Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bender hat bei Begründung seines Antrags den Wunsch ausgesprochen, wir möchten es nicht zu einer Agrardebatte kommen lassen. Seine Kritik, alle seine Ausführungen waren aber so weitgehend, daß man zu einigen Fragen, die er angeschnitten hat, grundsätzlich Stellung nehmen muß.
Als im 1. Deutschen Bundestag die Agrargesetze beraten wurden, war sich das Hohe Haus in seiner Mehrheit darüber im klaren, daß zur Erhaltung eines möglichst stabilen Preises sowohl für die Erzeuger als auch für die Verbraucher eine Ordnung des Binnenmarktes unbedingt notwendig sei. Das Hohe Haus war sich auch darüber vollkommen klar, daß in der Landwirtschaft nun einmal besondere Verhältnisse vorliegen, daß die Landwirtschaft nicht nur bei uns, sondern in der ganzen Welt eine Sonderstellung einnimmt und daß sich die Liberalisierung, die in der Vergangenheit ganz unbestritten unserer gesamten Wirtschaft recht gut bekommen ist, bei der Landwirtschaft nicht so vorteilhaft hat auswirken können. So wurde also im 1. Bundestag mit den Agrargesetzen ein System entwickelt, in dem nach einem vorliegenden Versorgungsplan Einfuhr und eigene Erzeugung weitestgehend aufeinander abgestimmt wurden.
Man kann sich durchaus darüber unterhalten, ob das, was wir im 1. Deutschen Bundestag festgelegt haben, auch für die Zukunft so beibehalten werden muß. Wir haben uns bereits in der Vergangenheit durchaus nicht gescheut — insofern stimme ich auch mit Herrn Kriedemann überein —, auf den Gebieten, auf denen entweder der Erzeuger beim Absatz seiner Ware gehemmt wurde oder der Verbraucher seine Wünsche nicht befriedigt sah, hier und da gewisse Revisionen vorzunehmen. Ich brauche nur auf die Novelle zum Milch- und Fettgesetz oder auf die Änderung des Getreideeinfuhrverfahrens hinzuweisen, die ab 1. Oktober dieses Jahres in Kraft getreten ist. Ich bin auch heute noch der Auffassung, daß die Marktgesetze im Prinzip bejaht werden müssen. Solange Deutschland in der Nahrungsmittelversorgung zu einem Drittel vom Ausland abhängig ist, kommen wir zur Regulierung der Einfuhr und Ausfuhr um eine gewisse Vorratshaltung nicht herum. Auf der anderen Seite möchte ich aber keinen Zweifel darüber lassen, daß bei einem allzu starren System, wie wir es früher auf manchen Gebieten gehabt haben, die Wirtschaft und die Initiative des einzelnen manchmal nicht voll zu ihrem Recht gekommen sind. Bei Bejahung der Agrargesetze und bei Bejahung der Notwendigkeit von Einfuhr- und Vorratsstellen sollte auch in Zukunft durchaus überlegt werden, ob nicht im Interesse aller hier und dá gewisse Änderungen durchgeführt werden sollten.
Ich möchte nun ganz kurz zu einigen Ausführungen, die hier gemacht worden sind, Stellung nehmen. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß wir ab 1. Oktober dieses Jahres ein neues Getreideeinfuhrverfahren haben. Es sollte eine gewisse Auflockerung herbeiführen. Wir haben diesen Weg aus der Erkenntnis heraus beschritten, daß nicht die Allmacht des Staates diktieren soll, sondern daß — und gerade das wollen wir — die Wirtschaft selber auf die Abwicklung der Dinge Einfluß nehmen soll. Wir können heute bereits feststellen, daß sich das neue Verfahren durchaus bewährt hat. Wir sind überhaupt der Meinung, daß sich der Staat auf seine ureigensten Funktionen beschränken sollte und daß all die Aufgaben, die die Wirtschaft zu übernehmen in der Lage ist, in Zukunft mehr als bisher von der Wirtschaft übernommen werden sollten.
Bei dem Abrechnungsverfahren sollte nach unserer Auffassung geprüft werden, ob nicht die bisherige Berechnung franko aufgegeben werden und die Berechnung zweckmäßigerweise ab Mühle erfolgen sollte. Wir kennen die Notlage der kleinen und mittleren Mühlen. Wir können uns vorstellen, daß bei entsprechender Änderung auch ihren Wünschen besser Rechnung getragen werden könnte, als es in der Vergangenheit geschehen ist.
Auch hinsichtlich der Abschöpfungsbeträge kann man sich darüber unterhalten, ob es tatsächlich notwendig ist, diese Millionenbeträge, von denen der Herr Kollege Bender gesprochen hat — sie gehen wirklich in die Hunderte von Millionen —, nur dem Finanzminister zugute kommen zu lassen, oder ob man mit ihnen nicht gleichzeitig — auch das hat das Hohe Haus betont — die Landwirtschaft unterstützen könnte. Es wäre wahrscheinlich besser, diese Beträge zur Förderung der Landwirtschaft einzusetzen, als sie in einen großen Topf fließen zu lassen. Das wäre vor allem auch deshalb besser, weil wir dann nicht erst in langen Agrardebatten versuchen müßten, für die Landwirtschaft das durchzusetzen, was im Interesse nicht nur dieser Landwirtschaft, sondern der Allgemeinheit durchgeführt werden muß.
Vielleicht wäre es, wenn man schon die Abschöpfungsbeträge festlegt, ganz nützlich, wenn man nicht jede Getreideart unbedingt verschieden abrechnete. Es wäre doch wohl zweckmäßig, z. B. Weizen insgesamt nach einem Einheitssatz abzurechnen. Warum hier die Unterschiede nach einzelnen Arten?
Nun komme ich zu den beiden Punkten, in denen Herr Kollege Bender besonders scharfe Kritik geübt hat. Er hat zugegeben, daß keine Meinungsverschiedenheiten bestünden über die Notwendigkeit von Einfuhr- und Vorratsstellen bei Getreide und bei Zucker. Er hat ferner zugegeben, daß auf diesen Gebieten die Landwirtschaft unbedingt des Schutzes bedarf. Beim Getreide allerdings hat er einen kleinen Haken geschlagen und gesagt, an sich sei es, wenn schon die Einnahmen der Landwirtschaft auf dem Getreidesektor prozentual so niedrig seien, nicht recht verständlich, weswegen man dann diese hohen Abschöpfungsbeträge festsetze. Damit hat er ausgesprochen, was wir in der Presse und bei vielen Debatten und auch sonst schon gehört haben, nämlich daß es doch vielleicht zweckmäßig wäre, nicht diese hohen Abschöpfungsbeträge zugrunde zu legen; vielmehr täte man der Allgemeinheit einen größeren Gefallen, wenn man auch der deutschen Landwirtschaft und der deutschen Wirtschaft die Weltmarktpreise bei Getreide zugute kommen lasse; damit könnte man doch eine bessere und billigere Produktion ermöglichen.
Wer über agrarpolitische Dinge und die Zusammenhänge betriebswirtschaftlicher Art in der Landwirtschaft nicht genauestens informiert ist, kann sehr schnell zu dieser Schlußfolgerung kommen. Wir wissen auch, daß aus Kreisen der Veredelungswirtschaft oftmals gerade wir als Agrarpolitiker aufgefordert worden sind, doch auch der deutschen Landwirtschaft das billige Getreide zur Verfügung zu stellen, weil man dann billiger produzieren könne und weil wir uns dann im Parlament nicht dauernd mit der Senkung oder Erhöhung von Zöllen herumzuschlagen brauchten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein Trugschluß. Zur Erhaltung der Fruchtbarkeit unserer Baden ist nun einmal eine bestimmte Fruchtfolge notwendig, die man nicht einfach ändern kann, selbst wenn man es will. Wer das weiß und wer weiter weiß, daß für die Rentabilität der Betriebe ein ganz bestimmtes Verhältnis bestehen muß zwischen den Preisen für Kartoffeln, Getreide und Schweinefleisch, der wird sofort erkennen, daß bei einer Senkung des Weltmarktpreises für Getreide automatisch auch der Kartoffelpreis in Mitleidenschaft gezogen und daß damit automatisch-künstlich etwas aufgezogen wird, was wir vom bäuerlichen, aber auch vom volkswirtschaftlichen Standpunkt auf keinen Fall vertreten können. In viel stärkerem Maße würde das eintreten, was in den letzten Jahren leider Gottes bereits eingetreten ist, nämlich eine Verlagerung nach industriellen und gewerblichen Betrieben, die mit der Landwirtschaft nur noch verdammt wenig zu tun haben.
Herr Kollege Bender, diese Dinge muß man sehen. Ich bitte auch zu berücksichtigen, daß der größte Teil unserer bäuerlichen Betriebe nun einmal kleinst- und mittelbäuerliche Betriebe sind. Diese kleinst- und mittelbäuerlichen Betriebe haben ein Lebensrecht, und es dürfen nicht einfach rein fiskalische Gesichtspunkte ausschlaggebend sein, wenn man derartige Forderungen stellt, wie Sie sie glaubten hier herausstellen zu müssen.
Dann zu dem Fleisch! Auch da haben Sie gesagt: Wozu diese gewaltige Belastung für die Vorratshaltung; wir hätten in der Bedarfsdeckung nur eine Spanne von 3 %, und das sei doch nur ein Vorrat, wie er günstigstenfalls für sechs Tage ausreiche; -es sei praktisch vollkommen sinnlos, 47 Millionen DM aufzuwenden, wenn man nur für sechs Tage Vorrat für das gesamte deutsche Volk sichern könne.
Auch das klingt für einen Laien sehr verständlich, und jeder wird sagen — ich habe das auch im Saal beobachtet –, das sei ein vernünftiger Vorschlag und man müsse sich ernstlich überlegen, ob der Einsatz dieser gewaltigen Summen dafür noch zu verantworten sei. Aber bereits einer meiner Vorredner hat darauf hingewiesen, daß nur ein Überangebot aus der Landwirtschaft während einer nur ganz kurzen Zeit dazu führen kann, die Preise derart zu drücken, daß ein solcher Preiszusammenbruch einfach von der Landwirtschaft nicht getragen werden kann. Im Endergebnis hat aber auch der Verbraucher davon gar keinen Vorteil, da erfahrungsgemäß hinterher immer Preissteigerungen die Folge sind.
Ich stamme aus einem Gebiet in Norddeutschland, in dem wir bei der vorherrschenden einseitigen Grünlandwirtschaft das Vieh im Herbst tatsächlich abstoßen müssen. Wenn dann ein solch ungünstiges Wetter dazukommt wie in diesem Jahr und der Abtrieb noch einige Wochen oder gar einen Monat früher erfolgen muß, als das normalerweise der Fall ist, dann stellen Sie sich einmal vor: Wenn hier keine Auffangstelle vorhanden ist und wenn dann — nicht durch die Landwirtschaft verursacht, sondern durch die Witterung bedingt — ein plötzliches Angebot auf den Markt drängt, dann wird damit die ganze Preiskalkulation in der Landwirtschaft über den Haufen geschmissen und der Jahresverdienst der landwirtschaftlichen Familie einfach zunichte gemacht.
Das aber ist untragbar. Deshalb sind wir der Meinung, daß für solche Verhältnisse, und zwar nicht nur 'in außergewöhnlichen Zeiten, sondern Jahr für Jahr, eine Auffangstelle vorhanden sein muß. Wir sind der Meinung, daß auch während des ganzen Ablaufs des Jahres für den Fall, daß vom Weltmarkt her ein Angebot ausbleibt oder nicht genügend Angebot da ist, der Staat verpflichtet ist, im Interesse der Verbraucher, um sie vor allzugroßen Preissteigerungen zu schützen, die Kosten für eine gewisse Vorratshaltung zu tragen. Selbstverständlich muß der 'Staat dann auch bereit sein, im Haushalt die entsprechenden Beträge vorzusehen.
Das gleiche, was ich hier vom Fleisch gesagt habe, trifft beim Fett zu. Ich glaube, wir wären im Augenblick in Anbetracht der jetzigen Verknappung bei Butter alle sehr dankbar, insbesondere die deutsche Landwirtschaft, wenn ein etwas größerer Vorrat an Butter vorhanden wäre und wenn das Hohe Haus damals eine Bevorratung nicht so kategorisch abgelehnt hätte. Butterpreiserhöhungen, wie wir sie zur Zeit leider Gottes haben — und zwar „leider" vom Standpunkt der Landwirtschaft und noch viel mehr vom Standpunkt der Verbraucher —, hätten vermieden werden können, wenn der Staat dank besserer Vorratshaltung hier preismanipulierend hätte eingreifen können.
Ich komme zum Schluß. Auch wir bejahen grundsätzlich eine Marktordnung im Interesse der Erzeugung ebenso wie im Interesse der Verbraucher. Auf der anderen Seite will ich aber keinen Zweifel darüber lassen, daß das bisherige System nicht starr beibehalten werden sollte, sondern daß wir zu gegebener Zeit durch entsprechende Novellen oder bei der Haushaltsberatung oder durch Sonderanträge Änderungen eintreten lassen sollten, wenn es im Interesse der Verbraucher oder im Interesse der Erzeuger notwendig ist. Wir sind weiter der Meinung, daß eine gewisse Revision hier und da in der Verwaltung durchaus denkbar ist, ohne daß ich im einzelnen jetzt schon sagen kann — dazu kann ich im Augenblick noch gar nicht sprechen —, ob die Überbesetzung so stark ist, wie hier herausgestellt wurde. Ich könnte mir aber denken, daß bei stärkerer Berücksichtigung der Wünsche der Wirtschaft im Interesse der Steuerzahler hier eine gewisse Änderung eintreten könnte.
Ich glaube, daß eine weitere Beratung — damit schließe ich mich den Auffassungen von Herrn Kollegen Müller und auch von Herrn Kollegen Horlacher an — im Augenblick nicht notwendig ist. Wir werden von uns aus zu gegebener Zeit, wenn wir es im Interesse der einen oder anderen Seite für notwendig erachten, entsprechende Anträge einbringen.