahren 9 Miliarden DM für Verteidigungs- und Besatzungskosten und dazu 186 Millionen DM für Besatzungskosten in Berlin. Es mag eine — ich setze das Wort ausdrücklich in Gänsefüßchen — „realistische" Annahme sein, daß im Haushaltsjahr 1955 auf diesem Gebiet keine neuen größeren Anforderungen an den Bundeshaushalt gestellt werden. Es mag so sein; aber es ist doch trotz der ständigen gegenteiligen Versicherungen allgemeine Überzeugung — ich glaube auch in diesem Hause —, daß damit die Kosten der geplanten Rüstung bei weitem nicht erschöpft sind. Ich will hier nicht eine Debatte über die Pariser Verträge und die Außenpolitik der Bundesregierung entfesseln. Dazu haben wir in der nächsten Woche reichlich Gelegenheit, und der Standpunkt der sozialdemokratischen Opposition in dieser Frage ist hinreichend bekannt.
    Die Frage, um die es hier geht, ist die: wie hoch werden letzten Endes die Gesamtlasten sein, die uns die Rüstung in den nächsten Jahren, abgesehen von der politischen Belastung, auferlegen wird? Man scheint auch im Bundesfinanzministerium hinter den Kulissen nicht so optimistisch zu sein, wie man sich im hellen Bühnenlicht gibt. Dazu ist wohl aller Grund vorhanden, wenn man wirklich nüchtern und ohne Wunschvorstellungen die heutige Haushaltslage mit den Ansprüchen vergleicht, die in der Luft liegen, die bereits deutlich angemeldet oder die zu erwarten sind. Die deutsche Öffentlichkeit wird immer wieder mit Erklärungen beruhigt, daß die gesteigerten Rüstungslasten ohne Steigerung der Steuerlasten und ohne Senkung des Lebensstandards verkraftet werden könnten. Auf diesem Gebiete hat sich ganz besonders der Herr Bundeswirtschaftsminister in den letzten Wochen und Monaten betätigt. Seine Reden in Amerika und in den verschiedenen Landtagswahlkämpfen der letzten Zeit erweckten den Eindruck, daß wir auch noch höhere Belastungen sozusagen aus der linken Westentasche bezahlen könnten.

    (Abg. Frau Döhring: Nur immer drauf! — Abg. Dr. Gülich: Macht Erhard alles!)

    Seinem Kollegen von der Finanz, dem Herrn Minister Schäffer, hat er die Arbeit mit solchen Erklärungen sicherlich nicht gerade erleichtert; denn
    es ist bekannt, daß bei den Vertragspartnern der Bundesrepublik und bei der NATO über die Zahlungsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft auf dem Gebiete der Rüstungs- und Verteidigungslasten ganz andere Vorstellungen herrschen als z. B. bei Herrn Minister Schäffer.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Die Zeitungen sind voll von Meldungen darüber, daß zwischen 111/2 und 13, gelegentlich gar 14 Milliarden DM NATO-Beitrag gefordert werden würden. Die Schätzungen über die Kosten der Erstausstattung für die geplante 500 000-Mann-Armee liegen bei 40 Milliarden DM. Diesen Schätzungen ist kaum jemals ernsthaft widersprochen worden, und man kann sogar sagen, daß sie vermutlich an der unter en Grenze liegen, weil sich ja inzwischen auch einiges auf dem Gebiete der Waffentechnik und ähnlicher Dinge getan hat. Die vielgerühmten amerikanischen Lieferungen von schweren Waffen und Ausrüstungsgegenständen sind, gerade was die Kosten angeht, durchaus strittig. Es mag sein, daß die Amerikaner im Hinblick auf die Bereitwilligkeit der Bundesrepublik Waffen gelagert haben. Aber als kürzlich ein Oberregierungsrat aus dem Bundesfinanzministerium vielleicht etwas voreilig im Bulletin der Bundesregierung von einer amerikanischen Militärhilfe in Höhe von 3 Milliarden Dollar, d. h. 121/2 Milliarden DM schrieb, erfolgte prompt ein sehr deutliches Dementi aus dem State Department. Ich glaube, es ist in diesem Zusammenhang vielleicht ganz gut, sich die Form dieses Dementis wenigstens in der Art klarzumachen, wie es von der „Frankfurter Allgemeinen", also einer doch keineswegs oppositionellen Zeitung, wiedergegeben wurde. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitiere ich diese kurze Meldung, weil sie so interessant und schlüssig ist.
    Im amerikanischen Außenministerium
    — heißt es da —
    sind am Montag
    — die Nachricht ist vom 9. November —
    Meldungen als falsch bezeichnet worden, daß die deutsche Bundesrepublik in den ersten drei Jahren nach der Ratifizierung der Pariser Verträge von den Vereinigten Staaten eine Militärhilfe in Höhe von 3 Milliarden Dollar erhalten werde. Selbstverständlich werde die Bundesrepublik eine beträchtliche Hilfe bekommen, aber man könne von keiner bestimmten Summe reden. Man solle nicht fragen, wie hoch der amerikanische Beitrag sein werde, sondern zunächst einmal feststellen, welche Zahlungen Deutschland selbst leisten könne.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    In diesem Zusammenhang wiesen die Beamten besonders darauf hin, daß die deutsche Wirtschaft gesund sei.

    (Erneutes Hört! Hört! bei der SPD.)

    Man kann sagen, daß wir hier gleich die Quittung für die Reden des Herrn Bundeswirtschaftsministers in Amerika bekommen haben.

    (Sehr wahr! und Beifall bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Er kann ja nicht sagen, die deutsche Wirtschaft sei krank!)



    (Schoettle)

    — Ich habe Ihren Zwischenruf nicht verstanden und möchte deshalb auch nicht darauf eingehen.
    In der vom Standpunkt der Regierung aus wohlmeinenden Presse, auch in der sogenannten Wirtschaftspresse, sind Betrachtungen über das Thema Rüstungskosten erschienen, die aufhorchen lassen, weil sie bisher ganz nüchtern davon sprechen, daß man alles in allem für den Aufbau der Verteidigungsorganisation mit einem Aufwand von rund 100 Milliarden in den ersten drei oder vier Jahren rechnen müsse.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Nimmt man zu den schon erwähnten Zahlen noch die Kosten für die sogenannte Heimatverteidigung hinzu, über deren Organisation und Form zur Zeit in der Öffentlichkeit Diskussionen stattfinden und über die noch vollkommenes Dunkel herrscht, die Kosten eines effektiven Luftschutzes für die Zivilbevölkerung — Ansätze dafür sind überhaupt noch nicht zu finden, sie werden aber auf rund 100 Mil-harden DM beziffert; nach der „Neuen Zeitung", der ehemals amerikanischen Tageszeitung für die deutsche Bevölkerung, rechnet man mit 60 Milliarden DM ohne den Luftschutz und ohne die Heimatverteidigung, was dann auch zusammen auf ungefähr 100 Milliarden hinausläuft —, dann dürften diese Schätzungen insgesamt keineswegs übertrieben sein.
    Hinzu kommt, daß über die sogenannten Stationierungskosten nach dem etwaigen Inkrafttreten der Verträge bei den Partnern der Bundesrepublik ganz andere Auffassungen bestehen als im Bundesfinanzministerium.

    (Zurufe von der SPD.)

    Der Herr Staatssekretär Hartmann hat uns gestern wieder versichert, die Bundesregierung habe sich nur zu Verhandlungen über diese Frage bereit erklärt. Bei einer Debatte im englischen Unterhaus hat der jetzige englische Verteidigungsminister McMillan auf Drängen von Abgeordneten ebenfalls dazu gesprochen. Er versah das Thema mit einem sehr deutlichen Akzent in der Richtung, daß Stationierungskosten weiter gefordert und bezahlt werden müßten.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Hier liegt also auch ein offenes Problem, das die Bundesregierung nicht einfach beiseite schieben kann, weil es schließlich in dem großen Topf, in den die sogenannten Verteidigungs- und Rüstungslasten einmal gehen werden, eine nicht unbeträchtliche Rolle spielt. Die deutsche Öffentlichkeit hat nach der Meinung der sozialdemokratischen Fraktion einen Anspruch darauf, von der Bundesregierung eindeutig, ohne propagandistische Verzerrung nach der einen oder anderen Seite, zu erfahren, wie hoch nach sorgfältigen Berechnungen oder Schätzungen die Kosten der Rüstung und der damit verbundenen Maßnahmen voraussichtlich sein werden.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wenn ich diese Frage in diesem Zusammenhang aufgeworfen und so eingehend behandelt habe, dann geschah das, um die Bundesregierung zu veranlassen, einmal den vielen in der Öffentlichkeit umherschwirrenden Ziffern authentische, amtliche Zahlen gegenüberzusetzen, damit man weiß, woran man ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich möchte noch mit einem Satz auf die — man kann es kaum „Kontroverse" nennen, denn es ist ja kein Zwiegespräch gewesen — auseinanderklaffenden Meinungen zu sprechen kommen, die offenkundig wurden, als Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard in Amerika sprach und der Herr Bundesfinanzminister Schäffer hier in der Bundesrepublik einige Mühe hatte, diese überoptimistischen Meinungen seines Kollegen bezüglich der Tragbarkeit bestimmter Forderungen auf dem Gebiete der Verteidigung und Rüstung zu korrigieren. Man kann da die Frage stellen, meine Damen und Herren: Wer macht denn eigentlich in der Bundesregierung Politik, wenn so offenkundig einander widersprechende Auffassungen von Kabinettsmitgliedern vertreten werden können, Auffassungen, bei denen es sich nicht um Meinungsverschiedenheiten über belanglose politische Tagesfragen handelt, sondern offenkundig um Meinungsverschiedenheiten über recht hohe Beträge, die das finanzielle Gleichgewicht der Bundesrepublik entscheidend betreffen?

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Herr Dr. Erhard traf übrigens — in diesem Zusammenhang sei das auch noch erwähnt — dieser Tage, wenn man der Presse glauben darf, mit dem italienischen Außenhandelsminister in Genf zusammen, um über den Einsatz von 100- bis 200 000 italienischen Arbeitern in der Wirtschaft der Bundesrepublik zu verhandeln. Der Bundesarbeitsminister scheint über diese Nachricht genau so überrascht und verblüfft gewesen zu sein wie die deutsche Öffentlichkeit. Er rückte jedenfalls scharf von diesem Husarenritt des Bundeswirtschaftsministers ab und nahm sich als Hilfstruppe dazu noch die Bundesanstalt in Nürnberg. Die müßte ja schließlich einige Kenntnisse über die Arbeitsmarktlage in der Bundesrepublik haben, die vielleicht bisher dem Bundeswirtschaftsminister vorenthalten worden sind. Es wäre höchste Zeit, daß man ihm diese Zahlen zur Verfügung stellt, damit er nicht noch einmal solche Husarenritte unternimmt.
    Jedenfalls ist das Problem nun einmal in die öffentliche Diskussion gebracht, ob die Arbeitskräfte der Bundesrepublik ausreichen, um die an unsere Wirtschaft herantretenden Anforderungen zu befriedigen, oder ob man wieder dazu übergehen muß, ausländische Hilfskräfte heranzuziehen. Ich brauche nicht zu versichern, daß die Sozialdemokraten keineswegs etwa eine Antipathie gegen italienische Arbeiter haben. Aber hier dreht es sich ja um eine Frage unserer Wirtschafts-, unserer Sozialpolitik, die, wenn sie in der einen oder anderen Richtung gelöst und beantwortet wird, weit-tragende Folgen auch für die deutsche Arbeitnehmerschaft haben kann.

    (Beifall bei der SPD.)

    Und man kann wieder die Frage stellen: Wer
    macht eigentlich die Politik der Bundesregierung?
    Ein ähnliches Kapitel ist im Zusammenhang mit der Diskussion über die Rentenerhöhung in der Kriegsopferversorgung aufgeschlagen worden. Daß die Rentenerhöhung kommen muß, ist wohl allgemeine Überzeugung, und ,die Bundesregierung hat ja auch bereits angekündigt, daß sie eine Ergänzungsvorlage einbringen werde, wenn die Dekkungsfrage geklärt sei. So wäre es zu verstehen, daß der jetzige Entwurf keinen Ansatz für diesen


    (Schoettle)

    Zweck enthält. Aber, meine Damen und Herren, das Stichwort „Deckungsfrage" ruft den Sturm in die Erinnerung zurück, der durch die Öffentlichkeit gegangen ist, als aus dem Bundesfinanzministerium Äußerungen kamen, die das Thema „Dekkung für die Rentenerhöhung in der Kriegsopferversorgung" zum Gegenstand hatten und in denen nicht mehr und nicht weniger angekündigt wurde, als daß die Deckung für diese Rentenerhöhung durch die Einbehaltung von Grundrenten für bestimmte Kategorien von Kriegsopfern gesucht werden solle.

    (Abg. Arnholz: Eisernes Sparen!)

    Wer im Bundesfinanzministerium das ausgeheckt hat, der hat bestimmt keine Ahnung von den fundamentalen Fragen unserer Sozialordnung gehabt, die damit aufgeworfen worden sind,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    daß man in der Kriegsopferversorgung die Bedürftigkeitsprüfung einführen möchte.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, ganze Generationen haben gekämpft — und nicht nur in Deutschland, auch in anderen Ländern — für die Beseitigung dieses unheilvollen Prinzips der Bedürftigkeitsprüfung, das dazu geführt hat, daß soziale Ansprüche in Almosen, in Gnadenakte umgewandelt worden sind.

    (Abg. Arnholz: Sehr wahr!)

    In England hat die Öffentlichkeit jahrzehntelang im Schatten des Kampfes gegen den sogenannten means test gestanden, und ich glaube, auch in Deutschland haben wir auf diesem Gebiet reichliche Erfahrung. Ich möchte im Namen der sozialdemokratischen Opposition ausdrücklich erklären, daß wir jeden Versuch dieser Art mit Erbitterung bekämpfen werden. Hier gilt es, den Anfängen zu wehren. Wir sind nicht dagegen, daß im Zuge einer echten Reform unserer sozialen Einrichtungen Überschneidungen und Ungereimtheiten ausgeräumt werden; aber wir wehren uns mit aller Entschiedenheit dagegen, daß in diesem Zusammenhang oder in irgendeinem anderen ein Weg eingeschlagen wird, der zwangsläufig zurück zum Wohltätigkeits- und Almosenstaat führen muß. Entscheidend bei allen Überlegungen über die Reform unserer sozialen Einrichtungen soll es sein, daß jeder Mensch, jeder Bürger dieses Staates ein Recht hat, das zum Leben Notwendige zu bekommen, so daß die Sicherung des Existenzminimums im Vordergrund aller Versuche stehen müßte, damit die Ordnungen, die geschichtlich gewachsen und durch geschichtliche Katastrophen oft beschädigt und häufig in ihr Gegenteil verkehrt worden sind, wieder ihrem eigentlichen Zweck zugeführt werden können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Man kann auch in diesem Zusammenhang sagen, wenn man an die Stürme der Entrüstung denkt, die der Vorschlag aus dem Bundesfinanzministerium entfacht hat: Wer macht eigentlich die Politik der Bundesregierung?

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ist es irgendein Ministerialrat oder Oberregierungsrat — wobei ich gegen diese Beamtenkategorie kein Wort gesagt haben möchte —, oder sind es die verantwortlichen Männer, die in diesen Fragen entscheidende und für die Öffentlichkeit bestimmte
    Äußerungen tun? Und man kann fragen: Wer verhindert in dieser Bundesregierung solche Pannen,

    (Abg. Dr. Gülich: Der Bundeskanzler jedenfalls nicht!)

    die — auch vom Standpunkt der Opposition — in jedem Betracht unnötig sind?
    Lassen Sie mich, ehe ich mich dem letzten meiner Themen zuwende — dem Klima unserer Innenpolitik —, noch einige Anmerkungen zum Haushalt selbst machen. Wir bedauern ausdrücklich, daß die Bundesregierung in diesem Haushaltsgesetzentwurf keinen Weg gesehen hat, den § 75 der Reichshaushaltsordnung wieder in Kraft zu setzen, wonach Fehlbeträge eines Haushaltsjahrs im übernächsten Haushalt zu veranschlagen sind. Offenbar wollte man sich den papierenen Ausgleich nicht noch durch die Veranschlagung des Defizits von 1953 erschweren. Das ist ein Gesichtspunkt, den das Bundesfinanzministerium zu seinen Gunsten anführen kann, der aber keineswegs über die Tatsache hinweghilft, daß die Suspendierung des § 75 der Reichshaushaltsordnung auf die Dauer unerträglich wird, weil sie die Klarheit des Haushalts einfach nicht ermöglicht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Behauptung übrigens, der Haushalt sei ausgeglichen, ist nicht nur im Hinblick auf den § 75 RHO reichlich kühn. Sie ist auch kühn im Hinblick auf die offenkundigen Tatbestände, die der Haushalt selber darbietet. Wieder, wie in früheren Jahren — ich muß das feststellen —, hinkt dieser Haushalt auf beiden Beinen. Wichtige Elemente des Ausgleichs sind im Streit zwischen Bund und Ländern. Das ist allgemein bekannt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur daran, daß zum Etatausgleich auch die sogenannte Ergänzungsabgabe gehört, die in Höhe von 1,5 % der Einkommen- und Körperschaftsteuer veranschlagt ist, nämlich mit 160,5 Millionen DM. Es ist unsicher, ob das überhaupt Gesetz wird. Das weiß jedermann. Insofern also schon ist der Haushaltsausgleich nur auf dem Papier erzielt. Ein Anteil des Bundes an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 40 % steht im Haushalt. Es ist bekannt, daß die Länder nicht bereit sind, auf diese Linie zu gehen, so daß also auch das durchaus noch im Bereich der Illusionen steht.
    Ich will auf andere Unsicherheitsfaktoren jetzt nicht weiter eingehen. Dazu werden wir noch reichlich Gelegenheit haben. Jedenfalls kann von einem ausgeglichenen Haushalt wirklich nur im Papiersinn gesprochen werden.
    In diesem Zusammenhang möchte ich ganz am Rande einen Hinweis auf die noch immer steigende Zahl der Bundesbediensteten anbringen. Nach den Allgemeinen Vorbemerkungen ist die Zahl der Personalstellen seit 1953, wo sie 53 446 betrug, auf 64 808 in diesem Haushalt, also um über 11 000 Planstellen, gestiegen.

    (Abg. Dr. Vogel: Ja, das ist der Bundesgrenzschutz!)

    — Ich weiß das, und ich werde mit einem Satz darauf zu sprechen kommen. — Die Zahl der Angestellten stieg von 21 571 im Jahre 1953 auf 23 746 in diesem Haushaltsplan-Entwurf, die Zahl der Arbeiter in dem gleichen Zeitraum von 8453 auf 10 003.
    Es ist wahr, das Hohe Haus selbst hat die Vermehrung des Bundesgrenzschutzes um 10 000 Mann


    (Schoettle)

    beschlossen. Das schlägt natürlich zu Buch; das muß sich in diesen Aufstellungen zeigen. Kein Mensch, sofern er einen vom Parlament gefaßten Beschluß als eine bestehende gesetzliche Grundlage für die Handlungen der Regierung ansieht — und das muß man ja wohl tun —, kann daran Anstoß nehmen, daß auf diese Weise die Zahl der Planstellen erweitert wird. Aber im ganzen müssen wir doch klipp und klar sagen — und ich glaube, daß wir damit nicht allein stehen —, daß die Zeit endgültig vorbei sein muß, wo die Bundesbehörden sich noch weiter in die Breite ausdehnen durften.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der anderen Fraktionen.)

    Wir Sozialdemokraten sind weder in den Haushaltsberatungen der Ausschüsse noch im Plenum dieses Hauses jemals der Meinung gewesen, daß eine offenkundige Notwendigkeit nur deshalb nicht vollstreckt werden dürfe, weil sie unbequem wäre. Das gilt auch gegenüber der Schaffung von Stellen, wo die Erfüllung öffentlicher Aufgaben unabweisbar ist. Aber es gibt Grenzen, die das Parlament eindeutig setzen muß. Es ist auf die Dauer nicht möglich, daß man ohne eine genaue Überprüfung der Notwendigkeit bestimmter Aufgaben Planstellen und Mittel bewilligt. Hier muß ein Ende gemacht werden.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich glaube, daß es Sache des Haushaltsausschusses ist — und ich weiß mich da mit vielen Herren aus der Koalition einig —, hier mit allem Bedacht und sehr nüchtern, aber auch sehr rücksichtslos jedem Versuch zu wehren, die Verwaltung auszuweiten und aufzublähen. Schließlich haben wir ja einen Bundesbeauftragten für die Probleme der Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, der seines Amtes waltet. Nur möchten wir manchmal wünschen, daß in seine Überlegungen auch ein etwas moderner Geist hineinkäme, so daß die Rationalität in der Verwaltung gegenüber dem jetzigen Zustand etwas zunähme.

    (Beifall bei der SPD.)

    Da sind viele Dinge historisch geworden; man kann sie nicht von einem Tag auf den anderen beseitigen. Aber man sollte doch das Gefühl haben, daß begriffen worden ist, was eine neue, eine veränderte Zeit an Ansprüchen an die Verwaltung stellt.
    Lassen Sie mich mit einer allgemeinen Überlegung schließen; sie betrifft unser innenpolitisches Klima. Einige Vorgänge der letzten Zeit haben nicht nur uns Sozialdemokraten, sondern auch viele andere Menschen in der Bundesrepublik mit Sorge erfüllt. Ich will nur zunächst einige Symptome nennen, ehe ich zu einer allgemeinen Überlegung komme.
    Da war ein Manöver des Bundesgrenzschutzes. In Zusammenhang mit diesem Manöver — ich selber bin alles andere als militärisch veranlagt; ich habe also nur aus der Presse feststellen können, was sich dabei alles ereignet hat — ist behauptet worden, daß der Kommandeur des Bundesgrenzschutzes in Erklärungen gesagt habe, bei diesen Manövern habe sich erwiesen, daß der Bundesgrenzschutz nicht in der Lage sei, eventuelle Bedrohungen von außen abzuwehren.

    (Zuruf von der FDP: Da hat er recht!)

    — Ja, man soll aber dann nicht von vornherein ein Manöver so anlegen, daß das bewiesen werden kann, was bewiesen werden soll.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das war doch offenkundig bei diesem Manöver der Fall.

    (Abg. Dr. von Merkatz: Dazu brauchen wir gar keine Manöver abzuhalten!)

    — Gut, das könnte man sogar auf dem Papier beweisen, wenn man wollte. Auch dann wäre der Beweis nicht unbedingt schlüssig und akzeptabel, Herr Kollege von Merkatz.

    (Abg. Dr. Dresbach: Herr Schoettle, Sie müssen sich daran gewöhnen: die Militärsachverständigen sitzen auf der rechten Seite des Hauses, davon verstehen Sie nichts!)

    — Herr Kollege Dresbach, ich würde mich dann freuen, Sie nicht auf der rechten Seite des Hauses wiederzufinden.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich bin beinahe dessen sicher, daß Sie nicht zu den Militärexperten gehören. Dazu sind Sie viel zu unmilitärisch.

    (Abg. Dr. Mende: Er war auch einmal Militarist und Leutnant! — Heiterkeit. — Abg. Dr. Dresbach: Ach, Leutnant!)

    — Man weiß, wie man Leutnant werden konnte. Herr Mende, Sie wissen das ja auch.

    (Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Mende.)

    Lassen wir das Thema und kommen wir zum Eigentlichen zurück! Daß der Bundesgrenzschutz von Anfang an im Beweßtsein diesese Hauses keine militärische, sondern eine polizeiliche Funktion hatte, scheint mir auch heute noch nicht vergessen werden zu dürfen. Ob 9s bei manchen Leuten vergessen worden ist, ist eile ganz andere Frage. Auf alle Fälle aber ist es nicht Sache eines Kommandeurs — ich wage nicht zu sagen: eines Truppenkommandeurs; denn beim Bundesgrenzschutz handelt es sich ja um Polizei —, in dieser Art öffentlich Forderungen zu stellen, Wünsche anzumelden usw. Das wäre allein Sache der zuständigen Regierungsstellen.

    (Sehr richtig! bei _der SPD und in der Mitte.)

    Zwar ist dementiert worden, daß der betreffende Herr — ich will seinen Namen in diesem Zusammenhang nicht nennen; ich habe im allgemeinen eine Abneigung gegen die Nennung von Beamten in diesem Hause — solche Äußerungen getan habe, aber die Dementis sind, wie meistens in solchen Fällen, sehr lendenlahm gewesen, sie sind eher eine Bestätigung als eine Verneinung.
    Auf alle Fälle aber möchte ich in diesem Zusammenhang etwas zum Geist im Bundesgrenzschutz sagen. Es ist uns glaubhaft versichert worden, daß der Bundesgrenzschutz in mancher Hinsicht zu alten, keineswegs angenehmen und lieben Gebräuchen der Vergangenheit zurückgefunden habe. Die sozialdemokratische Fraktion hat zunächst darauf verzichtet, diese Frage in Form einer Anfrage auf die Tagesordnung dieses Hauses zu stellen. Ich möchte trotzdem die Frage stellen, ob es der Bundesregierung bekannt ist, daß sich im Bundesgrenzschutz die Gepflogenheit eingebürgert


    (Schoettle)

    hat, daß Offiziere von den ihnen unterstellten
    Beamten in der dritten Person angeredet werden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Dafür, daß ,das möglich ist, meine Damen und Herren, habe ich nicht nur aus dem pseudomilitärischen Bereich des Bundesgrenzschutzes Beweise. Es passiert mir gelegentlich, daß ich im Verkehr mit Ministerialbeamten am Telefon erlebe, daß man sagt: Wie meinen der Herr Abgeordnete?

    (Heiterkeit.)

    Das scheint also noch immer nicht ausgestorben zu sein. Ich möchte sehr deutlich wünschen, daß diese Sklavensprache endlich aus dem Bereich aller öffentlichen Verwaltungen verschwindet.

    (Allgemeiner Beifall. — Abg. Dr. Dresbach: Das ist eine Reaktion gegen den Nationalsozialismus! — Heiterkeit.)

    — Ach so!

    (Abg. Dr. Dresbach: Ja, der hat es doch abgeschafft!)

    — Ja gut, ich bin durchaus bereit, eine solche Erklärung zu akzeptieren. Aber die Tatsache werden weder ich noch Sie, Herr Kollege Dresbach, akzeptieren. Ich kann mir auch nicht gut vorstellen, daß etwa die Bundesregierung eine solche Gepflogenheit, die keineswegs mit der Würde des Menschen zu vereinbaren wäre, billigen würde. Ich könnte mir auch nicht vorstellen, daß sich die Bundesregierung weigern würde, durch den Erlaß entsprechender Dienstvorschriften dafür zu sorgen, daß weder die Mannschaften noch die Offiziere im Bundesgrenzschutz künftig in Versuchung geraten, sich einer solchen würdelosen Anrede zu bedienen oder sie sich gefallen zu lassen.

    (Beifall. — Abg. Dr. Mende: Das ist das Entscheidende: wer sie sich gefallen läßt! — Lebhafte Gegenrufe von der SPD: Nein!)

    — Herr Kollege Mende, ich brauche Ihnen nichts über das Verhältnis von Vorgesetzten und Untergebenen in einer militärischen oder halbmilitärischen Organisation zu sagen, nicht wahr? Sichgefallen-Lassen ist in diesem Falle eine Frage des Taktes der Vorgesetzten.

    (Abg. Dr. Mende: Ja, das ist das Entscheidende, darauf kommt es an!)

    — Gut, wenn wir in diesem Punkte einer Meinung sind, dann können wir auch auf Abhilfe sinnen.

    (Abg. Dr. Mende: Sehr richtig!)

    Aber, meine Damen und Herren, das ist nur e i n Symptom, von dem ich in diesem Zusammenhang reden muß.
    Ich möchte ein anderes nennen, das ebenso beunruhigend und gravierend ist, beunruhigend, weil es eine Haltung gegenüber einem Teil der politischen Kräfte in der Bundesrepublik offenbart, die wir nicht nur auf das tiefste bedauern, sondern mit aller Entschiedenheit bekämpfen müssen. Es ist der Ton, der in politischen Auseinandersetzungen angeschlagen wird. Es ist der Ton, den der Chef der Bundesregierung z. B. im Berliner Wahlkampf gegen die Sozialdemokratische Partei angeschlagen hat.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich glaube, es ist ein Symptom für das schlechte Verhältnis zwischen Regierungsparteien und Oppotion, daß der Chef der Bundesregierung in einem zweifellos etwas erhitzten Wahlkampf in Berlin zu sagen wagt, im Falle eines sozialdemokratischen Erfolges bei den Berliner Wahlen habe eine sozialdemokratische Landesregierung wohl kaum mit dem Wohlwollen der Besatzungsmächte zu rechnen.

    (Pfui-Rufe bei der SPD. — Weitere lebhafte Zurufe von der SPD.)

    Ich möchte ohne Erregung feststellen, daß das eine Methode der Verdächtigung und Abwertung des politischen Gegners ist, die man von keiner Seite, welcher auch immer, sich gefallen lassen soll.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Es wäre sehr interessant, zu erfahren, woher denn der Herr Bundeskanzler die Unterlagen für eine für die Sozialdemokratische Partei so diffamierende Behauptung hat, wie er sie da in Berlin ausgesprochen hat.

    (Zuruf von der SPD: Er öffnet seinen Schallplattenschrank!)

    Auch das ist ein Symptom für gewisse Zustände in der Bundesrepublik, deren Bekämpfung sich alle zum Ziel machen sollten, die es mit der Demokratie ernst meinen.
    Damit komme ich zum eigentlichen Kern dieses Teils meiner Argumente. Ich glaube, wir haben uns in der Bundesrepublik zu sehr an den Zustand gewöhnt, daß die eine Gruppe auf Jahre hinaus im Besitz der Regierungsmacht ist und glaubt, sich alles erlauben zu können,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    und daß sie die Vorstellung hat, die andere Gruppe müsse auf alle Fälle und für immer in der Opposition bleiben.

    (Abg. Majonica: Das hängt von Ihrer Politik ab, Herr Schoettle! — Lebhafte Gegenrufe von der SPD.)

    — Herr Majonica, mit Ihnen über die sozialdemokratische Politik zu reden, das möchte ich in diesem Bundestag lieber nicht unternehmen. — Es wäre gut, wenn wir uns alle einmal ein klein wenig an die angelsächsische Vorstellung gewöhnen könnten, daß Regierungsparteien und Opposition, daß Parlament und Regierung das „government" sind, daß sie insgemein und insgesamt für die Geschicke der Nation verantwortlich sind, daß es auf dieser Ebene keine Minderberechtigung gibt, daß es auch nicht in der Frage, was die Opposition erfahren soll, Minderberechtigungen der Opposition gegenüber den Trägern der Regierungsgewalt geben kann.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nur dann kann von der Opposition erwartet werden, daß sie mit 'demselben Verantwortungsgefühl an die Entscheidungen herangeht, wenn sie genau so gut informiert ist wie diejenigen, die im Besitz der Informationsquellen selber sind.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es scheint mir, daß der Herr Bundeskanzler diese Seite der parlamentarischen Demokratie entweder bisher noch nicht gesehen hat oder sie nicht sehen möchte. Aber es wäre höchste Zeit, auf diesem Gebiete umzukehren und zu fragen, ob für die


    (Schoettle)

    Besserung der politischen Atmosphäre nicht etwa andere Maßnahmen notwendig sind als die Gleichschaltungsversuche, die bei Gelegenheit der Länderwahlen im Hinblick auf die Bildung der Landesregierungen unternommen werden.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Ich möchte Sie gerade im Zusammenhang mit der Beratung des Bundeshaushalts, der ja ein Spiegel aller Geschehnisse in der öffentlichen Verwaltung unseres Landes ist, erneut und eindringlich darauf hinweisen, welche Gefahr entsteht, wenn zwischen Regierungsgruppierung und Opposition im Sachlichen, im Politischen und im Menschlichen die Gräben immer tiefer gemacht werden, manchmal ohne Not; welche Gefahr dadurch entsteht, daß unser Volk, das durch historische Ereignisse und Gewalten gespalten ist, auch noch aufgespalten wird in eine permanente Regierungsgruppe und in eine permanente Opposition. Die Sozialdemokratie wird von sich aus alles tun, um durch das Gewicht der Argumente und die Aufklärung der Bevölkerung eine solche Spaltung zu vermeiden. Aber wir sollten uns nicht allein darauf verlassen, sondern jeder von uns sollte an seinem Platz den Versuch machen, die innerpolitische Atmosphäre von ,dem Gift zu befreien, das Verleumdung, Diffamierung und Verachtung des Andersdenkenden in unserem Volke ausgestreut haben.
    Im übrigen werden wir uns an der Durcharbeitung dieses Haushalts genau so sachlich beteiligen, wie wir es immer getan haben.

    (Beifall bei der SPD und vereinzelt in der Mitte und rechts.)