Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich könnte mir vorstellen, daß zur gleichen Zeit, in der wir gestern hier im Bundestag der Bundesrepublik über Entstehung, Ursachen und Folgen des Johnschen Verrates gesprochen und nach einem für uns erreichbaren Schuldigen gefahndet haben, der Chef der sowjetischen Befehlsstelle für die Führung des Kalten Krieges seinem Deutschlandbearbeiter mit Worten der Anerkennung einen hohen Orden verliehen hat für den
Erfolg seiner planmäßig verlaufenen Operation John und Schmidt-Wittmack.
Die gestrige Debatte des Bundestages und die Tatsache, daß diese Debatte leider heute fortgesetzt werden muß, sind der beste Beweis dafür, in welchem Maße es der geschickten östlichen Regie gelungen ist, in einer Zeit höchster innen- und außenpolitischer Spannung und gefahrvoller Krisen für die Zukunft der Bundesrepublik, ja auch Europas ein allgemeines Gefühl der politischen Unsicherheit und eine Atmosphäre des wechselseitigen Mißtrauens zu schaffen. Der Verlauf der gestrigen Sitzung ist für mich ein erschreckender Beweis für diese Behauptung.
Nach meiner Ansicht sind sowohl John wie auch Schmidt-Wittmack in dem üblichen Sinne keine Agenten der östlichen Macht, sondern sind einfach Figuren gewesen, die die östliche Regie zu einem ihr genehmen und günstig erschienenen Zeitpunkt ihres psychologischen Angriffs eingesetzt hat. Wären sie wirklich Agenten in dem Sinne, wie wir es verstehen, gewesen, so säßen beide, davon bin ich überzeugt, heute noch hier in Westdeutschland.
Ich werde keine großen Worte über die Entstehungsgeschichte des Falles, über die Schuldfrage und über die charakterliche Analyse eines zum Verräter gewordenen John verlieren. Hierüber ist nach meinem Gefühl bereits zuviel gesprochen und bereits zuviel geschrieben worden, mehr, als es die Sicherheit unserer Demokratie eigentlich verträgt.
Ich will auch keinen Beitrag dazu liefern, ob die anfangs zweifellos nicht geschickte psychologische Behandlung des Falles John in dieser Zeit reifender schwerer politischer Entschlüsse noch Schlagzeilen verdient. Ich möchte versuchen, in kurzen Ausführungen nur einige Randbemerkungen zu dem Fall John und seiner Behandlung zu machen.
Wenn ich mich im folgenden im Sinne einer sachlichen und positiven Kritik zu dem Problem eines politischen Nachrichtendienstes äußere, so tue ich das nicht als ein Mensch, der jemals als fachliche Kraft in irgendeiner Form dem Nachrichtendienst angehört hat. Ich habe aber in vielen Dienststellen meiner militärischen Laufbahn mit den verschiedensten Nachrichtendiensten, nicht nur mit den militärischen, zu tun gehabt und besitze deshalb vielleicht eine gewisse Erfahrung.
Einige Bemerkungen vorweg: Manche Menschen versuchen, an die Ereignisse des Jahres 1944 oder 1950 oder 1954 die gleichen Maßstäbe anzulegen, wie sie sich aus dem heutigen Blickpunkt ergeben. Meines Erachtens kommt man nur dann zu einer sachlich richtigen Beurteilung der politischen Geschehnisse, wenn man sich in das Klima der jeweiligen Epoche versetzen kann und sowohl die politischen Möglichkeiten der Bundesrepublik wie die menschlichen Handlungen aus dieser Atmosphäre heraus betrachtet. Fehlurteile ergeben sich besonders dann, wenn weltfremde Menschen in einer oft anmaßend anmutenden Naivität sich nicht darüber im klaren sind, daß jedes Land primär und ausschließlich in seinem Interesse handelt, sofern es nicht um gemeinsame Interessen gleichgesinnter Staaten geht. Der Franzose spricht und handelt selbstverständ-
lich als Franzose, der Engländer als Engländer, und der Deutsche sollte nicht anders handeln, er sollte aber auch nichts anderes von fremden Nationen erwarten. Ich bin sicher, daß die britische Regierung 1944, im Kriege mit Deutschland, die Figur John als eine nützliche Hilfe britischer Interessen angesehen hat. Auch die Alliierten hatten, ganz nüchtern betrachtet, 1950 bestimmt noch kein Interesse daran, einen gut funktionierenden und im rein deutschen Interesse arbeitenden Nachrichtendienst aufzubauen. Im Gleichklang mit der veränderten politischen Lage ist heute der britische Außenminister bemüht, die nunmehr gemeinsamen Interessen der freien europäischen Völker einschließlich der Bundesrepublik als ehrlicher Makler zu fördern.
Ich habe aus der gestrigen Debatte den Eindruck gewonnen — ich habe ihn aber auch sonst —, daß in der Bundesrepublik die Kenntnis über die Aufgaben und das Wesen eines politischen Nachrichtendienstes gering ist. Abgesehen von reißerisch aufgemachten und oft nur ein Körnchen Wahrheit enthaltenden Zeitungsberichten, sehe ich die Ursache dafür darin, daß die Bundesrepublik im Gegensatz zu anderen Staaten keinen als Beispiel dienenden Vorgang und keine nachrichtendienstliche Erfahrung besitzt, die auf die gegenwärtige politische Lage und die Notwendigkeiten des Kalten Krieges anwendbar sind. Wir, d. h. in diesem Falle die gesamte westliche Welt, stehen den Methoden und den Waffen des Kalten Krieges noch zu unerfahren gegenüber und wissen den ideologischen Angriffen der Kommunisten auf die Demokratie nicht schnell genug und vor allen Dingen nicht offensiv zu begegnen. Ich möchte daran die Bemerkung knüpfen, daß vielleicht gerade wir Deutschen auf dem Gebiete der Psychologie, auf dem Gebiete der Menschenführung nicht besonders begabt sind.
Der Verfassungsschutz als politischer Nachrichtendienst dient der Sicherung des Staates gegenüber allen Kräften, die die Zerstörung der Grundlagen des Staatswesens anstreben. Ich persönlich halte die kommunistischen Kräfte für die weitaus gefährlichsten, schon allein aus dem realen Grunde, weil hinter dem Kommunismus ein ungeheures, ganz Europa überlegenes politisches Machtinstrument in der staatlichen Form des Sowjetblocks steht.
Ich bin überzeugt, daß allein die Ausstrahlung und die Anziehungskraft dieser realen Macht die kommunistischen Kräfte in den nichtsowjetischen Ländern zu einem Machtfaktor haben werden lassen. Wir haben selber die Erfahrung gemacht, daß Macht anzieht, und zwar nicht nur, wie gestern gesagt worden ist, Spießer und vorsichtige Leute. Die Ultra-Rechtsbewegung dagegen bedeutet wegen des Fehlens einer effektiven Macht, die hinter ihr steht, nicht annähernd die gleiche Gefahr, abgesehen davon, daß der Nährboden für ein gefährliches Wachstum in der Bundesrepublik für diese Bewegung endgültig verloren ist, wenn man von kleinen Gruppen absieht, deren Bedeutung leider Gottes sehr oft durch die Presse aus Sensationslust, vielleicht auch manchmal in böswilliger Absicht weit übertrieben wird. Die Ultra-Rechtskreise haben insofern allerdings eine Bedeutung, als sie in ihrer
Wirkung die staatsfeindlichen Kräfte des Kommunismus verstärken und die demokratischen Abwehrkräfte zersplittern.
Welche Aufgaben hat nun der politische Nachrichtendienst? Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß der politische Nachrichtendienst niemals von sich aus neue politische Situationen schafft. Er beleuchtet auf seine Weise und mit seinen Mitteln die bestehende Situation, indem er das vom Gegner Geheimgehaltene aufklärt und damit zugleich die Entwicklungsmöglichkeiten der politischen Lage für die Zwecke des verantwortlichen Politikers deutet. Er beschäftigt sich nur mit den Regisseuren der anderen Seite, mit ihrer Taktik und, wenn es geht, auch mit der Strategie der dortigen Führung, damit die eigene politische Führung darauf eingestellt ist und man der Absicht des Gegners vorbeugen oder begegnen kann.
Dies erfordert ein ungeheuer elastisches und sich jeder Veränderung auf der Gegenseite anpassendes Instrument. Der Verfassungsschutz als politischer Nachrichtendienst ist deshalb — er sollte es jedenfalls sein — eine mit keiner anderen staatlichen Institution vergleichbare Sonderinstitution, die sich jeder Abhängigkeit von der Verwaltung und damit jedem Schema entziehen muß. Sein Wesen und seine Tätigkeit werden lediglich vom Politischen her bestimmt, er ist ein Organ der verantwortlichen politischen Führung, deren Diener er sein soll.
Ich bin weiterhin der Ansicht, daß ein politischer Nachrichtendienst, wie wir ihn im Verfassungsschutzamt haben, eher klein als groß sein soll. Schon aus diesem Grunde halte ich es nicht für richtig, ihn der Verwaltung einzuordnen, da sich dort sehr oft — und das bezieht sich nicht auf die staatlichen Organisationen allein — die Eigenschaften der Hydra bemerkbar machen, nur im Gegensatz zur Sage mit dem Unterschied, daß hier oft Köpfe nachwachsen, ohne daß vorher welche abgeschlagen sind. Ich bin deshalb der Auffassung, daß alle Zweige der staatlichen Verwaltung der öffentlichen parlamentarischen Behandlung unterliegen sollten, daß aber der Verfassungsschutz, der im Interesse der Sicherheit unseres Staatswesens nicht vom Verwaltungsmäßigen her bestimmbar ist. sich als Thema für eine breite parlamentarische Behandlung nicht eignet. Diese liefert in jedem Falle dem Gegner Material. Wenn z. B. der feindliche Nachrichtendienst, sagen wir, ein angenommener Befehlsstand des Kalten Krieges, eine Analyse der gestrigen Debatte durchführen würde, könnte er zweifellos viele Ansatzpunkte finden, wohin er seine zerstörenden Bestrebungen richten soll. Das bezieht sich nicht allein auf das Problem des 20. Juli, sondern auch auf Spannungen und Mißtrauen, die sich gestern in der Debatte ergeben haben.
— Ich habe es nicht verstanden, aber es war sicher sehr schön.
Ich glaube, es gibt in der Demokratie auch noch andere Formen für die Behandlung von Dingen, wenn sie im Interesse der Demokratie notwendig ist, als die, sie ausgerechnet in der breiten Öffentlichkeit zu erörtern.
Ich sehe in der Tatsache, daß es trotz unserer zweifellos schwierigen und kritischen Lage nicht möglich gewesen ist, diese unser aller Sicherheit betreffenden Fragen außerhalb der breiten Öffentlichkeit zu behandeln, einen Beweis dafür, wie labil die innere Struktur unseres jungen Staates noch ist. Ich bin überzeugt, daß die alten und erfahrenen westlichen Demokratien hinsichtlich ihrer nachrichtendienstlichen Angelegenheiten geräuschloser arbeiten und ohne gesetzgeberische Maßnahmen und vielleicht auch ohne parlamentarische Debatten auskommen.
Ich freue mich, daß gestern meine Fraktionskollegen von Brentano und Kiesinger und auch andere Sprecher aus der Koalition den Gedanken der Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten hervorgehoben haben. Ich schließe mich dem an. Ich bin überzeugt, daß es Aufgabe des ganzen Hauses ist, in diesen Fragen das Parteiinteresse gegenüber dem Interesse des Ganzen zurückzustellen und die Behandlung des Themas in der Öffentlichkeit — soweit sie überhaupt jetzt noch möglich ist —, nach Form und Inhalt nur so weit zu vertiefen, als es unserem gemeinsamen Interesse und unserer gemeinsamen Verantwortung entspricht. Wenn wir in der heutigen äußerst kritischen Situation es nicht fertigbringen, eine einheitliche überparteiliche Linie in der Behandlung des ganzen Fragenkomplexes zu finden, werden wir nicht nur einem frohlockenden Gegner in die Hände spielen, sondern meiner Überzeugung nach auch gegen den Willen der Mehrheit des Volkes handeln. Wir vergessen allzu oft, daß wir noch keinen echten Frieden haben und daß man auch im Zeichen des Kalten Krieges dem Gegner nicht die eigenen schwachen Stellen aufzeigen und ihm I) damit die Möglichkeit eines allzu leichten Einbruchs geben darf. So wie auch heute trotz der Preisgabe des EVG-Plans die europäischen Staaten in einem Boot sitzen — wenn auch im Moment auf getrennten Bänken — und auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden sind, so gibt es auch in der Bundesrepublik staatliche Aufgaben, die nur unter gemeinsamer Verantwortung von Regierung und Opposition gelöst werden können. Das bezieht sich nach meiner Auffassung einmal auf die Außenpolitik, dann aber auch auf alle anderen Maßnahmen, die in irgendeiner Form mit der Sicherung unseres jungen und — darüber sind wir uns wohl alle klar — noch sehr anfälligen Staatswesens zusammenhängen. Ich beschränke mich an dieser Stelle darauf, diese Forderung zu erheben, ohne sie im einzelnen zu begründen.
Ich will nur noch mit einigen Worten auf die gemeinsame Verantwortung von Koalition und Opposition hinsichtlich des politischen Nachrichtendienstes hinweisen.
Der ganze Realismus der politischen Wirklichkeit findet seinen klarsten Ausdruck darin, daß es gegenüber dem Kommunismus keinen Unterschied zwischen Koalition und Opposition gibt. Dieser Unterschied ist auf anderen Gebieten eine wertvolle Wirklichkeit, ihn aber angesichts der unmittelbaren Bedrohung der gemeinsamen Existenz aufrechtzuerhalten, bedeutet, so wie die Dinge heute liegen, die Stärkung des lebensgefährlichsten Gegners. Jeder deutsche Nachrichtendienst sollte deshalb dem Klima der Vorherrschaft der Parteiinteressen und einer sich daraus ergebenden
Stellenbesetzung entzogen werden, ebenso wie eine zu weitgehende Aufteilung in mehr oder weniger selbständige Verfassungsschutzämter ohne eine weisungsberechtigte Bundeszentrale nicht zweckmäßig ist. Kein nachrichtendienstlicher Gegner und keiner seiner Helfershelfer werden regionalen Gliederungen in unserer kleinen Bundesrepublik eine größere Bedeutung zumessen als Postleitzahlen. Unzeitgemäße und unzweckmäßige Überbetonung der regionalen Gliederungen des Verfassungsschutzes geht auf die seinerzeit verständliche, aber inzwischen nicht mehr gerechtfertigte Siegermentalität von 1945 zurück. Auf Grund der Erkenntnis, daß ebenso wie beim Kriminalamt auch beim Nachrichtendienst Sonderinteressen dem Ganzen untergeordnet werden müssen, wird sich eine für alle tragbare und arbeitsfähige Lösung finden lassen. Es wird sich dann sehr bald zeigen, daß sich in dieser Frage Bundes- und Länderinteressen nicht unterscheiden, weil sie identisch sind.
Ein Wort zur Polizei. Sie hat ganz andere Aufgaben als der politische Nachrichtendienst, womit nicht gesagt werden soll — ich kenne die Struktur des Verfassungsschutzes nicht genau —, daß es nicht möglich wäre, einige Aufgaben, die bisher der Verfassungsschutz zu erfüllen hatte und die in die Exekutive hineingehen, der Kriminalpolizei abzugeben. Die Arbeit des politischen Nachrichtendienstes entzieht sich sowohl den Möglichkeiten als auch den Notwendigkeiten der Polizei, die stets ein Teil der staatlichen Verwaltung bleibt und bleiben soll. Polizei und Verfassungsschutz sind jedoch aufeinander angewiesen, weil sie ineinander übergehen und sich ergänzen. Man kann vielleicht mit einem Wort, das nicht von mir stammt, das Verhältnis von Polizei und Verfassungsschutz schlagwortartig zusammenfassen: Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe zu „erkennen"; das „Erkannte" weiterzubehandeln, ist Sache der Polizei.
Organisatorisch sollte man beim politischen Nachrichtendienst von der bei uns Deutschen so beliebten Kästchenorganisation mit einer festgelegten Hierarchie abgehen. Ich könnte es mir als zweckmäßig vorstellen, daß an der Spitze des politischen Nachrichtendienstes eine politische Persönlichkeit von Ansehen und Gewicht steht, die auch gegenüber den höchsten Staatsbehörden die notwendige Durchschlagskraft besitzt. Es ist meiner Ansicht nach nicht nötig, daß diese Persönlichkeit ein Nachrichtenspezialist ist, abgesehen davon, daß wir über sehr wenige Spezialisten auf diesem Gebeit verfügen. Einer der wenigen, der ebenfalls über die notwendige Lebenserfahrung verfügt, ist ein Fraktionskollege von mir. Im übrigen bedeutet aber der Spezialist in hohen Stellungen keineswegs immer die glücklichste Lösung aller Probleme. Die Hauptsache scheint mir zu sein, daß eine solche Persönlichkeit, wie sie mir vorschwebt, mit den politischen Spielregeln vertraut ist und daß sie für diese schwere und verantwortungsvolle Aufgabe die charakterlichen Voraussetzungen mitbringt, wobei es völlig gleichgültig ist, aus welchem parteipolitischen Lager der demokratischen Parteien sie kommt. Die Persönlichkeit muß natürlich ebenso wie vergleichsweise der Bundespräsident die Gewähr dafür bieten, daß sie ihr Amt über den Parteien stehend führt. Ich habe keinen Zweifel, daß wir mehrere solche Männer zur Verfügung haben. Einer solchen Persönlichkeit ist dann ein kleiner, aber ausgesuchter — ausgesucht nach Fachwissen, nach charakterlicher Integrität
und nach staatsbejahender Gesinnung — Stab von Fachleuten beizuordnen. Auf diese Weise werden wir hoffentlich dazu kommen, daß ein wirklicher und den deutschen Verhältnissen angepaßter Nachrichtendienst in engem persönlichem Kontakt der politischen Führung die Unterlagen für ihre Entschlußfassung liefert.
Und noch ein Wort zu der von mir betonten Notwendigkeit des engen Kontaktes. Ich weise deshalb darauf hin, weil nach meinem Gefühl die Handhabung des politischen Nachrichtendienstes durch die bisher zuständigen Stellen bis nach oben hin nicht allen Möglichkeiten, die in einem richtig aufgezogenen politischen Nachrichtendienst liegen, Rechnung getragen hat. Ein politischer Nachrichtendienst, der seine Auswertung und seine Erkundung sozusagen auf dem Dienstwege und nur ab und zu in persönlichen Gesprächen durch sämtliche Instanzen bis nach oben weitergibt, hat nicht mehr Wert als einer der vielen Presse- und Informationsdienste.
Ich möchte einen Vergleich aus meiner militärischen Erfahrung bringen, nachdem Themen über alles, was mit Soldatentum zusammenhängt, heute fast wieder gesellschaftsfähig geworden sind.
— Ja, zum Teil! Es ist eine alte Erfahrung, die sich in der Geschichte immer wieder bestätigt hat, daß die größten Erfolge auf allen Gebieten dort erzielt werden, wo es gelingt, die verantwortlichen Mitarbeiter durch den Kontakt von Mensch zu Mensch so weit zu beeinflussen, daß sie in der Lage sind, auch bei Fortfall der räumlichen Nähe des verantwortlichen Vorgesetzten im Sinne der Führung zu handeln und damit die eigene Entschlußfassung auch ohne unmittelbare Befehlserteilung auf das von der Führung angestrebte Ziel auszurichten. Nur auf diese Weise kann man erreichen, daß man auch in höheren verantwortungsvollen Stellen Mitarbeiter bekommt, die, wie es der klassische Ausdruck des britischen Admirals Nelson besagt, eine band of brothers, eine Gemeinschaft von Brüdern bilden. Diese Forderung scheint mir beim politischen Nachrichtendienst unbedingt notwendig zu sein. Nur der persönliche Kontakt, und zwar der unmittelbare Kontakt, wird den Chef eines politischen Nachrichtendienstes in die Lage versetzen, den Nachrichtendienst als Diener der politischen Führung einzusetzen.
Ein Wort zur Methode und Arbeitsweise des Verfassungsschutzes. Es ist selbstverständlich, daß nicht nur alle staatlichen Einrichtungen, sondern alle Parteien und alle Organisationen Objekt des kommunistischen Angriffes sind, Organisationen wie z. B. die Arbeitgeberverbände, die Gewerkschaften, die Jugendgruppen und alle kirchlichen Vereinigungen usw. Was liegt näher als der Gedanke, daß ein elastischer und unbürokratischer Nachrichtendienst mit den Vorständen und Leitungen derartiger Verbände zusammenarbeitet und sie auch verantwortlich in die Abwehr der ideologischen kommunistischen Angriffe zur Verhinderung der inneren Zermürbung einschaltet?
Abschließend ein Vorschlag zur parlamentarischen Kontrolle einer Nachrichtenorganisation. In einer alten und gerade auf dem Nachrichtengebiet geschulten Demokratie – wobei nicht gesagt sein soll, daß dort nicht auch Fehler und Versager vorkommen — gibt es keine sichtbare parlamentarische Kontrolle, gibt es keinen öffentlich ausgelegten Haushaltsplan für den Nachrichtendienst, und es gibt keine allgemein bekannte Stellenbesetzung. Das ist im Grunde das für den Nachrichtendienst Zweckmäßigste. Es setzt aber eine Tradition und ein Vertrauen in diese Institution voraus, die bei uns nicht vorhanden sind. Ich könnte mir deshalb vorstellen, daß in dieser oder jener Form eine gewisse demokratische Kontrolle — Kontrolle nicht im Sinne der Überwachung, sondern der gemeinsamen Bemühung um Sicherung gegen Mißbrauch und Mißverständnis —vertrauen-schaffend wirken kann, um die Sorge vor einem Wiedererstehen des SD oder einer ähnlichen Machtkonzentration zu beheben. Allerdings bin ich der Auffassung, daß eine solche Kontrolle, wenn sie in Erwägung gezogen wird, nur einem ganz kleinen Kreis von Menschen verantwortlich übertragen werden sollte. Ich könnte mir sogar denken, daß man nur einen Abgeordneten der Koalition und einen der Opposition zu dieser Aufgabe heranzieht, wobei es nicht einmal nötig ist, daß die Namen dieser beiden Abgeordneten der Öffentlichkeit bekannt sind.
Ich persönlich verspreche mir nicht allzuviel von einem Untersuchungsausschuß, sofern er einen größeren Kreis umfaßt. Ich will aber diese Frage nicht weiter vertiefen. Ich sehe ein, daß eine Überprüfung notwendig ist, glaube jedoch, daß sich noch andere Möglichkeiten finden lassen, diese Fehler und Versager in der Zukunft — das kann ja nur der Sinn sein — auszuschalten.
Ich halte es für überflüssig und auch unzweckmäßig, über diesen Rahmen hinaus noch die Probleme des Nachrichtendienstes, seine Vergangenheit und seine Zukunft vor der Öffentlichkeit darzulegen. Nur noch einmal kann ich aus meiner Erfahrung darauf hinweisen, daß die Verantwortung gerade in den Fragen der Sicherheit unseres schwach geschützten Staates auf uns allen liegt und daß wir, wenn wir diese These nicht beachten, dem im Kalten Kriege überlegenen Gegner — daran ist wohl kein Zweifel — das Material in die Hände spielen. Der Gegner ist lebensgefährlich, weil diktatorische Systeme — um mit dem Bundespräsidenten zu sprechen — den Menschen verstaatlicht haben. Der Mensch ist zu einem Teilchen einer exakt arbeitenden Staatsmaschinerie geworden, die durch einen Hebeldruck kurz und schnell in Aktion gesetzt werden kann. Die Demokratie hingegen strebt die Vermenschlichung des Staates an, und die Demokratie ist immer ein Umweg, niemals die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten. Sie ist der Umweg über die Menschlichkeit in der Bemühung, Notwendiges und Mögliches für die Gemeinschaft zu tun. Eins aber ist notwendig. Die Demokratie kann den Nachteil der verzögerten Handlungsfähigkeit bei lebenswichtigen staatlichen Funktionen — ein Nachteil, der durch das Wesen der wahren Demokratie bedingt ist und auf den wir nicht verzichten wollen und dürfen — nur dadurch ausgleichen, daß sie Persönlichkeiten von einwandfreiem Charakter und erprobter Zuverlässigkeit mit solchen Aufgaben betraut und sie damit ermächtigt, im Interesse der Gemeinschaft verantwortlich zu handeln. Der Mensch, die Persönlichkeit hat deshalb in der Bundesrepublik eine sehr viel größere Bedeutung als eine noch so vollendete Organisation, in der wir ja sonst Meister sind. Es kommt darauf an — um ein kurzes Wort zu gebrauchen —, den richtigen Mann an die richtige Stelle zu setzen.
Diese Erkenntnis muß daher der Leitgedanke gerade auch bei der Stellenbesetzung des Nachrich-
tendienstes sein. Es kommt nicht auf viele an, sondern es kommt nur darauf an, wer da sitzt, völlig unabhängig davon, woher er kommt und was er sonst tut. Ich habe das feste Vertrauen, daß wir trotz des Materialismus und aller Schicksalsschläge in allen Kreisen der Bevölkerung noch genügend Menschen haben, die bereit sind, eine Sache um der Sache willen zu tun und sich im wahren Sinne für die Sache der Gemeinschaft einzusetzen.