Rede von
Dr.
Herta
Ilk
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In der letzten Legislaturperiode sind einige Gesetze beschlossen worden, in denen u. a. auch die Versorgung derjenigen Frauen geregelt wurde, deren verstorbene Männer Staatsdienst leisteten, sei es als Beamte — die entsprechende Regelung findet sich im Bundesbeamtengesetz und im 131er-Gesetz —, sei es, daß sie als Kriegsteilnehmer ihr Leben für das deutsche Volk hingaben oder an den Folgen einer Kriegsverletzung starben. Natürlich ist es nicht möglich, alle diese Gruppen in der Versorgung absolut gleichzustellen. Wir sollten uns aber bemühen, gleichartige Personengruppen in bedeutenden Gesetzen im Grundsatz gleich zu behandeln. Das ist nicht geschehen.
Der Antrag der Fraktion der Freien Demokraten bezweckt u. a., dieses Versäumnis nachzuholen. Bei Art. 1 Ziffer 1 unseres Antrages steht dieses Argument im Vordergrund. Beim Erlaß des Bundesversorgungsgesetzes ist offenbar übersehen worden, den Fall der Nichtigerklärung der Ehe des Verstorbenen in § 42 Abs. 1 Satz 1 aufzunehmen. Die Fälle sind relativ selten. Und doch sollte der Frau des Verstorbenen auch in diesem Fall eine Beihilfe zugebilligt werden, wenn ihr nach den eherechtlichen Vorschriften Unterhalt zu gewähren wäre. Diese Regelung ist auch im Bundesbeamtengesetz — genau so formuliert — enthalten.
Bei Art. 1 Ziffer 2 unseres Antrags steht dagegen neben dem eben zitierten mehr formalen Argument das Bestreben im Vordergrund, soziale Nöte und Härten auszugleichen, die dadurch entstehen, daß die zweite Ehe, die zum Verlust der Kriegerwitwenrente geführt hat, aufgelöst wird, ohne daß die Frau aus der zweiten Ehe anderweit versorgt wird. § 44 des Bundesversorgungsgesetzes sieht bei Vorliegen dieses Tatbestandes bereits vor, daß die Frauen, deren zweite Ehe durch den Tod des Gatten aufgelöst wird, eine Witwenbeihilfe erhalten, die allerdings etwas niedriger als die frühere Rente ist.
Zwischenzeitlich, d. h. nach Einbringung unseres Antrags ist von dem Herrn Bundesminister für Arbeit im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen eine interne Dienstanweisung ergangen, daß bei Kriegerwitwen, die bis zur Wiederverheiratung rentenberechtigt waren und deren neue Ehe durch gerichtliches Urteil gemäß §§ 28 ff. des Ehegesetzes von 1938 bzw. den Bestimmungen des Kontrollratsgesetzes von 1946 aufgehoben worden ist, als vorübergehende Maßnahme im Wege des Härteausgleichs gemäß § 89 des Bundesversorgungsgesetzes dieselbe Regelung Platz greift, wie sie das Bundesversorgungsgesetz für den Fall des Todes des zweiten Ehegatten vorsieht. Diese vorübergehende Maßnahme ist erfreulich und wird den davon betroffenen Frauen — es sind ja relativ wenige, und vielleicht hat man auch darum bereitwillig so schnell eine solche Entscheidung getroffen — manche Sorge abnehmen. Dennoch reicht eine solche interne Dienstanweisung nicht aus; sie kann, wie die Formulierung „vorübergehende Maßnahme" zeigt, jederzeit widerrufen werden. Eine gesetzliche Regelung ist daher unbedingt erforderlich. Ich glaube, daß auch die beiden Herren Minister einer solchen Regelung sehr gern zustimmen werden.
Die Fälle, in denen die zweite Ehe durch Scheidung gelöst wurde, sind leider im Verhältnis zu den soeben erwähnten Fällen wesentlich zahlreicher. Und doch halten meine politischen Freunde und ich es für unbedingt notwendig, hier eine Regelung Platz greifen zu lassen, die dem Bundesbeamtengesetz entspricht, dessen § 164 Abs. 3 lautet:
Hat eine Witwe sich wieder verheiratet und wird die Ehe aufgelöst, so lebt das Witwengeld wieder auf.
Das gilt auch für die Scheidung der zweiten Ehe. Wir beantragen für den Fall der Auflösung der zweiten Ehe zunächst nur die Zahlung einer Witwenbeihilfe. Wenn wir nicht ein Wiederaufleben der Witwenrente beantragen, wie wir es gern getan hätten, so deshalb, weil in der derzeitigen Fassung des Gesetzes bei Lösung der zweiten Ehe durch den Tod des Mannes auch nur die Gewährung einer
Beihilfe — die etwas niedriger als die Rente ist — vorgesehen ist und wir eine grundlegende Änderung der Konzeption in dieser Richtung im Augenblick nicht für angebracht halten. Ich hoffe aber, daß dies vielleicht in absehbarer Zeit einmal möglich sein wird.
Es ist sehr reizvoll, bei der Begründung unseres Antrags auf das hier so oft diskutierte Problem der Onkel-Ehe einzugehen. Ich möchte diese Frage hier nicht aufwerfen. Wir werden das Problem durch die vorgeschlagene Regelung auch nicht ganz beseitigen. Aber wir sind davon überzeugt, daß eine große Zahl der illegalen Verbindungen legalisiert wird, wenn die Kriegerwitwe weiß, daß beim Scheitern der zweiten Ehe ihre alte Rente wenigstens in Form 'einer Witwenbeihilfe wieder auflebt.
Das Problem der Onkelehe — um es nur kurz zu streifen — ließe sich hinsichtlich der Versorgung der Kriegerwitwe vielleicht eher dadurch lösen, daß die Witwenrente oder für die Kinder der Kriegerwitwe eine Vollwaisenrente gezahlt wird, wenn ein Bedürftigkeitsfall vorliegt. Aber, wie gesagt, ich möchte diesen Fall nicht weiter diskutieren, zumal da mir bekanntgeworden ist, daß der Herr Minister für Familienfragen sich über diese Frage Gutachten eingeholt hat. Ich nehme an, daß der Herr Minister für Familienfragen sich damit beschäftigen und uns zur Regelung dieser Dinge vielleicht in absehbarer Zeit eine umfassende Gesetzesvorlage machen wird.
Es ist erforderlich, daß dabei gerade der Fall der Kriegerwitwe besonders behandelt und der besonderen Lage der Kriegerwitwe Rechnung getragen wird. Ich spreche ausdrücklich von der besonderen Lage der Kriegerwitwe gegenüber den Witwen, die andere Rentenansprüche haben. Die Lage der Kriegerwitwe ist anders; denn die erste Ehe ist durch Einwirkung des Staates, der zu seinem Schutz den Mann zur Wehrpflicht herangezogen hat, gelöst worden, so daß der Staat zweifellos gerade diesen Frauen gegenüber eine ,erhöhte Sorgepflicht hat.
Wenn wir schon aus mancherlei Gründen dazu gekommen sind, im Falle der Wiederverheiratung zwar keine Rente, aber eine Abfindung zu zahlen, wenn — das möchte ich auch als Positivum buchen — im Bundesversorgungsgesetz bereits vorgesehen ist, daß bei Auflösung der zweiten Ehe durch Tod des Mannes eine Witwenbeihilfe gezahlt wird, oder wenn durch die jetzige Dienstanweisung bei Aufhebung der Ehe die Zahlung einer Witwenbeihilfe angeordnet wurde, dann soll man auch einen weiteren Schritt tun und eine Beihilfe wiederaufleben lassen, wenn die Kriegerwitwe Unglück bei der zweiten Ehe gehabt hat und diese geschieden worden ist.
Man macht gegen den Antrag, den wir hier gestellt haben, geltend, daß bei der vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung manche Eheleute sich leichter wieder scheiden lassen würden, weil sie ja wissen, daß die Frau wieder ihre alte Rente erhält. Ja, man geht sogar zum Teil soweit, zu sagen, daß Eheleute Scheidungsgründe konstruieren und absprechen und sich dann scheiden lassen würden, nur damit die Frau die Rente wieder erhält und sie dadurch, vielleicht getrennt lebend, pekuniär besser gestellt sind. Abgesehen davon, daß es heute Gott sei Dank nicht mehr so leicht ist, sich ohne weiteres scheiden zu lassen, glaube ich auch nicht, daß eine große Anzahl von Eheleuten bereit ist, sich aus solchen materialistischen Gründen scheiden zu lassen. Zumindest würde ihre Zahl ausge-
glichen werden durch die Zahl derjenigen, die sich zu einer Ehe entschließen in dem Bewußtsein, daß die Versorgung der Frau nur ruht und daß sie wiederauflebt, wenn die neue Ehe keinen Bestand hat.
Aber abgesehen von diesen Fällen, meine Herren und Damen, sehen Sie sich doch einmal in den Kreisen Ihrer Bekannten um, dann werden Sie feststellen, daß es eine ganze Reihe von Kriegerwitwen gibt, die in dem guten Glauben, Glück in der zweiten Ehe zu finden, eine neue Ehe eingegangen sind und deren Ehe dann ohne ihr Verschulden geschieden wurde. Diese Frauen befinden sich in einer sehr großen Notlage und sind auf die Fürsorge angewiesen. Wir können nicht gerade diesen Frauen, die schon durch die Auflösung ihrer ersten Ehe soviel Leid getragen haben, zu dem neuen seelischen Leid auch noch einen materiellen Verlust zufügen und sie Not leiden lassen. Es ist, glaube ich, ganz besonders unsere Pflicht, gerade den Kriegerwitwen zu helfen und ihre Last zu erleichtern.
Ich bitte Sie, noch einmal an das zu denken, was ich am Anfang sagte: Es war ja letztlich der Staat, der ihre erste Ehe zerstört und ihnen die Glücksmöglichkeit der ersten Ehe und die Versorgung durch die erste Ehe genommen hat. Darum halten wir Freien Demokraten es für absolut erforderlich, eine Regelung zu finden, durch die diesen Frauen geholfen wird, wie es auch bereits bei den Beamtenwitwen geschehen ist. Wir halten das für um so notwendiger, als wir davon überzeugt sind, daß der Kostenaufwand — auch das wird leider sehr oft geltend gemacht — keinesfalls so groß sein wird. Die Zahl der Scheidungen wird ja gottlob nicht so sehr groß sein, daß dadurch der Etat, der für die Kriegsopferversorgung vorgesehen ist, wesentlich belastet würde.
Ich wäre Ihnen daher dankbar, meine Herren und Damen, wenn Sie bei der anschließenden Ausschußberatung — ich beantrage hiermit namens meiner Fraktion, den Antrag dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen zu überweisen - diesem Antrag besondere Beachtung schenkten und unseren Argumenten, die Sie sicherlich anerkennen werden, Rechnung trügen.