Rede von
Herbert
Schneider
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, mich kurz zu fassen. Insbesondere werde ich Sie hier nicht mit den Details, die meine Damen und Herren Vorredner schon vorgetragen haben, belästigen. Ich kann erklären, daß wir uns zu all den Fragen bekennen, die die Kriegsopfer in ihrer Gesamtheit bewegen. Ich halte es für verfehlt — wenn ich diese grundsätzlichen Ausführungen hier kurz machen darf —, sich immer wieder darauf zu berufen, daß wir in Westdeutschland das fortschrittlichste Kriegsopfergesetz hätten, und zu glauben, daß sich mit diesem, ich möchte sagen: Selbstlob eine weitere Aktivität in dieser Frage erübrige. Aus den Ausführungen meiner Damen und Herren Vorredner ist — zum Teil jedenfalls — bereits herausgeklungen, daß man gewillt ist, sich den Fragen der Kriegsopferversorgung weiterhin mit Nachdruck zuzuwenden. Die Tatsache, daß trotz anderslautender Erklärungen der Regierung bis heute manches unterblieben ist, ist bedauerlich. Sie beruht darauf, daß wir in der verflossenen Zeit dieser Legislaturperiode den Fragen der Innenpolitik und insbesondere der Sozialpolitik nicht die Aufmerksamkeit zugewandt haben,
die wir doch auf Grund unserer Verantwortung gegenüber der gesamten Bevölkerung, gleichgültig, wo sie parteipolitisch oder in sonstiger Hinsicht steht, allesamt tragen. Ich wünschte mit meinen Freunden, daß gerade dieser spezielle Fall der Anstoß dafür ist, nachdem wir ja bereits gestern eine muntere Sitzung in Sachen Kindergeld hatten, daß eine sozialpolitische Initiative auch auf innenpolitischem Gebiet Platz greift. Bei der Erörterung der Frage der Erhöhung von Grund-, Ausgleichs- und sonstigen Renten könnte nur allzuleicht die Tatsache in den Hintergrund treten, daß es sich bei der Kriegsopferversorgung nicht ausschließlich darum handelt, den Kriegsopfern materielle Zuwendungen zu machen, sondern daß es den Kriegsopfern — ich spreche hier aus eigener Erfahrung — in allererster Linie darauf ankommt, einen Arbeitsplatz zu erhalten. In diesem Zusammenhang bedauern meine Freunde und ich, daß wir heute in der Bundesrepublik noch 35 069 arbeitslose Schwerbeschädigte haben. Es wird also vor allen anderen Fragen die vornehmste Aufgabe sein, alles daranzusetzen, um auch diesen Kriegsopfern einen angemessenen Arbeitsplatz zu sichern.
Kürzlich sind von verschiedenen großen Kriegsopferorganisationen Veranstaltungen durchgeführt worden, auf denen die verschiedensten Forderungen erhoben worden sind. Im Zusammenhang mit diesen Veranstaltungen ist u. a. erklärt worden, daß sich durch den Fortfall der EVG im Bundeshaushalt gewisse Mittel aufgestaut hätten, die für Verteidigungslasten vorgesehen gewesen seien, die man also jetzt für sozialpolitische Maßnahmen verwenden könne. Meine Freunde und ich müssen sich gegen eine solche Forderung verwahren. Das Schlagwort, daß es in erster Linie darauf ankomme, eine sozialpolitische Befriedung zu erreichen, und daß man dann schon irgendwie weiter sehen werde, wie es mit den anderen Dingen würde, kann nicht verfangen. Denn wo soll die sozialpolitische Befriedung, wenn wir sie wirklich erreichen, bleiben, wenn wir sie nicht schützen!
Aus diesem Grunde kann das also nicht in Frage kommen, und ich muß schon unterstellen, daß gewisse parteipolitische Dinge eine Rolle spielen, wenn man einfach die allzu billige Forderung erhebt, uns hier unserer Verteidigungsmittel zu entblößen. Ich bitte, das richtig zu verstehen; aber jeder vernünftig denkende Mensch muß das an sich anerkennen.
Andererseits sind wir uns natürlich darüber im klaren, daß den Kriegsopfern mit irgendeiner Propaganda nicht gedient ist, sondern daß sie mit Recht Taten sehen wollen. Sie haben ein berechtigtes Anliegen an diesen Staat. Denn in einem Augenblick, in dem wir uns auf deutsches und auch alliiertes Verlangen anschicken, wieder Soldaten aufzustellen, werden nicht nur die jetzt Einzuberufenden, sondern erst recht diejenigen, die als Soldaten einmal ihre Gesundheit hingegeben haben, fragen: Wird nun wenigstens für die Zukunft eine solche Versorgung sichergestellt, daß man auch, ich möchte nicht sagen: freudigen Herzens, um nicht mißverstanden zu werden, aber mit einem Gefühl der Sicherheit seine Pflicht tun kann? Deswegen haben wir alle, die wir hier sitzen, von der Linken bis zur Rechten des Hauses, die Verpflichtung, für diese Sicherheit zu sorgen.
Wenn neulich auf der Tagung des VdK in Godesberg sogar die Forderung erhoben wurde, daß die Kriegsopferversorgung in der Wehrverfassung eine gewisse Rolle spielen solle, so möchte ich diesen Gedanken nicht unbedingt von der Hand weisen. Im übrigen bedauere ich — das möchte ich auch von diesem Platz einmal sagen —, daß die Kriegsopfer in so zahlreiche Verbände aufgesplittert sind. Sie würden sicherlich ihre Forderungen nachdrücklicher durchsetzen können,, wenn sie sich etwas mehr konzentrierten.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir bitte noch ein kurzes Wort zu einer anderen schwerwiegenden Frage. Wir haben uns hier anläßlich der Haushaltsberatungen auch mit der Frage der Ein-
stellung von Aushilfskräften für die Bearbeitung der Rentenanträge beschäftigt. Wir müssen mit Bedauern feststellen, wie mir meine Kollegen aus dem Kriegsopferausschuß bestätigen werden, daß zur Zeit in Westdeutschland insgesamt noch rund 480- bis 500 000 unerledigte Rentenanträge vorliegen.
Meine Damen und Herren, das sollte doch Anlaß für den Herrn Bundesarbeitsminister sein, im Benehmen mit dem Herrn Bundesfinanzminister trotz der damals beschlossenen und auch inzwischen durchgeführten Maßnahmen
noch einmal zu überlegen, wie man diese Dinge schneller bereinigen kann.
— Das ist ja nicht nur Sache der Landesregierung! Abgesehen davon werde ich Ihren Hinweis gern aufnehmen; denn ich sitze ja auch noch im bremischen Parlament, und wir werden zumindest in unserem Land entsprechende Schritte unternehmen. Wir sollten aber doch diese Forderung auch an diesem Platz erheben, denn es ist nicht angängig, daß die Erledigung so verschleppt wird.
Im übrigen kommt es nach meiner und meiner politischen Freunde Ansicht weniger darauf an, hier immer kollektive Maßnahmen zu treffen, als auf eine mehr individuelle Betreuung der Kriegsopfer schlechthin.
Meine Freunde und ich erwarten also — um das abschließend zu sagen —, daß die vorliegenden Gesetzentwürfe dem Ausschuß für Kriegsopferfragen überwiesen werden. Wir sind uns im Kriegsopferausschuß darüber einig, daß wir sie so schnell wie möglich behandeln werden. Andererseits erwarten wir von der Bundesregierung, daß wir jede nur erdenkliche Unterstützung bekommen werden.
Abschließend möchte ich sagen, daß auch hier gilt: Wer schnell hilft, hilft doppelt. Und hier gilt auch: Es ist billig, vom Dank des Vaterlandes zu reden; man muß ihn sich ,auch etwas kosten lassen.