Rede von
Dr.
Michael
Horlacher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das war nicht so gemeint, Herr Präsident. Ich füge mich, ich will nicht widersprechen.
Ich fahre ,dann fort. Durch ,die Marktordnungsgesetze sind verschiedene Produkte der Landwirtschaft von der Liberalisierung ausgenommen. Was bedeutet das? Das bedeutet, daß diese Gebiete aus der Liberalisierung herauisgenommen und der Marktordnung unterworfen sind; das bedeutet, daß hier, abgesehen von den Zollvorschriften, die bei Butter, Vieh und Fleisch bestehen, die Handelsverträge maßgebend sind. Einmal ist bei Getreide die Einfuhrschleuse maßgebend; sie läßt hier nur so viel herein, wie der Importbedarf bei Brot- und Futtergetreide beträgt. Andererseits sind bei Vieh, Fleisch und Butter die Handelsverträge maßgebend. Die Liberalisierung würde bedeuten, daß keine handelspolitischen Kontingente bestehen. Aber diese Kontingente bestehen eben bei der Marktordnung. Das ist der Sinn der Marktordnung. Deswegen ist Ihre Auffassung, daß die Zölle ausreichen, total falsch. Denn bei der Marktordnung kommen zu den Zöllen noch die handelspolitischen Kontingente hinzu, die eine ganz wesentliche Rolle spielen.
Lassen Sie mich ganz kurz nur einen Streifzug durch die Verhältnisse machen, wie sie vorliegen. Beim Getreide haben wir in diesem Jahr eine qualitativ und quantitativ schlechte Ernte, in vielen Gebieten eine überaus ungünstige Ernte. Hier müssen wir aber unter allen Umständen eines beachten: Die Einfuhr- und Vorratsstelle bei Getreide muß so viel Vollmachten erhalten, daß sie die reibungslose Abwicklung ides Getreidemarktes sicherstellen kann. Insbesondere muß unsere binnenländische Mühlenindustrie bei diesen Verhältnissen entsprechend in Schutz genommen werden. Das heißt mit anderen Worten — jetzt kommt etwas Wesentliches —, daß das Cif-Preis-System, gegen das ich persönlich ja grundsätzlich bin, nach meiner Überzeugung in seiner Anwendung so rasch wie möglich ausgesetzt werden muß, damit auch unsere binnenländischen Mühlen mit den Qualitäten von Auslandsgetreide versorgt werden, um in der Qualitätslage ides Mehls gegenüber den anderen bei ihrer schon sehr angespannten Lage keinen Rückschritt zu erleiden.
Das halte ich für unbedingt notwendig. Auch ,das ist eine Frage, über die wir uns im Ernährungsausschuß einmal einigen könnten. Im übrigen will ich darüber nicht weiter reden.
Ich komme zu der Einfuhr- und Vorratsstelle für Vieh und Fleisch. Ja, Herr Kollege Bender, wenn das so einfach wäre, wie Sie es da hingeschrieben haben! Man sieht oft den Baum nicht mehr vor lauter Wald. Man muß Obacht geben! Wenn du den Wald siehst, mußt .du auch die Bäume sehen, sonst siehst du ja den Wald nicht richtig. Die Einfuhr- und Vorratsstelle hat auch beim Vieh und Fleisch ihre Aufgabe zu erfüllen. Wissen Sie überhaupt, was ,die Aufgabe der Einfuhr- und Vorratsstelle ist? Im Interesse der Erzeuger wie der Verbraucher spekulative Erscheinungen am Markt möglichst auszuschalten oder für die verbrauchende Bevölkerung möglichst gleichmäßige, stabile Preise während des ganzen Wirtschaftsjahrs sicherzustellen: das ist ihre Aufgabe.
Daran sind alle Beteiligten interessiert. Das hat die Einfuhr- und Vorratsstelle auch erreicht. Während in den Jahren 1951 und 1952 bei Großvieh große Preisschwankungen festzustellen waren, waren die Preise 1953 fast durchweg ausgeglichen. Diese Preisregulierung ist von der Einfuhr und Vorratsstelle in erster Linie mit der Herausnahme bei Märkten mit Überangebot erzielt worden.
Die Einfuhr- und Vorratsstelle hat also neben ihrer Aufgabe, Vorräte zu halten, was mit Rücksicht auf gewisse Umstände, die eintreten können, geschehen muß, die Dinge am Markt so zu bewirtschaften, so zu leiten, daß eine gewisse Marktregu-
lierung herbeigeführt wird. Und glauben Sie mir, da können Sie nicht sagen: da sind bloß ein paar tausend Rindviecher aufgekauft worden. Also, wenn mehr eingeführt wird, haben wir mehr; aber vielleicht haben wir hier und da zu wenig. Jetzt kommt es darauf an — —
— Herr Kollege Stücklen, nur nicht so vorlaut! Sonst kann ich auch an Sie eine Frage richten, wenn Sie auch Fraktionskollege sind, das ist mir gleich, das geht in einem Aufwaschen hin.
Für mich kommt es nicht auf die 5000 oder 3000 Stück Vieh an — von mir aus können es auch 6000 sein —, sondern es kommt darauf an, daß zur rechten Zeit der Eingriff in den Markt erfolgt, weil oft verhältnismäßig geringe Mengen, wenn sie an bestimmten Tagen massiert sind, zu einem Preisverfall führen können, für die Allgemeinheit keinen Gewinn und für die Erzeugerschaft nur Schaden bringen.
Deswegen hat die Einfuhr- und Vorratsstelle schon eine Aufgabe zu erfüllen.
Sie werden ja auch nicht bestreiten wollen, daß die Einfuhr- und Vorratsstelle bei Butter usw. eine Aufgabe zu erfüllen hat. Hätten wir unsere Vorräte nicht unter dem Druck der öffentlichen Meinung wie 1952 oft hinausgehauen, dann hätten wir den Buttermarkt, als der Preis weit über die 6-Mark-Grenze pro Kilogramm gestiegen ist, entsprechend regulieren können. Da haben wir aber keine Vorräte mehr gehabt. Deswegen ist es notwendig, daß die Einfuhr- und Vorratsstelle, um eine gleichmäßige, zureichende Versorgung und das Preisniveau sicherzustellen, auch über entsprechende Vorräte verfügt, damit sie den Markt regulieren kann.
Aber das können wir ja in dieser Debatte — Herr Kollege Kriedemann, da haben Sie vollständig recht — nicht in extenso erörtern. Das ist eine Frage, über die wir Gelehrten uns weiter unterhalten; sonst geht uns der Stoff im Bundestag aus.
Da haben Sie ja ganz gefährliche Dinge in dem Antrag! Die sind glänzend für Leute von der Industrie, die das gerne hören! Ich habe auch so Leute, die hören so was gern. Aber ich habe gesagt: jetzt bin ich über 66 Jahre und stehe der Ewigkeit so nahe, daß ich mit dem Firlefanz nicht fortfahre und Such noch etwas vorgaukle, sondern ich bleibe bei .dem, was notwendig ist. Von einer überhöhten Preisinsel — Herr Kollege Bender, Sie kennen die industriellen Verhältnisse in Deutschland — gerade bei der Landwirtschaft zu reden, das ist ein sehr gefährliches Unterfangen. Das stimmt nämlich nicht. Wir haben in Deutschland eine verhältnismäßig hervorragende Wirtschaftslage. Das müßte das deutsche Volk einmal anerkennen, statt immer daran herumzukritisieren. Wir haben aber auf ,der industriellen Seite in 'den Kostenverhältnissen vielfach eine Überlagerung. Bei der Landwirtschaft sind wir im Preisgefüge auf manchen Gebieten zurückgeblieben.
Hinzu kommt noch folgendes. Wenn Sie ,die Zölle der Landwirtschaft angreifen, dann müssen Sie auch die Zölle der Verarbeitungsindustrie angreifen. Da ist der Wertzoll meistens viel höher als bei der Landwirtschaft. Dann schon Gleichheit!
Damit sind wir schon wieder beim Paritätsgesetz angelangt, und da kann ich Ihnen einige Ziffern bieten. Da stimmt Ihre Auffassung von den überhöhten Preisen unter keinen Umständen. Ich nehme einmal die Indizes der Hauptackerfrüchte und der tierischen Erzeugnisse in den einzelnen Ländern und setze das Jahr 1936 gleich 100. Wie war es dann im Jahre 1953? Hauptackerfrüchte: Belgien 386, Niederlande 340, Schweiz 203, England 294, Dänemark 294, Schweden 248 und Deutschland 213. In dem Licht dieser Statistik sehen Sie gleichzeitig Ihre Auffassung widerlegt, die Sie bezüglich der Höhe der Getreidepreise vertreten haben.
Auch die absolute Preishöhe wird hier in einem Preisvergleich festgehalten. Weizen in USA-Dollar
— ich glaube, das ist etwas mehr als 4,20 DM —: Durchschnittlicher Erzeugerpreis je Doppelzentner Belgien 9,36, Niederlande 6,84, Schweiz 14,87 — da sehen Sie, daß die Schweiz in jeder Beziehung kein billiges Land ist —, England 8,38, Dänemark 7,13, Italien 11,54 — trotz der dortigen Währungsverhältnisse —, Deutschland 9,95.
— Sehen Sie, das sind ja die Weltmarktpreise. Ich habe schon gesagt, wir müssen uns auf die europäischen Verhältnisse beschränken. Wir leben hier im europäischen Raum. Den amerikanischen Raum können Sie mit unserem Raum nicht vergleichen. Zunächst haben die Amerikaner ganz andere Methoden der Bewirtschaftung und ganz andere Etatsverhältnisse als wir. In Amerika bekommt der Farmer seinen Mindestpreis garantiert. Jetzt haben sie dort die Garantie auf 90 °/o, glaube ich, heruntergesetzt. Und dann, das wissen Sie genau, wird der Überschuß mit riesigen staatlichen Subventionen ins Ausland verfrachtet. Das ist doch eine Schutzpolitik, die man nicht übersehen darf, vielleicht die größte Schutzpolitik, die auf der ganzen Welt existiert.
Ich will Sie nicht mehr mit vielen anderen Ziffern belästigen. Bei der Milch nur noch folgende. Je 100 kg Milch in USA-Dollar: Österreich 6,15, Belgien 6,34, Schweden 6,96, Frankreich 7,15, Italien 7,71, Schweiz 8,90, England 9,51, Deutschland 6,02. Also kann man auch hier von einer Überhöhung der Preise bei uns nicht sprechen. Bei den Rinderpreisen ist es ähnlich. Je 100 kg in USA-Dollar: Österreich 27,69, Frankreich 33, Finnland 34, Deutschland 34, Schweden 34, Italien 41, Belgien 43, Schweiz 66. Sie sehen also, daß es sehr schwer möglich ist, hier von einer überhöhten Preisinsel zu sprechen.
Ich bin ein höflicher Mensch. Ich wollte Ihnen nicht weh tun. Nicht, daß Sie meinen, ich komme hier jetzt mit der großen Kratzbürste. Wir werden uns auf anderen Gebieten wieder verstehen. Hier aber haben Sie danebengeschossen, da kann ich Ihnen nicht helfen. Es ist saudumm danebengegangen. Schön wäre es gewesen, aber es hat nicht geklappt.
Das waren so ein paar Ziffern. Sonst verwende ich sie nicht gern. Also ist .der Punkt unter Buchstabe d auch gegenstandslos.
Ich habe geschildert, was zu tun ist, welche Aufgaben von den Einfuhr- und Vorratsstellen zu
erfüllen sind. Das können wir dann im Ausschuß weiter erörtern. Dazu brauchen wir doch keinen Antrag. Da brauchen wir nicht extra eine Fahne zum Haus herauszuhängen; das können wir auch ohne Fahne tun.
Ich komme zu der Frage unter Buchstabe e, ob es zutrifft, daß durch geeignete Maßnahmen auf diesem Gebiet gegenüber dem Haushalt für 1954 mindestens 150 Millionen DM eingespart werden können. Das geht den Haushaltsausschuß an. Wir werden uns im Ernährungsausschuß und im Haushaltsausschuß über diese Dinge ohnehin unterhalten müssen.
Also so schmerzlich es für den Kollegen Bender sein mag: seien Sie doch nach all der reiflichen Überlegung so freundlich und sagen Sie, es hat Sie sehr gefreut, daß wir das im Bundestag erörtert haben, und seien Sie damit zufrieden! Herr Kollege Dr. Müller hat mit seinem Vorschlag vollständig recht, den Antrag durch ,die Debatte für erledigt zu erklären. Daneben bleibt natürlich unser Wille — Herr Kollege Kriedemann, das haben wir im Ernährungsausschuß sowieso beschlossen — bestehen, die Einfuhr- und Vorratsstellen, ihr Geschäftsgebaren und ihre inneren Verhältnisse weiter zu behandeln. Ich bitte also, bei dem Antrag Müller zu verbleiben. Wir wollen uns doch nicht mehr Arbeit machen, als notwendig ist. Wenn wir schon Arbeit leisten, soll sie auch fruchtbar sein. Das ist die Landwirtschaft so gewohnt.