Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, was beklagenswerter ist: die Tatsache, daß diese Anträge, die nicht die ersten ihrer Art in diesem Hohen Hause sind, monatelangen Liegenlassens bedurften, ehe es heute zu ihrer Behandlung kam, oder der Umstand, daß die Redner, die zu diesem Punkt aufgerufen sind, trotz der hohen und wichtigen Aufgabe, die uns dabei gestellt ist, vor kaum gefülltem Hause sprechen zu müssen. Um so mehr bin ich darüber erfreut, daß ein anderer Teil der deutschen Öffentlichkeit, daß die deutsche Presse und sonstige Publikationsorgane ihrer Verpflichtung nach dieser Richtung in der Vergangenheit nachgekommen sind. Ich möchte namens meiner Fraktion diesem Teil der Presse, soweit er sich des Themas nicht nur aus rein propagandistischen Gründen angenommen hat, den Dank dafür aussprechen, daß er die Dinge in so hervorragender Form, in so hervorragender Art und Weise in das rechte Licht gestellt hat. Insbesondere aber gilt mein Dank den Jugendorganisationen, an ihrer Spitze den Jungsozialisten, die durch ihre Aufklärungsaktion in der Vergangenheit einiges getan haben, die vor allen Dingen mit ihrem Bekenntnis zu Menschentum und Menschenwürde die Gewissen aufgerüttelt und die gesamte Öffentlichkeit mit einem das Ansehen von Kulturnationen erheblich belastenden Tatbestand konfrontiert haben.
Ich muß zunächst einmal meinem Erstaunen darüber Ausdruck geben, daß auch Sie, verzeihen Sie, Herr Kollege Dr. Mende und Herr Kollege Schneider, es beklagen, daß die Anträge — man beachte das Datum vom 15. bzw. 19. Juni — erst jetzt zur Behandlung kommen, da doch die wiederholte Absetzung von der Tagesordnung in der Regel mit Ihrer Zustimmung erfolgt ist, und zwar nicht immer nur aus technischen Gründen, wie sie in dem einen oder andern Fall vorhanden sein mögen, sondern aus Erwägungen, die Sie, Herr Dr. Mende, ja auch als der Sache nicht gemäß und als abwegig abgelehnt haben.
— Ab und zu ist er ja auch einmal in der Bundesrepublik. Er ist auch jetzt nicht da, und doch stehen wir vor der Notwendigkeit, die Angelegenheit zu behandeln. Ich will da gar nicht von einem Mangel sprechen, daß er nicht da ist, sondern erwähne es nur als Antwort auf den Einwand, daß das der Grund sei, warum in der Vergangenheit nicht dazu Stellung genommen worden sei.
Gelegentlich einer Debatte über die Fremdenlegion, die in der ersten Legislaturperiode des Bundestages geführt worden war, hatte mir der Herr Bundeskanzler die Ehre angetan, zu erklären, daß ich in meinen Ausführungen sehr maßvoll ge-
blieben sei. Das will ich auch heute tun, weil es bei diesem Thema am wenigsten angebracht erscheint, sich nicht maßvoll zu verhalten. Aber diese Bestätigung habe ich keinesfalls so aufgefaßt, daß die Bundesregierung bezüglich der notwendigen Maßnahmen die erforderliche Aktivität vermissen lassen wolle. Das ist in der Vergangenheit doch der Fall gewesen. Ganz abgesehen davon kann ich dem Herrn Bundeskanzler den Vorwurf nicht ersparen, daß er selber nicht Maß gehalten hat, denn es scheint mir eine Maßlosigkeit zu sein, wenn er am 29. April dieses Jahres in der Bundestagssitzung unter anderem wörtlich gesagt hat: „Die Soldaten, die in Indochina Blut und Leben opfern, tun ,dies nicht bloß für Frankreich allein, sondern im Dienste der Freiheit für die ganze Welt."
Das scheint mir eine Art von Glorifizierung für einen Einsatz von Menschen aller Nationen, in erster Linie von Deutschen, zu sein, die diese Sache nicht wert ist. Die eigentlichen Beteiligten, die es doch wissen müssen, die Franzosen, haben vom Indochinakrieg niemals anders als vom schmutzigen Krieg gesprochen. Es bestand daher keine Veranlassung dafür, daß der Chef der deutschen Regierung, der Bundeskanzler, erklärte, daß das Blut, das in diesem Kolonialkampf in Indochina geflossen ist, für die Freiheit der ganzen Welt vergossen worden sei. Wir jedenfalls stellen uns unter der Verteidigung freiheitlicher Ideale der westlichen Welt etwas anderes vor als das, was das Ergebnis opferreicher Gänge junger Menschen und vieler Deutscher in Indochina gewesen ist.
Darüber hinaus beklage ich es, Herr Minister des Innern, speziell in Ihrem Falle sehr, daß Sie unter dem 10. Mai dieses Jahres von den zuständigen Stellen des Bundesinnenministeriums in Sachen der Fremdenlegion zu der Frage, ob der Presse direkte Auskünfte zu geben seien, über Ihre Pressestelle haben erklären lassen, daß Sie es im Augenblick für untunlich hielten, das Problem der Werbung für die Fremdenlegion aufzugreifen.
Das gute Verhältnis zu den Franzosen, an dem
Ihnen sehr viel liege, könnte sonst gestört werden.
— Ich bin erfreut, das von Ihnen zu hören, Herr Bundesinnenminister. Ich sagte schon, ich wäre speziell in Ihrem Fall besonders enttäuscht gewesen.
Ich darf anschließend daran sagen, daß das Thema Fremdenlegion und die sich daraus ergebenden Konsequenzen doch jenseits aller opportunistischen Zweckerwägungen stehen müssen. Denn wenn das gute Verhältnis eines Volkes zu seinem Nachbarvolk nur auf der Basis der Hinnahme von Ungerechtigkeiten und von Mißachtung der Menschenwürde errungen werden kann, dann ist es kein gutes Verhältnis, und dann verlohnt es sich nicht erst, durch solche Art Bemühungen zu einem erträglichen Verhältnis mit diesem Nachbarvolk zu kommen.
Die Diskussion über das Wesen und die Methoden der Fremdenlegionen, die einer Anzahl Staaten als militärisches Instrument ihrer Kolonialpolitik dienen, ist so alt wie sie selbst. Zwei Gründe sind es, die in Deutschland die Öffentlichkeit veranlassen, sich immer wieder mit den Verhältnissen der von Frankreich unterhaltenen Fremdenlegion zu beschäftigen:
Erstens der Krieg und Aufruhr in den Kolonialgebieten Frankreichs, speziell die inzwischen zu einem Stillstand gekommenen blutigen Auseinandersetzungen in Indochina und die dadurch bedingte erhebliche Dezimierung der Kader der Fremdenlegion, für deren Auffüllung in immer stärkerem Maße Menschenmaterial aus aller Herren Ländern benötigt wurde,
und zweitens die dabei angewandten Methoden der Anwerbung in Deutschland — und darauf kommt es mir insbesondere an —, die nur auf dem Hintergrund der durch die militärische Besetzung usurpierten Macht überhaupt Tatsache werden konnten.
Es gibt keinen Zweifel daran, daß von den Möglichkeiten, die sich Frankreich als Besatzungsmacht auf dem Gebiete der Anwerbung von Fremdenlegionären bieten, zumindest in der Vergangenheit in einem Ausmaße Gebrauch gemacht wurde, das ein Volk von Ehre und Charakter, das gerade Wert darauf legt, in einem guten Verhältnis zu einem Lande zu stehen, auch wenn es von ihm besetzt ist, auf die Dauer nicht hinnehmen kann.
Wenn nun der Hohe Französische Kommissar — das wurde eben schon angeführt — u. a. erklärt hat, das Thema Fremdenlegion komme in Deutschland immer dann auf das Tapet, wenn es einigen nationalistischen Kreisen geeignet erscheine, ihr Süppchen an einem solchen Feuerchen zu kochen, dann kann ich nur sagen, daß es dem Hohen Kommissar, der ja gleichzeitig Botschafter seines Landes in unserem Lande ist, nicht gut ansteht, die menschliche Tragödie, die sich darin verbirgt, mit solchen billigen, um nicht zu sagen: zynischen Worten abzutun.
Halten zu Gnaden, Exzellenz, wie würden Sie sich verhalten, wenn umgekehrt Frankreich als Volk und Nation vor diesem Fragenkomplex stünde? Sie wären ein schlechter Botschafter Ihres Landes, wenn Sie nicht mit der gleichen Leidenschaftlichkeit und mit dem gleichen Bedürfnis nach Gerechtigkeit eine solche Frage anschnitten, wenn Sie nicht Gefahr laufen wollten, sonst gesagt zu bekommen, daß Sie an Ihrem Posten verfehlt seien und Ihre Aufgabe nicht erfüllten!
Das, was anderen Leuten als eine große Tugend gilt, was bei Ihnen als Patriotismus hingenommen wird, wird uns, wenn wir es für uns in Anwendung bringen, immer noch als Nationalismus angekreidet. Das scheint mir eine Art von Argumentation zu sein, die ebenfalls in unserm Jahrhundert nicht mehr angebracht ist.
Ich muß aber, so leid es mir tut, wenn wir schon einmal zu diesem Fragenkomplex Stellung nehmen, in der Hoffnung, ihn möglichst nicht mehr vor dieses Hohe Haus bringen zu müssen, meinem Bedauern darüber Ausdruck geben, in welcher Art und Weise die Bundesregierung bzw. das Auswär-
tige Amt in der Vergangenheit reagiert hat. Mir liegt die Antwort des Herrn Staatssekretärs des Auswärtigen auf eine Kleine Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion von vor einiger Zeit vor, die ich nicht nur als völlig ungenügend, sondern einfach als eine Methode bezeichnen muß, die als Ausdruck einer Wesensfremdheit gegenüber diesem Komplex anzusehen ist, wie sie schlimmer nicht sein kann.
Diese Antwort des Herrn Staatssekretärs auf die Kleine Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion würde die Note einer meisterlichen diplomatischen Stellungnahme verdienen, wenn sie vom Quai d'Orsay erbeten und gegeben worden wäre. Da sie aber von einer deutschen Dienststelle, vom deutschen Auswärtigen Amt erbeten und gegeben wurde, ist es einfach nicht angängig, sich fast in der Gesamtheit, was den materiellen Inhalt anbelangt, der Angaben zu bedienen, die, wie es den Anschein hat, vom Staatssekretär des Auswärtigen Amts von seinem französischen Kollegen erbeten wurden. Kunststück, daß die Antwort so ausfällt; beklagenswert, daß es die Antwort einer deutschen Dienststelle ist, bei der nur noch die Überschrift fehlt: „In Sachen Fremdenlegion", obwohl es keine Sache ist, sondern eine Angelegenheit, die alle, denen der Respekt vor der Menschenwürde ein heiliger Begriff ist, weitgehend anzugehen hat.
Nun beklagen sich Frankreich und seine offiziellen Stellen und erklären immer wieder, daß die deutscherseits gemachten Angaben hinsichtlich des Ausmaßes, hinsichtlich der Zahl der deutschen Fremdenlegionäre nicht mit den Tatsachen im Einklang ständen. Nun, das ist vielleicht der schlimmste Vorwurf, den man Frankreich machen kann, weil die Zwielichtigkeit dieser Institution Fremdenlegion und die Unmöglichkeit, an korrekte Zahlen heranzukommen — eine Unmöglichkeit, die genau so groß ist wie die, festzustellen, was an Deutschen sich noch in Sibirien und im fernen Rußland befindet —, vielleicht noch mehr gegen die rechtliche und moralische Qualifikation der Institution Fremdenlegion spricht als der Hinweis, daß die deutschen Angaben in Einzelheiten nicht den Tatsachen entsprächen. Die Zwielichtigkeit, in der die Fremdenlegion bewußt gehalten wird, ist eine erklärliche Ursache für das Tappen im Dunkeln, und man darf nicht das Argument bringen, deutscherseits gemachte Angaben entsprächen nicht den Tatsachen, wenn andererseits Frankreich es bisher immer noch unterlassen hat, die notwendige Antwort auf die immer wieder gestellten Fragen zu geben.
Aber mir und meiner Fraktion, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht es im konkreten Falle im besonderen um die Möglichkeiten, zu verhindern, daß in Zukunft, selbst auf der Basis der Freiwilligkeit, Jugendliche im Sinne des Gesetzes ohne Zustimmung der Eltern oder der Erziehungsberechtigten in die französische Fremdenlegion eintreten können. Frankreich kann nicht abstreiten — und insofern trifft es der Vorwurf auch als Besatzungsmacht —, daß es seine Einrichtungen als Besatzungsmacht bis in die jüngste Gegenwart hinein dazu benutzt, sich der notwendigen deutschen Kontrolle auf deutschem Boden zu entziehen. Es ist ein unmöglicher Zustand — auch wenn man die Tatsache berücksichtigt, daß wir ein besetztes Land sind —, daß die deutsche Gewalt und die polizeilichen Möglichkeiten Deutschlands auf deutschem
Boden vor einer französischen Kaserne haltmachen müssen.
Es spricht auch nicht gerade für die sinnvolle Verwendung der französischen Rheinflottille, wenn sie, wie auf Grund von Akten und Unterlagen, die dem Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages vorliegen, feststeht, dazu benutzt wird, um Scherereien zu entgehen, junge angeworbene Deutsche mittels Schiff über den Rhein nach Frankreich und dann zur Fremdenlegion zu bringen.
Ich behaupte, daß es nicht nur eine ungerechtfertigte Ausnutzung der Machtfülle ist, die Frankreich als Besatzungsmacht hier besitzt, sondern daß es auch ein Verstoß gegen das französische Recht ist. Denn soviel mir bekannt ist, ist auch nach französischem Recht der freiwillige Eintritt eines minderjährigen Franzosen in einen militärischen Dienst ohne Einwilligung der Eltern 'bzw. der Erziehungsberechtigten nicht erlaubt. Frankreich verstößt also gegen seine eigenen gesetzlichen Bestimmungen, wenn es jugendliche Deutsche, also Deutsche unter 21 Jahren, sei es auch, daß sie sich freiwillig melden, unter Kontrakt für die Fremdenlegion nimmt, wenn nicht die Zustimmung der Eltern oder Erziehungsberechtigten vorliegt. Und, sehr geehrter Herr Kollege — Herr Dr. Mende, glaube ich, ist es gewesen —: nicht in den meisten Fällen — mir ist kein einziger Fall bekannt, in dem mit Zustimmung der Eltern bzw. der Erziehungsberechtigten, selbst wenn das Verhältnis zwischen beiden noch so locker gewesen sein sollte, der Eintritt eines Jugendlichen in die französische Fremdenlegion erfolgt ist, ganz abgesehen davon, daß wir einen unverzeihlichen Fehler begehen, solchen Dingen tatenlos zuzusehen, und daß sich Frankreich in erhöhtem Maße schuldig, mitschuldig macht, wenn es das in Zukunft noch geschehen läßt, weil wir Gefahr laufen, mit dieser publik gewordenen Art der Auffüllung der Kader der Fremdenlegion den Sowjets eine Propagandawaffe gegen die westliche Welt in die Hand 2u geben, wie sie von dieser Seite gar nicht gewünscht werden kann.
Sprechen Sie doch einmal mit Jugendlichen aus der Sowjetzone! Einer der entscheidenden Gründe für sie — bei aller Misere, in der sie sich befinden und die sie empfinden —, nichts mit dem Westen zu tun haben zu wollen, nicht in die Bundesrepublik kommen zu wollen, ist die ihnen eingebläute Furcht, die mit dem Quadrat der Entfernung steigende Furcht, daß sie, sobald sie in die Bundesrepublik kommen, Gefahr laufen, ein Opfer der Fremdenlegion und ihrer Werber zu werden.
Der Hohe Französische Kommissar hat unter anderem auch erklärt, daß es keine Werber für die Fremdenlegion in Deutschland gebe, die im Auftrag Frankreichs handelten. Nun weiß sich Frankreich des großen Vorzuges sicher, als das logischste Volk der Welt zu gelten. Das gestattet seinem Hohen Kommissar in Deutschland aber noch nicht, seine Nachbarn nun für ausgesprochene Unlogiker zu halten; denn die Behauptung, daß kein Werber im Auftrag Frankreichs in Deutschland tätig sei, würde doch entweder bedeuten, daß es keine Werber gibt — und diesen Nachweis kann der Hohe Französische Kommissar nicht erbringen —, oder er glaubt, uns zumuten zu können, wir glaubten,
daß sich jemand aus Menschenfreundlichkeit dem schmutzigen Handwerk der Kopfjägerei hingibt. Das ist ein bißchen viel an Zumutung, und ich bitte den Hohen französischen Kommissar dringend, sich in Zukunft anderer Mittel zu bedienen, um uns davon zu überzeugen, daß die Werbemethoden der Vergangenheit angehören bzw. daß das nicht im Auftrag und mit Willen gewisser französischer Stellen geschieht, wobei ich gerechterweise gern zugebe, daß viele Dienststellen der französischen Militärregierung, auch in den unteren Regionen, sich sehr beklagen und es sehr bedauern, nicht die Machtmöglichkeiten zu haben, mit dieser grausamen Einrichtung aufzuräumen, daß ihnen eben die Hände gebunden sind, daß bestimmte Einrichtungen in Frankreich stärker sind und es ihnen nicht erlauben, auch nach der Richtung auf Grund der eigenen Erfahrung, die sie im Zusammenleben mit der deutschen Bevölkerung gemacht haben, ihre eigenen Ansichten zu praktizieren.
Mir kommt es aber auch darauf an, Herr Bundesinnenminister — Sie haben ja schon mitgeteilt, daß Sie gegebenenfalls im Laufe der Debatte noch Stellung nehmen würden, und ich wäre Ihnen dafür sehr dankbar —, zu erfahren, ob die Befürchtung ausgeräumt werden kann, daß in einem zukünftigen, uns gegebenenfalls bevorstehenden Truppenvertrag die Möglichkeit enthalten ist, daß gewisse Souveränitätsrechte auf deutschem Gebiet uns genommen bleiben, da ich mir vorstellen kann, daß in einem Truppenvertrag Bestimmungen enthalten sind, die eine gewisse Eigenständigkeit und Eigengesetzlichkeit der ausländischen Truppen auf deutschem Boden garantieren, von der wir allerdings jetzt und in diesem Zusammenhang bereits verlangen müssen, daß sie sich keinesfalls darauf erstrecken darf, daß Frankreich auch in Zukunft noch die Möglichkeit gegeben wird, auf deutschem Boden — und wenn es nur in den von ihm belegten Kasernen der Fall ist — sich der Verpflichtung zu entziehen, deutschen Instanzen, deutschen Polizeistellen und deutschen Paßstellen die Möglichkeit zu geben, festzustellen, ob und aus welchen Gründen sich gewisse Bewerber für die Fremdenlegion in den Kasernen befinden. Denn der Kampf um die Würde des Menschen und seine Rechte, für deren Verwirklichung gerade das französische Volk in seiner Geschichte so viele mannhafte und heroische Beispiele gegeben hat, ist doch als ein Postulat höchster menschlicher Güter nur wahr und zu begreifen, wenn dies vorbehaltlos auf alle Völker und in. allen Fällen Anwendung findet. Der französische Zivilisationsbegriff auch und gerade in seiner spezifischen Form, der der gesamten gesitteten Welt bis in die Gegenwart hinein so viel bedeutet und alle, die sich zu ihm bekennen, wo und wann es auch sei, eigentlich erst zum Menschen erhebt, erfährt doch durch gewisse Praktiken bei der Auffüllung der Kader der Fremdenlegion eine Profanierung, gegen die gerade Frankreich sich zur Wehr setzen müßte.
Oratorische Beteuerungen bei Gelegenheit festlicher Zusammenkünfte sind kein ausreichender Ersatz für die Fakten. Es mag sein, daß sich Frankreich auf den Standpunkt stellt, daß die Aufrechterhaltung und die Existenz der Fremdenlegion eine Angelegenheit sei, die es allein angehe. Soweit aber davon Menschen unseres Landes und unseres Volkes betroffen werden, geht sie uns sehr weit an. Ich behaupte sogar, daß ein Unstern über der Fremdenlegion seit ihrer Gründung steht. Ich lese in einer Schrift aus dem Jahre 1914 — eine früheren
Datums habe ich leider nicht gefunden — „Die rechtliche Stellung des deutschen Fremdenlegionärs" unter anderem, daß einer der entscheidenden Gründe für die Bildung der Fremdenlegion vor mehr als 100 Jahren die Tatsache gewesen ist, daß Frankreich seine Tore vielen politischen Flüchtlingen geöffnet hatte und mit dem sich daraus ergebenden sozialen Problem nicht mehr fertig zu werden glaubte. Es ging an die Gründung der Fremdenlegion heran, um so eine Möglichkeit der Unterbringung und der zweckmäßigen Verwendung dieser politischen Flüchtlinge zu haben, die doch im Vertrauen auf die Respektierung der politischen Freiheiten nach Frankreich gekommen waren. Das scheint mir schon ein Grund dafür zu sein, warum das, was in der Geburtsstunde dieser Institution in ihr gelegen hat, fortzeugend Böses gebären mußte. Es wäre höchste Zeit, auch im Hinblick auf die weitgehende Erkenntnis in Frankreich, daß mit den bisherigen Kolonialmethoden nicht mehr fortgefahren werden soll, diesen schauerlichen Rest von kolonialer Einrichtung zu beseitigen, besonders dann, wenn sie geeignet ist, die so notwendigen Bemühungen unserer Völker untereinander zu stören.
Im Zusammenhang mit meinem Dank, den ich an die Presse und die übrigen Publikationsorgane für ihre Aktivität in dieser Frage abgestattet habe, möchte ich auch Adelbert Weinstein zitieren, der am 18. November in einem ebenso sachkundigen wie aufrüttelnden Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen", gewissermaßen als Auftakt zu der längst fälligen Debatte in diesem Hohen Hause, geschrieben hat — und ich wiederhole, was der Kollege Schneider sagte —:
Die Fremdenlegion ist eine menschliche Ungeheuerlichkeit. Die Unterstützung der ganzen Nation im Kampf gegen die Werbung wird eine Notwendigkeit. Die Menschlichkeit verlangt, die Jugend vor dem Eintritt in die Legion zu bewahren. Denn in dieser Truppe wird eine moderne Form des Menschenhandels verwirklicht. Man kauft die Ware Mensch, die entweder auf den Markt irgendeines kriegerischen Unternehmens geworfen wird oder in klimatisch schrecklichen Zonen dieser Erde in einem eintönigen Rhythmus von Wachdienst, Drill und Kantine verkommt. Wer einmal in den Lazaretten im Fernen Osten war, in denen die zerschossenen und zerschundenen menschlichen Wracks in langen Reihen lagen, eine Allee des Elends, der stellt sich mit schmerzlicher Verblüffung die Frage, wieso es möglich ist, daß man im 20. Jahrhundert zu einem solchen Ende Menschen immer noch kaufen darf. Das scheint uns überhaupt der Kernpunkt des ganzen Problems: nicht die Legion an sich, nicht diese Truppe ist unmoralisch — sie lebt nach den brutalen Gesetzen jedes Verbandes aus fremden Söldnern —, sondern die Idee ist es heute.
Ich habe dem als Wertung und Darstellung dieser in der Tat menschlichen Ungeheuerlichkeit nichts mehr hinzuzufügen.
Zur Wahrung des notwendigen Respekts vor der menschlichen Würde und in Wahrung des Ansehens der darauf basierenden Ideale einer freiheitlichen Welt bitte ich das Hohe Haus, in Konsequenz seiner daraus resultierenden Verpflichtung die Bundesregierung wissen zu lassen, daß sie in
dieser Frage im Auftrage des ganzen deutschen Volkes und seines legitimen Sprechers, des Deutschen Bundestages, handelt.