Rede:
ID0205401700

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2054

  • date_rangeDatum: 5. November 1954

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    2. Deutscher Bundestag - 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. November 1954 2633 54. Sitzung Bonn, Freitag, den 5. November 1954. Geschäftliche Mitteilungen 2633 D Glückwunsch zum Geburtstag des Abg Schröter (Wilmersdorf) 2634 A Erlöschen der Mitgliedschaft des Abg. von Hassel im Bundestag 2634 A Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 118 und 119 (Drucksachen 901, 943; 902, 944) 2634 A Änderungen der Tagesordnung 2634 A) Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Überleitung der Beteiligung des ehemaligen Landes Preußen am Grundkapital der Deutschen Pfandbriefanstalt auf den Bund (Drucksache 466); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (Drucksache 874 [neu]) 2634 B Beschlußfassung 2634 B Große Anfrage der Fraktionen der DP, GB/BHE betr. Großer Knechtsand (Drucksache 841) 2634 C Müller (Wehdel) (DP), Anfragender 2634 C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . . 2635 C Dr. von Buchka (CDU/CSU) . . . . 2637 C Hermsdorf (SPD) 2638 C, 2640 A Haasler (GB/BHE) 2639 D, 2640 A Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Ergänzung des Art. 74 Nr. 13 des Grundgesetzes (Drucksache 621) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Errichtung eines Bundesministeriums für Erziehung und Unterricht (Drucksache 622) 2641 A Dr. Brühler (DP), An- tragsteller 2641 B, 2656 B Dr. Kleindinst (CDU/CSU) 2646 C, 2655 C Feller (GB/BHE) 2649 B (I Schneider (Bremerhaven) (DP) . 2651 D Gaul (FDP) 2652 B Marx (SPD) 2654 B Dr. Strosche (GB/BHE) 2654 B Überweisung an die Ausschüsse für Kulturpolitik, für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und für Rechtswesen und Verfassungsrecht 2656 D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP betr. Genehmigung zum Führen von Sondersignalen und Kennscheinwerfern durch Krankentransportfahrzeuge des Deutschen Roten Kreuzes (Drucksachen 916, 309) 2657 A Körner (GB/BHE), Berichterstatter 2657 A Leonhard (CDU/CSU) . . . . . 2657 C Beschlußfassung 2658 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Beförderung von Personen zu Lande (Personenbeförderungsgesetz — PBefG —) (Drucksache 831) 2658 C Überweisung an die Ausschüsse für Verkehrswesen, für Wirtschaftspolitik, für Post- und Fernmeldewesen und für Kommunalpolitik 2658 C Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1951 (Drucksachen 909, 304) . 2658 C Ohlig (SPD), Berichterstatter . . 2658 D Ritzel (SPD) 2659 C Beschlußfassung 2661 C Nächste Sitzung 2661 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 7 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Dr. Carlo Schmid


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Die Anträge sind eingebracht und begründet. Ich eröffne die Aussprache. — Es liegen noch keine Wortmeldungen vor.
    Ich erteile das Wort Herrn Dr. Kleindinst.
    Dr. Kleindinst CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe erwartet, daß zu der Begründung des Antrages seitens der Parteien in zustimmendem oder ablehnendem Sinne lebhaft Stellung genommen wird. Ich wollte mich zunächst zurückhalten, um auf die Begründungen und Einwendungen zu antworten. Aber da sich niemand gemeldet hat, sehe ich mich doch veranlaßt, Ihnen folgendes nun gleich zu sagen.
    Die CDU/CSU wird Ihnen keine Möglichkeit geben, diesen Antrag mit verfassungsändernder Mehrheit anzunehmen. Sie wird den Antrag ablehnen, wie ja auch der Herr Antragsteller erwartet hat.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Als wir im Parlamentarischen Rat das Grundgesetz berieten, bestand das Bestreben, alle Fragen auszuschalten, die mit weltanschaulichen Beziehungen verknüpft waren, um die Fertigstellung des Grundgesetzes möglichst bald zu erreichen. Man hat infolgedessen lediglich den Art. 7 in das Grundgesetz aufgenommen. Ich kann Ihnen sagen, daß auch die Hereinnahme dieses Art. 7 große Schwierigkeiten bereitet hat. Sie ist während der ganzen Beratungen des Parlamentarischen Rates bis zuletzt im Fünfer-Ausschuß immer wieder erwogen worden, und erst die Anlehnung an die Weimarer Verfassung hat die Annahme dieses Artikels ermöglicht. Hinsichtlich der Rechte der Religionsgesellschaften hat man einfach die Vorschriften der Weimarer Verfassung übernommen. Wenn nun das im Parlamentarischen Rat geschehen ist, um die Verfassung möglichst bald zum Abschluß zu bringen, so kann ich nicht einsehen, daß wir diese schwierige Materie in Widerspruch zu den Absichten der Verfassung jetzt in die Gesetzgebungsbefugnis ides Bundes aufnehmen sollen.
    Aber das ist nicht der einzige Grund unserer Stellungnahme. Sie werden nicht leugnen können, Herr Dr. Brühler, daß Schule und Hochschule, das ganze Bildungswesen organisch in den Ländern gewachsen sind und daß jeder Eingriff in diese Entwicklung zu den größten Schwierigkeiten führen muß, namentlich in einer Zeit, wie wir sie erleben.
    Die Verfassung von 1871 hat keine Vorschriften über die Zuständigkeit des Reichs in bezug auf Schule, Bildung und Kulturpflege enthalten. Sie sagten, damals sei eine einheitliche Linie dagewesein. Diese einheitliche Linie hat lediglich auf Grund des Geisteserbes bestanden — nehmen wir das Wort, das jetzt auch in den internationalen Vereinbarungen immer wieder hervorgehoben wird —, nicht in der Organisation und nicht in den Gesetzen. Aber auch während der Geltung der Verfassung von 1871 haben sich die Bundesstaaten zu Vereinbarungen in bezug auf die Anerkennung von Zeugnissen, der Berechtigung zum Zugang zur Hochschule usw. gefunden.


    (Dr. Kleindinst)

    Die Weimarer Verfassung hat lediglich eine Grundsatzgesetzgebung auf dem Gebiet der Schule vorgesehen. Sie hat einige positive, einige materielle Bestimmungen enthalten. Es würde zu weit führen, sie Ihnen noch einmal zusammenzufassen. Die Grundsatzgesetzgebung ist aber in zweimaligem Anlauf zwischen 1919 und 1932 an der Schwierigkeit der Materie gescheitert. Erst das Dritte Reich hat eine einheitliche Schulgesetzgebung in die Wege geleitet und das Preußische Unterrichts-und Erziehungsministerium auf das Reich übernommen. Die Versuche in der nationalsozialistischen Zeit sind ja bekannt. Sie waren unruhig, sie waren geradezu nervös, auf den äußeren Effekt abgestellt und haben zu den größten Schwierigkeiten auch bei den Eltern geführt, insbesondere hinsichtlich der Einschränkung des humanistischen Gymnasiums, haben in der Lehrerbesoldung eine Mittellinie gezogen, die die Berufsschulen gefährdet hat, namentlich dort, wo es hervorragende Berufsschulen gegeben hat.
    Im Jahre 1945 ist nun das Bildungswesen nicht etwa auseinandergefallen, sondern man hat auf den Grundlagen möglichst von vor 1933 weiterzuarbeiten versucht. Es ist auch nicht so, daß in bezug auf Schulbauten nichts geschehen ist.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Es wird überall gebaut, und es wird ,auch in Landkreisen hervorragend für die Schule gebaut. Die Universitätsinstitute werden fortgesetzt erneuert.

    (Beifall in der Mitte.)

    Aber, meine Damen und Herren, auch ein Bundesminister wäre nicht in der Lage, auch nicht mit den Weisungsrechten, noch mehr zu beschleunigen; denn er muß das G e 1 d haben, ob er es von den Ländern und deren Finanzministern nimmt oder ob er die Länder selbst auf Grund seiner Weisungsrechte durch einen Zwangsvollzug zwingen will, weiterzubauen. Man soll doch die Dinge nicht übertreiben.
    Aber nun, meine Herren, etwas Wesentliches. Bedenken Sie die Belastung unseres Bundestages, die Zeitnot, in der wir ständig bei unseren Gesetzentwürfen stehen! Bedenken Sie, daß wir immer wieder zu Novellen greifen müssen, weil wir Gesetze auf den ersten Anhieb nicht so schaffen können, daß sie auf lange Zeit Bestand haben!

    (Beifall in der Mitte.)

    Und in dieser Zeit wollen Sie die schwierigste Materie der Gesetzgebung auch noch dem Bundestag aufladen?

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Abg. Schneider [Bremerhaven] : Das ist doch unsere Aufgabe!)

    Können Sie das gegenüber der Schule überhaupt verantworten, meine Herren? Hier gibt es keine Novellengesetzgebung. Denn was hier verfehlt wird, das setzt sich durch ganze Jahrgänge fort, das wirkt auf die Bereitstellung von Lehrstellen, auf den Übergang zur Hochschule, und das kann nicht ohne weiteres wiedergutgemacht werden. Das ist eine wesentliche Verantwortung gegenüber der großen Aufgabe, die uns hindert, nun einfach die Gesetzgebung für Schule und Erziehung zu übernehmen.
    Aber ich mache noch auf etwas Weiteres aufmerksam, und zwar gerade hinsichtlich der Formulierung des Antrags und der Begründung, die der Herr Antragsteller dazu gegeben hat. Meine Damen und Herren, unsere Gesetzgebung ist nicht mehr in erster Linie Rechtsetzung, sondern Regelung von Zuständen, von Tatbeständen. Sie wird immer kasuistischer. Sie wendet sich an die Behörden, sich irgendwie zu verhalten oder etwas auszuführen. Sie wandelt Aufgaben der aktiven Verwaltung — und das ist das Erziehungs- und Bildungswesenimmer mehr in Vollzugsaufgaben um. Das ist eine Erscheinung, die auf die Zustände zurückgeht, die nun als Massenzustände eingetreten sind. Aber diese Methode der Gesetzgebung geht auch hervor aus der Geisteshaltung der Kriegswirtschaft, der Inflationswirtschaft. Neben die Rechtsetzung tritt in verstärktem Maße die Regelung. Auch in diesem Antrag wird von der Regelung des Erziehungs-
    und Bildungswesens gesprochen. Der Herr Antragsteller hat von der zentralen Steuerung des Erziehungs- und Bildungswesens, des Schulhausbaues usw. geredet, von Weisungsrechten, die also offenbar bis in die Stadtverwaltungen und bis in die letzte Landgemeinde gehen sollen. Dann würde sich auf dem Gebiet der Bildung und Erziehung das ergeben, was auf anderen Verwaltungsgebieten schon der Fall gewesen ist: daß man die schöpferische, die aktive Verwaltung gelähmt und versucht, hat, alles von einer Zentrale aus mit Vollzugsanweisungen, Ermächtigungen usw. zu steuern. Ob man dieses Wort auf das Erziehungs- und Bildungswesen überhaupt anwenden kann, möchte ich doch sehr in Frage stellen.
    Im Erziehungs- und Bildungswesen kann man nur organisatorische Maßnahmen treffen, finanzielle Unterstützung geben, Verpflichtungen für Eltern festlegen. Aber das Wesentliche ist die persönliche schöpferische Arbeit des einzelnen, angefangen von den Volksschullehrern bis zu den Hochschullehrern, auf Grund von Wissen, Erfahrung, Veranlagung und Hingabe an den Beruf.

    (Abg. Kunze [Bethel]: Sehr richtig!)

    Das können Sie weder durch Gesetz noch durch Verordnung noch durch Steuerung, durch Steuerung am allerwenigsten, sondern nur durch lebendiges Vorbild schöpferischer Menschen erreichen. Das ist eine sehr wesentliche Aufgabe. Aber man kann das Erziehungs- und Bildungswesen nicht mit Methoden regeln, die ihm absolut fern liegen. Bei der ganzen Kultur geht es um eine Kulturpflege. Es ist sehr wesentlich, daß in alten Vorschriften im Hinblick auf Schule und Erziehung das Wort von der Schulpflege und bei den Behörden das Wort von den Schulpflegschaften gewählt worden ist. Damals hat man diese Bedeutung der Schule und des Bildungswesens viel schärfer erkannt als in einer Zeit, in der man steuern, Weisungsrechte geben und das Ganze in Vollzugsvorschriften einfangen will. Diese Gesichtspunkte sind das Wesentliche, warum wir uns diesem Antrag versagen.
    Der Herr Antragsteller hat aus Zeitungen und Rundfunkmitteilungen das Äußerste herausgeholt, was man an Übertreibung und an Schlagworten überhaupt aufbringen konnte.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Meine Herren, heute ist alles „Chaos", was nicht mehr die alte, einheitliche Ausrichtung zeigt,

    (Zuruf von der Mitte: Einheits-Mythos!)

    und alles ist Wirrwarr, was von dieser ehemals einheitlichen Linie abweicht. Von einem „Augiasstall" der öffentlichen Bildung zu sprechen, meine Herren, das dürfte von dieser Stätte des Bundestags wirklich nicht erfolgen!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



    (Dr. Kleindinst)

    Daß uns die Wiedervereinigung auch auf dem Gebiet der Schule und des Erziehungswesens große Aufgaben stellen wird, ist selbstverständlich. Die können Sie aber jetzt nicht von einem Bundesministerium für Erziehung und Unterricht vorbereiten lassen. Ich fürchte, daß der Vorbereitungen schon zu viele sind, die in dieser Hinsicht laufen. Ich meine vielmehr, man muß sie geschlossen in eine einheitliche große Konzeption zusammenfassen.

    (Abg. Feller: Dazu müssen Sie doch eine Stelle haben, Herr Dr. Kleindinst, die diese Vorbereitungen einheitlich trifft!)

    — Dazu brauchen wir keinen Bundesminister für Erziehung und Unterricht, der sich nun zunächst der Steuerung im ganzen Bundesgebiet annehmen will!
    Nun, meine Herren: Kultusministerkonferenz! Diese Kultusministerkonferenz hat es gegeben während der Weimarer Zeit und gibt es jetzt seit dem Jahre 1946. Sie hat auch einmal mit der Vertretung der Unterrichtsverwaltungen in der Ostzone getagt — im Jahre 1947 wird es gewesen sein —; dann sind derartige gemeinsame Konferenzen nicht mehr möglich gewesen. Es ist aber doch nicht so, als ob diese Konferenzen zu nichts geführt hätten. Mich wundert eines: Sie haben so viele Zeitungen und Zeitschriften zitiert, aber die Denkschrift der Kultusministerkonferenz vom Jahre 1952 ist einfach nicht erwähnt worden. In ihr sind doch die Gründe dargelegt, die zu den Schwierigkeiten nach 1945 geführt haben: Flüchtlingselend, Evakuierungen, Eingriffe der Besatzungsmächte, Zerstörungen usw. Niemals hat die Kultusministerkonferenz — auch nicht während der Weimarer Zeit — zu so vielen Vereinbarungen geführt wie jetzt nach 1945. Es sind 23 Vereinbarungen über das Volksschulwesen und 12 Vereinbarungen über das Hochschulwesen erzielt worden, und man kann nicht sagen, sie seien nicht durchgeführt worden.
    Die Schulmänner müssen es doch besser wissen als der Verwaltungsbeamte, daß derartige Vereinbarungen in der Schule nur mit Vorsicht durchgeführt werden können. Wenn z. B. hinsichtlich des Schulanfangs ein Beschluß gefaßt wird, so kann er nicht in den nächsten acht Tagen vollzogen werden; er muß doch durchgeführt werden in allen Jahrgängen, in allen Schulklassen, im Hinblick auf die Unterbringung in Lehrstellen, im Hinblick auf den Übergang auf die Hochschulen.

    (Abg. Dr. Brühler: Aber einmal muß man anfangen, Herr Kollege Kleindinst!)

    — Es ist angefangen, und zwar überall!
    Nun hat der Herr Antragsteller von den Lehrerseminarien in Bayern gesprochen. Mich wundert es. Diese Lehrerseminarien waren einmal sehr gut. Ich habe in München einer Konferenz beigewohnt, in der ein preußischer Verwaltungsbeamter als Lehrersohn gesagt hat, wir hätten in Bayern die beste Ausbildung für Volksschullehrer gehabt, die es überhaupt gegeben habe, und die Lehrer, die aus dieser Ausbildung hervorgegangen seien, seien überall sehr gerne aufgenommen und gesehen gewesen. Das hat damals auf die anwesenden neuen und jungen Lehrer einen geradezu niederdrückenden Eindruck gemacht. Aber es ist doch längst so, daß die Schüler aus den Mittelschulen, also den sechsklassigen Schulen — sei es nun den Realschulen, sei es aus den sechs Klassen der humanistischen Gymnasien —, in die Lehrerhochschulen übergehen. Das ist doch längst eingeführt worden. Mich wundert es, daß das hier in dieser Weise herabgesetzt wird.
    Der Deutsche Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen, den Sie seinerzeit beschlossen haben, hat zu diesen Fragen Stellung genommen. Er hat aber zur Vorsicht gemahnt und zur Zurückhaltung, und er hat Vorschläge gemacht, die eigentlich durch die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz schon erfüllt sind. Von den Vorschlägen hinsichtlich des Berechtigungswesens glaube ich sagen zu können, daß wir sie im Bundesbeamtengesetz bereits restlos verwirklicht haben.
    Das sind die Gründe! Nicht daß wir an den Schwierigkeiten vorbeigehen, die eingetreten sind, nicht daß wir ein geringeres Interesse am Schulwesen und am Erziehungswesen haben, sondern wir sind uns der Verantwortung der Gesetzgebung gegenüber dieser schwierigen Aufgabe so bewußt, daß wir sie dem überlasteten Bundestag in den nächsten Jahren nicht aufladen zu können glauben, ohne das Schulwesen zu gefährden. Stellen Sie sich vor, wir würden jetzt das Grundgesetz ändern! Dann würden Sie erreichen, daß in den Ländern die Gesetzgebung, die Verwaltung stillesteht, weil man wartet und nicht weiß, was aus den Bundesgesetzen herauskommt. Das ist ein weiterer Grund: gerade in der Zeit des schweren Ubergangs die höchste Vorsicht walten zu lassen.
    Schule und Kultur kann man nicht regeln und verwalten, man muß sie pflege n. Hier schafft die Gesetzgebung nur die äußeren, die organisatorischen Voraussetzungen, das übrige schafft das Vorbild, schafft die Ausbildung der Lehrkräfte. Das läßt sich nicht mehr steuern, das läßt sich nicht mehr mit Vollzugsanweisungen und mit Ministerialerlassen regeln. Ein Bundesminister für Erziehung und Bildungswesen würde keine Schule mehr aus dem Boden stampfen können, als das jetzt die Länderminister tun.
    Wenn früher verschiedene Schulen geschaffen worden sind, so kam das aus den Bedürfnissen der Wirtschaft, aus der Anschauung, daß man vielleicht die humanistische Bildung für das Bankwesen oder für die Industrie nicht mehr für so nötig hält, daß man für den Ubergang zu den technischen Berufen durch realistische Bildungsanstalten besser vorgebildet ist. Ich wiederhole nur die Anschauungen, ich teile sie nicht, und ich weiß, daß auch hervorragende Physiker sie nicht teilen. Aber so ist die Vielfalt der Schulen entstanden, und sie, die aus den Notwendigkeiten nicht erst seit 1945, sondern schon vor 1918 erwachsen ist, als einen Wirrwarr hinzustellen, geht dann doch zu weit.

    (Abg. Dr. Brühler: Süsterhenn hat von „Wirrwarr und Chaos" gesprochen!)

    — Jetzt komme ich zu dieser Frage; es ist gut, daß Sie mich daran erinnern. Herr Professor Brühler, ich bin bei demselben Vortrag gewesen wie Sie. Süsterhenn hat die Leute zitiert, die vom Chaos gesprochen haben, aber er hat doch nicht selbst vom Chaos gesprochen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    So liegen ,die Dinge. Ich kann mich sehr gut erinnern, und andere Herren erinnern sich dessen auch.
    Ich wiederhole also, daß der Grundgesetzgeber beabsichtigt hat, diese Fragen auszuschalten, damit


    (Dr. Kleindinst)

    das Entstehen des Grundgesetzes nicht verzögert und erschwert wird. Das wollen wir dem Bundestag auch nicht aufladen. Wir wollen es dem Bundestag nicht aufladen, weil die Notwendigkeit, Gesetze zu schaffen, weil die Arbeitslast, weil der Zeitdruck so groß sind, ,daß wir die Schulgesetzgebung ,dieser Situation nicht aussetzen wollen. Wir raten ,dazu, ruhig die Ministerkonferenz und den vom Bundestag beschlossenen Ausschuß für Erziehungs- und Bildungswesen weiterarbeiten zu lassen und nach Jahr und Tag ,die Folgerungen ausdieser Arbeit zu ziehen, wenn sich die Verhältnisse durch die allgemeine Anstrengung wieder gebessert haben.

    (Vizepräsident Dr. Schneider übernimmt den Vorsitz.)

    Deshalb lege ich Ihnen namens der Fraktion der CDU/CSU einen Antrag vor:
    Der Bundestag wolle beschließen:
    Der Bundesminister ,des Innern wird gebeten,
    1. die Kultusministerkonferenz um die Vorlage einer weiteren Denkschrift über den sachlichen Inhalt ihrer Vereinbarungen und Empfehlungen und über deren Ergebnisse zu ersuchen,
    2. den Deutschen Ausschuß für das Erziehungs-
    3. und Bildungswesen und die Kultusministerkonferenz zu veranlassen, jährlich einen Bericht über die Ergebnisse der Arbeit vorzulegen
    und die Denkschrift und die Berichte dem Bundestage zuzuleiten.
    Im übrigen beantragen wir, die gestellten Anträge abzulehnen, damit diese Frage, bei der wir die Verfassungsänderung verweigern, nicht auch noch wochenlang den Ausschuß für Kulturpolitik beschäftigen muß, um dann doch abgelehnt zu werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Feller.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Erwin Feller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GB/BHE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird wohl niemand unter uns geben, der ernsthaft bestreiten könnte, daß der von der Fraktion der DP vorgelegte Antrag auf Errichtung eines Bundesministeriums für Erziehung und Unterricht einem Anliegen weiter Bevölkerungskreise entgegenkommt und daher zweifellos auch eine gewisse Popularität und Aktualität für sich in Anspruch nehmen kann. Diese beschränkt sich sicherlich nicht etwa auf die Vertreter unitaristischer oder zentralistischer Auffassungen und Tendenzen, sondern sie reicht weit darüber hinaus. Der Antrag hat — das geht doch aus der Begründung und den dabei angeführten Tatsachen einwandfrei hervor — eine unverkennbare sachliche Berechtigung angesichts der zahllosen Schwierigkeiten, die aus der differenzierten Entwicklung unseres Bildungswesens in den verschiedenen Bundesländern erwachsen sind. Die bisherige Aussprache und vor allen Dingen die Ausführungen des verehrten Herrn Kollegen Dr. Kleindinst haben aber ergeben, daß das Vorhandensein dieser Schwierigkeiten und auch ihre teilweise Anerkennung noch keinesfalls genügen, die auf föderalistischer Einstellung oder auf anderen Gründen beruhenden Vorbehalte gegen ein Bundesministerium mit kulturpolitischer Aufgabenstellung zu überwinden, auch dann nicht, wenn diese Aufgaben nur koordinierender Art hinsichtlich des Schulwesens sein sollen, wie in der Begründung von Herrn Professor Brühler ausführlich dargestellt wurde. Ich frage mich angesichts des Umstandes, daß die Mehrheitspartei des Hauses von vornherein erklärt hat, daß sie den Antrag ablehnen wird, ob es sehr sinnvoll ist, die Argumente für und wider eine solche Bundesinstanz hier noch ausführlich zu debattieren; denn in diesem Falle sind alle Reden zum Fenster hinaus gehalten. Andererseits ist ein längeres Reden deshalb völlig überflüsig, weil die öffentliche Meinung, wie es Herr Dr. Brühler gesagt hat, eindeutig feststeht.

    (Beifall rechts.)

    Aber lassen Sie mich unsere grundsätzliche Einstellung zu diesem Antrag und zu dem damit aufgeworfenen Problem in einigen wenigen Sätzen umreißen, ohne daß ich dabei auf Einzelheiten eingehen möchte. Ich gebe ohne weiteres zu, daß eine reinliche Trennung zwischen nur koordinierenden Aufgaben und gestaltenden Aufgaben und Maßnahmen auf kulturellem Gebiet, insbesondere auch auf dem rein schulischen Sektor, kaum oder recht schwer durchzuführen ist. Ich glaube, daß eine so scharfe Trennung, wie Sie sie vorzunehmen versucht haben, Herr Professor Brühler, indem Sie sagen: „Hier nur Schulfragen und nichts anderes", dem Anliegen nicht in vollem Umfang entsprechen kann. Denn in der Kulturpolitik handelt es sich um einen in sich zusammenhängenden einheitlichen Komplex. Bei der Regelung von Teilfragen muß auch auf andere Teilgebiete dieses Komplexes Rücksicht genommen werden. Wir sind uns darüber klar, daß Volksschulfragen von der Regelung der Fragen des mittleren und höheren Schulwesens und Fragen des höheren Schulwesens wiederum von den Anforderungen und Notwendigkeiten der Universität abhängig sind. Ich glaube also, es würde dem Anliegen nicht ganz entsprechen, wenn man hier von Kompetenzen spräche, die ausschließlich für das Schulwesen gelten sollen und in keiner Weise darüber hinausreichen sollen. Es wäre vielmehr zweckmäßiger, von vornherein diesen Zusammenhang ins Auge zu fassen. Für die Schulfragen selbst ist eine Trennung der Kompetenzen auch deshalb schwierig, weil — wenn ich es einmal mit einem kurzen Wort sagen darf — im Schulwesen Gehalt und Gestalt immer eine Einheit bilden und aufeinander abgestimmt sein müssen. Ich darf andererseits darauf hinweisen, daß der uns allen bekannte und schon genügend gerühmte Reichtum, der in der Vielfalt der kulturell gestaltenden Kräfte liegt, sich auf dem Gebiet der Organisation von Schule und Bildungswesen auch vergeuden kann, wenn kein einheitliches Ziel gesetzt ist, auf das hin sie wirken sollen, und wenn keine ordnende Kraft ihnen die Richtung weist. Beide sind jedenfalls heute nicht vorhanden. Wer das bezweifeln wollte, braucht nur auf die hier schon dargestellten Versuche der kulturautonomen Länder selber hingewiesen zu werden, sich einen Ersatz dafür zu schaffen. Vom Königsteiner Abkommen des Jahres 1949, das den Mangel einer zentralen Ordnungsgewalt auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung auszugleichen versuchte, bis zu der Ständigen Konferenz der Kultusminister und den Beschlüssen der Ministerpräsidenten in München sowie der Kultusminister in Feldafing und in Hannover sehen wir eine einzige Kette von Bemühungen, auf dem Wege von staatenbündlerischen


    (Feller)

    Vereinbarungen das zu erreichen, was eigentlich des Bundesstaates Aufgabe sein sollte, aber nicht sein darf aus dem Mißtrauen, das die Glieder nun einmal gegen das Ganze haben.

    (Zustimmung rechts.)

    Es wäre töricht, wenn man die in der Vergangenheit liegenden Ursachen dafür übersehen oder gar leugnen wollte. Aber ist es nicht doch beinahe so etwas wie ein Mißtrauen der Demokratie gegen sich selbst, wenn sie sich nicht traut, die notwendigen zentralen Ordnungskompetenzen zuzulassen, aus Angst davor, daß die dazu geschaffenen Einrichtungen eines Tages in undemokratischem Sinne mißbraucht werden könnten?

    (Beifall beim GB/BHE und rechts. — Abg. Dr. Willeke: Das ist ja gar nicht gesagt worden!)

    — Aber ich sage es, Herr Kollege, weil ich es so empfinde; und ich glaube, diese Empfindung ist nicht ganz unberechtigt.

    (Sehr richtig! beim GB/BHE.)

    Jedenfalls war der Erfolg dieser Länderbemühungen, die als solche von mir durchaus anerkannt werden — ich bin froh, daß sie unternonmmen werden —, sehr schwach. Es liegt eine Mappe von Beschlüssen der Ständigen Konferenz der Kultusminister vor. Wenn Sie sich einmal die Mühe nehmen, sie durchzusehen und die Erfolge bei der Umsetzung und Realisierung im Schul- und Unterrichtswesen der einzelnen Länder nachzuprüfen, werden Sie mir recht geben.

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Wasch mir den Pelz, aber mach' mich nicht naß, heißt es da!)

    — Ja, so ist es! — Es zeigt sich dabei, daß die auseinanderstrebenden Entwicklungstendenzen eben immer stärker sind als der Wille zur Einheitlichkeit — vielleicht deshalb, weil der Wille von Regierung und Parlament in den Ländern wirklich echt und stark dahin zielt, es im Speziellen der Kulturpolitik möglichst richtig zu machen, während darunter oft die klare Erkenntnis leidet, wie man es im Interesse der Gesamtheit wirklich richtig machen sollte. Gewiß, manches ist durch freiwillige Vereinbarung der Länder geregelt worden, aber verbindlich doch immer nur im Sinne zwischenstaatlichen Verkehrs, wie etwa in der Frage der gegenseitigen Anerkennung der Reifezeugnisse, und immer dann unverbindlich, wenn es sich um grundsätzliche strukturelle oder kulturpolitische Fragen und um die Frage der Fortentwicklung von Erziehung und Unterricht und urn die Richtung dieser Fortentwicklung handelte.
    Lassen Sie mich noch einmal sagen, daß auch wir nicht der Ansicht sind, daß das alles exekutiv verordnet werden könnte. Wir meinen das so wenig, daß wir glauben, auch den Kultusministern der Länder empfehlen zu müssen, weniger anzuordnen, als das Wachsende ordnend zu betreuen.

    (Abg. Dr. Seffrin: Was soll denn dann das Bundeskultusministerium?)

    — Ich darf dafür, Herr Kollege Seffrin, auf das Beispiel England hinweisen. Wir haben dort den Tatbestand, daß alles Neue, alles Experimentieren, alles Fortschrittliche im, Erziehungswesen von unten aus den Schulen, aus den erzieherischen Institutionen herauswächst und trotzdem eine zentrale
    Lenkung vorhanden ist, die nur für die Einheitlichkeit der Gesamtentwicklung Sorge trägt.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Auf die Gesamtordnung kommt es an, auf die Grundlagen und Prinzipien, die in sich etwas Einheitliches sind, während die Dinge, die sich daraus entwickeln, sich immer voneinander unterscheiden werden.
    Was uns für den Auf- und Ausbau unseres Bildungswesens zu fehlen scheint, ist die verbindliche gemeinsame Grundlage. Ihr Fehlen wurde von der breiten Öffentlichkeit allzusehr und oft nur an den Symptomen abgelesen und empfunden. Ein Bundesministerium für Erziehung und Unterricht, wie es genannt wurde, könnte und dürfte daher auch nach unserer Auffassung nicht etwa eine Verwaltungsbehörde sein, wie es leider allzu viele unserer Ministerien sind, sondern, wie auch schon zum Ausdruck gebracht wurde, eine Instanz, die Grundsätze aufzustellen und über ihre Einhaltung zu wachen hätte. Warum sollte man das, was die Länder übereinstimmend als notwendig anerkannt, aber mit unzulänglichen Mitteln zu erreichen versucht haben, nicht vom Bund der Länder aus mit den geeigneten Mitteln zu erreichen versuchen? Das erscheint mir immerhin einer Erwägung wert.
    Deshalb begrüßen wir den Antrag der Fraktion der DP, wenn wir auch nicht der Ansicht sind, daß es heute und hier schon zu einem endgültigen Ja oder Nein darüber kommen könnte oder auch kommen sollte. Wenn wir das jetzt hier in dieser Weise täten, würden wir wiederum den schon festgestellten ehrlichen Anstrengungen nicht ganz gerecht, die von den Ländern aus zur Überwindung des Elends, des deutschen Schul- und Bildungswesens gemacht werden, das zugegebenermaßen zu einem gewissen Teil auch auf Anordnungen der Besatzungsmächte zurückgeht, auf Vorbehalte, die hoffentlich im Zuge der Erringung der deutschen Souveränität nun bald verschwinden werden.
    Wir möchten zum Ausdruck bringen, daß wir auch von den Ländern zunächst noch einiges in dieser Richtung erwarten, vor allen Dingen eine Vertiefung des Bewußtseins, daß die Freiheit in der Gestaltung der Einzelheiten immer ihre Grenze an den Forderungen der Gemeinsamkeit finden muß. Dann hätte auch ein Bundesministerium — Bundeskultusministerium oder Bundesministerium für Erziehung und Unterricht —, wenn die Entwicklung es uns eines Tages brächte, nur die großartige und ganz unbürokratische Aufgabe der anregenden und betreuenden Hilfestellung bei den gestaltenden und verwaltenden Arbeiten zu erfüllen. Solange es aber nicht da ist — und nach der Situation, die hier gegeben ist, wird es so schnell auch nicht da sein —, bleiben die Aufgaben in anderer Weise wahrzunehmen. Wir haben dazu einmal die Abteilung im Bundesinnenministerium, die für die Forschung zuständig ist. Wir sollten diese Kompetenz zur bundeseinheitlichen Förderung einer der für uns lebenswichtigsten Formen geistiger Arbeit nicht beargwöhnen oder beargwöhnen lassen, sondern alles tun, um ihre Möglichkeiten zur Wirksamkeit zu erweitern. Wir sollten uns darüber auch in den zuständigen Gremien dieses Hauses ausführlicher als bisher unterhalten.

    (Sehr gut! rechts.)

    Wir sollten auch alles tun, um Eifersüchteleien
    zwischen einzelnen Ländern und zwischen Bund
    und Ländern, wie sie bei der Finanzierung einzel-


    (Feller)

    ner Forschungsgesellschaften und einzelner Institute aufgetreten sind, zu unterbinden. Wir haben dazu durchaus und weitgehend Möglichkeiten in der Haushaltsgestaltung. Geld, das an keine anderen Bedingungen geknüpft ist als die einer entsprechenden Leistung, wird wohl von jedermann gern angenommen werden.
    Wir haben ferner eine Reihe von kulturellen Organisationen, deren Tätigkeit sich über das ganze Bundesgebiet erstreckt und mit deren Förderung und Unterstützung viel zu einer bundeseinheitlicheren Kulturpolitik beigetragen werden könnte. Denn wenn sich geistig schaffende Menschen aus allen Bundesländern in gemeinsamer Aussprache und Arbeit treffen können, werden sie weniger die Unterschiede als das Ganze im Auge behalten.
    Schließlich hat der Bundestag selber im April 1952 beschlossen, eine solche Gesprächs- und Arbeitsbasis mit der Bildung des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen zu schaffen. Er arbeitet leider erst seit Ende letzten Jahres, hat aber doch schon mit einer Anzahl guter und gründlich erarbeiteter Empfehlungen auf die Vereinheitlichung unseres Schulwesens hinzuwirken unternommen. Ich habe im Verlaufe des letzten Jahres etwas den Eindruck gewonnen, daß der Bundestag dieses sein Kind ausgesetzt und vergessen hat. Wir sollten uns mehr darum kümmern, was es tut, und seine Entwicklung sowohl durch unser Interesse als auch durch unsere Hilfe fördern. Es ist hier nicht der Raum, im einzelnen darüber zu sprechen. Vielleicht kann es der Ausschuß für Kulturpolitik demnächst einmal tun, ohne damit in den Verdacht zu geraten, er wolle in die Hoheitsrechte der Länder eingreifen.
    Meine Damen und Herren! Wer wie ich Gelegenheit gehabt hat, an der Vereinheitlichung und Angleichung der drei im Südweststaat vereinigten Länder Baden-Württemberg, Württemberg-Hohenzollern und Südbaden kulturpolitisch mitzuarbeiten, der weiß, wie rasch sich die Dinge auseinanderentwickeln können, selbst in Gebieten, die vorher einmal staatlich und verwaltungsmäßig zusammengehört haben und nur ganz vorübergehend getrennt worden sind. Ich denke also nicht nur an die Gegensätze zwischen Baden und Württemberg, sondern auch an die zwischen Nordbaden und Südbaden und Nordwürttemberg und Südwürttemberg, wenn ich feststelle, wie rasch sich die Dinge auseinanderentwickeln können und wie schwierig und mühselig es ist, sie wieder zusammenzubringen.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Ich habe als Mitglied des Kulturpolitischen Ausschusses im Baden-Württembergischen Landtag miterlebt, daß wir bei wöchentlichen Sitzungen anderthalb Jahre allein gebraucht haben, um eine Übersicht über die Verschiedenheiten, über die Unterschiedlichkeiten, über die Gegensätze zu gewinnen, gar nicht zu reden davon, ob wir damit schon etwas dazu beigetragen haben, sie zu überwinden,

    (Sehr richtig! rechts)

    also nur dazu, uns zunächst einmal zu orientieren. Deshalb gebe ich mich auch keinen Illusionen darüber hin, welchen Schwierigkeiten heute — nehmen wir an, es käme — ein Bundesministerium für Erziehung und Unterricht zu begegnen hätte, Schwierigkeiten, die sowohl bei den Menschen als auch bei den Fakten und bei den Institutionen
    liegen. Wir brauchen uns wohl im Augenblick keine allzu großen Sorgen über die Sorgen des zukünftigen Bundesministers zu machen; denn wir werden ein solches Ministerium und einen solchen Minister — das hat die bisherige Debatte gezeigt zunächst noch nicht haben. Wir sollten uns jedoch — lassen Sie mich das auch noch sagen —, ob wir heute positiv oder negativ zu dem vorgelegten Antrag stehen, so verhalten, daß ein solches Bundesministerium, wenn wir es eines Tages erhalten sollten, eine leichtere Aufgabe zu bewältigen haben würde, als es sie heute vor sich sähe. Wir werden — das ist allerdings meine Überzeugung — so oder so ein solches Ministerium schaffen müssen, wenn Deutschland einmal wieder vereinigt wird. Niemand wird glauben, daß die dann entstehenden Aufgaben der kulturpolitischen Wiederangleichung allein aus der Kraft der Länder heraus gelöst werden können.

    (Sehr richtig! beim GB/BHE.)

    Hier liegt eine Verpflichtung, die auch im vorbereitenden Stadium — das sollte mein Zwischenruf vorhin zum Ausdruck bringen, Herr Dr. Kleindinst — nur vom Bund getragen werden kann. Wir sollten uns überlegen, daß auch nach der von mir durchaus erwarteten Ablehnung dieses Antrags irgend etwas geschehen muß, nämlich die Feststellung einer Zuständigkeit, damit die Wiederangleichung der getrennten Teile Deutschlands nach einer Wiedervereinigung auf schul- und kulturpolitischem Gebiet sofort und mit den richtigen Maßnahmen einsetzen kann.
    Ich halte es in Übereinstimmung mit meiner Fraktion aus allen diesen Gründen für verfehlt, die Anträge auf den Drucksachen 621 und 622 einfach durch Abstimmung zu erledigen, und schließe mich dem Antrag des Antragstellers an, sie an die zuständigen Ausschüsse zu überweisen. Insbesondere halte ich die Überweisung an den Ausschuß für Kulturpolitik für erforderlich. Damit wäre diesem Gelegenheit gegeben, in eine ruhige und sachliche Überprüfung der Verhältnisse im Erziehungs- und Bildungswesen der Bundesrepublik einzutreten und zu erörtern, wie man den in den Anträgen enthaltenen und nur zu berechtigten Anliegen auch dann, wenn ein Bundesministerium nicht gewünscht wird, am besten gerecht werden kann. Zumindest ist es aber erforderlich, den Eventualantrag auf Drucksache 623 so zu behandeln. Der darin enthaltene Gedanke einer staatsvertraglichen Sicherung und Regelung der Einheit unseres Erziehungs- und Bildungssystems erscheint mir an sich zwar etwas antiquiert und erinnert an die Zeit der deutschen Kleinstaaterei, ist jedoch für eine Ausweichlösung sicher nicht unbrauchbar. Ich kann mir schwer vorstellen, daß der Deutsche Bundestag, dem anzugehören wir 'die Ehre haben, sich von der Geschichte einmal wird nachsagen lassen wollen, er habe sich aus irgendwelchen, nicht immer nur in der Sache begründeten Erwägungen dazu verstanden, über eine für unser Volk und seine Zukunft so schwerwiegende Frage mit einer einfachen Abstimmung hinwegzugehen.

    (Beifall beim GB/BHE, bei der FDP und der DP.)