Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Abwesenheit des Bundesministers der Finanzen bei Anlaß der heutigen Einbringung des Haushaltsgesetzes 1955 in den Bundestag wird von einem am meisten bedauert, von Herrn Minister Schäffer, der als Rekonvaleszent Erholung von einer plötzlichen und nicht leichten Erkrankung suchen muß. Wer Herrn Minister Schäffer kennt, weiß, daß ihm nichts schwerer fällt als diese augenblickliche Untätigkeit. Wenn daher heute ich die Budgetrede zu halten die Ehre habe, so sei es mir gestattet, sie mit einem herzlichen Gedenken an den abwesenden Bundesfinanzminister zu beginnen, der sich über die kürzlichen Grüße und Wünsche des Hohen Hauses besonders gefreut hat.
Dem Bundestag darf ich dafür danken, daß die Einbringung . des Haushalts 1955 zu einem ungewohnt frühen Zeitpunkt stattfindet. Wenn ich daran erinnere, daß die erste Lesung des Haushaltsgesetzes 1954 am 22. Januar dieses Jahres stattfand und daß wir den Kampf um die Zeit in diesem Jahr somit um mehr als sechs Wochen gewonnen haben,
so enthält diese Feststellung zugleich die Bitte, diesen auf Ihren Wunsch erarbeiteten Vorsprung nun auch in den weiteren Beratungen nicht zu verlieren und ,den Haushaltsplan 1955 fristgerecht zum 1. April 1955 zu verabschieden. Daß diese Bitte angesichts der sonstigen Belastung des Hohen Hauses eine Kühnheit ist, ist mir bewußt. Ich möchte aber erneut auf die Bedeutung der Einhaltung der Fristen für die Ordnung der Finanzwirtschaft hinweisen. Deshalb scheint es mir auch im Interesse des Budgetrechts des Hohen Hauses zu liegen, wenn das Ziel eines Übereinanderfallens von Rechnungsjahrbeginn und Verabschiedung des Haushalts mit aller Tatkraft verfolgt wird. Der Haushaltsausschuß hat ja gerade im Vorjahr das schier Unmögliche beinahe zustande gebracht.
Wir haben uns bemüht, die Durcharbeitung und Prüfung des neuen Werks noch mehr zu erleichtern. Der Plan präsentiert sich nicht nur mit einer verminderten Seitenzahl, die den Überblick erleichtern wird, sondern auch mit neuen Allgemeinen Vorbemerkungen im Umfang von mehr als 550 Druckseiten, die auf mehreren ,Gebieten ganz ausführ- 1 liches, frisch erarbeitetes Material enthalten. Worauf es den Verfassern diesmal ankam, darf ich mit zwei Sätzen sagen. Es ist einmal die Klarstellung der volkswirtschaftlichen Grundlagen für die finanzwirtschaftliche Kalkulation und zum anderen die Einzeldarstellung der wesentlichsten haushaltsmäßigen und finanziellen Probleme der Bundesrepublik. Wir glauben auf dem Gebiet des Bundesvermögens die Lücken vom Vorjahr ausgefüllt zu haben, und legen Ihnen hiermit ein Material vor, das bisher nirgendwo vorhanden war. Wir haben diesmal dem Haushalt auch ein Sachverzeichnis beigefügt, unzweifelhaft ein weiterer Fortschritt auf technischem Gebiet.
Die Überreichung des neuen Haushaltsplans durch die Bundesregierung findet in einem Augenblick statt, in dem eine Reihe von Finanzschlachten gerade geschlagen worden sind, allerlei Scherben noch herumliegen und viele Mitglieder des Hohen Hauses sich für eine Bilanz der Gesamtsituation interessieren werden.
Hier darf ich zunächst ein Wort des Dankes äußern, des Dankes an die Damen und Herren des Bundestags, die in den Ausschüssen und im Plenum die Last dieser vielen Arbeit getragen haben, aber auch an die Beamten und Angestellten in den Ministerien. Wir haben uns oft überlegt, ob wir uns nicht alle ein wenig übernommen hatten, als neben den schwierigen laufenden Finanz- und Haushaltsfragen, den Verhandlungen an der Innen- und Außenfront über Besatzungs-, Stationierungs- und Verteidigungsfragen, den Problemen der Liquidation des Krieges, den Auslandsschulden usw., die hinsichtlich ihrer Größe im Urteil der Zeitgeschichte schwankende Steuerreform und die Finanzreform angepackt wurden. Im Interesse der Beteiligten muß ich wirklich einmal sagen, daß das zu Leistende fast über die vorhandene Kraft hinausging. Dabei sind viele gesundheitliche Opfer gebracht worden, von denen niemand spricht. Ich habe den besonderen Auftrag meines Ministers, dieser Arbeit hier mit herzlicher Anerkennung zu gedenken.
Was zunächst die Steuerreform angeht, so sind ihre haushaltsmäßigen Auswirkungen sehr bedeutsam; ich komme darauf noch zurück. Sowohl der derzeit laufende Haushaltsplan wie der des kommenden Jahres sind durch die Mindereinnahmen ernstlich betroffen. Zu diesen rein zahlenmäßigen Auswirkungen treten die sonstigen Folgen. Das Steuerwesen ist fast noch komplizierter geworden, als es schon bisher war; der Aufwand der Finanzverwaltungen der Länder, der, wie Sie wissen, zu einem ganz wesentlichen Teil zur Zeit noch vorn Bund getragen wird, wird dadurch weiter ansteigen. Die Entlastung der Steuerzahler, die effektiv in der Größenordnung von fast 3,9 Milliarden DM liegt, wird somit leider nicht durch den Wegfall vieler Vergünstigungen und die erhoffte Vereinfachung des Steuerrechts kompensiert; gewiß war auch der Regierungsvorschlag bereits ein Kompromiß. Wenn ich nun nachher feststellen werde, daß der Sozialhaushalt des Bundes weiter angestiegen ist, die Steuerreform aber auch gerade die unteren Einkommensbezieher wesentlich bessergestellt hat, so zeigt sich durch diesen Zusammenklang von Haushaltsmehrausgaben und Haushaltsmindereinnahmen die große Bedeutung eines solchen Zusammenwirkens von Steuerpolitik und Sozialpolitik. Der sozialpolitische Betrachter kümmert sich dann allerdings nicht immer um den Haushaltspolitiker,
der nun zusehen muß, wie er den durch die Steuerreform geschaffenen Ausfall an Einnahmen wieder wettmacht.
Die Senkung der Einkommensteuersätze und die Herabsetzung des Körperschaftsteuersatzes scheinen gerade vom Haushaltsstandpunkt aus so bedeutsam, daß wohl kaum ein Anlaß besteht, von einer halben Reform und von einer sofort in Arbeit zu nehmenden Weiterführung dieser Reform zu sprechen. In einem Zeitpunkt, in dem starke Einnahmesenkungen und erhebliche "ungedeckte Mehrausgaben aufeinanderprallen, werden weitere Steuersenkungen in naher Zeit wohl nur zugleich mit einer Stabilisierung, wenn nicht Senkung der Ausgaben möglich werden können. Im übrigen dürfte ein dringendes Anliegen sowohl der Wirtschaft wie der Verwaltung bezüglich der Stabilität der Gesetzgebung bestehen, wenn man Steuerpflichtige und Beamte nicht vor fast unlösbare Aufgaben stellen will. Der Bundestag und der Bundesrat haben gesprochen; es kann nicht meine Aufgabe sein, dazu nochmals im einzelnen Stellung zu nehmen. Nun hat die Haushaltspolitik das Wort. Ich muß hier leider gleich sagen, daß sie, wie wir immer angekündigt haben, es schwer haben wird, mit dem neu geschaffenen Zustand befriedigend fertig zu werden.
Anders wäre es mit der Finanzreform gewesen, falls wir auch sie heute als abgeschlossenes Werk vor uns hätten. Es bedarf wohl auch zu diesem Thema keiner Wiederholung der Gründe, die die Bundesregierung zur Einbringung dieser von Ihnen in so bedeutungsvoller Einmütigkeit verabschiedeten Vorlage bewogen haben. Der Entwurf des Bundeshaushalts . berücksichtigt bereits diese Vorlage, als ob sie Gesetz wäre. Sollte die Finanzreform scheitern, so werden sich hiernach haushaltsmäßig nicht unbeträchtliche Folgerungen ergeben. Wie Sie wissen, sind es rund 5 Milliarden DM, die der Bund aufbringt, die aber von den Ländern verwaltet werden, ohne daß der Bund eine ausreichende haushaltsrechtliche Einwirkungsmöglichkeit darauf hat. Hier ist die große haushaltswirtschaftliche Bedeutung der Finanzreform am besten sichtbar. Aber es ist nicht nur das rein Geldliche, es ist auch der ökonomische und rechtliche, fast möchte man sagen: auch der staatspolitische Fortschritt, der uns die Finanzreform so wertvoll gemacht hätte. In Haushaltsangelegenheiten ist jede Trennung von Aufbringung und Verausgabung gefährlich; diese Gefahren können schnell bis in die Wurzeln des Ganzen reichen. Um so wichtiger erscheint in diesem Augenblick ein nochmaliges Bekenntnis der Bundesregierung zu den Grundsätzen ihres Entwurfs zur Finanzreform, insbesondere auch zum Finanzverfassungsgesetz, dem der Bundesrat die Zustimmung versagt hat, ohne den Vermittlungsausschuß anzurufen. Er hat also sogar davon abgesehen, der Konzeption der Bundesregierung und des Bundestages eine eigene Konzeption entgegenzustellen. Wenn in der Beratung im Bundesrat am letzten Freitag auf die Beschlüsse 'des Bundesrates im ersten Durchgang verwiesen wurde, so ist dazu zu sagen, daß durch die Ablehnung des Gesetzentwurfs die ursprünglichen Vorschläge des Bundesrates eben nicht zum Gegenstand der Vermittlung gemacht worden sind. Daher hat die Bundesregierung ihrerseits den Vermittlungsausschuß angerufen. Bei den wiederholten gemeinsamen Besprechungen zwischen Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates hat sich gezeigt, daß die Differenzpunkte eigentlich nicht sehr bedeutend sind.
Die Bundesregierung hat zu verstehen gegeben, daß sie ihrerseits zur Erzielung eines Kompromisses beizutragen gewillt ist.
Die Bundesregierung bedauert, daß der Anschein entstanden ist, als ob sich der Bundesrat der Finanzreform verschließen wollte. Sie hofft, daß die Arbeiten des Vermittlungsausschusses eine echte Vermittlungslösung noch in diesem Jahr, also innerhalb der Frist des Art. 107, ermöglichen werden, und möchte daher lieber davon absehen, in diesem Augenblick die Folgen eines endgültigen Scheiterns ihrer Bemühungen an die Wand zu malen.
Dem Bundestag schulden wir Dank für die fast einstimmige Annahme der Finanzreform. Möchten ihre Grundsätze sich bald durchsetzen, damit auch das bisherige jährliche Tauziehen um den Platz an den finanziellen Quellen in Zukunft nur alle drei Jahre ausgetragen zu werden braucht! Übrigens würde das Risiko einer solchen relativen Stabilisierung ohne Zweifel der Bund tragen.
Daß ich in dieser Budgetrede zunächst gerade auf die Steuerreform und die Finanzreform eingegangen bin, bedeutet nicht, daß der eigentliche Haushaltsplan ihnen gegenüber zurückzutreten hätte. Sie sind ganz einfach ein erheblicher Teil seiner Grundlage. Kein Bundeshaushalt ist denkbar, sei es was die Form seines Zustandekommens, sei es was seinen wesentlichen Inhalt angeht, ohne daß sowohl das in der Steuerreform steckende Problem der Größe des finanziellen Opfers der Staatsbürger und Steuerpflichtigen als auch das Verhältnis von Bundes- und Länderfinanzen unbeachtet bleiben könnte.
Angesichts der großen positiven und negativen Entscheidungen auf den Gebieten der Steuerreform und der Finanzreform ist es schwer, die Profile des Bundeshaushalts 1955, wie Sie ihn jetzt als Entwurf vor sich haben, zu sehen und die in ihm getroffenen Entscheidungen in richtigen Zusammenhang zu stellen. Ich will auch gleich zugeben, daß der Entwurf nicht vollständig ist. Zwei Ergänzungen stehen schon vor der Tür. Die eine betrifft die Erhöhung der Kriegsopferrenten; hier sind wir noch ohne Deckung. Die andere betrifft eine Anzahl kleinerer, aber vielleicht nicht ganz unwichtiger Personalien, über die die Vorlage Ihnen demnächst zugeht. Es handelt sich um 21 neue Stellen, 44 Stellenhebungen und 9 Stellenumwandlungen.
Auch auf der Einnahmeseite werden sicherlich einige Vorbehalte gemacht werden können, nachdem die haushaltsmäßigen Auswirkungen der Steuerreform alle Vorstellungen des Bundesfinanzministers über das Volumen der künftigen Einnahmen weit überstiegen haben. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß diese Unsicherheitsfaktoren angesichts des sonstigen Standes der Finanzwirtschaft zunächst noch in Kauf genommen werden können. Wir sollten noch einige Monate die finanzwirtschaftliche Entwicklung abwarten und dann im Haushaltsausschuß dieses Hauses entscheiden, welche Folgerungen aus der dann ersichtlichen Lage gezogen werden müssen.
Ehe ich zu den Einzelheiten komme, darf ich eines vorweg sagen. Die Bundesregierung muß mit allem Nachdruck auf gewisse ernste Symptome hinweisen, die sich in der Entwicklung der letzten Wochen gezeigt haben. Sie muß davor warnen, die Leistungsfähigkeit des Bundeshaushalts und die psychologische Bereitschaft der breiten Bevölkerung, finanzielle Risiken einzugehen, zu über-
schätzen. Lassen Sie mich gerade diesen Punkt unterstreichen. Jedermann, der die Grundlage seiner Existenz einmal kritisch überprüft, wird feststellen, daß sich gleichberechtigt neben andere wichtige geistige und seelische Faktoren das Bewußtsein der wirtschaftlichen Sicherheit, der Güte der Währung und der finanziellen Stabilität stellt, kurz das Bewußtsein, daß es sich verlohnt, für gewisse Dinge zu arbeiten, sofern sie nur einen sicheren Wert versprechen. Eine solche Erkenntnis verhilft dann leicht zu einer Festigung der Ansichten über die Bedeutung der allgemeinen finanziellen Stabilität bei der Ablehnung kleinerer oder größerer Risiken.
Ich muß Ihnen nun einige Zahlen nennen, die den Zweck haben, den Bundeshaushaltsplan für 1955 auf einer größeren Bühne zu sehen. Zahlen sind ja eindrucksvoll oder eindruckslos, je nachdem sie Beziehungen zu überschaubaren Größen haben. Die erste Frage bei jedem Haushaltsplan einer so großen Körperschaft, wie sie der Bund darstellt, ist, welchen Teil des privaten Wohlstandes man ihr opfern muß. Der Ihnen vorgelegte Gesamthaushalt balanciert bei fast 27,8 Milliarden DM. Damit steigt die Inanspruchnahme des Sozialprodukts zugunsten der staatlichen Ausgaben zwar weiter an, aber nicht mit der Steigerungsquote des Sozialprodukts. Unter Staat darf ich hier einmal Bund, Länder und Gemeinden unter Ausschluß der Sozialversicherung verstehen. Nach ,den Zahlen des Haushaltsentwurfs erhöhen sich je Kopf der Bevölkerung die Ausgaben des öffentlichen Gesamthaushalts von den 108 Mark, die 1913 festzustellen waren, über 333 RM im Jahre 1928 auf 970 DM im Jahre 1955. Diese erschreckende Zunahme der öffentlichen Gesamtausgaben gegenüber der Vorkriegszeit erklärt sich u. a. aus der Erhöhung des Preisniveaus, der Verteilungsfunktion des öffentlichen Haushalts zur Wiedergutmachung der Kriegs- und Kriegsfolgelasten, aber auch aus einem weiteren Vordringen des staatlichen Bereichs in die private Sphäre.
Gelegentlich macht man die Bürokratie für diesen Marsch des Staates in das Privatleben verantwortlich. Schuld daran hat aber wohl das immer mehr um sich greifende Bestreben, bei jeder Schwierigkeit staatliche Hilfe zu fordern. Die Politik der sozialen Marktwirtschaft bringt, wenn sie für eine gut florierende Wirtschaft sorgt, mittelbar eine größere Abhilfe für wirtschaftliche Nöte, als dies eine Vielzahl staatlicher Hilfsleistungen besorgen können. Aber der immer weiter anwachsende Haushalt zeigt, wie schwer jede Aktion für eine Umkehr des bisherigen Weges ist. Fragen Sie sich bitte selbst, wenn hier gelegentlich von interessierter Seite auf die oder jene Million für den einen oder anderen kleinen Zweck gedrängt wird, ob dies vom höheren Standpunkt aus vertretbar ist. Die Steuerbelastung, die diese großen Ausgaben mit sich bringen, wälzt sich oft auch auf die Minderbemittelten ab. So kann auch der Haushalt 1955 nur mit der Fragestellung hier eingeführt werden, ob die Abwehrkraft gegen eine weitere Inanspruchnahme des Volkseinkommens für staatliche Zwecke stark genug war. Es wäre dringend erwünscht, wenn jetzt nach der Verabschiedung der steuerreform die an ihrer Weiterführung besonders interessierten Kreise sich zunächst mit weit größerem Nachdruck als bisher mit der Gestaltung der Ausgabenwirtschaft aller öffentlichen Körperschaften, insbesondere des Bundes, befaßten.
Hier interessiert vielleicht, da eben vom öffentlichen Gesamthaushalt die Rede war, welche Prozentsätze auf den Bund daraus entfallen. Aus diesen Zahlen ist eine zweite wichtige Tendenz zu erkennen. 1913 war der Anteil des Reiches noch rund 33 %; 1928 waren es wegen der Folgen des ersten Krieges rund 40 %; 1955 sind es reichlich 51 %, unter Zurechnung des Lastenausgleichs sogar 57 %. Der Länderanteil am öffentlichen Gesamthaushalt blieb demgegenüber recht stabil und belief sich 1928 ebenso, wie es 1955 ist, auf rund 23 %. Der Anteil der Gemeinden und Gemeindeverbände dagegen sank von 1913, wo er 39 % betrug, auf 37 % im Jahre 1928 und von da aus weiter und sinkt auf 20 % im komm den Jahr. Diese relative Minderung der kommunalen Eigenausgaben darf aber nicht beunruhigen. Hinter ihr steckt die Tatsache, daß sich die in diesem Jahrhundert besonders schweren Kriegs- und Kriegsfolgelasten eben beim höchsten Verband, beim Reich und beim Bund, konzentriert haben. Die Bedeutung der kommunalen Verwaltung ist jedenfalls größer, als der Anteilssatz der kommunalen Ausgaben erkennen läßt. Die Entwürfe des Finanzverfassungsgesetzes und des -anpassungsgesetzes hatten sich bemüht, die Finanzverantwortung der Länder und Gemeinden zu heben und die übermäßige Ausweitung des Zentralhaushalts durch die Verlagerung von Aufgaben zu verhindern. Eine Grenze bilden hier allerdings das Grundgesetz sowie die Vielheit der den Bund selbst treffenden vertraglichen Verpflichtungen und Schulden.
Die mit diesem harten Zugriff der öffentlichen Hand abgeschöpften Steuerbeträge fließen natürlich wieder in die Privatsphäre zurück, sei es in Form von öffentlichen Aufträgen oder von Unterstützungszahlungen.
Zunächst einmal ein Blick auf die Höhe dieses Zugriffs: Durch Steuern und Zölle einschließlich der Lastenausgleichsabgaben, aber ohne die Sozialbeiträge wurden abgeschöpft: 1913 7,6 %, 1928 15,1 %, 1938 22,6 %, 1953 26,4 % des Bruttosozialprodukts.
Mit Hilfe dieser Abschöpfungen fanden gewaltige Einkommensumschichtungen statt, die wirtschaft-
und konjunkturpolitisch erwünscht waren, aber den unvermeidbaren Reibungsverlust hatten, wie ihn jeder Zwangseingriff mit sich bringt.
Die jetzige Steuerreform hat sich bemüht, die mit einem so hohen Zugriff versehenen Nachteile zu einem Teil zu beseitigen. Die Bundesregierung ist ehrlich erfreut, daß die Steuererleichterungen gerade auch den wirtschaftlich Schwachen zugute kommen, die natürlichen Wettbewerbsbedingungen bessern und die Leistungsfreude der selbständig und unselbständig Tätigen erhöhen. Um auch diesen, statistisch sehr schwierigen Punkt wenigstens in einer Zahl zu verdeutlichen, möchte ich sagen, daß der Anteil der Steuereinnahmen am Bruttosozialprodukt sich von 26,4 % in 1953 auf 24,3 % in 1955 senken wird. Manchem mag dies vielleicht nicht umfangreich genug erscheinen, aber dann darf ich gleich die Frage stellen, zu welchem Verzicht auf öffentliche Ausgaben diese Kritiker bereit sind. Nur auf öffentliche Einnahmen zu verzichten, ist nämlich leicht.
Der Bundeshaushalt 1955, wie ihn die Bundesregierung Ihnen vorschlägt, stellt sich mit seinen 27,8 Milliarden DM recht stattlich in den Gesamt-
haushalt aller Gebietskörperschaften der Bundesrepublik hinein, der 1955 48 1/2 Milliarden DM betragen wird. Der Gesamthaushalt ist damit doppelt so groß wie 1949 vor Gründung des Bundes. Wenn man sagen. kann, daß damals die Staats- und Verwaltungsaufgaben noch unterentwickelt waren, muß man heute leider sagen, daß sie vielfach überentwickelt sind.
Im Rechnungsjahr 1951, nämlich im Anschluß an die Korea-Krise, war der Zuwachs mit fast 30 % am größten. Der öffentliche Gesamthaushalt hat sich seitdem im Zuwachs stark verlangsamt und liegt 1955 nur wenige Prozent über dem jetzigen Jahr. Das Bundesfinanzministerium legt Ihnen in den Allgemeinen Vorbemerkungen erstmals diesen Gesamthaushalt vor, weil es sich davon gute Wirkungen bei der Kalkulation der Bundesausgaben für die verschiedenen Zwecke verspricht. So manches, was im Bundeshaushalt groß erscheint, ist im öffentlichen Gesamthaushalt nur von mittlerer Größe und umgekehrt. Gegenüber der wesentlich höheren Zahl im Bundeshaushalt stehen die Sozialleistungen beispielsweise im öffentlichen Gesamthaushalt nur mit 23 v. H. zu Buch. Der Verwaltungsaufwand, der im Bundeshaushalt kaum nennenswert ist, steht im Gesamthaushalt ebenfalls mit 23 %. Dies bedeutet, daß der persönliche und sächliche Verwaltungsaufwand bei Ländern und Gemeinden weit über dem Bundesdurchschnitt liegt, angesichts der Verschiedenheit der Aufgaben auch wohl liegen muß. Den Kritikern dieser Verwaltungsausgaben aber darf ich sagen, daß trotz des Aufbaus der Bundesverwaltung, der Vergrößerung des Bundesgrenzschutzes und trotz mehrfacher Lohn- und Gehaltsanpassungen der Anteil der Verwaltungsausgaben in der gesamten öffentlichen Hand von 1949, wo er 27 % betrug, auf die eben genannten 23 % im Jahre 1953 gesunken ist.
Wenn ich Ihnen schon den Bundeshaushalt im Rahmen des öffentlichen Gesamthaushalts vorführen darf, kann ich auch gleich zu den öffentlichen Investitionen sprechen, deren Höhe und Art für den Finanzkritiker ein wichtiger Anhaltspunkt sind. Gerade hier ergeben sich zu dem Streit zwischen Bund und Ländern über die Höhe des Finanzbedarfs interessante Beiträge.
Die Investitionsausgaben der öffentlichen Hand sind seit 1949 auf das Zweieinhalbfache gestiegen. 1949 wurden sie nur zu knapp einem Fünftel durch Schuldaufnahme, Vermögensveräußerung und Entnahmen aus Rücklagen gedeckt; 1954 waren es schon drei Fünftel. Die Entlastung des Steuerzahlers, die darin liegt, ist also sehr erheblich. Gleichzeitig steckt darin eine Minderung der öffentlichen Investitionsförderung zugunsten der privaten Investitionstätigkeit. Wenn einzelne Kritiker behaupten, daß öffentliche Investitionen schon bisher unnötig gewesen seien und daß hier nur eine ungerechtfertigte Bereicherung vorliege, so möchte ich das durch einen Hinweis auf die Zusammensetzung der öffentlichen Investitionen widerlegen. Es entfielen nämlich 1952, im letzten Jahr genauer Feststellungen, auf den Wohnungsbau 42,5 %, auf Verwaltungsbauten einschließlich Schulen, Krankenhäuser usw. 24 %, auf das Verkehrswesen 13,8 %, auf die Wirtschaftsförderung, den Wasser-und Kulturbau 12,1 %, auf Versorgungsbetriebe und andere öffentliche Unternehmen 7,9 %.
Diese Investitionen waren also zwar volkswirtschaftlich wertvoll, aber privatwirtschaftlich weitgehend unrentabel und somit für die Privatwirtschaft ohne Interesse. Daß die Finanzierung der Investitionen durch öffentliche Anleihen früher nicht möglich war, ist dem Hohen Hause zur Genüge bekannt. Die Tendenz zur Anleihe ist jetzt überall im Steigen begriffen.
Ich darf vielleicht mein Thema, Ihnen den Bundeshaushalt 1955 vorzuführen, noch ein wenig vernachlässigen, indem ich vorher noch an eine Frage herangehe, die viele Sorgen verursacht hat, nämlich die Geldfülle der öffentlichen Hand. Ich werde später zum Stand der Finanzwirtschaft in diesen Monaten sprechen, dies aber unter haushaltsmäßigen Gesichtspunkten, und mich jetzt also vorweg den vielbesprochenen öffentlichen Guthaben zuwenden. Bei der Erörterung dieses Themas in der Öffentlichkeit sind ungezählte Male Kasse und Haushalt verwechselt worden.
Ein Unternehmen kann gesund sein und kein Geld haben, es kann krank sein und viel Geld haben. Dieses schlichten Unterschieds zwischen Haushalt und Kasse sollte man sich immer bewußt sein.
Zunächst einmal die Frage, ob die Guthaben nichtverbrauchte Mehreinnahmen der öffentlichen Hand sind. Die Frage ist zu verneinen. Zwar ergaben sich bei Bund, Ländern und Gemeinden insgesamt im Jahre 1952 Mehreinnahmen von 1,8 Milliarden DM, 1953 solche von 1 Milliarde DM. Im Jahre 1954 schrumpfen aber die Mehreinnahmen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf 200 bis 300 Millionen DM zusammen. Die öffentlichen Einlagen sind für Ende September 1954 von der Bank deutscher Länder auf 11,5 Milliarden DM beziffert. Ein solcher Anstieg der öffentlichen Bank- und Spareinlagen kann durch Mehreinnahmen also nicht erklärt werden.
Was zunächst die Kassenbestände des Bundes angeht, so sind sie jedem Monatsbericht meines Hauses zu entnehmen. Sie machen nur etwa ein Viertel bis ein Drittel der gesamten öffentlichen Guthaben aus. Der Bund hat nur Konten bei der Bank deutscher Länder, und er weist alle Kontenstände offen aus. Man glaubt es ihm oft nicht, aber es ist so. Wir ermächtigen ausdrücklich jeden, sich jederzeit über die Höhe der Bundeskonten Gewißheit zu verschaffen. Die Ursache der Höhe des Kassenbestandes des Bundes sind ausschließlich die Besatzungskostenrückstände. Das Defizit der Haushaltswirtschaft des Bundes würde sofort offen sichtbar werden, wenn die Alliierten etwa ihr Gesamtguthaben heute verlangten.
Anders gesagt: die Kassenbestände des Bundes reichen zur Deckung der Besatzungskostenrückstände nicht aus. Ich komme auf den Fall in anderem Zusammenhang noch zurück und will einmal so formulieren, daß bei einigen Kritikern weniger dieser Besatzungskostenüberhang als die Tatsache eine Rolle spielt, daß der Bund mit diesem Geld bis zur endgültigen Verwendung angeblich nichts anfängt.
Dazu kann ich sagen: Was der Bund mit diesen Geldern anfängt, hat nicht der Bundesfinanzminister allein zu entscheiden, sondern ist in mehreren Beratungen mit dem Bundeswirtschaftsminister und der Bank deutscher Länder festgelegt worden. Angesichts der Verflüssigung des Geldmarktes durch die ständigen Zahlungsbilanzüberschüsse
erschien es währungspolitisch geboten, die bei der Bank deutscher Länder ruhenden Kassenbestände des Bundes keiner anderen Verwendung, auch nicht einer zwischenzeitlichen, zuzuführen, sondern sie als Gegengewicht gegen die unvermeidliche Finanzierung der Ausfuhrerlöse bei der Notenbank zu lassen.
Dies ist die Kassenseite. Was nun die Haushaltsseite angeht, so liegen nach den Versicherungen der Alliierten nicht nur Projekte, sondern fest eingegangene Verpflichtungen vor, deren Finanzierung sich allerdings der Natur der Sache nach, insbesondere bei umfangreichen Baumaßnahmen, wie Flugplätzen, Kasernen, Munitionsniederlagen und sonstigen Depots, Lazaretten, Wohngebäuden einschließlich Zusatzgebäuden, wie Schulen, Messen, Verkaufsläden, Kirchen usw., auf Jahre erstreckt. Hier handelt es sich, was ich besonders betonen möchte, im wesentlichen um Verpflichtungen gegenüber deut sch en Unternehmern und Arbeitnehmern, um Zahlungen an deutsche Hersteller und Lieferanten und an Besatzungsgeschädigte aller Art. Der Überhang kann daher schon aus diesem Grunde haushaltsmäßig nicht für andere Zwecke Verwendung finden. Eine solche Verbreiterung des Haushalts würde bedeuten, auf eine sehr gefährliche Situation in der Zukunft zuzusteuern, nämlich die gleichzeitige Finanzierung eines um so viel breiteren Bundeshaushalts u n d die Abtragung der Besatzungskostenrückstände. Wir sollten uns auch endlich nichts darüber vormachen, daß der Überhang für die vorhin genannten Zwecke voll benötigt wird. Erlauben Sie mir hier ein offenes Wort. Die Stabilität der Finanzwirtschaft des Bundes, die meinem Minister so sehr am Herzen liegt, ist ein Geschenk, das gewiß durch viele Opfer erkauft, aber auch durch einige glückliche Zufälle errungen wurde. Mit Gewalt sollte man die Konstruktion, die zu dieser Solidität geführt hat, nicht ändern wollen. Vorhin schon durfte ich auf die Risiken hinweisen, die sich aus einer anderen Handhabung ergeben würden, auch für die psychologische Seite der großen Öffentlichkeit.
Beim Bund sind die Gründe für die Kassenfülle leicht zu erkennen, bei den übrigen Gebietskörperschaften zum Teil auch. Z. B. besteht für annähernd 25 000 Gemeinden und Gemeindeverbände und rund 2230 Träger der Sozialversicherung, auf deren Finanzgebarung der Bund keinen Einfluß hat, eine gesetzliche Verpflichtung zur Bildung von Rücklagen. Ich möchte aber auf weitere Einzelheiten nicht eingehen.
Überschaue ich nun die Gesamtsituation, wie sie im gegenwärtigen Augenblick besteht, so scheint mir, daß wir uns angesichts der vollzogenen Steuerreform und andererseits wegen der zur gleichen Zeit auf den Bundeshaushalt zukommenden neuen Aufgaben und Ausgaben, vornehmlich wegen der bevorstehenden Verteidigungswirtschaft, an einem Wendepunkt befinden. Wir Finanzmänner treten in diese neue Epoche nicht ohne große Beklemmung ein; ich werde das am Schluß nochmals zusammenfassen. Niemand möchte es erleben, daß wegen etwaiger großer Ausgaben in der nahen Zukunft die Einnahmeseite des Bundes in anderer Richtung erneut bewegt werden müßte. Aber es sind auch neue und gesunde Elemente da. Zu ihnen gehört die wachsende Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes. Der Abruf von Besatzungskosten wird sich volkswirtschaftlich belebend auswirken. Die Entlastung der Steuerzahler um die vorhin genannten fast 3,9 Milliarden DM durch die Steuerreform wird die Leistungsfreude heben und die Kaufkraft aller Bevölkerungsschichten verbessern. Trotz dieser gesunden Elemente ist aber für den Haushalt der Bundesrepublik bei diesem Marsch in die Zukunft eine Voraussetzung, daß dem Bund eine Möglichkeit bleibt, die Finanzkraft der Bevölkerung für die Lösung zentraler Aufgaben selbstverantwortlich, also ohne die Zustimmung der Länder, einzusetzen. Diesen Erwägungen entstammt die sogenannte Ergänzungsabgabe, die diesmal die schwierige Aufgabe des Haushaltsausgleichs übernommen hat.
Ich muß in diesem Augenblick zunächst einen Blick auf das hinter uns liegende Rechnungsjahr werfen. Dieses Rechnungsjahr 1953 war für die Finanzwirtschaft des Bundes, betrachtet man es in seiner Gesamtheit, nicht ohne Erfolg. Zwar sieht das rechnungsmäßige Ergebnis mit einem Minus von 2,075 Milliarden DM sehr schlecht aus; aber in diesem Fehlbetrag stecken die Defizite der ganzen letzten Jahre einschließlich des sehr schlechten Jahres 1951. Mit Zustimmung des Haushaltsausschusses haben wir das bisher immer noch nicht abgedeckte Kassendefizit aus 1951 mit rund 1 Milliarde DM aus den Haushaltsmitteln 1953 gedeckt, besser gesagt: zum Teil gedeckt, da immer noch rund 640 Millionen DM kassenmäßiger Fehlbetrag verblieben sind. Die übrigen rund 1430 Millionen DM sind Ausgabereste, also aufgeschobene Ausgaben, die uns bei ihrer Durchführung im laufenden Jahr die Kasse belasten. Wir zeigen nun in den Allgemeinen Vorbemerkungen diese Reste in aller Deutlichkeit. Wer sie in den Einzelheiten studiert, wird feststellen, daß wir sie zu einem ganz überwiegenden Teil bedienen müssen. Bezeichnet man einmal den Haushaltsplan als einen Befehl der Legislative an die Exekutive, so dürfte ich hiermit melden, daß der Befehl mit ganz geringen Ausnahmen vollzogen ist.
Die Hauptausnahme liegt auf dem Verteidigungsgebiet, auf dem wir durch die Differenz zwischen den Besatzungskosten und den veranschlagten Verteidigungsausgaben ein Plus von rund 1750 Millionen DM gemacht haben. Dieses Plus hat genau so wie im laufenden Jahr 1954 zur Befriedigung des außerordentlichen Haushalts gedient, dessen erwartete Anleiheerlöse ausgeblieben sind. Zur haushaltsrechtlichen Seite, die in den finanzpolitischen Auseinandersetzungen der letzten Monate eine gewisse Rolle gespielt hat, weise ich darauf hin, daß die Haushaltsordnung den von der Bundesregierung eingeschlagenen Weg förmlich verlangt. Dem Finanzwirtschaftler scheint es auch fast selbstverständlich, daß man keine Schulden machen darf, wenn man Überschüsse im ordentlichen Haushalt hat. Gewiß bedeutet es eine Überforderung des Steuerzahlers, wenn man Vorhaben, die regelmäßig durch Schuldaufnahme finanziert werden, aus Steuereinnahmen bestreitet. Jegliche Folgerung aus dieser Erkenntnis scheitert aber daran, daß es kein Heilmittel dagegen gibt. Außerdem stecken in den Vorhaben des außerordentlichen Haushalts unaufschiebbare und unabweisbare Leistungen, die so oder so finanziert werden müssen. Sich aber vorzustellen, daß der Bund trotz seiner Geldfülle noch Anleihen aufnimmt, um einer Überforderung des Steuerzah-
lers vorzubeugen, würde bedeuten, die vollen Kassen noch weiter zu füllen.
In den Allgemeinen Vorbemerkungen sind die Gebiete genau behandelt, auf denen sich die öffentlichen Ausgaben im Jahr 1953 bewegt haben. Ich will Sie damit hier nicht aufhalten, sondern lieber das jetzt laufende Jahr betrachten. Aus diesem kurzen Abtun bitte ich aber nicht den Eindruck zu gewinnen, daß die Bundesregierung das gründliche Studium der Rechnungen der zurückliegenden Jahre nicht für sehr wichtig hielte. Ich möchte sogar so weit gehen, daß ich ganz grundsätzlich das Studium eines Voranschlags ohne gleichzeitige Prüfung der früheren Rechnungen für unzureichend halte.
Das Hohe Haus hat in diesem Jahr erstmals den Versuch unternommen, das Auge des Parlaments und der Öffentlichkeit auf diese Rechnungen zu richten; Rechnungen sind oft noch interessanter als Voranschläge.
Was also das Rechnungsjahr 1954 angeht, so hat es sich bisher insoweit wie seine Vorgänger entwickelt, als das Schwergewicht vieler Ausgaben erst in den jüngsten Wochen und Monaten spürbar geworden ist. Die Einnahmeschätzungen des Haushalts haben sich bis jetzt mit einer bemerkenswer ten Präzision als richtig erwiesen. Zwar liegen die effektiven Einnahmen noch hinter den Sollansätzen des Haushaltsplans, wir hoffen aber, daß die Nachzügler, also die kommenden Monate, das Minus von über 500 Millionen DM aufholen werden. Mir scheint jedenfalls, daß die Einnahmen, wie wir es gewohnt sind, an die den inzwischen eingetretenen Rechtsänderungen angepaßten Schätzungen herankommen. Der Ausfall durch die Steuerreform wird im Haushaltsjahr 1954 für den Bund etwa 115 Millionen DM ausmachen, kann aber auch mehr sein; so ganz kann man eine Einnahmeentwicklung in Verfolg einer so großen Steuersenkung nicht voraussagen. Die große Einsparung auf dem Verteidigungssektor, die durch das verspätete Inkrafttreten des Verteidigungsvertrages eintritt, wird, wie in dem vergangenen Jahr, auch diesmal wieder für den außerordentlichen Haushalt benötigt, zugleich aber auch als Ausgleich dafür, daß der Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf 38 % gegenüber den veranschlagten 42 % herabgesetzt ist.
— Sehr richtig, Herr Dresbach. — Beides, die Minderausgaben und die Mindereinnahmen, gleichen sich leider schon nicht mehr aus, sondern bringen der Bundeskasse ein Minus, das zu unserem weiteren Bedauern durch zusätzliche Ausgaben noch erhöht wird. Das Hohe Haus hat sich mit den finanziellen Anforderungen aus Anlaß der Ernte- und Hochwasserschäden befaßt. Die Arbeitslosenfürsorge kostet uns erheblich mehr, als im Voranschlag steht. Das Rentenmehrbetragsgesetz wirkt sich schon im laufenden Haushalt aus. Ganz besonders fühlbar aber ist die Erhöhung der im Bundeshaushalt 1954 veranschlagten Beiträge zu den Steuerverwaltungskosten der Länder nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses. Nicht weniger als 165 Millionen DM kostet diese von der Bundesregierung nicht erwartete Maßnahme. Die Roggenablieferungsprämie und sonstige kleinere Ausgaben im Agrarhaushalt kommen hinzu. Fasse ich alles zusammen, so hat sich der so gesunde Haushalt 1954 trotz der Verteidigungsersparnis in einen Defizithaushalt mit einem voraussichtlich mehrere hundert Millionen DM betragenden Fehlbetrag verwandelt. Ich weiß, daß dies alles leider nicht so ernst genommen wird, wie das in sozusagen „normalen Jahren" der Fall wäre. Wird uns diese normale Zeit noch lange fernbleiben? Leider müssen wir mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die schöne Zeit der „freundlichen Zufälle" jetzt vorüber ist und daß für die deutsche Finanzwirtschaft der volle Ernst beginnt.
Angesichts der Erhöhung des ordentlichen Haushalts um rund 1 Milliarde DM gegenüber idem Vorjahr wird es der unbefangene Beobachter kaum verstehen, wenn man den Haushalt 1955 als den Haushalt der Steuerreform bezeichnet. Der Planentwurf hat diesmal außerordentliche Schwierigkeiten mit sich gebracht, weil der Ausfall auf der Einnahmeseite trotz der Entwicklung der Zölle und einiger Verbrauchsteuern zu ungewöhnlichen Maßnahmen beim Zustandekommen des Budgets nötigte. Wir mußten zunächst die vielen unabweisbaren neuen Ausgaben sicherstellen. Da diese weit über die Mehreinnahmen, also den Saldo der Einnahmeminderungen und Einnahmeerhöhungen, hinausreichten, mußten Kürzungen des Ausgabeplafonds 1954 stattfinden. Was dies für eine große Verwaltung praktisch bedeutet, weiß nur der Kenner der Materie.
Der Haushaltsentwurf steht nun ausgeglichen vor Ihnen. Aber ich sagte schon einleitend, daß dieser Ausgleich etwas fragwürdig ist, nachdem die Steuerreform noch in der allerletzten Phase Veränderungen gebracht hat, die gegenüber den Haushaltsansätzen mit einem Minus von rund 570 Millionen DM zu Buch schlagen und auch mit dem größten Optimismus nicht in einem noch so phantastischen Sozialprodukt ausgeglichen sind.
Auf der Ausgabeseite sind es die schon einmal erwähnten Kriegsopferrenten, die nach Auffassung der Bundesregierung in der angemessenen Höhe noch finanziert werden müssen. Aber auch auf der Lohn- und Gehaltsseite der Bundesverwaltung sind Sorgen aufgetaucht, auf die ich in anderem Zusammenhange zurückkommen werde. Alle diese Dinge zusammen dürfen — das möchte ich erneut betonen — an dem stabilen Charakter des Haushalts 1955 nichts ändern. Betrachte ich außerdem das alte Defizit von rund 2 Milliarden DM und die eben genannten Verschlechterungen des Haushalts 1954 in Verbindung mit diesen Mindereinnahmen und Mehrausgaben 1955, so ergibt sich doch ein Bild, das zu harten Konsequenzen bei der kommenden Wirtschaftsführung des Bundes nötigt.
Was darf ich Ihnen nun als besondere Merkmale des Bundeshaushalts 1955 nennen? Ist es die Nichteinstellung des alten Defizits, an die sich Parlament und Finanzverwaltung allmählich in bedenklicher Weise zu gewöhnen scheinen? Sind es die hohen Einnahmeschätzungen, die beispielsweise bei der Umsatzsteuer auf ein erhofftes Plus von 900 Millionen DM heraufklettern? Ist es die Steigerung im Sozialhaushalt oder die Kürzung so vieler lieb gewordener kleiner Ausgabetitel? Ist es der Wegfall von Schuldverschreibungen an die Bundesanstalt und die Rententräger und die Tatsache, daß an deren Stelle nun Barleistungen treten mußten?
Ich darf diese Fragen einmal offenlassen und den Bundeshaushalt 1955 zunächst mit den Augen des Bundesrates betrachten. Da ist vorweg gleich festzustellen, daß die Bundesregierung, abgesehen von Kleinigkeiten, auch nicht einem einzigen wesentlichen Vorschlag des Bundesrates zustimmen konnte. Die Gründe dafür sind sehr einfach. Nachdem die Bundesregierung mit größter Mühe den Haushalt ausgeglichen und zu der bitteren Maßnahme einer besonderen neuen Bundessteuer, nämlich der Ergänzungsabgabe, gegriffen hat, muß es bei allem Verständnis für die Situation der Länder, die durch die Steuerreform noch stärker als der Bund getroffen werden, erstaunlich und befremdend klingen, wenn der Bundesrat aus dem ordentlichen Teil des Bundeshaushalts nicht weniger als 567 Millionen DM fortbewegt, also praktisch gestrichen hat. Denn eine Bedienung des außerordentlichen Haushalts durch Anleihen in noch höherem Maße, als wir es vorgesehen haben, also über 1568 Millionen DM hinaus, ist doch angesichts der Lage des Kapitalmarkts völlig ausgeschlossen und wäre aus Rücksicht auf die Kapitalbedürfnisse der Privatwirtschaft auch gar nicht zu verantworten. Ich muß mir, um das schwierige Verhältnis zu den Ländern nicht noch weiter zu belasten, . hier größte Zurückhaltung auferlegen, darf Sie aber bitten, die Stellungnahme der Bundesregierung zu diesen Anträgen des Bundesrates besonders sorgfältig zu beachten.
Die vom Bundesrat angeregten Streichungen im Bundeshaushalt ergeben ziemlich genau . den Betrag, der einer Senkung des Bundesanteils von 40 auf 36 % entspricht, und man fragt sich, ob dies ein Resultat oder ein Ausgangspunkt war, ein erarbeitetes Ergebnis oder ein angestrebtes Ziel, wie das bei der Bilanzaufstellung gehandhabt zu werden pflegt.
Die Liquiditätshilfe für die Bundesbahn, um ein Beispiel herauszugreifen, soll in den außerordentlichen Haushalt, was finanzwirtschaftlich etwa bedeutet, daß man, was völlig unwahrscheinlich ist, mit der Rückkehr dieser Summe in die Bundeskasse rechnet.
Der Bundesrat wünscht ferner, die bekannten 200 Millionen DM für das Kriegsfolgenschlußgesetz im Hinblick auf das erwartete späte Inkrafttreten dieses Gesetzes auf 100 Millionen DM zu ermäßigen. Ist es unrealistisch, wenn die Bundesregierung im Hinblick auf feste Zusagen, die auch den ausländischen Gläubigern gegeben waren, annimmt, daß der Betrag von 200 Millionen DM schon im ersten Jahr für Zinsleistungen ab 1. Januar 1955 sowie für den Härtefonds bei den nicht verbrieften Verbindlichkeiten des Reichs und zugunsten der Demontage- und sonstigen Geschädigten mit Sicherheit benötigt wird? Oder erscheint es realistisch, mit dem Bundesrat auf eine Senkung von Versorgungsausgaben um 50 Millionen DM oder auf eine Erhöhung der Abschöpfungsbeträge von 383 Millionen DM um sage und schreibe 17 Millionen DM auf 400 Millionen DM oder auf eine Rückeinnahme aus Betriebsmittelzinsen von 50 Millionen DM zu hoffen? Darf man auch bei den Zöllen, die der Bundesrat um 150 Millionen DM erhöhen will, auf eine Unwirksamkeit der vielen, die jetzige günstige Entwicklung verlangsamenden Funktionen rechnen? Oder sollten wir nicht recht haben mit der Behauptung, daß alle Zölle wie überhaupt alle Steuern für die Schätzung eine Einheit bilden und daß man nicht an einem einzigen Punkt erhöhen kann, ohne eine andere Einnahme senken zu müssen. Aber ich möchte, wie gesagt, über dieses Thema der Anträge des Bundesrates nicht ausführlicher sprechen, sondern nur feststellen, daß die Länder dem Bund offenbar nur einen Bundesanteil von 36 % zur Verfügung stellen wollen. Hier zeigt sich die staatspolitisch wie finanzwirtschaftlich bedenkliche Abhängigkeit des Bundes vom guten Willen und von der Einsicht der Landesregierungen, ihr Zustimmungsrecht im Geiste bundesstaatlicher Zusammenarbeit zu handhaben.
In diesem Punkte liegt für den Bundeshaushalt ein Risiko großen Ausmaßes.
Damit im Zusammenhang steht das Risiko der hohen Steuerverwaltungskosten, von denen ich vorhin sprach. Da der Haushaltsentwurf auf den Beschlüssen des Bundestages zur Finanzreform aufgebaut ist, gewisse Leistungen des Bundes also auf die Länderseite, gewisse seitherige Länderleistungen auf den Bund verlagert, kommt es zur Feststellung der finanziellen Auswirkungen immer auf den Saldo zwischen beiden an. Dieser beträgt zusätzlich 125 Millionen 'DM, die also zu den 4 % fehlenden Bundesanteilen hinzutreten. Das macht dann rund 400 plus 125 gleich minus 525 Millionen DM. Man möchte, ohne dramatisch zu werden, hier von ungewöhnlichen Schwierigkeiten bei der Ordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern sprechen. Es liegt mir fern, hier den Ländern zu nahe zu treten; sie haben sicher auch ihre Sorgen. Aber der Bund scheint mir insgesamt doch in eine unerträglich schwierige Lage gedrängt. Sollte die finanzielle Auseinandersetzung mit dem Bundesrat über die Bemessung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer nicht zu einem für den Bundeshaushalt tragbaren Ergebnis führen, so würden Ausgabenabstriche im Bundeshaushalt unvermeidlich werden, da die Ergänzungsabgabe das Maß ihrer Beschränkung in sich selbst trägt. Die dann fällige Überprüfung des Bundeshaushalts würde unter der Zielsetzung stehen müssen, daß der Bund seine Finanzkraft künftig in stärkerem Umfang als bisher auf die Funktionen konzentriert, deren zentrale Wahrnehmung unerläßlich ist, und den Ländern solche Aufgaben und Ausgaben überlassen muß, zu deren sachgemäßer Erfüllung nach den Grundsätzen der föderativen Verfassung die Länder allein verpflichtet sind. Insofern würde der allgemeine Lastenverteilungsgrundsatz der Finanzreform möglicherweise bereits für die Verhandlungen über den vorliegenden Haushaltsentwurf erhöhte Bedeutung gewinnen.
Es würde sicher ein Fehler sein, wenn ich bei der Behandlung der Einzelfragen nicht zunächst zu den beiden großen Blöcken des Bundesetats, dem Sozialhaushalt und dem Verteidigungshaushalt, spräche. Zunächst ist es wieder der Sozialhaushalt, von dem wir feststellen, daß er von Jahr zu Jahr weiter anwächst. Einmal hat dies seine Ursache in der Erhöhung von Sozialleistungen, der Zuerkennung neuer Ansprüche durch das Renten-MehrbetragsGesetz und das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, zum anderen in der durch die Bevölkerungsentwicklung verursachten Zunahme der Alterslast in der Sozialversicherung.
Wir bringen Ihnen den Sozialhaushalt diesmal in einer etwas anderen Form in den Allgemeinen
Vorbemerkungen, damit Sie die durch die Finanzreform und den neuen Versorgungshaushalt geschaffene Umstellung studieren können. Das Finanzanpassungsgesetz, das in diesem Augenblick noch umstritten ist, führt bekanntlich neben Entlastungen auch Belastungen mit sich; Entlastungen bei der Kriegsfolgenhilfe, die zukünftig pauschaliert wird, und bei der Verlagerung der Verwaltungskosten der Kriegsopferversorgung in Höhe von 140 Millionen DM auf die Länder, Belastungen durch die Übernahme des bisherigen Landesanteils der Zuschüsse der öffentlichen Hand an den Ausgleichsfonds. Im ordentlichen Haushalt steigt der Sozialaufwand im engeren Sinne — also ohne die Lastenausgleichsabgaben und die Versorgungsausgaben für die 131er — von 7,3 auf 8,023 Milliarden DM. Diese Steigerung hängt zum Teil mit dem vorhin genannten Wegfall von Schuldbuchforderungen an die Rententräger und die Bundesanstalt zusammen. Wir haben uns in den Vorbemerkungen bemüht, Ihnen den Vergleich der Leistungen zu erleichtern. Ich möchte hier jetzt nicht mit weiteren Zahlen operieren. Für die Kriegsopferversorgung allerdings darf ich sagen, daß sich der Aufwand nach unserem Entwurf im Jahre 1955 durch Zurechnung und Abrechnung auf 3 078,3 Millionen DM beläuft. In dieser Zahl ist aber, wie gesagt, der Finanzbedarf für die bevorstehende dritte Novelle noch nicht enthalten. Der Grund für den Wegfall der Schuldbuchforderungen ist das Renten-Mehrbetrags-Gesetz, durch das 1 % des Beitragssatzes von der Arbeitslosenversicherung auf die Invaliden- und Angestelltenversicherung zur Stärkung ihrer Finanzkraft übertragen wird. Dadurch entfallen Überschüsse bei der Bundesanstalt, die bisher in Wertpapieren angelegt werden konnten. Bei den Rentenversicherungsträgern sind die Ausgaben nach dem Renten-Mehrbetrags-Gesetz erheblich höher als die Beitragsmehreinnahmen. Auch hier muß erst die weitere Entwicklung abgewartet werden, bevor entschieden werden kann, ob sich erneut nennenswerte Kassenüberschüsse bilden, die eine Rücklagenschaffung ermöglichen werden.
Nun darf ich hier einmal die Entwicklung der gesamten Sozialausgaben der öffentlichen Hand, also von Bund, Ländern und Gemeinden — ausschließlich der sozialen Lastenausgleichsleistungen —, mit den Leistungen der sozialen Selbstverwaltung vergleichen. Es ergibt sich dann folgender bemerkenswerter Tatbestand: Die Sozialleistungen der öffentlichen Hand betrugen 1938 2,7 Milliarden RM, die der sozialen Selbstverwaltung 3,4 Milliarden RM; 1947 waren die beiden Summen 4,9 und 5 Milliarden RM; 1950 standen sich die Sozialleistungen der öffentlichen Hand und die der sozialen Selbstverwaltung mit 6,3 und 6,2 Milliarden DM fast gleichhoch gegenüber. 1951 ging die öffentliche Hand mit 7,6 Milliarden DM gegenüber 7,2 Milliarden DM der Selbstverwaltung in Führung. Sie behielt diese Führung 1952 mit 8,5 zu 8,2 Milliarden DM; 1953 mit 9,9 zu 8,8 Milliarden DM und 1954 mit 10,4 zu 9,5. Milliarden DM. Auch 1955 überwiegen diese Sozialleistungen der öffentlichen Hand mit 10,5 Milliarden DM die 9,9 Milliarden DM der Selbstverwaltung um über 1/2 Milliarde DM. Aus dieser Gegenüberstellung wird deutlich, daß die Sozialleistungen der öffentlichen Hand im Jahre 1938 noch erheblich unter den Leistungen der sozialen Selbsthilfeeinrichtungen lagen, nämlich die vorhin genannten 2,7 Milliarden RM gegenüber 3,4 Milliarden RM; ab 1950 liegen die Sozialleistungen der öffentlichen Hand aber ständig darüber. Mit anderen Worten: mit der Sozialgesetzgebung der letzten Jahre sind in zunehmendem Maße Versorgungselemente in das Sozialsystem hineingetragen worden, so daß auch unter diesem Gesichtspunkt die innere Sozialordnung der Bundesrepublik die Züge eines Versorgungsstaates anzunehmen beginnt.
Ich darf mich auf diese Feststellungen beschränken und die Frage offenlassen, in welcher Weise die kommende Sozialreform die Kräfte der Selbstverwaltung und der Selbsthilfe wieder stärker wecken wird.
Ich darf hier ein paar Worte zu dem Problem der Kriegsgefangenenentschädigung einflechten. Bekanntlich hat der Haushalt 1954 nur einen Betrag von 52 Millionen DM für Entschädigungsleistungen an die ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen bereitstellen können. Weitere 50 Millionen DM 'sind durch einen besonderen Beschluß der Bundesregierung überplanmäßig zur Verfügung gestellt worden. Der Entwurf des Haushaltsplans 1955 enthält nun mit 150 Millionen DM eine wesentliche Erhöhung des bisher ausgeworfenen Betrages. Für Kannleistungen stehen daneben leider keine Mittel zur Verfügung. Die Gesamtverbindlichkeit des Bundes aus den Verpflichtungsleistungen wird übrigens auf 1 Milliarde bis 1,2 Milliarden DM geschätzt, wird also auch die kommenden Haushalte noch sehr fühlbar belasten. Ich möchte hier keine alte Wunde berühren, aber doch nochmals daran erinnern, daß gerade der Bundesfinanzminister lieber die Kannleistungen als die Pflichtleistungen gepflegt gesehen hätte.
In diesem Zusammenhang war es meine Absicht, auch eine andere wichtige Leistung des Bundes zu behandeln, nämlich die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts, die uns ein besonderes Anliegen ist.
— Ich darf das vielleicht in der Antwort auf Ihre Anfrage — ich glaube, morgen nachmittag — ausführen.
— Bitte!
Da die hiermit zusammenhängenden Fragen aber Gegenstand einer Großen Anfrage und eines Antrags der Fraktion der SPD innerhalb der heutigen Tagesordnung sind, möchte ich mir vorbehalten, zu diesem Punkt der Tagesordnung ausführlicher über diesen Gegenstand zu sprechen.
Das Gesetz zur Regelung der rückerstattungsrechtlichen Geldverbindlichkeiten des Deutschen Reichs, das die letzte noch bestehende Lücke auf dem Gebiet des Rückerstattungsrechts schließen soll, wird voraussichtlich nach Besprechungen mit den Ländern und den Verfolgtenverbänden noch in diesem Monat im Entwurf fertiggestellt werden. Der Entwurf muß aber dann noch gemäß Art. 4 des Dritten Überleitungsabkommens zum Deutschland-Vertrag mit der Hohen Kommission erörtert werden. Nach dieser Erörterung wird der Entwurf dann sogleich dem Bundeskabinett zugeleitet werden. Wie Sie vielleicht schon gesehen haben, ist das
hier zugrunde liegende Überleitungsabkommen zum Deutschland-Vertrag unverändert in die Pariser Abkommen übernommen worden. Der in diesem Abkommen genannte Betrag von 1,5 Milliarden DM, auf den die Bundesrepublik ihre Haftung für diese Verbindlichkeiten beschränken kann, ist ebenfalls unverändert geblieben.
Der Haushaltsbetrag für 1955 wird für das Anlaufjahr des Gesetzes nach Meinung der Beteiligten ausreichen. Bis zum Inkrafttreten werden weiterhin unverzinsliche Darlehen in Härtefällen gewährt.
Ich kann hier gleich auch über die besondere Aktion der Bundesregierung zugunsten überlebender Opfer von Menschenversuchen berichten. Insgesamt sind für diese besonders bedauernswerten Opfer bisher 2,1 Millionen DM verausgabt worden. Für die noch unerledigten und die etwa neu bekanntwerdenden Fälle stehen ausreichende Haushaltsmittel zur Verfügung.
Der Vollständigkeit halber darf auch ein Blick auf ,die Durchführung des mit dem Staate Israel abgeschlossenen Abkommens geworfen werden. Wie dem Hohen Hause bekannt ist, hat die Bundesregierung von dem ihr nach idem Abkommen zugestandenen Recht, die Jahresleistung auf 250 Millionen DM festzusetzen, Gebrauch gemacht. Da noch ein früher verbrauchter Betrag von 60 Millionen DM haushaltsmäßig gedeckt werden muß, beläuft sich der Haushaltsansatz im Bundeshaushalt 1955 auf 250 Millionen DM + 60 Millionen DM = 310 Millionen DM. Die Bundesregierung benutzt den Anlaß, erneut die Versicherung abzugeben, daß sie sich bemühen wird, ,das den von den Nationalsozialisten Verfolgten angetane Unrecht wiedergutzumachen, soweit dies überhaupt durch finanzielle Leistungen möglich ist. Sie hofft mit den vorgetragenen Maßnahmen den richtigen Weg beschritten und hierdurch zur Besserung der Beziehungen zwischen den Verfolgten und dem Bund beigetragen zu haben.
Bei diesem Überblick über die finanziellen Leistungen des Bundes darf der Lastenausgleich nicht fehlen, der sich im Bundeshaushalt auch für 1955 in den verschiedensten Formen zu Wort meldet. Zunächst ein Blick auf die Einnahmeseite! Die Einnahmen des Sondervermögens „Ausgleichsfonds" haben sich 1954 weiterhin befriedigend entwickelt. Es ist anzunehmen, daß das gleiche Aufkommen auch 1955 gehalten werden kann. Zu der Steigerung des Aufkommens hat insbesondere beigetragen, daß die Abgabepflichtigen in zunehmendem Maße von der Möglichkeit einer Ablösung Gebrauch gemacht haben. Bisher sind in etwa 100 000 Fällen Lastenausgleichsabgaben mit einem Gesamtbetrag von über 200 Millionen DM abgelöst worden. Es ist zu hoffen, daß diese Ablösungsbereitschaft anhält. Auch die Verwaltung vermerkt gern die darin liegende Entlastung.
Das Aufkommen aus der Vermögensteuer war in gleicher Weise günstig. Obwohl diese Steuer noch eine Landessteuer ist, ist der Bund an ihr besonders interessiert, weil ihr Aufkommen, wenn auch mit . gewissen Einschränkungen, dem Ausgleichsfonds zufließt. Es scheint, daß eine wesentliche Steigerung in den kommenden Rechnungsjahren erwartet werden darf, weil die Zunahme der Vermögen seit 1949 sich erst bei der für 1955 vorbereiteten Hauptveranlagung auf den 1. Januar 1953aufkommensmäßig in vollem Umfang auswirken wird. Es sei hier nur auf die bisher nicht erfaßten Vermögenssteigerungen durch die Kursentwicklung der Wertpapiere seit 1948 hingewiesen. In meinem Haus wird zur Zeit der Entwurf eines neuen Bewertungsgesetzes vorbereitet, das im Laufe des nächsten Rechnungsjahrs vorgelegt werden soll.
Eine Hauptfeststellung der Einheitswerte ist insbesondere für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen und für das Grundvermögen nötig, weil die Einheitswerte insoweit noch auf den Wertverhältnissen des Jahres 1935 beruhen.
— Ich hoffe, Herr Dr. Dresbach, daß das auch gewürdigt werden wird. — Bei der Landwirtschaft sind auch die Ergebnisse der neuen Bodenschätzungen zu berücksichtigen. Eine steuerliche Auswirkung der Hauptfeststellung wird sich allerdings nicht vor dem Jahre 1958 ergeben.
Die Leistungen aus dem Ausgleichsfonds haben inzwischen weit die ursprünglichen Schätzungen überstiegen. Ich brauche diese allgemein bekannten Dinge nicht zu wiederholen und vielleicht nur eine Zahl zu nennen. 1954 sind allein für Hausratshilfen bisher 1,060 Milliarden DM, für Aufbaudarlehen in ihren drei Formen 1,080 Milliarden DM bereitgestellt worden. Im Währungsausgleich der Vertriebenen ist nunmehr auch der Altsparerzuschlag voll freigegeben worden. Das Bundesausgleichsamt war bemüht, auf den Abfluß seiner hohen Kassenbestände hinzuwirken. Es hat deshalb in beträchtlichem Umfang Vorgriffe auf die Einnahmen des Rechnungsjahres 1955 durchgeführt. Durch diese Maßnahmen ist der wegen seiner Höhe oft kritisierte Kassenbestand des Ausgleichsfonds auf ein bescheidenes Maß zurückgeführt worden.
— Ich komme darauf.
Es liegt in der Natur von Vorgriffen, daß die für sie ausgegebenen Mittel im folgenden Jahr nicht nochmals zur Verfügung stehen. Daher wird der Ausgleichsfonds im Rechnungsjahr 1955 zwar an die Geschädigten erhebliche Leistungen aus den früheren Planungen gewähren können; zusätzliche Verplanungen über die gesetzlich fixierten Leistungen hinaus sind aber jetzt nur noch beschränkt möglich. Das Lastenausgleichsamt prüft zur Zeit aber Wege, den Übergang zu dem neuen Zustand zugunsten der Geschädigten zu erleichtern.
Lassen Sie mich jetzt ein Wort zur Entwicklung auf dem Lohn- und Gehaltsgebiet sagen. Wie Ihnen bekannt ist, haben sich hier zunächst in der Privatwirtschaft im laufenden Jahr Änderungen vollzogen, die im Durchschnitt zu einer allgemeinen Erhöhung der Löhne und Vergütungen geführt haben. Diese Entwicklung ist, wie ich in Erinnerung rufen darf, unter Lohnkämpfen vor sich gegangen; die Bundesverwaltung war davon nicht betroffen, wohl aber ein Teil der übrigen öffentlichen Arbeitgeber. Inzwischen sind die laufenden Tarifverträge zum großen Teil gekündigt worden.
Die Bundesregierung hat gegenüber diesen Forderungen zunächst größte Zurückhaltung geübt, einmal aus Sorge vor Preissteigerungen, die eine Minderung des Reallohns mit sich gebracht hätten; ferner dürfen die Rationalisierungsmaßnahmen, die bei den großen Betriebsverwaltungen gerade im Gange sind, nicht in Frage gestellt werden.
Die Länder und Gemeinden sind bekanntlich einen anderen Weg gegangen und haben sich am 10. September zum Abschluß von Tarifverträgen bereitgefunden, die bei den Ländern eine Erhöhung des Ecklohns um 5 Pfennig, bei den Gemeinden eine solche von 6 Pfennig mit sich brachten. Bei den Angestellten sind die Grundvergütungen durch verschiedene andere Maßnahmen im Durchschnitt um etwa 5 % erhöht worden.
Die Bundesregierung ist nach Abstimmung mit Bundesbahn und Bundespost in Verhandlungen mit den Gewerkschaften eingetreten, die auch auf die Angestellten ausgedehnt sind und zur Zeit weiterlaufen. Sie werden gewisse haushaltsmäßige Mehrbelastungen mit sich bringen, die noch nicht in die Haushaltsansätze einkalkuliert werden konnten. Weitere Mehrausgaben werden entstehen, wenn die schon vor längerer Zeit mit den Gewerkschaften geführten Verhandlungen über einen neuen Manteltarif für die Bundesangestellten zu einem Abschluß gelangen. Es liegt in der Natur der Dinge, daß eine solche Neuregelung sich nicht nur auf eine formelle Neugestaltung der bestehenden Regeln beschränken kann. Die Ihnen heute vorgetragene Haushaltslage begrenzt aber die haushaltsmäßigen Möglichkeiten von selbst. Da ich die Dinge heute nur vom haushaltsmäßigen Standpunkt aus zu behandeln habe, muß ich von jeder Darlegung der besonderen Problematik absehen.
Nun ein Wort zur Beamtenbesoldung. Eine Neuregelung des Besoldungsrechts nicht nur unter dem Gesichtspunkt einer weiteren Anpassung der Bezüge der Bundesbeamten an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse, sondern insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt des organischen Aufbaues und einer durchgreifenden Verwaltungsvereinfachung wird von der Bundesregierung seit langem als ein besonders dringendes Anliegen empfunden.
Da jedoch eine Neuregelung des Bundesbesoldungsrechts — gleichviel wie man die Frage der Zulässigkeit rahmenrechtlicher Ausgleichsbestimmungen auch für Länder, Gemeinden und andere Körperschaften des öffentlichen Rechts beurteilt — nicht nur für den Haushalt des Bundes, sondern auch für die Haushalte der Länder, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts und für das gesamte Lohngefüge von weittragender Bedeutung ist, bedurfte diese Neuregelung umfangreicher und zeitraubender Vorarbeiten. Diese Vorarbeiten sind im Bundesfinanzministerium nunmehr im wesentlichen abgeschlossen. Eine Kommission von Sachverständigen des Bundes und der Länder ist beauftragt, auf Grund der Vorarbeiten und der Vorentwürfe des Bundesfinanzministeriums die Grundlagen für den Regierungsentwurf eines neuen Bundesbesoldungsgesetzes zu erarbeiten. Ich hoffe also, daß es möglich sein wird, den Regierungsentwurf eines neuen Bundesbesoldungsgesetzes so rechtzeitig vorzulegen, daß er noch im nächsten Kalenderjahr von den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes verabschiedet werden kann.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 1954, durch das die bisherigen rahmengesetzlichen Bestimmungen des Bundes auf dem Gebiete der Beamtenbesoldung für verfassungswidrig und unwirksam erklärt wurden, wird freilich für die Ausgestaltung des künftigen Bundesbesoldungsrechts Folgen haben, die sich zur Zeit im einzelnen noch nicht übersehen lassen. Es wird in diesem Zusammenhang insbesondere abzuwarten sein, inwieweit die nunmehr von den rahmengesetzlichen Beschränkungen des Bundes befreiten Länder dem Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalen hinsichtlich der Bemessung ihrer Beamtenbesoldung folgen können und folgen werden.
— Das fürchten wir auch.
Auch wird man sich mit der Forderung auseinandersetzen müssen, daß eine Erhöhung der Löhne und Vergütungen für Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst des Bundes zu Übergangsregelungen auch auf dem Gebiete der Beamtenbesoldung nötigt; eine solche Maßnahme würde die Bereitstellung zusätzlicher Mittel hierfür im Bundeshaushalt erfordern. Es ist besonders interessant, zu wissen, daß eine dem Landesgesetz von NordrheinWestfalen angepaßte Regelung bei vorsichtiger Schätzung folgende Mittel beanspruchen würde: Für die Beamten wären es beim Bund 36,9 Millionen, bei der Post 81,4 Millionen, bei der Bahn 116,6 Millionen, insgesamt 234,9 Millionen; für die Angestellten in derselben Reihenfolge bei Bund, Post und Bahn 11,1 Millionen, 27,9 Millionen, 2,2 Millionen, insgesamt 41,2 Millionen; für die Versorgungsempfänger und 131er beim Bund 100,8 Millionen, bei der Post 41,8 Millionen, bei der Bahn 85,8 Millionen, zusammen 228,4 Millionen. Das macht insgesamt rund gerechnet beim Bund beinahe 150 Millionen, bei der Post mehr als 150 Millionen, bei der Bahn mehr als 200 Millionen, zusammen 504,5 Millionen.
Durch das Dritte Besoldungsrechtsänderungsgesetz ist der Bundesminister der Finanzen ermächtigt worden, in besonders begründeten Ausnahmefällen einzelne Orte in eine andere Ortsklasse einzureihen. Nach eingehenden Untersuchungen und Erörterungen mit den Ländern hat der Bundesfinanzminister von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und nunmehr eine Verordnung erlassen, der der Bundesrat bereits zugestimmt hat und durch die 264 Orte in eine höhere Ortsklasse eingereiht werden.
Ich komme jetzt zu dem zweiten großen Ausgabenblock im Bundeshaushalt, den Verteidigungsausgaben. Lassen Sie mich auch hierzu einige allgemeine und gänzlich unpolemische Äußerungen machen. In den vergangenen Jahren sind große deutsche Zahlungen für Zwecke der Alliierten als Besatzungskosten und Auftragsausgaben sowie als Besatzungsfolgekosten geleistet worden. Am Schluß des Rechnungsjahrs 1954 werden wir feststellen können, daß vom Beginn der Besatzung bis zum
31. März 1950 von den Ländern und von da ab vom Bund im Bundesgebiet und in Berlin insgesamt mehr als 55 Milliarden RM/DM als Besatzungskosten und -folgekosten aufgewendet worden sind. Davon entfallen auf die Rechnungsjahre 1950 bis 1954 rund 32,3 Milliarden DM; von diesem Betrag sind für die militärischen Bedürfnisse der Alliierten rund 30 Milliarden DM verwendet worden. Um keine falschen Bilder entstehen zu lassen, darf ich hinzufügen, daß der Gesamtaufwand für die alliierten Streitkräfte in der Bundesrepublik und in Berlin ganz erheblich höher ist, da die Besoldung, die Aufwendungen für die Erstausstattung und die Verpflegung sowie der Aufwand für die alliierten Zivilbehörden von den Besatzungsmächten aus ihren Heimatmitteln getragen werden. Wir wissen, daß die Ausgaben der Heimathaushalte für diesen Zweck im Rechnungsjahr mehrere Milliarden DM betragen.
Der Einzelplan der Verteidigungslasten, wie er jetzt heißt, wird im Rechnungsjahr 1955 — das ist die Überzeugung der Bundesregierung — der erste Haushalt des Bundes sein, in welchem der deutsche Verteidigungsbeitrag als solcher verwirklicht werden wird. Ein Betrag von rund 9,266 Milliarden DM steht bereit;
darin sind die Berliner Besatzungskosten und -folgekosten enthalten. Vorjahresreste ermöglichten die im Interesse des Haushaltsausgleichs unumgängliche Streichung von Mitteln für Folgekosten. Im Haushaltsplan 1955 stehen jetzt für diesen Zweck, für die Folgekosten. nur noch 80 Millionen DM im außerordentlichen Haushalt.
Unterstelle ich einmal, daß die revidierten Bonner Verträge und die Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag am 1. April 1955 in Kraft treten, so wird von den 9 Milliarden DM der Hauptbetrag von 5,8 Milliarden DM für die Aufstellung der deutschen Streitkräfte zur Verfügung stehen, während der Restbetrag von 3,2 Milliarden DM als Beitrag für den Unterhalt der stationierten Streitkräfte Verwendung finden soll. Aus der Staffelung der Monatsbeträge dieser 3,2 Milliarden DM, die mit 400 Millionen DM im Monat beginnen und bei 200 Millionen DM enden, ergibt sich die degressive Tendenz der Stationierungskosten. Im Pariser Abkommen ist ausdrücklich eine Revisionsklausel vorgesehen, die es verhindert, daß die Zahlung von Stationierungskosten etwa den Aufbau der deutschen Streitkräfte beeinträchtigt. Für die Zeit nach Ablauf der 12 Monate Stationierungsbeitrag hat sich die Bundesrepublik lediglich zu Verhandlungen über Fragen des Unterhalts der alliierten Streitkräfte gebunden und hinsichtlich der Beschaffung von Sach- und Werkleistungen ihre Unterstützung angeboten. Diese Regelung wird den alliierten Mächten jetzt schon Anlaß geben, sich darauf einzustellen, daß sie nach Ablauf des Verteidigungsjahres ihre finanziellen Bedürfnisse voll aus Heimatmitteln zu decken haben. Die Bundesrepublik leistet dann nur noch den üblichen Beistand, wie ihn auch andere Länder tragen.
Sollte es zu einer Interimszeit zwischen der Wiedererlangung der deutschen Souveränität und dem Inkrafttreten des Verteidigungsvertrages kommen. so setzen sich die jetzigen Besatzungskostenzahlungen von 600 Millionen DM fort. Über die Verwendung eines Betrags von 100 Millionen DM treffen aber die Bundesrepublik und die Drei Mächte eine besondere Vereinbarung; diese 100 Millionen DM sollen einem gemischten Verteidigungsprogramm, auf deutscher Seite zugunsten baulicher Maßnahmen, zugeführt werden.
Ich darf diese Gelegenheit benutzen, die Überzeugung der Bundesregierung mit aller Klarheit dahin bekanntzugeben, daß die in den Bundeshaushalt eingestellten 9 Milliarden DM die Grenze der deutschen Leistungskraft für Verteidigungszwecke darstellen.
Wir haben uns mit Rücksicht auf irreführende Pressemitteilungen in der letzten Zeit gewisse Sorgen machen müssen.
Es hat sich aber gezeigt, daß diese Meldungen nicht auf amtlichen Unterlagen beruhten.
Angesichts der Höhe der Verteidigungslasten von 9 Milliarden DM erwächst der Bundesverwaltung die ernste Verpflichtung, für eine sachgemäße Verausgabung dieses Betrages zu sorgen und jede Verteuerung der Verteidigung durch überstürzte Maßnahmen zu verhindern.
Über die Wiedergutmachung der Besatzungsschäden kann ich berichten, daß die Absicht der baldigen Vorlage eines Abwicklungsgesetzes besteht.
— Diese Absicht wird auch verwirklicht werden. — Seine Durchführung wird einen Aufwand von mehr als 350 Millionen DM verursachen; auch das Rechnungsjahr 1955 wird mit einem Teilbetrag davon belastet sein.
Auch die Abwicklung der Belegungsschäden wird größeren Umfang annehmen müssen, weil voraussichtlich bis zum Ende des Rechnungsjahres 1955 die Masse der requirierten Wohnungen freigegeben sein wird; wir können zu diesem Zeitpunkt mit einer Freigabe von mehr als 15 000 privaten Wohnungen rechnen. Die alliierten Planungen sehen für diese Maßnahmen einen Betrag von rund 2 Milliarden DM vor, der in dem Besatzungskostenüberhang steckt.
Die Bundesregierung wird zusammen mit den Länderregierungen ihr Augenmerk auch darauf richten, daß jeweils nach Freigabe der privaten Liegenschaften die Abwicklung der Belegungsschäden beschleunigt durchgeführt wird, damit die Gebäude und Einrichtungsgegenstände wieder instandgesetzt und der deutschen zivilen Nutzung alsbald wieder zugeführt werden können.
Im Anschluß hieran taucht nun die Frage der haushaltswirtschaftlicher, Auswirkungen der künftigen Selbstverteidigung schlechthin auf. Ich kann mich hier ganz kurz fassen und die Ansicht der Bundesregierung dahin bekanntgeben, daß jede Überbürdung der Volkswirtschaft verhindert werden soll. Jedem Mißverhältnis zwischen Geldmenge und Gütermenge muß vorgebeugt werden. Dem Kapitalmarkt und seiner Leistungsfähigkeit kommt im Rahmen der Aufbringung des Gesamtaufwandes eine besondere Bedeutung zu. Ich möchte aber auch
auf die Steuerseite hinweisen, der eine hervorragende Korrekturmöglichkeit bei etwaigen wirtschaftlichen Verzerrungen zufällt. Der Finanzminister wird die Entwicklung mit größter Sorgfalt verfolgen. Wir haben schon studiert, wie andere Staaten in neuerer Zeit das Problem gelöst und . wie sie jeden Mißbrauch ihrer Notenpresse verhindert haben.
Wenn ich jetzt nach Erörterung der beiden großen Ausgabenblöcke, der Sozialausgaben im weiteren Sinne und der Verteidigungskosten, auf einige weitere besonders wichtige Ausgabenposten zukomme, so möchte ich mit dem Kriegsfolgenschlußgesetz beginnen. Die Bundesregierung hat, wie Ihnen bekannt ist, die Absicht, den Entwurf eines solchen Gesetzes bald vorzulegen. Gewisse Grundfragen bedürfen noch der abschließenden Entscheidung. Über den Inhalt des Gesetzes darf ich schon jetzt mitteilen, daß sich die Bundesregierung zu einem gemischten System von Maßnahmen entschlossen hat. Durch die Politik der Wirtschaftsförderung sind praktisch bisher schon mehr als 30 Milliarden für die Beseitigung der Kriegsschäden aus öffentlichen Mitteln aufgebracht worden — z. B. durch steuerliche Vergünstigungen für die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung, für den Wiederaufbau von Fabriken, zur Beschaffung von Maschinen; durch Kredite und Bürgschaften, Subventionen und dergleichen. Daß es neben diesen Maßnahmen für die NS-Verfolgten, die Kriegsopfer, die Vertriebenen usw. noch ungeregelte Teilgebiete gibt, ist nicht zu bestreiten. Hier soll das Kriegsfolgenschlußgesetz unter die Liquidation des Krieges sozusagen einen Schlußstrich ziehen und dabei vor allem das Problem der Verbindlichkeiten des Reiches und Preußens sowie das Problem der Reparations- und Restitutionsschäden behandeln. Dabei soll die Frage der Entschädigung der Reparations- und Restitutionsgeschädigten im einzelnen einer späteren Entschließung vorbehalten bleiben und bis dahin lediglich ein System von sozialen Hilfsmaßnahmen und wirtschaftsfördernden Maßnahmen wirksam sein. Die Bundesregierung hat für diese Schadensfälle einen Betrag von 100 Millionen DM in den Haushaltsentwurf für 1955 eingestellt.
Das Problem der Reichsverbindlichkeiten wird in der Öffentlichkeit vielfach deshalb unzutreffend beurteilt, weil nur an die sogenannten verbrieften Reichsverbindlichkeiten gedacht wird. Die verbrieften Reichsverbindlichkeiten beliefen sich im Zeitpunkt des Zusammenbruchs auf rund 390 Milliarden RM. Hiervon befinden sich etwa 360 Milliarden in Händen von Geldinstituten, Gebietskörperschaften 'und Sozialversicherungsträgern. Der eigentliche Privatbesitz wird auf 27 Milliarden geschätzt; davon befinden sich etwa 9 Milliarden in der sowjetischen Besatzungszone. Da die finanziellen Verhältnisse der Geldinstitute, Gebietskörperschaften und Sozialversicherungsträger durch die Währungsreform geordnet sind, 'braucht nur 'der eigentliche Privatbesitz von rund 18 Milliarden RM berücksichtigt zu werden. Wenn nun behauptet wird, daß eine Umstellung dieser Verbindlichkeiten im Verhältnis 10:1 für den Haushalt tragbar sei, so wird dabei die große Vorbelastung dieses Haushalts, aber auch das Volumen der ebenfalls zu berücksichtigenden nichtverbrieften Reichsverbindlichkeiten verkannt. Die nichtverbrieften Verpflichtungen beruhen auf vielerlei Tatbeständen — rückständige Kaufpreise, rückständige Wehrsold- und Gehaltsforderungen, Forderungen auf 'Grund von Inanspruchnahmen aus dem Reichsleistungsgesetz, Schadensersatzforderungen und dergleichen —. In den letzten Kriegsmonaten wurden im Reichsfinanzministerium diese nicht verbrieften Reichsverbindlichkeiten auf einen Betrag von 400 Milliarden RM geschätzt; es handelt sich dabei um eine Millionenzahl von Fällen. Eine quotale Bedienung dieser Verbindlichkeiten würde nicht nur die größten Mittel, sondern auch einen riesenhaften Verwaltungsapparat erfordern, und selbst dann würde fraglich sein, ob die Beweisfrage gemeistert werden könnte. Deshalb kann es nach Auffassung der Bundesregierung auch hier nur Härtebeihilfen für solche Gläubiger des Reiches geben, die durch die Nichtbedienung ihrer Forderungen in eine soziale Notlage geraten sind.
Für alle Tatbestände zusammen, verbriefte und nichtverbriefte Forderungen, sind wiederum 100 Millionen DM vorgesehen, für das ganze Kriegsfolgenschlußgesetz also 200 Millionen DM.
Die Bundesregierung ist sich darüber im klaren, daß mit einer solchen Regelung viele Hoffnungen enttäuscht werden. Sie weiß aber auch, daß die von ihr vorzuschlagende Regelung weit über das hinausgeht, was noch vor einigen Jahren für möglich gehalten worden ist. Wer danach als Reichsgläubiger keine ausreichende Befriedigung erfährt, mag sich vergegenwärtigen, welche zusätzlichen Summen vom Steuerzahler und damit wieder auch von ihm selbst aufgebracht werden müßten, wenn eine weitergehende Regelung durchgeführt werden sollte. Er muß sich ferner vor Augen halten, wie bescheiden die Entschädigungen sind, die den am schwersten betroffenen Opfern dieses Krieges gewährt werden können.
An den übrigen Ausgabefronten des Bundes tut sich ebenfalls viel Neues. Ich kann Ihnen aber unmöglich alle auch wichtigen Einzelheiten vortragen, möchte aber noch ein generelles Thema kurz behandeln, nämlich das der Bundes- und Länderausgaben für denselben Zweck. Wie Ihnen vielleicht erinnerlich ist, haben alle Budgetreden der letzten Jahre diese leidige Frage behandelt. Während früher die Länder um ihre Kompetenzen kämpften und die daraus fließenden finanziellen Konsequenzen bejahten, kommt ebenso wie in der Weimarer Republik auf den Bund in immer steigendem Maße ein Bündel von Anforderungen zur gemeinschaftlichen Finanzierung vieler Aufgaben zu, die im Grundsatz Länderaufgaben sind. Werden Zuschüsse gegeben, so hängen an allen diesen Dingen sonstige Einrichtungen, Planstellen, Reisekosten usw.; gelegentlich verwischt sich auch die Verantwortung, und es entsteht jener Mischzustand, der im Grunde unerfreulich und ungesund ist.
Wir haben auch diesmal wieder das gleiche Schauspiel erlebt; ich möchte mich mit dieser resignierten Feststellung begnügen.
— Es ist sicher dem Haushaltsausschuß vorbehalten, hier einmal den Hebel anzusetzen.
Auf dem Gebiet der Kultur im engeren Sinne sowie der Wirtschaftsförderung, der Grenzzonen, des Küstenschutzes usw. zeigt der Entwurf des neuen Bundeshaushalts die Auswirkungen der De-
batten, die in diesem Hause stattgefunden haben. Daß nicht alle Wünsche befriedigt werden konnten, liegt neben dem harten Zwang zur Sparsamkeit auch an dem Bemühen, nicht durch eine Erhöhung der Bundesleistungen die Verantwortung und die Leistungen der Länder völlig lahmzulegen. Wir haben festgestellt, daß auch ganz überzeugte Föderalisten nach Bundeszuschüssen rufen,
selbst wenn es um die Durchführung von Prioritätsaufgaben der Länder geht.
In ihrem inneren Gehalt haben sich die Ausgabepläne des Bundes nicht wesentlich verändert. Vielleicht darf ich hier zunächst den Agrarhaushalt herausgreifen, dessen Ausgabeseite sich um fast 100 Millionen DM erhöht hat. Was für die Aktionsfähigkeit eines Ressorts ein solcher Zuwachs an Finanzkraft in einem Haushalt bedeutet, dessen Ausgleich auf so außerordentliche Schwierigkeiten stieß, ist meines Erachtens vielsagend genug. Im einzelnen sind hier zunächst die Subventionen für eingeführte Lebensmittel, die Roggenablieferungsprämie, die Verbilligung von Dieselkraftstoff zu nennen; insgesamt machen diese Subventionen rund 70 Millionen DM aus. Die Zuschüsse an die Einfuhr- und Vorratsstellen verschlingen 200 Millionen DM. Für die Durchführung des Agrarstrukturprogramms des Herrn Bundesernährungsministers sind Mittel im Gesamtbetrag von über 120 Millionen DM vorgesehen, für die Siedlung über 100 Millionen DM, für das Emsland 25 Millionen DM, für den Küstenschutz 24 Millionen DM, für die landwirtschaftliche Forschung rund 22 Millionen, für die Bekämpfung der Tierseuchen 8 Millionen. Diese kleine Aufzählung zeigt, daß der Agrarhaushalt den Marsch der Vorjahre erfolgreich fortgesetzt hat.
Schaltet man einmal die stark schwankenden Beträge für Subventionen aus, so ergibt sich folgender Anstieg der Ausgabemittel des Ernährungsministeriums: von 1952 auf 1953 eine Erhöhung von 112,4 Millionen, von 1953 auf 1954 eine Erhöhung von 127,4 Millionen. Und nun sind es nochmals fast 100 Millionen DM, um die die Ausgaben ansteigen sollen. Hinzu treten die ERP-Mittel, die ja in ihrer Gesamtheit seit 1954 die Bundeshaushaltspläne verlassen und sich in einem eigenen Wirtschaftsplan vereinigt haben. Diese ERP-Mittel für die Landwirtschaft steigen auch 1955 wieder erheblich an, und zwar auf das Doppelte. Alle diese Ausgabesteigerungen des Agrarhaushalts hätten nicht vorgesehen werden können, wenn sich nicht auch die Einnahmeseite günstig entwickelt hätte. Hier sind die Abschöpfungen der Ast, an dem sich der Landwirtschaftshaushalt selbst emporgerankt hat.
Für 1955 sind nicht weniger als 383 Millionen DM Einnahmen veranschlagt; der Bundesrat möchte sie sogar auf 400 Millionen DM erhöhen. Diese gewaltige Schätzung beruht auf der Annahme, daß die derzeitige Entwicklung erhalten bleibt. Aber ich darf ganz offen sagen, daß in dieser Annahme sehr erhebliche Risiken stecken. Bis auf einen geringen Betrag von 15 Millionen DM sind unter Außerachtlassung des allgemeinen Deckungsprinzips die
Mehreinnahmen praktisch lediglich dem Etat des
Ernährungsministeriums zugute gekommen. Ich erwähne diesen Punkt besonders, damit später keine
Enttäuschung eintritt, wenn einmal die Abschöpfungen sinken und dann zwangsläufig der Haushalt des
Ernährungsministeriums nach unten gehen muß.
— Das ist eben eine ernste Sorge für uns, Herr Dr. Dresbach.
Das vorhin genannte Agrarstrukturprogramm des Herrn Bundesernährungsministers erfährt gegenüber 1954 eine Steigerung um rund 37 %. Ob die Länder in der Lage sein werden, beispielsweise auf dem Gebiet der Flurbereinigung die erhöhten Mittel mit ihrem Verwaltungsapparat zu bewältigen, ist wohl nicht ganz sicher. Aber auch die Zinsverbilligung betrachtet der Bundesfinanzminister mit Sorge, weil sie für die Zukunft eine langandauernde Belastung des Haushalts mit sich bringt. Die Gedanken des Etatministers über den höchsten Posten im Ernährungshaushalt, die Zuschüsse an die Einfuhr- und Vorratsstellen, sind schon im Vorjahr zum Ausdruck gekommen. Die Gründe für das Überschreiten der 200-Millionen-Grenze liegen in der Aufstockung der Brotgetreidereserve um 600 000 t sowie in den Mehrkosten für Zuckerlagerung. Da sich das Hohe Haus gerade vor kurzem mit der Gesamtsituation der Einfuhr- und Vorratsstellen und mit der Vorratshaltung beschäftigt hat, kann ich von einer weiteren Stellungnahme absehen. Der Herr Bundesminister für Ernährung hat bei diesem Anlaß mit erfreulicher Deutlichkeit klargestellt, daß der jetzige finanzielle Zustand kein bequemes Stehenbleiben bedeuten soll, sondern daß auch die Apparatur so einfach, übersichtlich und billig wie möglich werden soll.
Ich darf anschließend auf die außerordentlich hohen Mittel hinweisen, die der Bund für Zwecke des Küstenschutzes bisher zur Verfügung gestellt hat. Sie belaufen sich seit 1949 auf insgesamt 132 Millionen DM, davon rund 82,6 Millionen für Schleswig-Holstein und 49,2 Millionen für Niedersachsen. Dabei übersteigen die Bundesleistungen die Länderleistungen beträchtlich, und zwar in einem zeitlich steigenden Maß. Ferner müssen hier die großen Leistungen des Bundes für Aufgaben der Landeskultur berücksichtigt werden, für Niedersachsen das Emsland-Programm, für SchleswigHolstein das sogenannte Nordprogramm. Wer sich in diese Haushaltszahlen vertieft, wird feststellen, daß große Leistungen fast unbeachtet vollbracht worden sind.
Auch der Wirtschaftshaushalt kann bei einigen Förderungsmaßnahmen mit höheren Beträgen als im Vorjahr aufwarten. Das größte Geschenk des Bundes an die Wirtschaft steht allerdings nicht auf der Ausgabenseite, sondern auf der Einnahmeseite; es ist die Steuerreform, die ich hier erwähnen muß, damit die Leistungen des Bundes für die Wirtschaft nicht allzu klein erscheinen. An wirtschaftspolitischen Förderungsmaßnahmen sind diesmal die Beiträge des Bundes zu den Kosten deutscher Beteiligungen an ausländischen Messen erhöht worden.
Im Interesse der Exportförderung kann daher eine größere Zahl von Auslandsmessen beschickt werden. Ferner sind im Zuge der von der Bundesregierung gepflegten Förderung 'des mittelständischen Gewerbes erstmaLs Mittel auch für den Han-
del ausgeworfen worden; damit sollen Maßnahmen der beruflichen Fortbildung und der Rationalisierung der Betriebe gefördert werden. Die für das Handwerk eingesetzten Mittel sind im ordentlichen Haushalt erhöht worden, unter Kürzung der Mittel des außerordentlichen Haushalts. Es besteht also keine Gefahr mehr, daß die Mittel etwa mangels fehlender Deckung nicht ausgegeben werden können. Schließlich sind auch die Pauschalbeträge für Forschungsaufgaben an die wirtschaftswissenschaftlichen Institute erhöht worden. Für die übrigen Maßnahmen zur Förderung des Exports und zur Förderung der Rationalisierung konnten die bisherigen Mittel erhalten bleiben. Auch bei der Wirtschaft dürfen die großen Bereiche nicht vergessen werden, die mit ERP-Mittelngefördert werden.
Die Aufwendungen des Bundeshaushalts für den Wohnungsbau drücken sich vielleicht am sinnfälligsten von allen Bundesausgaben in der deutschen Landschaft aus. Der Bund hat bisher die Versorgung jedes einzelnen mit auskömmlichem Wohnraum als eine seiner dringendsten Aufgaben angesehen. An dieser Linie ändert der Bundeshaushaltsplan 1955 nichts, im Gegenteil, er erhöht die vom Bund unmittelbar getragenen Mittel weiterhin beträchtlich. Diesmal sind es die Sowjetzonenflüchtlinge, die sich mit besonders hohen Beträgen in den Bundeshaushalt eingetragen haben, und die sogenannten Umsiedlungsmaßnahmen von Land zu Land. Ich muß auch gleich auf die sehr bemerkenswerte Steigerung der Rückflüsse aus den früher gewährten Wohnungsbaudarlehen hinweisen, die ebenso wie normale Mittel ides Bundes zur Förderung des Wohnungsbaues verwendet werden. Zusätzlich zu dem Standardsatz von 500 Millionen DM, der noch für einige Jahre im Bundeshaushalt verbleiben soll, treten diesmal also 150 Millionen DM zur Förderung des Wohnungsbaus für Sowjetzonenflüchtlinge; das sind 80 Millionen DM mehr als im Vorjahr. Dem Bund liegt aber nicht nur an neuen, es liegt ihm auch an den alten Wohnungen. Der Instandsetzungsfonds für sie ist 10 Millionen DM höher als im Vorjahr. Eine weitere Förderung bedeuten schließlich für den Wohnungsbau schlechthin die Wohnungsbauprämien, die bisher aus den 500 Millionen DM abzudecken waren. Die Hälfte des Prämienaufwands wird nun künftig zusätzlich vom Bund gegeben; dafür sind 60 Millionen DM in den Einzelplan 25 eingestellt worden. Die Bundesregierung entlastet auf diese Weise die allgemeinen Mittel für den sozialen Wohnungsbau; sie erhofft sich von dieser Intensivierung eine noch stolzere Wohnungsbaubilanz, als sie das letzte Jahr gebracht hat. Erstmals sind auch Zinssubventionen vorgesehen, mit denen aber, wie ich ganz offen sagen darf, zunächst Erfahrungen gemacht werden sollen. Da ein allmählicher Abbau der Kapitalsubventionen bei der von der Bundesregierung verfolgten marktpolitischen Linie ganz selbstverständlich erscheint, liegen hier vielleicht die ersten Ansätze für eine grundsätzliche Umstellung in der Zukunft. Ich muß hier auch auf die Umsiedlungsanleihe hinweisen, die auf einen Beschluß dieses Hohen Hauses zurückgeht und mit 100 Millionen DM für die erste Tranche in die Einnahmeseite ides Haushalts 1955 Eingang gefunden hat. Demgemäß sind diese 100 Millionen DM für den sozialen Wohnungsbau zugunsten der Umsiedlung von Land zu Land eingesetzt worden.
Darf ich nun gleich auf den Schuldendienst eingehen, für den der Bundeshaushalt 1955 Ausgabenvon mehr als 1 1/2 Milliarden DM veranschlagen muß. In dieser Summe sind, das ist eine haushaltsmäßige Neuigkeit, auch die Aufwendungen für die sogenannten politischen Schulden, beispielsweise die Wiedergutmachung an Israel, die Abgeltung holländischer Ansprüche auf Restitution von Aktien, enthalten.
Erstmals enthält der Haushalt der Bundesschuld auch Ausgaben für die Tilgung von Bundesausgleichsforderungen. Nach einem in Vorbereitung befindlichen Gesetz sollen der Bund und die Länder ihre Ausgleichsforderungen zu einem bestimmten Prozentsatz tilgen, ausgenommen die Ausgleichsforderungen des Zentralbankensystems. Die von Ihnen beschlossene Abzweigung von 40 Millionen DM aus dem Reingewinn der Bank deutscher Länder soll auch weiterhin bleiben, um auch daraus Ausgleichsforderungen besonders dringlicher Art vorzeitig zu tilgen.
Im Zusammenhang mit der Bundesschuld entsteht hier nun die Frage, wie lange der Bund, der seit zwei Jahren den Kapitalmarkt nicht mehr in Anspruch genommen hat, dem Wohnungsbau und der Wirtschaft auf dem noch nicht wieder voll funktionsfähigen Kapitalmarkt die Vorhand lassen kann, anders gesagt, wann er die Einnahmeseite des außerordentlichen Haushalts in Ordnung bringen muß. Ich möchte meinen, daß es mit der bisherigen Ara langsam zu Ende gehen wird und daß die Auflegung einer Bundesanleihe näherrückt. Sich allerdings vorzustellen, daß die mehr als 1500 Millionen DM, die der außerordentliche Haushalt erfordert, im Anleiheweg beschafft werden können, geht über die derzeitigen Realitäten hinaus. Ich glaube aber nicht, daß wegen dieser Tatsache ernsthafte Sorgen angebracht sind.
Eine ganz andere Lage würde nur eintreten, wenn der ordentliche und außerordentliche Haushalt des Bundes voll bedient und daneben die Besatzungsguthaben ausgeschüttet werden müßten. Vielleicht ist es noch zu früh, sich zu diesen Fragen schon abschließend zu äußern, insbesondere auch zu den Bedingungen für eine solche Anleihe. Es wird selbstverständlich unser Ziel sein, unter Berücksichtigung der gegebenen Marktlage den Zinsfuß so niedrig wie möglich, den Emissionskurs so hoch wie möglich und die Laufzeit so lang wie möglich festzusetzen. Wenn in der Presse vielfach die Meinung vertreten wird, die öffentliche Hand trage durch zu großzügige Ausstattung ihrer Anleihen zu einer Übersteigerung des Zinsfußes auf dem Kapitalmarkt bei, so trifft dieser Vorwurf den Bund jedenfalls nicht. Bei der Bundesanleihe 1952 z. B. hat nicht der Bundesfinanzminister die Bedingungen einseitig festgesetzt, sondern mit dem Bankenkonsortium ausgehandelt, wobei die Banken bessere Bedingungen durchsetzten, als zuerst von uns in Aussicht genommen war.
Während die Bundesanleihe 1955 wahrscheinlich also erst in das erste Vierteljahr des Kalenderjahrs 1956 fallen wird, muß ich eine andere Anleihe als nah bevorstehend ankündigen, nämlich die Anleihe für Berlin, für die der Bund die Garantie übernommen hat. Sie beläuft sich auf 75 Millionen DM. Außerdem wird voraussichtlich einige Monate später die Lastenausgleichsbank eine Anleihe in Höhe von 200 Millionen DM auflegen. Sie beruht auf einer Entschließung dieses Hauses und stellt die zweite Tranche des damals beschlossenen Gesamtbedarfs von 600 Millionen DM dar.
Die vielen Einzelpläne des Bundeshaushalts, diesmal um einen besonderen Einzelplan für Versorgung verstärkt, können in ihrer Mannigfaltigkeit von mir nicht näher dargelegt werden. Ich 'möchte aber vielleicht doch noch den einen oder anderen Plan herausgreifen.
Da ist zunächst der Verkehrshaushalt, dessen vielfältige Problematik sich der großen Anzahl schwieriger Fragen, die dieses Haus zu lösen hat, zugesellt. Hier darf ich Ihnen mitteilen, daß für das Rechnungsjahr 1955 ein namhafter Beitrag zur Lösung der Verkehrskrise verankert ist. Über die Liquiditätshilfe an die Bundesbahn in Höhe von 200 Millionen DM im ordentlichen Haushalt habe ich schon gesprochen. Diese Hilfe soll die Zahlungsfähigkeit der Bundesbahn erhalten und einen Teil der vorgetragenen Verluste abdecken. Außerdem soll die Bundesbahn aus dem außerordentlichen Haushalt einen Investitionskredit in Höhe von 100 Millionen DM erhalten. Unter Berücksichtigung der Stundung der Beförderungssteuer in Höhe von 280 Millionen DM werden somit der Deutschen Bundesbahn 1955 aus Mitteln des Bundes insgesamt 580 Millionen DM zufließen. Die Bundesregierung hofft aber, der Bundesbahn aus dem in der Beratung befindlichen Verkehrsfinanzgesetz mindestens weitere 150 Millionen DM zuführen zu können; dafür ist vorläufig ein Leertitel vorgesehen. Glückt der Plan, dann wäre immerhin die beachtliche Summe von 730 Millionen DM erreicht. Die aus ihr zu erwartende Wirkung darf aber nicht übertrieben hoch bewertet werden, da die Verluste der Bundesbahn am Ende des jetzt laufenden Geschäftsjahrs bereits bei 1 1/4 Milliarden DM liegen und sich im Wirtschaftsplan 1955 ein neuer Kassenfehlbetrag von 810 Millionen DM auftut. Es ist klar, daß solche Lücken weder durch Rationalisierungsmaßnahmen noch durch Mehreinnahmen aus den Verkehrsgesetzen geschlossen werden können. Hier können nur Programme auf lange Zeit helfen, darunter auch das Programm zur Verbesserung der Wettbewerbslage der Bundesbahn. Um die Gesundung der Bundesbahn zu erzwingen, müssen bald einschneidende Maßnahmen getroffen werden. Deshalb liegt es auch im finanziellen Interesse des Bundes, daß die Verkehrsgesetze der Bundesregierung, insbesondere das Verkehrsfinanzgesetz, bald verabschiedet werden.
Diese Gesetze werden nicht nur der Bundesbahn und der Gesamtheit der Steuerzahler, sondern auch dem im Mittelpunkt der Verkehrkrise stehenden Kraftwagen unmittelbar zugute kommen.
Für die Straßen wird der Bundeshaushalt 1955 mit Ihrer Billigung einiges mehr als 1954 tun. Ein umfangreiches Programm von 31 Straßenverbesserungen und Umgehungsstraßen liegt vor. 80 Millionen DM sind als erste Rate an die Öffa für den Ausbau des Autobahnnetzes vorgesehen. Beide Programme können aber nur verwirklicht werden, wenn entsprechende Einnahmen aus dem Verkehrsfinanzgesetz fließen. Erst dann kann auch der erste Schritt zu einer Anpassung der Bundesfernstraßen an den ständig wachsenden Kraftverkehr getan werden. Sollte dieser Schritt Ihnen als zu klein erscheinen, wird sich die Bundesregierung einer vernünftigen weiteren Steigerung der Einnahmen aus dem Verkehrsfinanzgesetz sicher nicht widersetzen.
Hinter dem brennenden Verkehrsproblem treten die anderen Verkehrsvorhaben an Bedeutung weit zurück. Die Wasserbauvorhaben und die Schiffsbaufinanzierung halten sich im Rahmen dessen, was angesichts der Finanzlage verwirklicht werden kann. Jede Erhöhung dieser Ansätze erscheint uns angesichts der eben geschilderten Anleihelage als unrealistisch. Dies gilt insbesondere auch für die Schiffahrtsfinanzierung, die in den vergangenen Jahren so bevorzugt gefördert worden ist. Wenn nach Abwicklung sämtlicher Neubauten eine Handelsflotte von rund 3 Millionen Bruttoregistertonnen erreicht sein wird, dürfte der Zeitpunkt gekommen sein, in dem die deutsche Schiffahrt sich auch finanziell freigeschwommen hat.
— Ich werde mich bemühen, mich zu bessern, Herr Mellies!
Es liegt auch in der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, daß ein Kreditbedarf der Wirtschaft in den gegenwärtigen Verhältnissen durch das einzelne Unternehmen unmittelbar und nicht über den öffentlichen Kredit des Bundes gedeckt wird. Um den Übergang zu erleichtern, sind im Verkehrsgebiet erstmalig Mittel für Zinsverbilligungen vorgesehen, bis sich der Kapitalmarkt normalisiert hat oder die Frachteinkünfte die Kreditbedingungen tragbar erscheinen lassen.
Im Rechnungsjahr 1955 kommt mit dem Start der Lufthansa, den wir begrüßen, allerdings auch eine namhafte finanzielle Sorge auf uns zu. Die Bundesregierung wird aber bestrebt sein, die von ihr zu gewährende Starthilfe so zu gestalten, daß die Lufthansa bald von laufenden Zuschüssen unabhängig wird.
In einem ebenso großen Haushalt wie dem Verkehrshaushalt, nämlich dem Haushalt des Bundesministeriums des Innern, sollen die Gesamtausgaben 1955 von rund 319 Millionen DM auf 384 Millionen DM ansteigen. Die Verstärkung um diese 65 Millionen DM entfällt mit 40 Millionen DM auf den Bundesgrenzschutz, der Rest betrifft Kultur, Statistik, Technisches Hilfswerk und die Bereitschaftspolizei. Die Mehrausgaben für den Bundesgrenzschutz waren unabweisbar, weil 1954, wie Sie wissen, aus Haushaltsgründen die von Ihnen gebilligte Verdoppelung des Bundesgrenzschutzes nur allmählich durchgeführt wurde. Nun muß vom neuen Rechnungsjahr ab die Besoldung vom ersten Tage an gezahlt werden, und auch die Ausstattung muß ratenweise ergänzt werden. Die Mehrausgabe beim Statistischen Bundesamt entsteht durch den wachsenden Arbeitsumfang in der Außenhandelsstatistik und durch neue Statistiken, die vom Parlament und vom Kabinett beschlossen worden sind. Ich muß bei dieser Gelegenheit erneut auf das ständige Ansteigen der Ausgaben des Statistischen Bundesamtes hinweisen und den Appell an alle Beteiligten richten, zu prüfen, ob dieses Riesennetz von Statistiken wirklich zwingend notwendig ist.
Ein Perfektionismus auf dem Gebiet der Statistik kann nämlich gelegentlich blind statt sehend machen.
Mit geringerer Sorge steht das Bundesfinanzministerium der nicht unbeträchtlichen Erhöhung gewisser Mittel für kulturelle Zwecke gegenüber, obwohl es auch hier die Ansicht vertreten muß, daß diese Erhöhungen nicht zu einer Lähmung der Länderfinanzbereitschaft führen dürfen.
Wenn für den großen Bereich der inneren Verwaltung festzustellen ist, daß bei einer Reihe von Dienststellen leider immer noch kein endgültiger Abschluß des Aufbaues stattfindet, so ist, was die Personalfrage angeht, im Bundesministerium des Innern die personelle Entwicklung in erfreulichem Maße zu fast vollem Stillstand gekommen.
Vielleicht darf ich hier gleich die allgemeinen Personalfragen behandeln. Leider ist es auch diesmal nicht möglich gewesen, Ihnen die Bundesverwaltung in einem gegenüber dem Vorjahr völlig unveränderten Zustand zu präsentieren. Aber Sie werden bei der Prüfung der Einzelheiten feststellen, daß der Bundesfinanzminister sich mit Hartnäckigkeit gegen jede nicht ganz unabweisbare Personalvermehrung zur Wehr gesetzt hat.
Da die öffentlichen Aufgaben keine meßbare Größe und schlechthin unerschöpflich sind, gibt es auch für ,den personellen Bedarf als echte Grenze nur die Erkenntnis, daß mit Personalvermehrungen, abgesehen von gewissen lokalen Aufgaben, häufig keine echte Verbesserung der Arbeit der öffentlichen Verwaltung, sondern nur ein Zwang zu weiteren Personalvermehrungen hergestellt wird.
Eine Minderung in der Zahl und die Schaffung besserer Bedingungen zugunsten der wirklichen Qualität sollten erfolgreichere Maßnahmen sein, als die weitere Ausdehnung der Beschäftigtenzahlen.
Der Sinn der Allgemeinen Vorbemerkungen war es nicht zuletzt, Ihnen den mündlichen Vortrag aller Haushaltsdetails zu ersparen und ein geruhsames Studium der Budgetprobleme an Hand zuverlässiger Unterlagen zu ermöglichen. Wenn Sie erlauben, will ich aus diesem Grunde davon absehen, noch weiter in die Einzelheiten zu gehen.
— Herr Abgeordneter Schoettle, bis zum Zusammentritt des Haushaltsausschusses.
Ich behandle deshalb auch nicht den großen Einzelplan der Bundesfinanzverwaltung, die vielerlei interessanten Ansätze im Einzelplan des Bundesministers für Vertriebene, die Einnahmen und Ausgaben der kleineren Pläne und nicht einmal die Haushaltsansätze für die Dienststelle Blank, die wir wie im Vorjahr unverändert gelassen haben. Was gerade die Dienststelle Blank angeht, so besteht die Absicht, Ihnen einen ausführlichen Haushaltsplan für das künftige Verteidigungsministerium vorzulegen, sobald die Ratifizierungsdebatten der Beteiligten einen entscheidenden Fortschritt erkennen lassen und unsere Vorarbeiten abgeschlossen sind.
— Ich habe auch den Eindruck. — Da die Kosten dieses Verteidigungsministeriums aus dem Ansatz von 9 Milliarden DM gedeckt werden, bedeutet das Nachschieben des Verteidigungshaushalts keine Beeinträchtigung der finanziellen Stabilität des jetzt vorgelegten Plans. Man wird sich denken können, daß der Haushaltsausschuß und der Sicherheitsausschuß dieses Hauses gleich in die Anlaufsfinanzierung maßgebend eingeschaltet werden, um die vorhin von mir als besonders gefährlich bezeichnete Überstürzung in diesen Fragen zu vermeiden.
Bis jetzt sind diese Fragen noch nicht etatreif und konnten deshalb haushaltmäßig nur global eingefangen werden.
Besonders wichtig ist vielleicht aus der großen Bundesverwaltung noch der Auswärtige Dienst, der sich Ihnen diesmal mit einer beträchtlichen Ausweitung seiner Dienststellen im Ausland präsentiert. Bei den Zahlen des vor Ihnen liegenden Haushaltsplans sind bereits in sehr spürbarer Weise gewisse Erfahrungen ausgewertet, die sich im Auswärtigen Dienst der letzten Jahre ergeben haben.
Und nun noch ein Wort zu den vielbeprochenen Bundesbeteiligungen, ,allerdings nur zu der formellen Seite Die Öffentlichkeit hat sich in den letzten Monaten besonders mit den Beteiligungen des Bundes an wirtschaftlichen Unternehmungen befaßt. Hierbei hat die Öffentlichkeit mit Recht den Wunsch geäußert, unterrichtet zu werden über die Gesamtheit der Beteiligungen des Bundes an wirtschaftlichen Unternehmungen, d. h. über seine Betätigung im wirtschaftlichen Leben. Zum anderen besteht in gleichem Maße ein lebhaftes Interesse, einen Einblick in die Verhältnisse der einzelnen Gesellschaften zu gewinnen, insbesondere in die Verhältnisse der großen Konzerne des Bundes. Aus diesem Grunde sind in den Vorbemerkungen zum Entwurf des Haushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 die Angaben über das Beteiligungsvermögen erheblich ausgedehnt und verstärkt worden. Die Vorbemerkungen enthalten insbesondere Konzernpläne, Aufstellungen über die wesentlichen Konzerngesellschaften sowie Darstellungen über die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Konzerne. Darüber hinaus werden demnächst auch konsolidierte Bilanzen für die großen Konzerne veröffentlicht werden.
Ebenso wirkt die Bundesregierung ständig dahin, daß auch die Unternehmen ihrerseits die Öffentlichkeit in weitgehendem Maße über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse unterrichten. Die angestrebte weitgehende Publizität soll sich keineswegs auf die Gesellschaften beschränken, die kraft Gesetzes zur Veröffentlichung ihrer Abschlüsse und Geschäftsberichte verpflichtet sind. Wenn dies in der Vergangenheit noch nicht immer in vollem Umfang geschehen konnte, so lag das u. a. daran, daß bei zahlreichen Gesellschaften die Schwierigkeiten der Aufstellung der DM-Eröffnungsbilanzen zu einer erheblichen Verzögerung der späteren Bilanzen geführt haben, so daß die Gesellschaften meist nicht in der Lage waren, ihre Bilanzen frühzeitiger zu veröffentlichen.
Ich hoffe, daß das in dem Bundeshaushaltsplan 1955 über die Bundesbeteiligungen vorgelegte Ma-
terial auch dem in Aussicht genommenen Unterausschuß des Bundestages für die Bundesbeteiligungen die Durchführung seiner Arbeit erleichtern wird.
Die weitgehende Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Verhältnisse der Bundesgesellschaften wird dazu beitragen, gewisse, nicht ganz zutreffende Vorstellungen über den Umfang des Beteiligungsvermögens des Bundes zu berichtigen. Dies wiederum wird sicherlich dazu führen, daß die Erörterungen über die Möglichkeiten der Privatisierung in Zukunft zu fruchtbaren Ergebnissen gelangen.
Meine Damen und Herren, ich bin mir bewußt, vielerlei Wichtiges und Wesentliches nicht erwähnt zu haben; aber die Aufgabe dieser ersten Vorstellung des Bundeshaushaltsplans für 1955 kann es nur sein, die tragenden Prinzipien des Entwurfs und die wesentlichsten Motive darzulegen. Ich bitte um Ihr Verständnis, wenn ich den einen oder anderen Punkt ausgelassen habe, der Ihnen vielleicht wichtiger erscheint als manches, was ich selbst gebracht habe. In der Debatte wird Gelegenheit sein, solche Versäumnisse nachzuholen.
Ich habe den besonderen Auftrag des Bundesfinanzministers, mit einem sehr starken Nachdruck auf die in diesem neuen Haushalt zum Ausdruck kommenden erneuten Bemühungen der Bundesregierung um die Stabilerhaltung der Bundesfinanzwirtschaft hinzuweisen. Die finanzielle Konzeption des Bundesfinanzministers ist durch die letzten Beschlüsse zur Einnahme- und Ausgabeseite des Bundes sehr fühlbar beeinträchtigt worden. Ich habe mir erlaubt, Ihnen die Entwicklung, die der Haushalt 1954 während seines Ablaufs genommen hat, mit der doch wohl recht gewichtigen Mitteilung darzustellen, daß wir uns schon um mehrere 100 Millionen DM in einem neuen und zusätzlichen Defizit befinden und daß die Mehreinnahmen trotz der anhaltenden Wirtschaftskonjunktur den Rückstand nicht aufholen werden. Für 1955 sind, wie Sie wissen, nicht weniger als 570 Millionen DM aus der Einnahmeseite des Bundes durch die Steuerreform verschwunden. Der Bundesrat hat durch seine Beschlüsse dem Bund über eine weitere halbe Milliarde DM hinaus die erwarteten Einnahmen streitig gemacht. Der Finanzminister kann Ihnen deshalb diesen Haushalt nur mit der ernsten und nachdrücklichen Bitte vorlegen, mit allen Kräften für seine Verbesserung und damit für die Beibehaltung der bisher von ihm so sehr verteidigten inneren Gesundheit der Finanzen der Bundesrepublik einzutreten. Die deutsche Öffentlichkeit hat eine instinktive Angst vor Experimenten und sieht in einem soliden Haushalt ein Unterpfand für die Sicherheit der eigenen wirtschaftlichen Existenz.
Wir sind gewiß aus den Vorjahren an mancherlei Schwierigkeiten zunächst sehr sicher erscheinender Planungen gewöhnt. Aber diesmal besteht doch wohl in weitesten Kreisen das Gefühl, daß auf die deutsche Finanzwirtschaft Probleme zukommen, die nur mit einem hohen Maß volkswirtschaftlichen Weitblicks, mit Tatsachensinn und mit Verantwortungsbewußtsein gemeistert werden können.